Leserbriefe zu unseren Neujahrsgrüßen

Ein Artikel von:

Der Artikel “Hoffnungsvolle Neujahrsgrüße eines NachDenkSeiten-Lesers” beschäftigte unsere Leser. Nachfolgend einige Zuschriften bezüglich Statistiken, Realitäten und Optimismus.Seitdem hat sich die weltpolitische Situation mit dem Mord an den für Iran und Irak wichtigen Personen und deren Leibwächtern nochmals verändert.

1. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion,

zu diesem Beitrag kann man nur sagen daß das leider auch nur Meinungsmache mittels manipulierter, geschönter “Statistiken” ist.

Die Realität sieht leider anders aus, wenn man noch mit offenen Augen die Entwicklung von Politik und Gesellschaft betrachtet.

Beispiele dazu gibt es hier, hier und hier.

Das sind Beispiele die in viele Richtungen weisen, Themen die für sich genommen betrachtenswert sind. Der veröffentlichte Leserbrief veranlaßte mich, den folgenden Artikel der Nachdenkseiten.

noch einmal nachzulesen. Es gibt leider erkennbare Parallelen zu den im Artikel genannten Strategien zur Vernebelung existierender Realitäten.

Mit Freundlichen Grüßen,
Sigmar Hähnel


2. Leserbrief

liebe Nachdenkseiten, lieber Werner Hartmann,

ein hoch! und hurra! auf die statistik! (woher stammen, nebbich, nochmal diese zahlen?)

“…allzu leicht übersehen wird, dass sich die Menschheit insgesamt auf einem guten Weg befindet.”

na, dann können wir ja alle beruhigt schlafen gehen!

“In den letzten 30 Jahren ist der Anteil der sehr armen Menschen auf der Welt von fast 40% auf unter 10% gefallen.”

das wird die männer, frauen und kinder, die in Libyen auf den sklavenmärkten verkauft werden, aber freuen!

“Lebenserwartung: Sie betrug 1960 im weltweiten Durchschnitt knapp 51 Jahre, heute über 72 Jahre.”

da dürfen sich die millionen kriegsopfer seit 1960 ja glücklich schätzen, dass sie durchschnittlich so alt geworden sind!

“Seit der Jahrtausendwende sind die Todesfälle bei Kindern weltweit um fast die Hälfte zurückgegangen, die bei Müttern um ein Drittel.”

da können sich die mütter und kinder, die grad in der jemenitischen wüste verhungern und verdursten und/oder an der cholera krepieren, ja getrost zum sterben hinlegen!

“Man sieht, der Einsatz für das Gemeinwohl lohnt sich!”

und da sage noch eine/r, dass sich die bemühungen der USA und der Nato, überall auf der welt demokratie, frieden, freiheit und fortschritt herbeizubomben, nicht gelohnt hätten!

…und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich (Lukas 22;62)

richard rüger


3. Leserbrief

An die NDS Redaktion

buecher.de/shop/entwicklungsoekonomie/factfulness-illustrated/rosling-hans-rosling-ola-ronnlund-anna-rosling/products_products/detail/prod_id/55198116/

An diesem Buch wollte ich schon vorbei gehen, als ich gelesen hatte, dass Barack Obama es lobend kommentierte.

An vielen Beispielen wird darin erläutert, welchen Fortschritt ins Positive die Menschheit in den letzten Jahren gemacht hat. Und tatsächlich ist das Bild, das die meisten Menschen davon haben viel zu negativ. Es gibt dort ein paar nette Tests, an denen man seinen Wissensstand überprüfen kann. Auch ich musste mir eingestehen, dass ich manchmal ganz ordentlich daneben lag. Es macht wirklich Hoffnung. Der einzige Wehrmutstropfen ist die Ungewissheit ob man daraus schließen kann, dass es auch so weiter geht.

Mit freundlichem Gruß
Heinrich Heiler


4. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

Sehr erstaunt war ich, etwas Derartiges ausgerechnet in den NachDenkSeiten zu lesen. Globaler Durchschnitt ist doch eher Manipulation und Propaganda. Im Durchschnitt sind die Deutschen reicher geworden, sowas lasen und hörten wir ja schon zur Genüge und wissen, was es bedeutet und was eben nicht. Es bedeutet eben nicht, dass alle Deutschen reicher geworden sind. Und das Problem ist vorweg schon, dass man diese Statistiken fast  gar nicht überprüfen kann.

“In den letzten 30 Jahren ist der Anteil der sehr armen Menschen auf der Welt von fast 40% auf unter 10% gefallen.”

Was bedeutet diese pauschale Aussage? Wäre es nicht erstmal wichtig, auch zu erfahren, welcher Anteil der reichen Leute obszön reicher geworden ist? Und was soll “sehr arm” überhaupt bedeuten? Nein, das überzeugt so nicht.

“Kindersterblichkeit: Seit der Jahrtausendwende sind die Todesfälle bei Kindern weltweit um fast die Hälfte zurückgegangen, die bei Müttern um ein Drittel.”

Ja, das ist ja schön, wenn es denn stimmt, aber was für ein Leben führen jetzt diese Menschen? Ist es wirklich pauschal positiv, dass mehr Menschen überleben, wenn sie nicht auch eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben haben bzw. bekommen? Laut unicef (2017) stirbt alle 6 Sekunden ein Kind unter 5 Jahren – 5,6 Millionen. Dazu:

“Lebenserwartung: Sie betrug 1960 im weltweiten Durchschnitt knapp 51 Jahre, heute über 72 Jahre.”

Muss man nicht erst einmal schauen, wer wo und warum länger lebt? Weltweit liegt die Lebenserwartung (2017) zwischen 35 und 82 Jahren, je nach Land etc.  Und die Reichen leben natürlich jeweils deutlich länger als die Armen, die Frauen länger als die Männer, und ist die Säuglingssterblichkeit in dieser Statistik berücksichtigt?  Was soll da ein globaler Durchschnitt überhaupt aussagen? Wenn mehr Reiche sehr viel länger leben als die nicht länger lebenden Armen, wäre die statistische Aussage genau die gleiche.

Dann sollte man sich auch fragen, wie schon angedeutet, ob “länger leben” tatsächlich etwas Positives ist – angesichts der Altersarmut und Vereinsamung e.g. in Deutschland. Angesichts der katastrophalen Rentenpolitik in Deutschland, ganz zu schweigen von e.g. Indien. Dort haben alte Menschen, vor allem dann, wenn sie keine Söhne haben, kaum eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben im Alter, und dann ist länger leben vielleicht sogar etwas Negatives? Ich bin natürlich nicht dafür, dass sich alte Menschen suizidieren sollten. Aber ein längeres Leben sollte schon mehr sein als Hartz IV und Minimalrenten, von denen man nur überleben, aber nicht leben kann. Und was nützt uns ein längeres Leben, wenn wir unseren Lebensraum so weit vergiften, dass wir nicht einmal überleben können.

“Bildung: Vor einem halben Jahrhundert war noch fast jeder vierte junge Mensch (15-24 Jahre) Analphabet, heute weniger als ein Zehntel.”

Ich habe andere Statistiken gesehen, nach denen das Analphabetentum in Europa  und den USA gerade wieder zunimmt. Und man wüsste gern, was an dem reinen Rückgang des Analphabetentums positiv ist, wenn man nicht den Zusammenhang erfährt – Bildung e.g. Man denke nur nicht, dass der Rückgang des Analphabetentums sich z.B. auf das Bildungsniveau der Menschen auswirkt. Und dass heute deutlich weniger Leute lesen und schreiben, auch wenn sie als Alphabeten gelten, kann man geradezu sehen, wenn man Menschen mit ihren “Smart”phones beobachtet. Oder wenn man sich anschaut, wie die Verlage ums Überleben kämpfen, weil immer weniger Menschen lesen.

“Man sieht, der Einsatz für das Gemeinwohl lohnt sich!”

Das sehe ich nicht. Da müsste man schon wissen, was diese Statistiken mit “Einsatz für Gemeinwohl” zu tun haben. Wer setzt sich denn wo und wie für das “Gemeinwohl” ein und welche Wirkung kann man darauf zurückführen? Und was bedeutet “Gemeinwohl” überhaupt? Was in dem Schreiben aufgezählt wird, dient jedenfalls nicht unbedingt dem Wohl der Allgemeinheit.

Ich wäre bei derartigen Statistiken jedenfalls sehr vorsichtig, denn ob es sich dabei wirklich um etwas Positives “für alle” handelt, um echten Fortschritt also? Kann ja sein, muss aber nicht.

“Hoffnungsvolle” Neujahrsgrüße sind das für mich jedenfalls nicht. Da leuchtet mir eher die Aussage ein: “Hoffnung ist ein Mangel an Information.”

Mit freundlichen Grüßen,
Hans-Georg Türstig

Dazu die Antwort von Werner Hartmann auf dessen abgedruckte Mail Herr Türstig sich bezieht:

Sehr geehrter Herr Türstig,

Danke für Ihren Kommentar zu meinen Neujahrsgrüßen an die NDS, Herr Müller war so freundlich, Ihre Mail an mich weiterzuleiten.

Ich finde etwas unfair, wenn Sie ausgerechnet den Nachdenkseiten blinden Optimismus vorwerfen, das trifft nun wirklich die falschen.

Grundsätzlich teile ich Ihre Skepsis gegenüber Statistiken – man kennt ja den Spruch „Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ -; aber hier handelt es sich um Daten, die von den Vereinten Nationen in regelmäßigen Abständen erhoben werden und die, denke ich, einigermaßen zuverlässig sind. Für Einzelheiten zu den Statistiken empfehle ich die Seite www.gapminder.org, dort findet man eine Fülle interessanter Informationen.

Ich wollte mit meinem kleinen Beitrag weder die Probleme schönreden noch eine Grundsatzdebatte über Statistiken anstoßen, sondern, wie ich geschrieben habe, Mut machen.

Sie und ich werden es wohl kaum noch erleben, dass Not und Elend auf der Welt überwunden werden, aber vielleicht die Enkel- und Urenkelgeneration? Martin Luther King hat es einmal so ausgedrückt: „Der Bogen des moralischen Universums ist lang, aber er neigt sich zur Gerechtigkeit.“ In diesem Sinne auch Ihnen ein gutes Jahr 2020.

Werner Hartmann


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