Schnelle Hilfen? Bitte warten!

Schnelle Hilfen? Bitte warten!

Schnelle Hilfen? Bitte warten!

André Tautenhahn
Ein Artikel von André Tautenhahn

Die schnellen Hilfen vom Staat scheitern bereits an der Umsetzung. Serversysteme, wie das der Niedersächsischen NBank sind von Beginn an überlastet. Andere Förderprogramme, wie das der Stadt Hannover sind vielleicht gut gemeint, werden aber nach dem “Windhundprinzip” gestaltet. Also wer zuerst da ist und Glück mit dem Server hat, kommt vielleicht an Geld. Sobald der Topf aber leer ist, gibt es dann für alle anderen, die möglicherweise auch einen Anspruch hätten, leider keine Hilfe mehr. Sie dürfen ihr Glück weiter bei der NBank versuchen. Die Konstruktion mit Online-Formularen, hier am Beispiel Niedersachsen dargestellt, ist angesichts des zu erwartenden Antragsaufkommens hoch problematisch, aber auch auf übergeordneter Ebene läuft die Organisation der staatlichen Hilfen grundfalsch. Von André Tautenhahn.

So schreibt die Süddeutsche Zeitung mit Blick auf die Notlage von Künstlern und Freiberuflern von einem “Bollwerk verweigerter Hilfe”. Statt unbürokratischer Unterstützung werden Antragssteller mit seitenlangen Formularen traktiert, die der Maschinerie des menschenverachtenden Hartz-IV- und Grundsicherungssystems entspringen. Dies ist wiederum seit den rot-grünen Reformen konsequent auf Misstrauen aufgebaut und gepflegt worden. Daran hat sich die Gesellschaft leider beinahe schon gewöhnt, doch jetzt sind plötzlich noch viel mehr Menschen betroffen, vor allem auch die, “die doch alles getan haben, was die neoliberalen Sozialdemokraten um die Jahrtausendwende von ihnen verlangt haben. Kreative und eigenverantwortliche Selbstständige, die Steuern gezahlt haben, ohne vom Staat einen Cent zu fordern, und deren einziger Fehler es war, dass sie nicht reich genug geworden sind, um einen ökonomischen Shutdown zu überleben.

Sie dürfen in der Regel auch nicht auf Soforthilfen hoffen, da die nur dazu da sind, laufende Betriebsausgaben wie Mieten für Büros oder Leasingraten weiter bedienen zu können. Soloselbstständige haben aber eher geringe Kosten. Sie leiden unter dem Wegfall von Honoraren, die der Deckung ihres Lebensunterhalts dienen. Doch Ausfälle von Umsätzen, die durch wegbrechende Aufträge entstehen, sind ausdrücklich nicht ersatzfähig. Die Hilfe zum Lebensunterhalt regelt das Sozialgesetzbuch mit seinen restriktiven Vorgaben, an denen immer noch festgehalten wird, obwohl die Regierung sinnvolle Dinge, wie die Aussetzung der Vermögensprüfung, bereits beschlossen hat. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für einen Teil der Bevölkerung eben keine unbürokratische Hilfe gibt.

Alle zum Nichtstun verdammten Künstler ohne Rücklagen erfahren in dieser Krise, was das konkret bedeutet. Sie werden von einer anonymen Bürokratie behandelt, als wollten sie den Staat bestehlen. Wenn die gönnerisch auftretende Politik dieses System nicht schnell niederreißt, führen ihre Versprechen nur zu einem tief greifenden Vertrauensverlust in die Kompetenz der Demokratie, ihren Bürgern wirklich zu helfen, wenn es darauf ankommt.

Quelle: Süddeutsche

Einer muss den Schirm auch halten

Wer Grundsicherung beantragt, muss weiterhin sehr viele Nachweise beifügen, wie Angaben zum Mietvertrag, zu den Heizkosten, Versicherungen, Arbeitsbescheinigungen der letzten Jahre, Kontoauszüge usw. usf. Der Aufwand für Betroffene ist das eine, die Bearbeitung das andere. Die Behörden werden in den kommenden Tagen und Wochen alle Hände voll zu tun haben. Sie müssen sehr viele Anträge sichten und bewerten. Da geht es nicht nur um Grundsicherung, sondern auch um Arbeitslosengeld, Kurzarbeit, Kinderzuschlag, Wohngeld und viele weitere Dinge. Wie soll man das bei so viel Betroffenen zügig abarbeiten?

Der Staat spannt milliardenschwere Schutzschirme auf, vergisst aber, dass die öffentlichen Verwaltungen gar nicht über die personellen Kapazitäten verfügen, die dann auch noch gesund bleiben müssen. Vor ein paar Wochen hat das Land noch darüber diskutiert, dass Investitionsmittel, welche der Bund zur Verfügung stellt, gar nicht abgerufen würden. Gründe sind die umfangreichen und zum Teil komplizierten Förderrichtlinien, aber auch der Personalmangel in den Behörden. Geht es nach dem Willen von Rechnungsprüfern, müsste man diesen Zustand wegen der absurden Schuldenregel (die mittlerweile auf Bundesebene ausgesetzt ist) auch noch verschärfen.

Noch einmal der Blick nach Niedersachsen. Hier hat die Präsidentin des Niedersächsischen Landesrechnungshofs (LRH) Dr. Sandra von Klaeden Anfang März ihren Jahresbericht vorgestellt. Darin schreibt sie:

Die Herausforderungen müssen mit strikter Ausgabendisziplin, effektiven organisatorischen Strukturen und klaren Prioritäten gelöst werden. Das Land muss das Ausgabenwachstum begrenzen, insbesondere im Bereich der Personalausgaben. […] Es gilt die Schuldenbremse – ohne Wenn und Aber. Es wird also erforderlich sein, diese Mittel zu erwirtschaften, und zwar durch Einsparungen an anderen Stellen.

Anspruch und Wirklichkeit passen nicht zusammen. Es wird daher kaum gelingen, schnelle Hilfen dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden. Eher wird es zu Enttäuschungen und Frust kommen. Damit entsteht keine Sicherheit, obwohl das die Währung der Stunde sein muss, um die Gesellschaft halbwegs intakt zu halten. Der Ökonom Heiner Flassbeck sagt daher, dass die Hilfen einem viel einfacheren Prinzip folgen sollten.

Es gibt viele Einzelregeln. Man sollte meines Erachtens eine furchtbar einfache Regel aufstellen, die da heißt: Jeder Mensch in Deutschland, der jetzt Corona-bedingt Einnahmeausfälle hat, bekommt vom Staat das, was er in den letzten drei Monaten oder sechs Monaten verdient hat. Das kann man leicht nachweisen. Das kann auch ein Unternehmer nachweisen in der Regel. Das sollte ihm für drei Monate garantiert werden. Dann muss man nicht über Mieten und all das reden.

Quelle: Deutschlandfunk

Man sollte darüber nachdenken, denn einen Schirm aufzuspannen, ist das eine, ihn schützend über den Kopf der Betroffenen zu halten, das andere.

Bildnachweis: Titelbild: Elnur/shutterstock.com
Screenshot von NBank-Seite vom 26. März 2020

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