Rolf Dietrich Schwartz zum 70. Geburtstag
Wer die „Bonner Republik“ noch bewusst miterlebt hat, der kam an Rolf Dietrich Schwartz nicht vorbei. Der studierte Volkswirt – seit 1972 als Bonner Parlamentskorrespondent der damals noch wirklich „links-liberalen“ Frankfurter Rundschau – war über fast drei Jahrzehnte ein mutiger und von den Politikern gefürchteter Kämpfer für den Sozialstaat und gegen die damals schon vorangetriebene Umverteilungspolitik der schwarz-gelben Koalition unter Helmut Kohl. Und er war einer der wenigen Wirtschaftsjournalisten, die schon vor langer Zeit der herrschenden neoliberalen Wirtschaftslehre theoretisch fundiert und faktenreich ihr Scheitern vorhersagte. Wolfgang Lieb
Die Lektüre der mit rds – so das Kürzel von Rolf Dietrich Schwartz – gekennzeichneten Aufmacher waren immer ein Gewinn. Seine Berichterstattung war informativ, differenziert und dennoch verständlich. „Blacky“ – wie er von allen genannt wird – war ein Vertreter der klassischen Schule des Journalismus: saubere und distanzierte Berichterstattung, aber in seinen Leitartikeln und Kommentaren hat er kein Blatt vor den Mund genommen. Kohls Regierungskunst bestehe darin, „die Interessen einer Minderheit als nützlich für die Mehrheit auszugeben“, schrieb er im September 1995 in der FR.
Wenn er in der Bundespressekonferenz im Bonner Tulpenfeld eine Frage stellte, so konnte man fast sicher sein, dass er die befragten Politiker in Verlegenheit brachte. Er habe „die Schnauze von den (Politiker-)Ritualen gestrichen voll“ hat er einmal geschrieben und das merkte man seinen heftigen Attacken in der Sache an.
Wenn er etwa im ZDF in die Sendung „Journalisten fragen – Politiker antworten“ eingeladen war, dann mussten sich die Politiker „warm anziehen“. Mit seiner Faktenkenntnis und vor allem mit seinem bei Journalisten nur noch selten so ausgeprägten Gedächtnis für ökonomische Sachverhalte in der Vergangenheit rechnete er mit den Epigonen von Reagans und Thatchers „Kapitalismus pur“ ab.
Sein 1996 erschienenes Buch „Kapitalismus ohne Netz – Was hält die Gesellschaft zusammen?“ hat nichts an Aktualität verloren. Er belegte darin z.B., wie mit der sog. „Standortdebatte“ Deutschland miesgemacht wurde und er fasste zusammen: „Die ganze Standort-Debatte ist Ergebnis eines rein interessenpolitisch bedingten Verteilungskampfes.“ Schon damals bekämpfte er den Irrglauben, Deutschland könne sein Heil in der Flucht in den Export finden: „Nicht alle Staaten können nämlich gleichzeitig Überschüsse erzielen und ihre außenwirtschaftliche Bilanz aktivieren. Des einen Export ist immer des anderen Import, und die Summe der Leistungsbilanzsalden in der Weltwirtschaft ist notwendigerweise Null”, schrieb er. Eine Einsicht, die etwa in der aktuellen Griechenland- und Euro-Krise ihr bitteren Folgen zeitigte. Die neoliberale Politik “bietet keinen Ausweg aus dem Teufelskreis gegenseitigen Niederkonkurrierens mit Sozialdumping und Abwertungswettlauf”. Im Zeitalter der Globalisierung biete dieser ,,in veralteten nationalen Bahnen” stattfindende Verdrängungs- und Vernichtungswettbewerb mit Lohn- und Subventionskonkurrenz und mit Sozial- und Ökodumping ,,längst keine Penpektive mehr”, so seine düstere Vorhersage. Er hat gegen die schon in der Ära Kohl gebetsmühlenartig wiederholten Verzichtsaufrufe angekämpft und die angebliche „Alternativlosigkeit“ der herrschenden Wirtschaftslehre mit großem Sachverstand vehement bestritten: „Die Erde ist halt eine Scheibe und die Arbeitslosen sind an ihrem freiwilligen Los selber schuld”, lautet seine damals schon zornige Kritik an den bis heute nachgebeteten Glaubenssätzen.
Rolf Dietrich Schwartz hatte als einer der ersten Journalisten den Schwenk der Grünen ins wirtschaftsliberale Lager erkannt. „Auch Grüne entdecken Drückeberger“ so geißelte er in der Frankfurter Rundschau vom 29. Juni 1999 die Vorschläge des Grünen Fraktionsvorsitzenden Rezzo Schlauch Niedriglöhne und Lohnsubventionen für Geringqualifizierte einzuführen. Er war eben mit seinen Analysen der Zeit immer weit voraus.
Vor gut 10 Jahren hat ihm ein Schlaganfall im Wortsinne seine scharfe Feder aus der Hand genommen. Sein Interesse an Wirtschaftsfragen ist jedoch wach geblieben und sein Engagement für den Sozialstaat hat nicht nachgelassen.
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Für seine journalistisches Lebenswerk und für sein Engagement für die NachDenkSeiten danken wir Rolf Dietrich Schwartz aus Anlass seines heutigen runden Geburtstags von ganzem Herzen.
Wir wünschen ihm und uns, dass er uns noch lange als wirtschaftspolitischer Weggefährte und guter Freund begleiten kann. Wir sind auf Menschen mit einer so unersetzlichen wirtschaftspolitischen Erfahrung und mit einem so enzyklopädischen Gedächtnis für die Wirtschaftsgeschichte angewiesen. Dass Rolf Dietrich Schwartz nun schon siebzig wird, führt einem mit Erschrecken vor Augen, wie lange die wirtschaftspolitische Irrfahrt in Deutschland inzwischen andauert.