Leserbriefe zur Sterbehilfe
Der Artikel: Sterbehilfe – Gesundheitsminister „spielt Gott“ hat einige unserer Leser zum Schreiben von Leserbriefen animiert. Hier veröffentlichen wir eine Auswahl. Zusammengestellt von Redaktion.
1. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
Ihrem sehr gutem Beitrag sind einige Anmerkungen anzufügen:
- Ein selbstbestimmtes Sterben in hoffnungsloser Lage ist eine ureigene individuelle , selbstbestimmte Entscheidung und hat nichts, aber auch gar nichts mit einer staatlich angeordneten Suicid-Assistenz bzw. der mörderischen, verbrecherischen, rassistischen NS-Euthanasie-Zwangstötung angeblich „unwerten Lebens“ gemein.
- Selbstbestimmtes Sterben am Lebensende ( als vom Grundgesetz garantiertes individuelles Selbstbestimmungsrecht ) wird bei einer Entkriminalisierung des § 217 StGB“ keinem gläubigen Christenmenschen aufgezwungen. Auch diese haben das individuelle Selbstbestimmungsrecht einer Entscheidung zum Sterben in Gottesvertrauen.
Woher nimmt sich vor allem die katholische Kirche das Recht her, ihr Dogma vom „Selbstmord als größter Sünde“ auch gegenüber jenen ca. 30% Menschen in einer säkularisierten Gesellschaft überzustülpen, die als Atheisten, Agnostiker oder Nichtchristen etc. gar nicht mehr Mitglieder einer der christlichen Glaubensgemeinschaften angehören! Hier handelt es sich eindeutig um eine aus römisch-katholischen Kirchenrecht dogmatisch begründete Anmaßung der römisch-katholischen Kirche, was auch nicht auf Basis des Konkordat-Abkommens hergeleitet werden kann bzw. auf Basis der Formulierung in der Präambel zum Grundgesetz aus dem Jahre 1949.
- Was die gesetzliche Grundlage im schweizer Kanton Zürich betrifft, zeigt sich einmal mehr, wie sinnvoll ein politisches Selbstbestimmungsrecht aufgrund der Schweizer „Basisdemokratie“ durchgesetzt wurde, im Gegensatz zum Prinzip der repräsentativen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland, in der das deutsche Wahl-Volk selbst keinen direkten Einfluss auf die Bundes-Gesetzgebung hat. Hierzu empfehle ich die Lektüre des „Tractatus logicus-suicidalis“ des bedeutenden schweizer Autoren Hermann Burger, der im Februar 1989 selbstbestimmt an einer Überdosis an Schlaftabletten gestorben ist.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhold Lang
2. Leserbrief
Liebes NDS-Team,
man bedenke doch, wieviel Umsatz mit entsprechenden Profit Todkranke, die meist auch intensiver Pflege und medizinischer Versorgung bedürfen, den entsprechenden Branchen bringen. Und da kommen Sie mit „Menschenwürde“. Ja wo leben wir denn…
Ihr Leser I.D.
3. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
es geht nicht so sehr darum ob Her Spahn (übrigens auch Herr Gröhe) Gott spielen oder sich zu selbigen aufspielen. Ich sehe das Problem tiefer.
Es ist die Nichtdurchsetzbarkeit der Trennung von Staat und Religion.
Wäre Herr Spahn einfach jemand ohne eine Religion, wäre dieses Urteil sicherlich kein Problem für ihn. Doch da er, und viele andere auch, eben einer Religion angehören, entscheiden sie im Zweifel im Sinne ihrer Religion.
Im Sinne dieser Religion ist es, einen Menschen der Selbstmord begehen möchte zu retten. Es ist vom Standpunkt der Religion einfach falsch. Gott allein bestimmt den Zeitpunkt, wann er denjenigen zu sich holt. Maßt sich der Mensch an, diesen Zeitpunkt zu bestimmen begeht er Gotteslästerung (Blashphemie). Vor dieser Gefahr möchte ein jeder Christ seine Mitmenschen natürlich bewahren. Dass der andere Mensch dabei nun schwerste Leiden ertragen muss, ist Teil der Religion. Im Grunde kann Herr Spahn gar nicht anders entscheiden.
Das ist auch am Handeln der SPD erkennbar. Die Einführung vom System “Hartz” hat auch damit zu tun, dass es in den christlichen Religionen die Ansicht gibt, der Mensch müsse arbeiten. Wobei heute damit die Lohnarbeit gemeint ist. “Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.” – sagte Münterfering einst.
Diese Herren, und auch die Damen, die solcherlei Religionen angehören und diese in jedem Bereich ihre Lebens praktizieren, sehen sich nicht als Gott. Nein, ich denke, diese Menschen sehen sich als Werkzeug ihrer Religion. Diese Menschen setzen ihren Glauben in der Gesellschaft durch.
Sicherlich, der Preis ist für den Einzelnen mitunter hoch, jedoch zählt hier nur das große Ganze. Einzelne Schicksale haben dann eben Pech.
Das Ältere abzutreten haben, wenn sie ihr “produktives Potenzial” verbraucht haben – ist doch heute keine Frage mehr. Die Älteren haben abzutreten. Dies wird erkennbar, wenn wir uns die Situation der Rentner anschauen. Müll durchwühlen um an Pfandflaschen zu kommen, deutet meiner Meinung nicht daraufhin, dass sich die Gesellschaft um die Alten bemüht.
Oder das Rentner, nach Abzug der lfd. Kosten, nur noch drei bis fünf Euro am Tag zur Verfügung haben, deutet auch nicht unbedingt darauf hin, dass Alte hier ein tolles Leben führen sollen. Im Grunde sagt die Gesellschaft doch: Geh mit Gott, aber geh.
Welche Fortschritte werden denn erwartet in der Palliativmedizin? Dort wird der an Schmerzen leidende Mensch mit schmerzstillenden Mittel vollgepumpt, um möglichst lange ein Bett zu belegen, welches dann ordentlich Geld in die Kasse spült.
Was ist eine “leichtfertigen (möglicherweise unverantwortlichen) Haltung dem Leben” gegenüber? Zeugt das Handeln der Politik von einem verantwortlichen Umgang dem Leben gegenüber, wenn es den Beamten erlaubt, eine Familie wegen Nichtigkeiten in die Obdachlosigkeit zu schicken? Oder wenn die Politik die Interessen der Wirtschaft höher bewertet als die Interessen einer Gemeinde? Bspw. beim Bau eines Atomkraftwerkes. Auch das Menschen mit der Knute (Hartz) in die Fabriken getrieben werden, zeugt nicht von einem verantwortlichen Umgang dem Leben gegenüber. Auch ein Blick in die nähere Umgebung kann hilfreich sein. Schauen Sie sich in ihrer Stadt an, wie die Interessen der Automobilindustrie gegen die Interessen der Menschen, durchgesetzt wurden und auch heute noch werden.
Eine “Suizid-Mode” – dieses Argument halte ich für völlig absurd. Sollte diese kommen, werden die Kinder und Jugendlichen sicherlich keinen Antrag beim Amt abgeben. Das ist so unsinnig, da fehlen mir einfach die Worte.
Die Zeitung schließt treffend:
„Spahn ist Christ. Aber nicht Gott. Und er hat diesen auch nicht zu spielen.“
Herr Spahn handelt so, weil(!) er Christ ist. Er spielt auch nicht Gott.
Er handelt so wie er handelt, weil seine Religion dies von ihm genauso erwartet.
Die Diskussion um die Sterbehilfe müsste, meiner Meinung nach, eigentlich unter der Überschrift geführt werden: “Welchen Stellenwert hat der Mensch in dieser Gesellschaft”. Wenn wir nur noch von “Arbeitskräften” und/oder “Humankapital” reden, zeigt dies doch recht deutlich, welchen Stellenwert der Mensch in dieser Gesellschaft hat – nämlich keinen. Dass dabei eben auch noch mit Todkranken Geld verdient werden soll, entspricht letzten Endes genau der gelebten Ideologie.
Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die gesamte Diskussion nur davon ablenken soll, dass die gesamte Gesellschaft davon durchdrungen ist, die Interessen der Menschen immer und immer wieder hinten anzustellen.
Dies ist die Normalität in unserer westlichen Gesellschaft.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Geduld.
Hier noch einige Links zum Thema:
- katholisch.de/artikel/14810-jens-spahn-glaube-ist-keine-privatsache
- vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19800505_euthanasia_ge.html
Mit freundlichen Grüßen
Jan Skalla
4. Leserbrief
Liebes Team,
manchmal muss ich einfach den Eindruck haben, dass wir uns mit dieser nicht enden wollenden „Großen Koalition“ auch ein großes Unglück was Demokratie, Menschlichkeit und Wissen angeht, eingehandelt haben.
Ein CDU Politiker wie Alexander Krauß – als Schützenhelfer für Jens Spahn – der so einen Satz sagt: „Der Staat hat nicht den Auftrag oder das Recht, Menschen direkt oder indirekt ins Jenseits zu befördern“ lebt emotional und im Verstand noch im Mittelalter. Denn in diesem wurden Selbstmörder nochmal tot geschlagen und gequält und auch nicht auf dem Friedhof beerdigt – weil sie nicht an die Güte und Gnade Gottes geglaubt hatten. Harte, böse Strafen mussten her.
Und dieser Gesundheitsminister Jens Spahn, verweigert schwer kranken Menschen ein Medikament, dass sie von Schmerzen und Leiden befreien kann, damit sie ohne diese Qualen ruhig und gelassen sterben können!
So sollen sie doch leiden! Einen friedlichen Tod gibt es nicht für diese Menschen, die diesem Druck und dieser Angst entgehen wollen! DAS ist die Botschaft des Jens Spahn und seines Kollegen und all derer, die sich gegen ein humanes Sterben einsetzen.
Aber in Kriegen – und da wird die Scheinheiligkeit dieser Politiker sichtbar – können sich junge Soldaten und Soldatinnen tot schießen lassen und irgendwo in irgendwelchen Schützengräben elendig verenden wie Tiere, weil sie sterben – zwar nicht mehr für Volk und Vaterland – aber für die Handelswege und Blut für Öl getauscht wird.
Beste Grüße
Karola Schramm
5. Leserbrief
Hallo NDS,
wenn ich diesen Artikel lese wo dann auch noch dieses Zitat drin vorkommt, „Der Staat hat nicht den Auftrag oder das Recht, Menschen direkt oder indirekt ins Jenseits zu befördern.“ frage ich mich immer, ob das die gleichen Abgeordneten sind die für Waffenexporte und Auslandseinsätze der Bundeswehr stimmen?
Wo bleibt da dann immer die moralische Verantwortung?
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schurna
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