Im Januar dieses Jahres gab es wieder mal eine Kampagne für die Geldanlage in Aktien. Am 27. Januar warb Anja Kohl bei „Hart aber fair“ für den Aktienkauf und den Ausbau der „Beteiligungskultur“. DAX damals: 13.375,00, DAX gestern: 9.042,79. Verlust: 4.332 = minus 32,39%. Die NachDenkSeiten haben am 29. Januar über Hart aber fair berichtet. Siehe hier “Ein Leserkommentar zu Hart aber fair „Wer jetzt noch spart, ist selber schuld: Muss uns die Politik vor den Minuszinsen retten?“” . Anja Kohl kann nichts dafür, dass die Aktienkurse eingebrochen sind. Aber sie ist verantwortlich für eine ausgesprochen leichtfertige und leichtsinnige Empfehlung. Wer ihr damals, in den Tagen nach dem 27. Januar, gefolgt ist und Angespartes zum Beispiel in Höhe von 10.000 € in Aktien angelegt hat, hat inzwischen nur noch 6761 €. Albrecht Müller.
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Anja Kohl würde darauf hinweisen, dass sie nur an eine langfristige Anlage gedacht habe und deshalb der konkrete aktuelle Einbruch der Aktienkurse ihre Empfehlung gar nicht entwerten könne. Das ist schön gesagt. Tatsächlich sind von der Empfehlung der Frau Kohl von der ARD vermutlich auch Menschen beeindruckt, deren Sparbeträge für die langfristige Anlage nicht geeignet sind. Wenn zum Beispiel jemand für die Anschaffung eines Autos spart, was es ja noch geben soll, dann nützt der langfristig mögliche Kursgewinn nichts. Oder wenn ein junges Paar spart, um sich eine Eigentumswohnung zu kaufen, dann nützt der langfristig möglicherweise zu erwartende Kursgewinn nichts. Dann wären aus 100.000 angesparten Euro zwischen 27. Januar und heute 67.610 € geworden, oder aus 50.000 € angespartem Geld 33.805 €.
Die Anlage des Geldes in Aktien ist auf kurze und sogar auf mittlere Sicht oft problematisch gewesen. Die Entwicklung hat bemerkenswerte Eigenschaften. Hier finden Sie eine Abbildung für die Entwicklung der DAX-Werte aus Börse.de/DAX seit 1959:
Zunächst einmal fällt auf, dass die Entwicklung zwischen 1960 und 1980 wenig spektakulär war, man könnte auch sagen: wenig spekulativ. Es gab Schwankungen, aber keine ständige Steigerung der Aktienkurse. Quasi mit dem Eintritt der neoliberalen Ideologie in die Bundesregierung im Jahre 1982/1983, personifiziert durch Otto Graf Lambsdorff und seinen Gehilfen Hans Tietmeyer, begann das Spiel mit Aktien.
Der besonders steile Anstieg zwischen 1995 und dem Jahr 2000 war in Deutschland geprägt von massiver Propaganda für die Anlage in Aktien. Die Älteren erinnern sich noch an die Werbung von Manfred Krug für die Telekom-Aktie. Manche erinnern sich auch noch daran, dass sie damals ihre ersten 2000 DM in Aktien angelegt haben und prompt große Teile verloren haben. Die Kurse stürzten nämlich im Jahr 2000 und danach von 7500 DAX-Wert auf 2500 ab. Wer also im Zuge der Propaganda um den Neuen Markt und die New Economy sein Spargeld in den Jahren 1997-1999 angelegt hat, wer also der Werbung zur Aktienkultur, wie es damals hieß, gefolgt war, hat große Teile seines Angesparten verloren. Dasselbe Spiel dann noch einmal zwischen 2007 und 2009. Und jetzt wieder.
Die großen Sprüche über Aktienkultur und Beteiligungskultur nutzen den Menschen, und das ist die Mehrheit, die nicht über große Vermögen verfügen und damit langfristig disponieren können, nichts. Diese Menschen brauchen nach wie vor die ganz normale Anlagemöglichkeit auf dem Sparkonto oder dem Festgeldkonto oder anderen sicheren und mit einem realen positiven Zins ausgestatteten Anlagemöglichkeiten. Dafür zu sorgen, hat die Politik versäumt. Die aktuell Verantwortlichen sind allesamt Kumpane der „Aktienkultur“ und der Immobilienwirtschaft und sie werden, siehe oben, von einflussreichen Medienvertreter/innen und auch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterstützt.