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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Großmanöver „Defender Europe 20“ endet vorzeitig
  2. Epizentrum der Epidemie
  3. Ischgl war die heimliche Virus-Drehscheibe in Europa
  4. Davon träumen Autokraten
  5. Kassiererin über den Corona-Lockdown “Heute war es so schlimm wie nie zuvor!”
  6. Griechenland-Hilfen lohnen sich für Deutschland
  7. Das ist Demokratie, wie ich sie verstehe
  8. Frankreich verhängt wegen illegaler Monopolpraktiken Milliardenstrafe gegen Apple
  9. Große Sorgen in der Sexarbeit
  10. Homeoffice als Klassenfrage
  11. Eine soziale Krise mit einer Gesundheitskrise obendrauf
  12. Kellner zur Ernte auf den Acker?
  13. Wie Verbraucher ihre Rentenlücke berechnen und schließen können
  14. Coronavirus: Die Agrarindustrie würde Millionen Tote riskieren
  15. Zweifel an Täterschaft Amris im Untersuchungsausschuss
  16. Die russische Frau, der russische Mann und „Die Zeit“
  17. Best of Informationsfreiheit: Handylöschungen – Scheuer, von der Leyen und bald die anderen
  18. Das Letzte – Dass eine Ostdeutsche dieses Land führt, ist ein Glücksfall

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Großmanöver „Defender Europe 20“ endet vorzeitig
    Die Vereinigten Staaten stoppen die größte Verlegeübung nach Europa seit 25 Jahren. Schiffe auf dem Atlantik drehen um. Die 37.000 Teilnehmer kehren heim.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Jens Berger: Man glaubt es kaum, aber zumindest in dieser Frage hat am Ende noch die Vernunft gesiegt. Lesen Sie dazu auch: NATO-Manöver „Defender-Europe 20“ – nicht nur einfrieren, sondern sofort absagen!

  2. Epizentrum der Epidemie
    Coronavirus Obwohl die Gesundheitsversorgung in der Lombardei als eine der besten europaweit gilt, sind die Ressourcen zusehends erschöpft, die Ärzte noch mehr.
    Zwischen Februar und Mitte März sind die Fallzahlen in weniger als zwei Wochen von ein paar hundert auf über 10.000 gestiegen. Hospitäler im Norden – dem Epizentrum der Epidemie – füllten sich schnell, da viele Patienten für bis zu drei Wochen auf Intensivpflege angewiesen sind. Das Bild einer Gesundheits- und Krankenpflegerin, die während einer Nachschicht mit angelegter Gesichtsmaske zusammenbrach, vor kurzem im Netz verbreitet, wurde zum Sinnbild für die Überforderung des medizinischen Personals. …
    Mit Ausbreitung der Krankheit stieg die Zahl der Opfer kontinuierlich an, was besonders in Kleinstädten weitere Probleme verursachte. Die Toten füllten die Leichenhallen kleinerer Krankenhäuser, während man auf die Totenscheine wartete, um sie beerdigen zu können. In Bergamo, eine Stunde von Mailand entfernt, funktionierte man die Friedhofskapelle zur Leichenhalle um. „Vor einem Jahr hatten wir durchschnittlich vier Tote pro Tag, heute sind es 22“, berichtet Camillo Bertocchi, Bürgermeister von Alzano Lombardo, einer Kleinstadt in der Nähe von Bergamo, die von dem Ausbruch mit am stärksten betroffen ist. …
    In der Lombardei, im Herzen des reichen Nordens des Landes, gilt die Gesundheitsversorgung als eine der besten – und stößt dennoch an Grenzen. Vor kurzem verkündete Roberto Gallera, der für Gesundheit zuständige Rat der Region: Man rekrutiere Ärzte aus China, Kuba und Venezuela, nachdem andere EU-Länder nicht auf die Bitten um schnelle Hilfe reagiert hätten, aus Angst, bald selbst nicht mehr genügend Personal zur Verfügung zu haben. Jetzt fürchten viele, auch im Süden, wo die medizinische Versorgung schlechter ist, könnten die COVID19-Fälle zunehmen. …
    „Wir laufen Gefahr, die Rechnung für jahrzehntelange Sparmaßnahmen zu bezahlen. Intensivpflege ist teuer und häufig mussten wir Patienten in andere Regionen verlegen“, so Piacevoli, der 20 Jahre lang die Abteilung für Anästhesie und Intensivpflege am ACO San Filippo Neri, einem der größten Krankenhäuser Roms, geleitet hat. „Dies ist das Resultat einer Politik, die Privatkliniken bevorzugt. Nur liegt jedes Mal, wenn es einen Notfall gibt, die Last auf der öffentlichen Gesundheitsversorgung“. Einem Bericht der Gimbe-Stiftung von 2019 zufolge hat der Mangel an Investitionen in das öffentliche Gesundheitssystem im vergangenen Jahrzehnt zu einer Kürzung von 37 Milliarden geführt.
    Quelle: Freitag

    Anmerkung JK: In Italien zeigen sich jetzt mit absoluter Gnadenlosigkeit die Folgen neoliberaler Sparpolitik. Ein Schicksal, das nun auch Deutschland blüht und die politisch Verantwortlichen für eine jahrzehntelange neoliberale Politik werden in den deutschen „Qualitätsmedien“ auch noch für ihr hervorragendes „Krisenmanagement“ gefeiert. Und das sollte man nicht vergessen!

    Experten fordern Schließung zahlreicher Krankenhäuser
    Patienten in Deutschland könnten einer Studie zufolge mit weniger als der Hälfte der Krankenhäuser deutlich besser versorgt werden. Die Zahl der Kliniken solle von aktuell knapp 1.400 auf weniger als 600 sinken, heißt es in einer Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Die verbleibenden Häuser könnten dann mehr Personal und eine bessere Ausstattung erhalten.
    Quelle: Zeit

    dazu: „Krankenhäuser schließen – Leben retten?“ – Öffentlich-rechtlicher Kampagnenjournalismus zur besten Sendezeit

  3. Ischgl war die heimliche Virus-Drehscheibe in Europa
    An Bord des Fliegers aus München stoßen die isländischen Behörden nicht nur auf einen Rückkehrer aus Italien, dessen Corona-Test am 1. März positiv ausfällt. Weitere Proben zeigen, dass auch Mitglieder einer 14-köpfigen Ischgl-Reisegruppe das VScirus heimgebracht haben.
    Am Morgen des 5. März zieht Island Konsequenzen: Das Skigebiet wird zu einem Risikogebiet wie der Iran und das chinesische Wuhan erklärt. Wer in Ischgl war, soll sich in 14-tägige Quarantäne begeben und die Behörden kontaktieren.
    Österreichs Behörden antworten schnell und fatal falsch, wie es heute aussieht. Es erscheine “aus medizinischer Sicht wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist“, erklärt Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber per Pressemitteilung. Nach Ansicht der Österreicher haben sich die Urlauber an Bord bei dem kranken Italien-Rückkehrer angesteckt. Der Ski-Spaß geht normal weiter.
    Es wird bis zum 14. März dauern, bis Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer das volle Ausmaß deutlich machen: Sie “rufen alle Personen, die sich seit 28. Februar 2020 in den betroffenen Regionen Paznauntal, St. Anton am Arlberg und Heiligenblut aufgehalten haben, dringend auf, sich in häusliche Selbstisolation zu begeben.” Seit dem Abend des 13. März gilt beim deutschen Robert Koch-Institut Tirol als Risikogebiet.
    In anderen Ländern wurde in der Zwischenzeit schneller reagiert. Norwegen bittet nach den Berichten aus Island eine Reisegruppe aus Ischgl bereits am 7. März zu Tests, einige entpuppen sich als positiv. Am Sonntag meldete Norwegen, dass von 1.198 Infizierten 491 das Virus aus Österreich haben – und das überwiegend aus dem Paznauntal. Die Zahl vermittelt eine Idee für die Ausmaße: Norweger stellen in Tirol eine viel kleinere Gästegruppe als die Deutschen.
    Quelle: t-online

    dazu: Hotspot Ischgl – Gier und Versagen in Tirol
    In Österreich gab’s am Sonntag traumhaftes Wetter. Beinahe Kaiserwetter, würde man in Tirol sagen, wenn der Himmel strahlend blau ist und die Pisten perfekt präpariert sind. In den Bergen bot sich ein vertrauter Anblick: ungestörter Skibetrieb. Sessellifte und Gondeln schaukelten zu fröhlicher Zithermusik auf die Tiroler Berge, in Hochkössen, in Finkenberg und wie die Skigebiete alle heißen.
    Sogar in Teilen des wegen der Corona-Pandemie gesperrten Paznauntales, wo das Skiresort Ischgl liegt, konnte man Ski fahren. Ischgl, das ist der Hotspot der Corona-Infektionen in Österreich – gemäß einer bereits vor zehn Tagen erfolgten Warnung der isländischen Gesundheitsbehörden und jüngst auch nach Hinweisen des Robert-Koch-Instituts.
    Von einer Après-Ski-Bar im “Ballermann der Alpen” gingen vermutlich dutzende Infektionen internationaler Skiurlauber mit dem Virus aus. Täglich mehren sich in Dänemark, Schweden, und vor allem in Deutschland Berichte über neue positiv getestete Fälle von Personen, die eines gemeinsam haben: Sie kamen direkt vom Skiurlaub in Ischgl.
    Durch Sekundärinfektion nach der Rückkehr geht die Zahl in die Hunderte. Umso gespenstischer, ja verstörender war, dass die Tiroler Behörden den Skibetrieb nicht schon vor Tagen sofort eingestellt beziehungsweise die Gäste in Ischgl isoliert haben, sondern sie völlig ungeordnet ausreisen ließen. 300 buchten laut Tiroler Tageszeitung noch Freitag in Innsbrucker Hotels um.
    Quelle: Der Standard

    Anmerkung JK: Hier scheint sich eine erschütternde Wahrheit zu manifestieren, dass der massive Ausbruch des Corona-Virus in Europa, explizit in Österreich, auf Ignoranz und Inkompetenz in Politik und Gesundheitsbehörden zurückzuführen ist und unvermeidlich auf Geldgier.

  4. Davon träumen Autokraten
    Österreich hat wegen des Coronavirus die Freiheitsrechte der Bevölkerung massiv eingeschränkt. Das ist in dieser Situation nachvollziehbar, aber es birgt auch Gefahr.
    Wozu doch so ein Virus in der Lage ist. Plötzlich sind Maßnahmen gesellschaftsfähig, von denen Autokraten und Diktatoren nur träumen können: Ausgangssperren, Abschaffung der Versammlungsfreiheit, größtmögliche Kontrolle des öffentlichen Lebens. In diesen Tagen wird deutlich, dass auch in sehr demokratischen Ländern wie Österreich Sondersituationen Sondermaßnahmen erfordern können. Demokratisch beschlossen und gut kommuniziert, dürfen es auch Einschränkungen von Freiheitsrechten sein, die bislang undenkbar erschienen. …
    Vergleicht man Österreich mit Deutschland, so stellt man fest, dass Wien deutlich schneller und drastischere Maßnahmen als Berlin getroffen hat. Während am Sonntag die Ausgangsbeschränkungen beschlossen und die Öffentlichkeit schon über die bevorstehenden Schritte informiert wurde, fanden im benachbarten Bayern noch Kommunalwahlen statt. Ob die harten Einschränkungen in Österreich im Ergebnis besser sind als die im Vergleich eher lockere Handhabe in Deutschland, wird man demnächst messen können.
    Die Gefahr, die jedoch besteht, ist, dass ein Gewöhnungseffekt auftreten könnte: dass Menschen in Krisensituationen künftig schneller als bisher Einschränkungen von Freiheitsrechten hinnehmen. Dass die Sehnsucht nach dem sprichwörtlichen starken Mann, der endlich durchgreift, stärker wird. Und dass darüber der kritische Blick auf Regierungshandeln verloren geht.
    Quelle: Zeit
  5. Kassiererin über den Corona-Lockdown “Heute war es so schlimm wie nie zuvor!”
    Abstand halten? Für Einzelhandelskauffrau Farina Kerekes keine Option. Statt Dank für ihren Job zu bekommen, wird sie von Kunden beschimpft. Ein Protokoll.
    Es ist schlimmer als in der Phase vor Weihnachten. Zu dem Stress kommt noch die beklemmende Stimmung. Abends kann ich nur noch auf der Couch liegen. Klar denke ich dann manchmal: Ich würde auch gern in Quarantäne sein. Aber meine Arbeit ist ja so wichtig. Auf einmal redet die Politik sogar von „systemrelevant“.
    Ich fände gut, wenn sich das auch mal in der Entlohnung widerspiegeln würde oder in den Arbeitsbedingungen. Das wäre eine angemessene Form der Wertschätzung! Ich habe Glück und werde nach Tarif bezahlt, aber viele Kollegen bekommen nur Mindestlohn.
    Meinen Ärger über die Kunden habe ich am Sonntag auf Twitter gestellt – inzwischen haben sich das eine Million Leute angesehen. Ein paar Leute haben tatsächlich kommentiert, ich solle dann halt Mundschutz tragen und Plastikhandschuhe. Sehr witzig: Masken sind auch für uns ausverkauft, werden woanders viel dringender gebraucht und mit den Handschuhen kann ich unsere Touchpads nicht bedienen.
    Natürlich gibt es auch Kunden, die uns danken, dafür, dass wir an vorderster Front die Stellung halten. Heute kam eine Ruhrpottomma und wunderte sich: „Haben die denn alle so viel zu scheißen?“. Schön, wenn es andere für uns sagen. Sowas muntert mich auf. Und zum Glück habe ich morgen die Spätschicht.“
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Es wird immer deutlicher: Die Politik hat das Problem unterschätzt und wochenlang Zeit verplempert mit Beschwichtigungen und Beruhigungspillen. An vorderster Front: Jens Spahn und Horst Seehofer. Jetzt reagiert die Politik in Panik, und Leidtragende sind u. a. die Verkäuferinnen und Kassiererinnen, die im Alltag dem Virus schutzlos ausgesetzt sind.

    Diese Gruppen benötigen wirksamen Schutz. Dagegen haben verkappte Wirtschafts-Lobbyisten wie Peter Altmaier, Olaf Scholz, Angela Merkel und Co. vor allem die Großbetriebe im Visier.

    Dabei haben viele Dax-Firmen (und andere Unternehmen), die jetzt nach Hilfe rufen (wie die Lufthanse oder Reiseunternehmen) in der Vergangenheit prächtig verdient und hohe Dividenden ausgeschüttet. Dann sollen auch auch mal die Eigentümer ran, und nicht sofort die Steuerzahler, die ihnen die Risiken abnehmen. Die Finanzkrise von 2008 lässt grüßen.

  6. Griechenland-Hilfen lohnen sich für Deutschland
    Der Bundeshaushalt profitiert einem Bericht zufolge von dem Kredit, der Griechenland im Jahr 2010 gewährt wurde. Die Zinseinnahmen belaufen sich auf 443 Millionen Euro.
    Quelle: Zeit
  7. Das ist Demokratie, wie ich sie verstehe
    Über Monate hat Yanis Varoufakis im Jahr 2015 als griechischer Finanzminister vertrauliche EU-Runden zur Schuldenkrise mitgeschnitten – und veröffentlichte sie nun. Im SPIEGEL erläutert er die Beweggründe.
    SPIEGEL: Herr Varoufakis, die Euro-Gruppe ist ein Gremium auf Arbeitsebene. Die Treffen sind in der Regel vertraulich. Wie kommt man da als Finanzminister eines Mitgliedslandes auf die Idee, die Gespräche aufzunehmen, und das auch noch heimlich?
    Varoufakis: Das war kein fester Plan. Aber irgendwann wurde es einfach notwendig. Es gibt keine offiziellen Protokolle der Gespräche in der Euro-Gruppe. Um die eigene Regierung zu informieren, braucht man eigene Aufzeichnungen. Aber vor allem: Man kann auch nie beweisen – auch gegenüber den anderen Finanzministern der Euro-Gruppe und den Institutionen, Währungsfonds, Europäische Kommission und Zentralbank nicht -, was in den Sitzungen besprochen und vereinbart wurde.
    Quelle: Spiegel

    dazu: #Euroleaks: wie intransparent Europas Staats – und Regierungschefs Entscheidungen über unsere Zukunft treffen

  8. Frankreich verhängt wegen illegaler Monopolpraktiken Milliardenstrafe gegen Apple
    Die französische Wettbewerbsbehörde hat Apple mit einer Strafe von gut 1,1 Milliarden Euro für aus ihrer Sicht illegale Vertriebsvereinbarungen belegt. Apple habe sich mit zwei Großhändlern abgesprochen und dadurch den Wettbewerb beeinträchtigt, heißt es.
    Zudem habe der Konzern unter anderem über restriktive Vertragsklauseln dafür gesorgt, dass Geräte von spezialisierten Apple-Händlern nicht günstiger als in seinen eigenen Stores verkauft worden seien, erklärte Behördenchefin Isabelle de Silva am Montag. Es gehe um verschiedene Apple-Produkte wie iPad-Tablets, nicht aber um iPhones.
    Für die französische Wettbewerbsbehörde Autorité de la Concurrence ist das die bisher höchste Strafe gegen ein einzelnes Unternehmen. Die beiden Großhändler Tech Data und Ingram Micro kamen mit deutlich niedrigeren Strafen von knapp 63 und gut 76 Millionen Euro davon. Ausgelöst hatte die Untersuchung eine Beschwerde des Apple-Händlers eBizcuss aus dem Jahr 2012. Die Firma hatte sich in dem Jahr aus Frankreich zurückgezogen und ist noch in Belgien aktiv.
    Die Wettbewerbsbehörde prangerte unter anderem an, dass die Rolle der beiden Großhändler lediglich darauf reduziert gewesen sei, von Apple festgeschriebene Artikelmengen weiterzuleiten. Zwischen den beiden selbst habe es keine Konkurrenz gegeben. Bei Vertragshändlern habe Apple enge Grenzen für Werbeaktionen gesetzt. So wird eBizcuss von der Behörde mit der Aussage zitiert, man sei von Apple aufgefordert worden, die Preise zu erhöhen, wenn Geräte günstiger als vom Konzern selbst verkauft worden seien. Zugleich habe Apple seine spezialisierten Händler vertraglich daran gehindert, europaweit exklusiv konkurrierende Marken zu verkaufen.
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung JK: Bei einem aktuellen Quartalsgewinn von mehr als 22 Milliarden Dollar zahlt Apple diese Strafe aus der Portokasse.

  9. Große Sorgen in der Sexarbeit
    Städte und Bundesländer schließen Bordelle und verbieten vorerst Prostitution. Vielen Sexarbeitenden droht nun Obdachlosigkeit.
    „Das ist das ganz große Drama“, sagt Stephanie Klee vom Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD), in dem sich unter anderem Betreiber:innen von Bordellen organisiert haben: Mehrere Städte und Bundesländer haben wegen des Corona-Virus angeordnet, Prostitutionsstätten vorerst zu schließen. Dazu gehören Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und das Saarland. Mit weiteren Verboten wird gerechnet. Die Polizei kontrollierte vielerorts bereits am Wochenende, ob die Verbote umgesetzt werden.
    Natürlich habe sie volles Verständnis, dass Gesundheit vorgehe, sagt Klee. „Aber viele wissen nicht, wie sie die nächste Zeit überstehen sollen.“
    Auch Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD), der für Sexarbeiter:innen spricht, sagt: Vor allem unter denjenigen, die ohnehin schon marginalisiert arbeiten, die weder Krankenversicherung noch festen Wohnsitz haben, „herrsche richtig Panik.“ Ohnehin hätten sehr viele Sexarbeitende nahezu keine Rücklagen.
    Oft wohnen Sexarbeiter:innen vorübergehend in den Bordellen, in denen sie arbeiten. „Die wurden jetzt von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt“, sagt Weber. Viele, die nicht in Deutschland leben, könnten wahrscheinlich nicht mehr nach Hause reisen oder müssten in Quarantäne. Die Grenzen etwa nach Polen oder Bulgarien sind dicht.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Hier geht es um Armutsprostitution von Frauen aus Südosteuropa. Die Frauen sind nirgendwo angemeldet (verbotswidrig), haben keinen Krankenversicherungsschutz, zahlen keine Steuern, und trotz der Schwarzarbeit haben sie keine Rücklagen und können sie sich nicht einmal die Miete für eine normale Wohnung leisten, sondern müssen in ihren Arbeitszimmern leben (ebenfalls ungesetzlich). Mit anderen Worten: Ausbeutung auf schlimmsten Niveau; Zwangsarbeit, wobei fast egal ist, ob die Frauen mit Gewalt oder “nur” finanziell zu ihrer Tätigkeit gezwungen werden. Diese Zwangslage bezeichnet die Autorin euphemistisch mit der Vokabel “Sexarbeit” – so, als hätten die Frauen sich den Job ausgesucht wie Krankenschwester oder Bäckereiverkäuferin. Was für ein grausam neoliberales Weltbild kann man eigentlich haben? Aber die taz steht anscheinend für die freie Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, solange nur alles “frei” passiert.

    Anmerkung JK: Die taz beweist auf das Neue wie doch Neoliberalismus und Linksliberalismus aus der gleichen ideologischen Quelle schöpfen. Die Frage wie frei denn nun die Entscheidung zur Lohnarbeit in den kapitalistischen Fabriken oder zur Prostitution, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen, explizit den ökonomischen Macht- und Besitzverhältnissen denn wirklich ist, diese Frage ist der blinde Fleck in der linksliberalen Weltsicht.

    Dazu: Armutsprostituierte aus Osteuropa: Eine Frau für fünf Euro

  10. Homeoffice als Klassenfrage
    Im Silicon Valley zeigt sich besonders deutlich, wer in der Coronakrise gewinnt – und wer verliert. Zu Hause bleibt, wer es sich leisten kann. Eindrücke aus einer gespaltenen Stadt.
    Nicht zu Hause bleiben kann das Fußvolk der Plattform-Ökonomie: die Zehntausenden von schlecht bezahlten Uber- und Lyft-Fahrern, die Essenslieferanten von DoorDash, die Amazon-Paket-Austräger. Das Silicon-Valley-Prekariat. Solange es das selbstfahrende Auto und das Massenversandsystem per Drohnenschwarm noch nicht gibt, ist die schöne digitale Zuhause-Arbeitswelt auf Zulieferer angewiesen, auf analoge Wasserträger. Homeoffice wird zum Statussymbol, zur Klassenfrage: Souverän ist, wer daheimbleiben kann. Gut möglich, dass Corona diesen neuen Graben in der Arbeitswelt besser sichtbar machen und vertiefen wird.
    Quelle: Spiegel
  11. Eine soziale Krise mit einer Gesundheitskrise obendrauf
    Die USA wappnen sich für die Coronavirus-Pandemie. Immer mehr Menschen begeben sich in Quarantäne. Aber was ist mit den 1,4 Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern, die zumindest vorübergehend in Obdachlosigkeit leben? Bobby Watts und Barbara DiPietro vom National Healthcare for the Homeless Council (NHCHC) befürchten, dass Corona vor allem zulasten der Ärmsten gehen wird – und sich die Krise der Gesundheitsversorgung in den USA noch verschärft.
    ZEIT ONLINE: Die Coronavirus-Pandemie hat längst auch die USA erreicht. Würden Sie sagen, dass das US-Gesundheitssystem gut darauf vorbereitet ist?
    Bobby Watts: Längst nicht für jeden. Wann immer das System unter Druck gerät, sind obdachlose Menschen als verwundbarste Mitglieder der Gesellschaft am stärksten betroffen. Sie leiden nicht nur häufiger an chronischen Krankheiten, sondern haben aufgrund des eingeschränkten Zugangs zu Nahrung und Unterkunft auch nur sehr begrenzte Möglichkeiten, ihr Immunsystem zu stärken. Wir sind daher äußerst besorgt über die Auswirkungen dieser Pandemie, denn sie veranschaulicht einmal mehr, in was für einem katastrophalen Zustand das amerikanische Gesundheitssystem ist. Wir haben bereits jetzt einen kritischen Mangel an Möglichkeiten zur Erstversorgung, der sich in den kommenden Wochen wahrscheinlich noch verschlimmern wird.
    Quelle: Zeit
  12. Kellner zur Ernte auf den Acker?
    Saisonarbeiter aus Polen oder Rumänien etwa könnten wegen Corona zu Hause bleiben, warnt der Bauernverband. Können Restaurantkellner sie ersetzen?
    Der Deutsche Bauernverband rechnet wegen der Coronavirus-Pandemie mit einem Mangel an Erntehelfern aus dem Ausland. „Wir befürchten, dass durch die Grenzschließungen dringend benötigte Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer fehlen werden“, sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken am Montag der taz. […]
    Von dem Arbeitskräftemangel seien akut die Gemüse- und Spargelbauern betroffen, aber auch andere Landwirtschaftsrichtungen hätten Beschäftigte aus dem europäischen Ausland, ergänzte Krüsken. „Im Gemüsebau kommen wir jetzt in die ersten Arbeitsspitzen: Pflanzung von Salaten, Kohl etc., bald auch Ernte von Salat und Spargel. Im Obstbau stehen ab Mai die Ernten von Erdbeeren und ab Juni von anderen Beeren an“, schrieb die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.
    Zwar waren laut Statistischem Bundesamt 2016 nur 286.000 der insgesamt 940.000 Arbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft saisonweise – also bis zu 6 Monate – beschäftigt. Doch gerade „Sonderkulturen“ wie Spargel werden größtenteils von ausländischen Saisonkräften geerntet, die bereit sind, für die vergleichsweise geringen Löhne diese körperlich anstrengenden Tätigkeiten zu erledigen.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Bauern heulen herum, weil die Ausländer fehlen, die “für die vergleichsweise geringen Löhne diese körperlich anstrengenden Tätigkeiten [auf dem Feld] erledigen”, und die taz heult mit: die armen Bauern! Das ist ein Ausnahmesituation, und der ständige Hinweis darauf, dass die Bauern gefälligst vernünftige, also deutlich höhere, Löhne zahlen sollen, wenn sie Arbeitskräfte haben wollen, funktioniert nur begrenzt. Und dennoch kotzt mich die Anspruchshaltung dermaßen an. Wo steht geschrieben, dass Bauern ein Recht haben auf Arbeitskräfte, die “für die vergleichsweise geringen Löhne diese körperlich anstrengenden Tätigkeiten […] erledigen”? Was soll den Verweis auf Gastronomiekräfte – sind die auch so schön ausbeutbar, weil sie üblicherweise anstrengende Arbeit für sehr wenig Geld machen? Ist das nicht ein völlig anderes Stellenprofil? Zwischen den Zeilen klingt für mich durch, dass solche Menschen, die jetzt wegen Restaurantschließungen arbeitsfrei haben, zwangsverpflichtet werden sollen. Und wie ist Klöckners Drohung zu verstehen, dass sie die “bürokratischen Anforderungen […] während der Krise herunterfahren” möchte: die Vorgaben für die Landwirte sind eh schon zu lax – was soll denn da noch “heruntergefahren” werden, und wie verhilft weniger Bürokratie zu mehr Arbeitskräften? Mir scheint, die Politik will auch diese Krise nicht ungenutzt lassen, die letzten Reste an Regulierung im Arbeitsmarkt zu beseitigen.

  13. Wie Verbraucher ihre Rentenlücke berechnen und schließen können
    Die gesetzliche Rente allein wird künftig nicht reichen. Das ist zwar den meisten Deutschen inzwischen klar. Doch das Rentenalter liegt für viele Verbraucher so weit in der Zukunft, dass sie wenig Lust haben, sich damit zu befassen. Das bestätigt eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach.
    Demnach haben zwar 79 Prozent der Deutschen Zweifel, dass die Renten in Zukunft gesichert sind. Dennoch wissen viele nicht, wie hoch ihre gesamten Rentenansprüche im Ruhestand eigentlich sind. Nur ein Viertel der Befragten meint, seine finanzielle Lage im Alter relativ gut einschätzen zu können.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Bundesregierung kümmert sich nicht um existenzsichernde, deutlich höhere gesetzliche Renten, sondern lässt eine App programmieren, mit der man sich – ganz individuell – die Rentenlücke ausrechnen kann; und das Handelsblatt betätigt sich mitten im größten Börsencrash seit mindestens 30 Jahren im Namen der Lobbyvereinigung “Deutsches Aktieninstitut” frohgemut als Propagandablatt für die “private” Altersvorsorge in Aktien – wir leben wirklich in einem Irrenhaus. Und da ist noch nicht mal berücksichtigt, dass ein Großteil der Menschen zwar seine Rentenlücke dank der Rentenkürzungen von Rot-Grün und Schwarz-Gelb bestaunen, aber mangels ordentlichem Lohn niemals schließen kann. Wahnsinn.

  14. Coronavirus: Die Agrarindustrie würde Millionen Tote riskieren
    Du erforschst Epidemien und ihre Ursachen seit mehreren Jahren. In deinem Buch »Big Farms Make Big Flu« versuchst du, die Zusammenhänge zwischen industriellen landwirtschaftlichen Methoden, Ökolandbau und virusbedingter Ansteckungskrankheiten aufzuzeigen. Was sind deine Erkenntnisse?
    Die eigentliche Gefahr jedes neuen Ausbruchs ist das Versagen, oder, besser gesagt, die zweckdienliche Weigerung zu begreifen, dass jeder neue Covid-19-Fall kein Einzelfall ist. Das vermehrte Auftreten von Viren steht in engem Zusammenhang mit der Nahrungsmittelproduktion und der Profitabilität der multinationalen Unternehmen. Wer verstehen will, warum Viren immer gefährlicher werden, muss das industrielle Modell der Landwirtschaft und insbesondere der Viehzucht untersuchen. Gegenwärtig sind nur wenige Regierungen und wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu bereit. Ganz im Gegenteil: Wenn die neuen Virusinfektionen ausbrechen, sind die Regierungen, die Medien und sogar die meisten medizinischen Einrichtungen so auf jeden einzelnen Notfall konzentriert, dass sie die strukturellen Ursachen, die dazu führen, dass mehrere eher marginale Krankheitserreger nacheinander zu plötzlicher weltweiter Berühmtheit gelangen, außer Acht lassen.
    Wer ist daran schuld?
    Ich habe industrielle Landwirtschaft gesagt, aber es gibt einen größeren Rahmen dafür. Das Kapital erobert weltweit die letzten Urwälder und die letzten von Kleinbauern bewirtschafteten Flächen. Diese Investitionen treiben die Entwaldung und damit eine Entwicklung voran, die zur Entstehung neuer Krankheiten führt. Die funktionelle Vielfalt und Komplexität dieser riesigen Landflächen wird so vereinheitlicht, dass zuvor eingeschlossene Krankheitserreger auf die lokale Viehzucht und die menschlichen Gemeinschaften überspringen. Kurz gesagt, die Metropolen des globalen Kapitals, Orte wie London, New York und Hongkong, müssen als Krisenherd für die wichtigsten Krankheiten betrachtet werden.
    Quelle: Marx21

    Anmerkung JK: Das mag sich für den einen oder anderen nach Verschwörungstheorie anhören, es ist aber erwiesen, dass durch die immer intensivere Flächennutzung durch abholzen von Regenwald der Übersprung von tierischen Krankheitserregern auf den Menschen befördert wird.

    Dazu: Die Virenjäger – Seuchen auf der Spur
    Immer tiefer dringt der Mensch in unberührte Lebensräume vor, zerstört die Natur. Gleichzeitig nehmen Zoonosen, Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, zu.
    Quelle: ZDF

  15. Zweifel an Täterschaft Amris im Untersuchungsausschuss
    Anis Amri war erwiesenermaßen während der Tatzeit in Tatortnähe und seine Fingerabdrücke finden sich außen an der Fahrertür des LKW – aber war er auch der Fahrer? Da die Alleintätertheorie längst unglaubwürdig ist, wäre es nicht einmal etwas Besonderes, wenn auch Amris Haupttäterschaft in Zweifel stünde. Im Raum steht allerdings die Frage, warum sich die Ermittlungsbehörden einseitig auf den Tunesier als Täter festgelegt haben. Sollen bestimmte Tatbeteiligte geschützt werden?
    Jedenfalls hatte und hat diese Festlegung Auswirkungen auf Fahndung und Ermittlung. Sie werden ausschließlich an der Person Anis Amri gemessen. Auch die Videoauswertung erhielt gezielte Aufträge, so der BKA-Kriminalhauptkommissar T.V., nach Bezügen zu Amri zu suchen. In einem Fall gab es einen Hinweis, dass auf Bildmaterial eine Person aus den Maghrebstaaten zu sehen sei. Dazu zählt Tunesien. Doch BKA-Ermittler T.V. entschied, dem nicht nachzugehen. Warum, wollten die Abgeordneten wissen? Antwort: Es sei kein Zusammenhang zu Amri erkannt worden.
    Eine selektive Ausrichtung, die aus NSU-Ermittlungen bekannt ist. Vor der Aufdeckung des NSU-Trios wurde nicht in alle Richtungen ermittelt und nach seiner Aufdeckung im November 2011 nur noch in Richtung der mutmaßlichen Täter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Eine tendenziöse und letztlich erfolglose Ermittlungspraxis. Methodisch lässt sich hier beobachten, wie leicht ein ganzer hierarchischer Apparat manipuliert werden kann. Eine zentrale Stelle muss lediglich den Namen “Anis Amri” vorgeben, und alle folgenden Stellen suchen nur noch in dieser Richtung.
    Diese Polung hat aber auch Auswirkungen auf Politik und Medien. Die Presse folgt zum Großteil dieser Täterfestlegung und ihrer daraus entstehenden Logik: Wer in der Geschichte zählt, ist nur noch Anis Amri. Und auch die Aufklärungsagenda der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse entspricht der Vorgabe. Wie fatal das ist, zeigt sich jetzt bei der Behandlung des Anschlagsgeschehens. Hätte man es an den Anfang der Aufklärungsarbeit gestellt, wie es die kleinen Fraktionen FDP, Linke und Grüne, aber auch die Angehörigen der Getöteten und die Opfer immer gefordert haben, hätten sich zum Teil andere Fragen gestellt und Untersuchungsschritte ergeben.
    Quelle: Telepolis
  16. Die russische Frau, der russische Mann und „Die Zeit“
    Nach den Native-Americans und den Aborigines hat der Westen nun die letzten noch zu zivilisierenden Eingeborenen entdeckt: die Native-Russians! Ganze Heerscharen postmoderner Missionare erkunden die russische Frau und den russischen Mann. Vorneweg: „Die Zeit“.
    Die russische Frau und den russischen Mann gibt es in der Zeit nur im Singular. Vermutlich leben die beiden in den riesigen Weiten des größten Flächenstaates der Erde einsam wie Adam und Eva. Bei Qualitätsjournalistin Alice Bota liest sich das in ihrer Hommage an die russische Frau so:
    „Früher flog sie ins Weltall, kämpfte als Soldatin, zettelte Revolutionen an. Heute wählt sie Wladimir Putin zum Präsidenten und lässt sich von ihrem Ehemann verprügeln. Wie die russische Frau zu einem Wesen wurde, das nicht mehr stark sein darf.“[1]
    Das sind in der Tat brennende Fragen, die nach qualifizierten Antworten aus dem Westen schreien! (…)
    Überrascht noch die Sowjetnostalgie ausgerechnet in der bildungsbürgerlichen Zeit, so ist die Vorstellung, die postkommunistische Ost-Frau bedürfe grundsätzlich der westlichen Entwicklungshilfe, spätestens seit dem Mauerfall in den grünalternativen Intellektuellenzirkeln des Westens ein unbestrittener Topos. Unvergessen die klassische Szene in einer Charlottenburger Buchhandlung im April 1990: Eine Frau aus Marzahn fragt den Buchhändler: „Haben Sie ein Wörterbuch der westdeutschen Sprache? Mir als Ossi sind hier so viele Worte nicht geläufig!“ Worauf der Buchhändler nachsichtig verbessert: „Es heißt Ossa!“
    Neu ist demgegenüber, dass sich die westliche Missionierung mittlerweile so erfolgreich gen Osten ausgebreitet hat, dass es nun schon polnischstämmige Frauen sind, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, die letzten verbliebenen Wilden des Ostens – will sagen: die russische Frau und den russischen Mann – mit den Errungenschaften der westlichen Zivilisation zu beglücken.
    In der Sowjetunion“, schwärmt Alice Bota, „durften Frauen nicht nur von Beginn an einen Beruf ausüben. Sie durften auch wählen, sich ohne Angabe von Gründen scheiden lassen, kostenlos abtreiben, über ihr eigenes Geld verfügen. Durften Ingenieurinnen sein und Physikerinnen, Fabriken leiten und im Zweiten Weltkrieg als Soldatinnen den Faschismus besiegen.“
    Da dies zweifelsfrei den Tatsachen entspricht und Bota andererseits ihren Essay von vorneherein antithetisch angelegt hat, kann dies alles – so der von der Autorin insinuierte Umkehrschluss – im heutigen Russland nicht mehr gelten. – Stimmt aber nicht! Liebe Frau Bota, russische Frauen können nach wie vor einen Beruf – Physikerin, Chemikerin, Ingenieurin sogar Qualitätsjournalistin – ausüben. Es gibt inzwischen sehr erfolgreiche Managerinnen kapitalistischer Unternehmen, Leiterinnen außenpolitischer Think Tanks, mutige zivilgesellschaftliche Protagonistinnen, die z.B. die NGO „Soldatenmütter“ gegründet haben und es gibt auch steinreiche Neue Russinnen. Nach wie vor können russische Frauen über ihr eigenes Geld verfügen, sich von ihren Männern scheiden lassen, abtreiben (ob immer noch kostenlos, sei dahingestellt) und was auch immer man von den Wahlen in Russland halten mag: Die russischen Frauen nehmen ihr Wahlrecht genauso selbstverständlich in Anspruch wie die russischen Männer. Nur den Faschismus können sie in der Tat nicht mehr als Soldatinnen besiegen, aber das ist nicht unbedingt die Schuld des russischen Präsidenten!
    Quelle: Leo Ensel in ostexperte.de
  17. Best of Informationsfreiheit: Handylöschungen – Scheuer, von der Leyen und bald die anderen
    Wenn ein Beamter in einer Bundesbehörde die Daten seines Diensthandys eigenmächtig löscht, bekommt er oder sie wahrscheinlich ein rechtliches Problem. Anders sieht es aus bei den Chefs der Beamten: Nicht nur die ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, auch der aktuelle Verkehrs- und Skandalminister Andreas Scheuer haben Daten auf ihren Diensthandys gelöscht. Beide entgingen damit einer Kontrolle durch Untersuchungsausschüsse im Bundestag.
    Eine ernsthafte Konsequenz haben beide kaum zu befürchten. Denn während es für Handydaten von Beamten klare Regelungen gibt, hat die Bundesregierung kein Interesse daran, ihre Mitglieder kontrollieren zu lassen. Dafür ist sie sich auch nicht zu schade, den Datenschutz gegen die Informationsfreiheit in Stellung zu bringen.
    Dass sowohl Scheuer als auch von der Leyen selbst möglicherweise inkriminierende Handydaten löschen konnten, begründet die Bundesregierung damit, dass sie ihre Diensthandys auch privat genutzt hätten. Tatsächlich dürfen nach einer Richtlinie der Regierung nur die Leitungen der obersten Bundesbehörden ihre Mobilfunkgeräte auch privat nutzen. Praktisch für die Bundesregierung, die in diesem Fall auf einmal zur größten Befürworterin des Schutzes privater Daten wird.
    Quelle: heise online

    Anmerkung unseres Lesers E. L.: Sobald das Dienst-Handy sowohl dienstlich als auch (privat?!) genutzt wird, ist eine Datenerhebung nicht mehr möglich? Unseriöser und unglaubwürdiger gehts kaum noch! Warum findet sich keine Staatsanwaltschaft, die diesen Fällen nachgeht?

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Handydaten von Andreas Scheuer gelöscht.

  18. Das Letzte – Dass eine Ostdeutsche dieses Land führt, ist ein Glücksfall
    Jetzt erlebt das ganze Land eine massive Veränderung, in Zeitraffer. Jeden Tag werden Rechte, die als Freiheitsrechte unveräußerlich schienen, beschränkt. Um der Gesundheit vieler willen. All das will aber von denen, die nicht krank sind, mental erst einmal bewältigt werden. Diesen Prozess macht auch die Kanzlerin durch. Wie könnte es anders sein. ….
    Aber sie macht ihn als Ostdeutsche durch, mit einem spezifischen Erfahrungsschatz, den nur die Bürger der ehemaligen DDR mitbringen. Wenn Merkel in kleinen Runden ins Plaudern kommt, dann erzählt sie über die Wendejahre als eine Phase disruptiven Wandels in ihrem Leben und ihrer Umgebung; was damals geschah, ist den aktuellen Umwälzungen, die sich innerhalb von Tagen und hoffentlich zeitlich befristet vollziehen, durchaus verwandt.
    Zu den spezifisch ostdeutschen Erfahrungen gehört es, dass man sich stärker half und unterstützte, als dies im Westen üblich war. Dass man nicht nur darauf achtete, was einem selbst nützt. Dieser ostdeutsche Erfahrungsschatz kann nun dem ganzen Land zugutekommen.
    Die Corona-Krise kann gar das Verständnis des Westens für den Osten befördern. Die Tatsache, dass eine Ostdeutsche dieses Land noch immer führt, ist ein Glücksfall.
    Quelle: Welt

    und: So könnten wir das schaffen
    Kein “Wir schaffen das” also, wie 2015. Auch kein: “Ihre Einlagen sind sicher”, die Botschaft während der Finanzkrise an verunsicherte Sparerinnen und Sparer. Aber – ähnlich wie 2008 mit Peer Steinbrück hat sich Merkel auch jetzt einen versierten Fachminister an ihre Seite geholt. Glaubten die Deutschen damals dem Finanzminister, dass das schon klar geht mit ihrem Sparbuch, ist es diesmal Jens Spahn, der zur Hochform aufläuft.
    Der junge Gesundheitsminister, häufig Widerborst gegen die Kanzlerin, ist jetzt Merkels Glück. Einer, der ebenfalls Ruhe bewahrt, und auch, aber nicht nur auf staatliche Verbote setzt. Sondern ohne Angst appelliert an die Bürger, sich den Clubbesuch, die Kinovorstellung und die Reise zur Oma eben mal zu verkneifen.
    Das ganz große Durchgreifen gegen Corona kann nicht kommen, weder von Merkel noch von Jens Spahn, in einem föderal organisierten Deutschland. Aber das ist auch nicht nötig. Dass die Kanzlerin und ihr Gesundheitsminister kleine Schritte vorschlagen, jeden Tag einen mehr, macht sie nicht schwach, sondern realistisch – transparent und überlegt. So könnten wir das schaffen. Und das muss einem nicht mal eine Kanzlerin sagen.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung JK: Die Skrupellosigkeit und der Zynismus der deutschen Journaille ist unsäglich. Vor dem Hintergrund einer Epidemie, die gerade droht außer Kontrolle zu geraden wird uns von den deutschen „Qualitätsjounalisten“ wieder einmal, ähnlich wie in der Flüchtlingskrise, Merkel als die Heilige Angela verkauft, die uns vor Not und Pestilenz schützen soll. Dabei steht Merkel für 15 Jahre neoliberaler Politik, die auch die Krankenhäuser und Kliniken mit dem allein auf betriebswirtschaftliche Effizienz getrimmten System der Fallpauschalen finanziell und personell in die Enge getrieben hat, was sich nun in teilweise katastrophalen Personalmangel an den Krankenhäusern und in den Pflegeeinrichtungen manifestiert.

    Es ist mehr als verständlich, dass die Bürger aktuell anderes im Kopf haben als über die Folgen neoliberaler Gesundheitspolitik zu diskutieren, obwohl diese nun auf fatale Weise zu Tage treten. Die grundlegende Problematik besteht aber darin, dass, sollte sich die Situation zu einem Zeitpunkt entspannen vermutlich kein Hahn mehr danach krähen wird. Das Gegenteil wird Geschehen, die Gazetten werden noch mehr als jetzt voll von Lobeshymnen über das hervorragende „Krisenmanagement“ der Bundesregierung, explizit Merkels, sein. Damit einem Wahlsieg der CDU und einem Bundeskanzler Jens Spahn im nächsten Jahr nichts mehr entgegen steht und die katastrophale neoliberale Politik einfach fortgesetzt werden kann.

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