Vorbemerkung A.M.: Im Rahmen unserer Reihe “Nach Corona anders zusammenleben! Wie? Was soll anders werden?” erscheint hier ein Text mit einer provokanten, aber notwendigen Idee. Danke an den Autor.
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Nach einer Studie der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg seien im Jahr 2018 schätzungsweise 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel in Deutschland an Onlinehändler zurückgeschickt worden. Besonders häufig zurückgeschickt würden Schuhe und Kleidungsstücke. Rund vier Prozent der zurückgesendeten Artikel würden im Müll landen.
Allein diese Verschwendung von Ressourcen – nicht mitgerechnet Verbrauch und Belastungen durch den damit ausgelösten Lieferverkehr – wurde nach Bekanntwerden als skandalös empfunden. Auf Initiative von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat die Bundesregierung am 12.02.2020 einen Gesetzentwurf zur Verhinderung von Retourenvernichtung beschlossen.
Die Folgen der COVID-19 Krise auf unsere Innenstädte war damals noch nicht absehbar.
Aus heutiger Sicht greift der Gesetzentwurf zu kurz, weil er die Spätfolgen des Internethandels, die nach der COVID-19-Krise zwangsläufig eintreten werden (noch) nicht berücksichtigt.
Dem Online-Handel kommt in der Corona-Krise eine tragende Rolle bei der Versorgung der deutschen Bürger zu, stellte am 20.03.2020 der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) fest und forderte 8 Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Online-Handels; u.a. Lockerungen bei Regelungen für die Zustellung etc.
Dies gilt für die Dauer der Krise mit der Folge, dass sich noch mehr Bürger als bisher mit dem Prozedere im Online-Handel vertraut machen, sich daran gewöhnen und womöglich auch nach der Krise vermehrt im Internet bestellen werden.
Der innerstädtische Einzelhandel – durch die Corona-Krise bedingten Schließungen ohnehin geschwächt – wird die nach der Krise vermutlich verstärkten Kaufkraft-Abflüsse zum Internet-Handel nicht überleben. Das wird für die Mehrzahl der Mittel- und Kleinstädte in Deutschland verheerende Folgen haben. Die Innenstädte veröden und zwar auf Dauer: Ohne Passanten, ohne Besucher, mit zugeklebten Scheiben, ohne Schaufensterbeleuchtung, aber mit steigendem Vandalismus.
Es ist daher unabdingbar, dass schon jetzt gesetzliche Regelungen für die Zeit nach der Corona-Krise gemacht werden, die unerwünschte Wettbewerbsvorteile des Online-Handels beseitigen, nämlich ein totales Verbot von Retouren. Mit anderen Worten, wer im Internet bestellt, muss die Ware bezahlen und abnehmen ohne Möglichkeit zur Retoure. Das verschafft dem örtlichen Einzelhandel wieder den angestammten Platz für die Verbraucher: Ansehen-Begreifen-Auswählen-Mitnehmen-Bezahlen.
Dem Internethandel bleibt dann immer noch sehr viel Volumen, aber die Innenstädte bekommen nach der Corona-Krise die Chance, für die Bevölkerung attraktive Orte der Begegnung zu bleiben und gleichzeitig wird ein wesentlicher Beitrag zur nachhaltigen Ressourcen-Schonung und zur Vermeidung unnötigen Lieferverkehrs geleistet.
Dr. Dietrich Kautt, Architekt + Stadtplaner, Bürgermeister i.R.