Im Vorfeld der für den 22. März vereinbarten Abstimmung zwischen Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten über das weitere Vorgehen ist Einiges geschehen, das wir zumindest festhalten sollten: 1. Der bayerische Ministerpräsident Söder missbraucht die Pandemie zur persönlichen Profilierung und zur Förderung seiner Karriere auf dem Weg zum Kanzleramt. Rücksichtslos. 2. Der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann schwätzt 8 Minuten 22 Sekunden lang im Heute Journal vom 20. März und offenbart dabei nebenbei, dass wir nach seiner Vorstellung so lange quasi eingesperrt werden sollen, bis ein Impfstoff zur Verfügung steht. 3. Eine für die heutigen Beschlüsse entscheidende Behauptung – wir würden uns nicht an die vorgegebenen Regeln halten – wird aufgestellt, ohne auch nur den Versuch zu machen, dies ernsthaft zu belegen. Der Hinweis auf Coronapartys reicht. 4. Die Folgen einer möglichen Ausgangssperre werden nicht ernsthaft bedacht. 5. Europäische Solidarität nahezu null. Albrecht Müller
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- Zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin war vereinbart worden, dass heute über das weitere Vorgehen entschieden werden soll. Söder und mit ihm der saarländische Ministerpräsident brechen diese Vereinbarung, andere folgen. Der bayerische Profilierungsspaß ist selbst in dieser ernsten Lage möglich. Es steht zu erwarten, dass die Mehrheit der Zeitgenossen sogar applaudiert und die Karriere des Herrn Söder damit wirklich gefördert wird. Er hat in Bayern den Fasching und die Kommunalwahlen laufen lassen und spielt sich jetzt als der harte Hund auf. Sind die Menschen so vergesslich? Wahrscheinlich ist Meinungsmache wirklich so einfach zu planen und umzusetzen.
- Das Interview des Heute Journals mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann vom vergangenen Freitag ist in vielerlei Hinsicht lehrreich. Siehe dort von Minute 5:37 bis Minute 13:59.
Er weicht der Frage, warum die Verabredung zwischen den Ministerpräsidenten gebrochen worden ist, aus bzw. stellt den Sinn dieser Verabredung infrage.
Er verlangt von den Geschäften bzw. den Ladenbesitzern, dass sie dafür sorgen, dass sich keine Schlangen bilden, weder im Geschäft noch draußen. Wie soll das gehen?
Kretschmann meint einerseits, die Ausgehbeschränkungen usw. seien zeitlich begrenzt, spätestens bis ein Impfstoff entwickelt ist. Das könnte im Herbst (!) der Fall sein. Und wie es sich im Ländle gehört, weist der baden-württembergische Ministerpräsident darauf hin, dass dieser Impfstoff in seinem Land, in Tübingen, entwickelt werde. Kleinkarierter geht es nicht.
Sind nicht schon andere Impfstoffe entwickelt? Hängt das Ende der Kontaktsperre wirklich an den Impfstoffen? Spielt das mögliche Immunwerden gegenüber dem Corona-Virus keine hilfreiche Rolle mehr?
- Mit Erstaunen muss man feststellen, mit welcher Selbstverständlichkeit in den letzten Tagen die Behauptung wiedergebetet worden ist, wir hielten uns nicht an die bisher schon empfohlenen Regeln: kein Kontakt mit anderen Menschen, Hände waschen usw. Die Geschichte von stattgefundenen Coronapartys wird immer und immer wieder erzählt und auf der Basis dieser Meinungsbildung werden dann in Bayern, in Baden-Württemberg, im Saarland und anderen Bundesländern weitere Entscheidungen getroffen. Dies geschieht, obwohl es immerhin auch Meldungen gibt, dass die Behauptung von der mangelnden Disziplin weit übertrieben ist. Ein Medium, Bento, hat darauf hingewiesen. Ansonsten wie üblich die gleichklingende Musik unserer Hauptmedien.
- Bemerkenswert ist insgesamt, dass die Fantasie offenbar nicht dafür ausreicht, sich vorzustellen, was eine Ausgangssperre und die bisherigen Maßnahmen wie die Schließung der Lokale usw. anrichten, falls diese wochenlang andauern oder sogar Monate. Das wird nicht nur die Wirtschaft massiv treffen. Es wird die Familien und die sozialen Beziehungen treffen und es wird dabei auch Tote geben. Selbstmorde und anderes mehr. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter warnt vor der Zunahme häuslicher Gewalt. Das muss man doch wenigstens bedenken und darf darüber nicht hinwegschwadronieren.
- Erstaunlich ist auch der insgesamt spürbare Mangel an Solidarität zwischen den Staaten Europas. Der Schwerpunkt der Entscheidungen und der Berichterstattung ist eindeutig ein nationaler. Dieses Europa funktioniert nicht. Erstaunlich ist auch der Mangel an Solidarität mit Völkern, denen es besonders schlecht geht, weil sie unter den Sanktionen des Westens leiden. Das gilt für Kuba, für den Iran, für Venezuela, für Syrien u.a.m. – nicht einmal in einer so kritischen Lage sind die westlichen Entscheidungsträger bereit, ihre unmenschliche Politik zu beenden oder zumindest auszusetzen. Dieses Problem wird nicht einmal diskutiert. Die Parole „Wir sind die Guten“ hilft über jeden miesen Charakter hinweg.