Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Heute u. a. zu folgenden Themen: EU sorgt sich um Demokratie; Axel Weber wäre ein Risiko für den Euro; Rede Ottmar Schreiners zum“Sparpaket“; Ringen um das Existenzminimum; schrumpft, Millionäre wachsen; Die Linke und der Verfassungsschutz; massive Kritik an Betreibern des Uni-Klinikums Marburg; Partei-Sponsoring; wo die Nichtwähler wohnen; Erstklässler müssen zum Psychiater; in den Ferien; Komorowski – Hoffnung für die Deutschen; Santos wird Präsident in Kolumbien; Mail aus Kirgisistan; Festrede von Georg Schramm beim Prix Pantheon 2010. (KR/WL)

  1. EU sorgt sich um Demokratie
  2. Axel Weber wäre ein Risiko für den Euro
  3. Rede Ottmar Schreiners (SPD) im Bundestag zum“Sparpaket“
  4. Paul Krugman: Talking To A Dining Room Table
  5. Ringen um das Existenzminimum
  6. Vermögensreport: Wirtschaft schrumpft, Millionäre wachsen
  7. Die Linke und der Verfassungsschutz: Ein Feind, der keiner ist
  8. Initiative übt massive Kritik an Betreibern des Uni-Klinikums Marburg
  9. Partei-Sponsoring: Anhörungen in Berlin und Dresden
  10. Politische Parallelwelten: Wo die Nichtwähler wohnen
  11. Immer mehr Erstklässler müssen zum Psychiater
  12. Arbeitslos in den Ferien: Kein Heuern und Feuern!
  13. Komorowski – Hoffnung für die Deutschen
  14. Santos wird Präsident in Kolumbien
  15. Mail aus Kirgisistan
  16. Zu guter Letzt: Festrede von Georg Schramm beim Prix Pantheon 2010

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. EU sorgt sich um Demokratie
    Mit einem außergewöhnlichen Hilferuf setzt sich das Europaparlament gegen die Übermacht der Finanzlobby zur Wehr. “Das Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr für die Demokratie”, schreiben die für die Regulierung des Finanzsektors verantwortlichen Abgeordneten in einem fraktionsübergreifenden Aufruf, den sie am Montag EU-weit verbreiten wollen.
    In dem der FTD vorliegenden Papier fordern sie die Bürger auf, schlagkräftige Nichtregierungsorganisationen für die Reform der Finanzmärkte zu gründen. “Uns fehlen Stimmen, wie wir sie mit Greenpeace in der Umwelt- oder Misereor in der Entwicklungspolitik haben”, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. Für die Finanzmärkte habe bisher keine Gewerkschaft oder Denkfabrik eine Expertise entwickelt, die derjenigen der Geldbranche standhalte, beklagten auch Burkhard Balz (CDU) und Udo Bullmann (SPD).
    Quelle: FTD
  2. Axel Weber wäre ein Risiko für den Euro
    Im Interview spricht Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman über mehr Schulden, die Auswirkungen der deutschen Stabiltätskultur und die Unterschätzung der Deflationsgefahren. Dabei polemisiert er über die falsche Strategie der EZB und gegen Bundesbank-Chef Weber.
    Quelle: Handelsblatt
  3. Rede Ottmar Schreiners (SPD) im Bundestag zum“Sparpaket“
    Quelle: Deutscher Bundestag
  4. Paul Krugman: Talking To A Dining Room Table
    I’m still in Germany, and the event was lovely. The policy conversations, not so much.
    We talk about the euro crisis. They say, “Clearly, this was about fiscal irresponsibility, and we need to enforce much stricter rules.” I say, no fiscal rule would have constrained the Spanish housing bubble and its consequences.

    Paul Krugman: Talking To A Dining Room Table
    (blau: Deutschland, rot: Spanien, RS)

    And they say, “Thank you for your contribution. Clearly, this was about fiscal irresponsibility, and we need to enforce much stricter rules.”
    Oh, and on monetary policy ― I find myself recalling how Rudi Dornbusch came down to breakfast one day and greeted a German central banker ― I don’t remember who ― with a cheery “And stable prices to you, sir!”
    Quelle: NYT

    Anmerkung Roger Strassburg (auf Krugmans Blog bis 22. Juni, 07:15 Uhr noch nicht freigeschaltet):

    „It’s a good thing you’ve had a chance to spend some time here and see for yourself just how ideologically blinded the economists and policy makers here really are.
    It’s interesting that Liz Mohn was also given a prize. She’s the widow of the late Reinhard Mohn, who used his media imperium, Bertelsmann, and the foundation that owns it, the Bertelsmann Stiftung, to promote neoliberal ideology and to influence policy accordingly. Mrs. Mohn, currently the head of the Bertelsmann Stiftung and as such effectively the head of the entire Bertelsmann conglomerate, is among those with the greatest influence on German economic policy. Mohn has also served as a member of the scientific advisory council of the IfW, the institution that gave you (and her) the award.
    The IfW is one of several neoliberal think-tanks in Germany, so you were clearly visiting the right place to meet some of the folks behind current German policy. Hopefully you were able to get some of them to stop and think, but I doubt it. They know they’re right, and no amount of confrontation with evidence will change their minds – the earth is flat and that’s all there is too it!
    It’s interesting that they gave you a prize at all. A German economist with your viewpoints would be branded as a heretic and burned at the stake professionally, as were numerous progressive economists at the think tank DIW after Klaus Zimmermann took the helm a number of years ago. Maybe they’ve made an exception for you because you come from the Land of Infinite Deregulation (at least in their minds). Maybe they think that economic thinking in the U.S. is a monoculture like it is in Germany, and that you, as an economist from the U.S., would think like they do. Hopefully, they noticed that \”even\” in the U.S., the supposed \”paradise\” of free markets, deregulation, low taxes, low wages (\”hey, America has a working poor, so we need one, too\”) and weak social welfare, not all leading economists are True Believers, as are almost all leading German economists.
    The situation here is really pathetic. You need to come to Germany more often, so you can keep giving these folks hell!“

  5. Ringen um das Existenzminimum
    Die konträren politischen Reaktionen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010, wonach die bisherige Ermittlung der Kinder- und Erwachsenenregelsätze mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht vereinbar ist, haben es deutlich gemacht: Die Politik und letztlich die Bevölkerung ist tief gespalten in der Frage, wie viel Geld man in Deutschland zu einem menschenwürdigen Leben und einem Mindestmaß an soziokultureller Teilhabe benötigt. Die Auseinandersetzung um die Bestimmung und Höhe dieses Existenzminimums geht nun in die nächste Runde. Es geht dabei zunächst nur um die Bedarfe der Nichterwerbstätigen. Aber dabei darf man nicht mehr stehen bleiben, denn es geht auch um die Mindestbedarfe der Erwerbstätigen – Arbeitnehmer und Selbstständiger. Diese sind höher und müssen genauso sorgfältig ermittelt und geschützt werden. Dann erst wird diese Spaltung zwischen Niedrigeinkommensbeziehern und Erwerbslosen beendet, die durch viele sozialpolitische Versäumnisse und Eingriffe vertieft worden ist. Die Uneinigkeit über das Existenzminimum ist Ausdruck des fehlenden Grundkonsenses über das Menschenbild unserer Verfassung und des fehlenden ganzheitlichen Konzepts zur Armutsvermeidung.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung [PDF – 120 KB]
  6. Vermögensreport: Wirtschaft schrumpft, Millionäre wachsen
    Trotz Rezession haben Anzahl und Vermögen der Millionäre in Deutschland im vergangenen Jahr kräftig zugelegt. Die Einkommenskonzentration nimmt dadurch weiter zu – inzwischen besitzen Millionäre fast ein Drittel des gesamten deutschen Finanzvermögens.
    Wie der „D.A.CH Vermögensreport 2010“, eine jährlich vom Liechtensteiner Investmenthaus Valluga durchgeführte Studie über Reiche und ihre Investments, zeigt, ist die Zahl der Millionäre in Deutschland im vergangenen Jahr um 60.100 Personen oder elf Prozent auf 779.300 gestiegen. Die Analysten legten bei ihren Berechnungen das Finanzvermögen in Euro, ohne eigengenutzte Immobilien, zugrunde.
    Während die reale Volkswirtschaft 2009 trotz staatlichen Konjunkturpaketen und Interventionen durch die Notenbanken stark an den Folgen der Krise litt, bauten die Superreichen ihr Vermögen im Schnitt um 9,5 Prozent auf 2.014 Milliarden Euro aus. Ausschlaggebend waren vor allem Börsen-Gewinne.
    Die Einkommensschere öffnet sich durch die gestiegenen Profite weiter. Auch aufgrund der deutlichen Zuwächse im vergangenen Jahr besitzen deutsche Millionäre inzwischen 31,7 Prozent des gesamten privaten Finanzvermögens. Es gibt mittlerweile 779.300 deutsche Euro-Millionäre – 8,4 Prozent mehr als 2008. Die meisten von ihnen leben in Nordrhein-Westfalen (167.200), gefolgt von Bayern (141.300), Baden-Württemberg (120.600) und Hessen (79.600). Mit 40.100 Exemplaren bleibt Hamburg die Stadt mit der höchsten Millionärsdichte Deutschlands.
    Wie die Studie zeigt, vermehren sich diese Vermögen im Schnitt um zwischen acht und zehn Prozent pro Jahr – sie wachsen damit dreimal so schnell wie die Gesamtwirtschaft.
    Quelle: Cash.Online

    Anmerkung WL: Die DIW-Studie “Polarisierung der Einkommen” [PDF – 458 KB] wird nun auch aus Bankenkreisen bestätigt.

  7. Die Linke und der Verfassungsschutz: Ein Feind, der keiner ist
    Auch im neuen Bericht des Bundesverfassungsschutzes taucht die Linke auf. Neue Erkenntnisse: Fehlanzeige. Dafür überrascht Innenminister Thomas de Maizière mit einer Botschaft.
    Es sind sieben Seiten, die die Verfassungsschützer der Linken widmen. Sieben Seiten, die den Eindruck erwecken, die Inlandsaufklärer hätten mit der Lupe nach Hinweisen gesucht, um die Linke auch im Verfassungsschutzbericht 2009 nicht unerwähnt zu lassen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Heinz Fromm, Präsident des Bundesverfassungsschutzes, stellten den Bericht an diesem Montag in Berlin vor.
    Wer in dem Bericht neues und brisantes Material über die Linke sucht, wird enttäuscht. Die Linke biete ein “ambivalentes” Bild, heißt es darin. Die präsentiere sich einerseits nach außen, als “reformorientierte, neue linke Kraft”. Andererseits akzeptiere sie in ihren Reihen “vollumfänglich” Gruppierungen, die “offen extremistisch” seien. Die Haltung der Linken gegenüber linksextremistischer Gewalt sei “uneinheitlich”.
    Die Linke scheint also brandgefährlich für die Demokratie. Doch allein mit dem Verfassungsschutzbericht lässt sich diese These nicht belegen. Im Gegensatz zu manchem Vorgänger versucht Innenminister de Maizière das auch gar nicht. Er selbst macht darauf aufmerksam, dass nicht die Linke als Gesamtpartei, sondern lediglich aus Sicht der Verfassungsschützer problematische Gruppen innerhalb der Linken unter Beobachtung stünden. Unionspolitiker, die demnächst die Linke als Feinde der Demokratie bezeichnen wollen, können sich dabei nicht länger auf den Bundesinnenminister berufen.
    Quelle: SZ
  8. Initiative übt massive Kritik an Betreibern des Uni-Klinikums: “Der Patient ist eine Ware”
    “NotRuf 113” heißt die Initiative von Ärzten, Juristen und Mitarbeitern des Uni-Klinikums Marburg sowie Patienten und Angehörigen. Die Initiative hat ihre Kritik an der Rhön-Klinikum AG unterstrichen. Ihr Vorwurf: Seit der Privatisierung vor fünf Jahren bricht die Qualität der Behandlung und Versorgung dramatisch ein.
    Quelle: Mittelhessen
  9. Partei-Sponsoring: Anhörungen in Berlin und Dresden
    Anfang Juni 2010 befassten sich gleich zwei parlamentarische Ausschüsse mit der Frage des Partei-Sponsorings und der Vermietung von Ministerpräsidenten: Der Innenausschuss des Bundestages und der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss des sächsischen Landtags. Während in Sachsen Vertreter von LobbyControl und Transparency International als Sachverständige angehört wurden, verzichtete der Bundestag auf die Einschätzungen von lobbykritischen Organisationen. Er setzte stattdessen auf eine Riege aus Universitätsprofessoren und Juristen. Leider sind beide Parlamente noch weit davon entfernt, umfassende Veränderungen in der Parteienfinanzierung durchzusetzen.
    Quelle: LobbyControl
  10. Politische Parallelwelten: Wo die Nichtwähler wohnen
    Die Wahlbeteiligung sinkt kontinuierlich. Vor allem Bürger in armen Stadtteilen ziehen sich von der Demokratie zurück.
    Möchte eine Gesellschaft den Ursachen einer sinkenden Wahlbeteiligung begegnen, muss sie sicherstellen, dass die soziale Ungleichheit nicht ausufert. In den Nichtwählerhochburgen sind die Menschen perspektiv- und chancenlos. Dies führt zu Politikferne. Und Politikferne führt zu Wahlenthaltung.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung
  11. Immer mehr Erstklässler müssen zum Psychiater
    Berliner Amtsärzte: Unzureichende Förderung von Schulkindern, weil Personal für rechtzeitige Untersuchungen fehlt. Keiner der zwölf Berliner Bezirke habe die gesetzlich vorgeschriebenen Schuleingangsuntersuchungen so früh abgeschlossen, dass man alle Problemkinder rechtzeitig erfassen und ihre Förderung veranlassen könne. Darauf wiesen am Montag die Berliner Amtsärzte bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus hin. Die „unzureichende Förderung“ führe zunehmend zu psychischen Auffälligkeiten „bis hin zur stationären Aufnahme“. Vor allem betroffen seien „Kinder der unteren sozialen Schicht“, die „besonders häufig entwicklungsverzögert“ und deshalb mit den schulischen Anforderungen ohnehin „weitgehend überfordert“ seien. Damit ihr Schulstart erfolgreich verlaufe, müssten sich die Schulen rechtzeitig auf diese besonderen Förderbedürfnisse einstellen können – mit zusätzlichem Personal und mit entsprechend zusammengesetzten Klassenverbänden. In diesem Jahr aber wüssten viele Schulen nicht, was auf sie zukomme. Zudem werde die Zeit knapp, um selbst so „simple Hilfen“ wie Brille und Hörgerät rechtzeitig vor dem ersten Schultag zu beschaffen, warnt Claudia Wein, die als Vertreterin der Berliner Amtsärzte dem Gesundheitsausschuss Auskunft gab. „Rund 20 Prozent der Kinder sind gefährdet“, sagte Michael Aster, Chefarzt am DRK-Klinikum Westend. Wenn man sie nicht „massenhaft opfern“ wolle, müssten sich die Schulen genau auf ihre Bedürfnisse einstellen.
    Als Grund für die Besetzungsprobleme nannte Amtsärztin Wein die schlechte Bezahlung. Das sei ein bundesweites Problem, da die Krankenhausärzte mehr verdienten. Das Gleiche gelte für Ärzte, die für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen arbeiteten. Angesichts dieser Konkurrenz sei kein Personal zu finden.
    Quelle: Tagesspiegel
  12. Arbeitslos in den Ferien: Kein Heuern und Feuern!
    Zahlreiche Lehrkräfte werden sich in diesen Sommerferien arbeitslos melden müssen – obwohl sie nach den Ferien aller Wahrscheinlichkeit nach wieder unterrichten werden. “Schluss mit dem Heuern und Feuern”, fordert deshalb die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
    Quelle: FR
  13. Komorowski – Hoffnung für die Deutschen
    Die erste Runde der polnischen Präsidentenwahl brachte noch keinen klaren Sieger. Verloren haben die Demoskopen. Sie hatten ein eindeutigeres Ergebnis vorausgesagt. Noch scheint aber offen zu sein, wer Nachfolger Lech Kaczynskis wird, der am 10. April bei einem Flugzeugabsturz in Smolensk ums Leben gekommen war. Mit nur 41 Prozent liegt Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski von der liberalkonservativen “Bürgerplattform” vor dem national-konservativen Jaroslaw Kaczynski mit knapp 37 Prozent, der seinem verunglückten Bruder im Amt nachfolgen möchte. Der Abstand zwischen ihnen ist damit geringer, als erwartet worden war.
    Entschieden wird nun bei einem zweiten Wahlgang am 4. Juli. Das Zünglein an der Waage könnte dabei der junge Grzegorz Napieralski von der postkommunistischen Linken werden, der fast 14 Prozent erreichte. Wenn er zur Wahl Komorowskis aufruft, was naheliegt, hätte der alle Aussichten zu gewinnen.
    Von der Wählergeographie her ist Polen zwar weiterhin gespalten: Das bäuerliche Ostpolen, die kleinen Städte, Galizien wählen weiterhin nationalkonservativ, die Großstädte, Warschau voran, wählen die Mitte. Und die Jungen? Sie wählen verblüffend deutlich die Linke.
    Als Lehrmeister gegenüber Polen, der die Nachbarn auf den richtigen Pfad bringen muss, eine Haltung, wie sie sich zumal gegenüber den Kaczynski-Brüdern ausbreitete, taugt dieses Berlin in seiner augenblicklichen Verfassung nicht so recht.
    Quelle: ZEIT Online
  14. Santos wird Präsident in Kolumbien
    Es war ein blitzartiger Sieg. Keine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale in Kolumbien stand der nächste Präsident bereits fest: Juan Manuel Santos tritt nach acht Jahren in die Fußstapfen seines Mentors Alvaro Uribe. „Dies ist ein klarer Triumph der Politik der Demokratischen Sicherheit“, sagte Santos unter Anspielung auf die Politik der harten Hand gegen die Guerilla, die von Uribe eingeleitet und von Santos als Verteidigungsminister umgesetzt worden war. „Auf ihr kann ich aufbauen und mich künftig mehr ums wirtschaftliche Wohlergehen kümmern“, sagte der 58-jährige Ökonom und versprach, in seinen vier Amtsjahren die Zahl der Armen um elf Millionen zu verringern.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Etwas kritischer könnte dieser Beitrag schon ausfallen. Santos mag sich in der Tonart von Uribe unterscheiden, aber dies ändert nichts daran, dass er als Verteidigungsminister schwerste Menschenrechts-Verstöße mitverantwortete. Auch in seiner Amtszeit galt die geheime Armee Direktive 29, demnach jeder Soldat umgerechnet 1300 Euro für die Tötung eines Aufständischen kassierte. Diese beachtliche Summe führte dazu, dass Tausende von Unschuldigen verschleppte und ermordete wurden, nur um die Prämie zu kassieren.

  15. Mail aus Kirgisistan
    von Raushan Aitkozhaeva:

    “Wir befinden uns inmitten eines Krieges (Kirgisien, Stadt Osh). Hier passiert gerade etwas Furchtbares, Unvorstellbares!!! Das Erschreckende ist, daß in den Massenmedien nicht einmal ein Zehntel dessen wiedergegeben wird, was hier vor sich geht. Eine “Ethnische Säuberung”, wenn man so will. Ganze Stadtteile mit von Usbeken bewohnten Häusern sind bis aufs Letzte abgebrannt, Menschen werden in ganzen Familien inklusive Frauen und Kinder niedergemetzelt. Draußen sind ganze Berge von Leichen und Verletzten, denen niemand Hilfe leistet. Ganze “Armeen” junger Menschen kirgisischer Herkunft wüten in aufgebrachtem und oft nicht nüchternem Zustand bewaffnet durch die Stadt; sie töten und verbrennen alles, was ihnen in den Weg kommt.

    Das ganze wird von der Politik unterstützt. Der innenpolitische Konflikt ist lange gereift, sodaß jemand jetzt auf sehr listige Weise davon Gebrauch machen konnte. Es scheint, als ob gerade deswegen die Staatsoberhäupter stillsitzen und darüber schweigen, was hier passiert. Mein Eindruck ist, daß das Weggucken unserer Regierung irgendwie durchdacht, geplant ist.

    Sergey (mein Schwiegervater) ging heute morgen auf hohes Risiko und zu unser aller Schrecken aus dem Haus, um Lebensmittel zu holen. Auf der Straße lag ein verletzter, sterbender alter Mann. Sergey wollte ihm helfen und drehte ihn auf den Rücken um. In dem Augenblick kam eine Gruppe von Jugendlichen angerannt und begann, den Alten mit Füßen zu treten. Einer von ihnen schrie: “Das ist doch ein Kirgise!”; ein anderer entgegnete: “Nein, er ist Usbeke! Komm, wir zünden ihn an!” Als Sergey in Hilflosigkeit wegging, lag der Alte bereits tot und in Flammen auf der Straße.

    Von offizieller Seite her wurde gesagt, man solle alle Gewalttaten und Chaos verhindern, aber daran hält sich hier niemand. Das Zugucken geht weiter! Helikopter fliegen herum und Autos fahren mit Blaulicht durch die Gegend, aber das alles passiert nur zum Schein – es gibt keinerlei aktive Hilfe von Seiten der Polizei oder offizieller Organisationen.

    Letzte Nacht hat eine Kämpfergruppierung ein Militärgelände, nicht weit von unserem Haus, eingenommen. Dort gibt es Waffen, Helikopter und vieles mehr. Sie haben schon davor eine riesige Menge an Waffen gehabt (wir fragen uns, woher die ganzen “einfachen Leute”, die gegeneinander kämpfen solche Schusswaffen bekommen konnten?), und jetzt werden es immer mehr, und dazu noch schweres Kriegsgerät.

    Für uns hier bedeutet das Ganze, daß wir nicht mehr an Lebensmittel kommen, vielen droht schon jetzt reale Hungersnot, denn die Reserven gehen zuende. Es wird uns verkündet, daß es Hilfslieferungen gibt mit Essen, Wasser und Medikamenten, aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Brot ist gerade geliefert worden, aber seltsamerweise bekommen die Russen davon nichts ab. Wir wollen kein Brot! Wir wollen Leben!!! Warum wird in den russischen Nachrichten gesagt, daß sich der Zustand hier stabilisiert hat, obwohl hier alles immer schlimmer wird? Es gibt nur eine Antwort – jemand möchte nicht, daß die Welt davon erfährt. Oder sie tun einfach nur so, als würden sie es nicht bemerken.

    Mein Ziel ist es, diese Nachricht so weit wie möglich zu verbreiten – daß so viele wie möglich weltweit von der Situation hier erfahren. Wir fürchten, alleine gelassen zu werden mit unserem Leid!!! Die Tatsache, daß der kleine Anteil an hier lebenden Russen bisher verschont wurde, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Die wütende Bevölkerung hat Blut gerochen, den Kampf angesagt und gesehen, daß sie ungestraft davon kommen würden. Wir haben hier Todesangst! Jeden Tag wissen wir nicht, ob wir ihn noch überleben werden. Bitte, gebt diese Nachricht an alle Möglichen Seiten weiter, stellt sie in die Nachrichten und Foren!!! Bitte lasst uns nicht alleine!!! Dies ist ein ernsthafter Hilfeschrei!!!”

  16. Zu guter Letzt: Festrede von Georg Schramm beim Prix Pantheon 2010
    Quelle 1: YouTube – Prix Pantheon 2010 – Georg Schramm Teil 1/2
    Quelle 2: YouTube – Prix Pantheon 2010 – Georg Schramm Teil 2/2

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!