Wenn alljährlich die Weltelite im Januar im verschneiten Schweizer Wintersportort Davos beim Weltwirtschaftsforum tagt, gibt es auf der Rollfläche des nahe liegenden Flughafens Zürich einen Stau. Während einer Woche landen und starten dort 1.500 Privatjets. US-Präsident Trump kommt gleich mit zwei Jumbos aus den USA. Bereits letzte Woche landeten drei Großraumfrachtflugzeuge der US-Regierung in der Schweiz, um seine Entourage – darunter 600 Secret-Service-Mitarbeiter – mehrere Hubschrauber und seine „The Beast“ genannte Limousine anzuliefern. Man ahnt es, das zentrale Thema des diesjährigen Weltwirtschaftsforums in Davos lautet Nachhaltigkeit und Klimapolitik. Auch Greta Thunberg wird auf dem Forum mit der geschätzten CO2-Jahresbilanz eines afrikanischen Kleinstaates anwesend sein und den mahnenden Finger erheben. Die Kameras sind ja auch dabei und man weiß sich zu verkaufen. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen immer weiter auseinander. Von Jens Berger.
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Wenn das Wirtschaftsforum, oder wie es in Insiderkreisen genannt wird, das WEF stattfindet, wird Davos zum Sammelpunkt der sogenannten „Eliten“. Man kennt sich, man trifft sich; milliardenschwere Tycoons, Banker und die eingeladene Politprominenz tauschen in Panels im Konferenzzentrum mehr oder weniger intelligente Redebeiträge aus und seit einigen Jahren übt man sich in der Öffentlichkeit demonstrativ in Selbstkritik. In diesem Jahr hat man vor, dem Begriff „Stakeholder-Kapitalismus“ eine „neue Bedeutung“ zu geben. Das wäre ja auch alles sehr löblich, wenn man es mit der Selbstkritik tatsächlich ernst meinen würde und den wohlfeilen Sätzen, für die sicher so manche Spin-Doktoren und PR-Berater fürstliche Honorare in Rechnung stellten, auch Taten folgen lassen würde. Doch das ist leider in Davos nie der Fall. Was sich in den ehernen Hallen des Kongresszentrums abspielt, ist PR – nicht mehr und nicht weniger.
Die wichtigen Gespräche finden ohnehin nicht auf dem Tagungsgelände, sondern auf den „Schattenkonferenzen“ hinter den Kulissen bei exklusiven, oft feuchtfröhlichen, privaten Zusammenkünften statt. Zu den Teilnehmern gehören die Superreichen und die bestens vernetzten Personen aus dem Finanzsystem – Chefs der globalen Geschäftsbanken und milliardenschwere Hedgefonds-Manager auf der einen und Notenbanker auf der anderen Seite. Was hier besprochen wird, hat Bedeutung für unsere Zukunft. Dumm nur, dass die „Schattenkonferenzen“ – nomen est omen – im Schatten der Öffentlichkeit stattfinden. Ob dort auch Selbstkritik eine Rolle spielt? Unwahrscheinlich.
Ganz vorne mit dabei ist auch in diesem Jahr der Davos-Dauergast Larry Fink, Chef des Finanzkonzerns BlackRock. Es wäre interessant zu erfahren, was er abends in den Separees der Davoser Fünfsternehotels mit Staats- und Regierungschefs, Konzernlenkern und Notenbankern so beredet. Erfahren werden wir es wohl nie. Eine demokratische Kontrolle findet nicht statt, der normale Bürger ist wortwörtlich ohnmächtig.
BlackRock ist „strategischer Partner“ und damit einer der wichtigsten Geldgeber des Weltwirtschaftsforums. Andere strategische Partner sind Großbanken und Finanzkonzerne wie AIG, Bank of America, Barclays, die Deutsche Bank, Goldman Sachs, JP Morgan Chase und Morgan Stanley. Aber auch Konzerne aus der Realwirtschaft sind vertreten. Darunter BP, Chevron, Dow Chemicals, Fluor, Lukoil, Nestlé, Siemens, Saudi Aramco und der saudische Chemiegigant SABIC; allesamt Unternehmen, die man noch nicht einmal mit viel Phantasie mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ in Verbindung bringen würde.
Es wäre jedoch zu oberflächlich, nur die Öl-, Chemie- und Bergbauunternehmen in Haftung zu nehmen. Schließlich gehören diese Unternehmen – mit wenigen Ausnahmen – mehrheitlich Finanzkonzernen wie BlackRock. Diese Finanzkonzerne sind die eigentlichen Profiteure eines nicht nachhaltigen Wirtschaftssystems. BlackRock-Chef Larry Fink wäre somit auch der logische Adressat für die Leviten, die Greta den versammelten Eliten in Davos einmal mehr lesen wird. Denn BlackRock zählt auch zu den größten Aktionären von Konzernen wie Chevron, Exxon Mobil und Royal Dutch Shell oder dem Kohlemulti BHP Group. Der Konzern gehört – mit Ausnahme der französischen Total – bei allen großen börsenorientierten Ölkonzernen zu den drei größten Anteilseignern und ist an sieben der zehn größten Kohlekonzerne maßgeblich beteiligt. Zusammen mit seinen Konkurrenten Vanguard und State Street kontrolliert BlackRock Konzerne, die für 38% der weltweiten CO2-Emissionen stehen. Während sich zahlreiche Finanzkonzerne, wie Allianz, AXA, DWS oder die Schweizer Großbank UBS, einer Investorengruppe namens Climate Action 100+ angeschlossen haben und bei Abstimmungen oft für Klimaschutzmaßnahmen in den Unternehmen stimmten, an denen sie beteiligt sind, handeln die amerikanischen Finanzgiganten genau entgegengesetzt. Eine Studie der Harvard Business School zählt zahlreiche Fälle auf, in denen BlackRock und Co. ganz konkret mit ihren Stimmen klimafreundliche Resolutionen anderer Aktionäre verhindert haben. Ob die Schützenhilfe für die Klimasünder daher kommt, dass von den 18 Vorständen von BlackRock sechs zuvor bei einem Unternehmen aus dem Öl- oder Gassektor beschäftigt waren?
Allen Sonntagsreden der Finanzkonzerne zum Trotz zählt bei ihnen am Ende des Tages nur die Rendite. Und daran wird auch das Weltwirtschaftsforum nichts ändern. Wenn die Weltelite die winterliche Schweiz am Donnerstag in ihren 1.500 Privatjets wieder verlassen hat, bleibt vor allem eins – viel heiße Luft.
Weitere Informationen zum Thema BlackRock und Co. finden Sie auch in meinem jüngst erschienenen Buch „Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen“. Das Buch kann seit letzter Woche in den Buchhandlungen gekauft oder online bestellt werden.
Titelbild: Leon Gutierrez/shutterstock.com