Die Stiftung des SAP-Mitgründers Hasso Plattner eröffnet mit einem Museum für zeitgenössische Kunst bereits das zweite Kunsthaus in Potsdam. Neue Kulturorte sind sehr zu begrüßen, auch sollte privates Kultur-Engagement nicht pauschal diffamiert werden – aber der Vorgang wirft Fragen auf: In welchem Maß darf privates Geld die Kulturszene einer Stadt prägen? Wie intensiv darf Kultur-Engagement für Werbung in eigener Sache genutzt werden? Warum holt sich die Gesellschaft nicht die nötigen Mittel, um das Kulturleben selbstbestimmt zu organisieren? Von Tobias Riegel.
Das in der DDR eröffnete Potsdamer Restaurant „Minsk“ soll im Herbst 2021 als Museum für zeitgenössische Kunst wieder öffnen. Das Ziel sei ein weiterer „kultureller Hotspot“ in Potsdam, in dem Werke zeitgenössischer Künstler präsentiert werden, deren Schaffen unter anderem bis in die DDR zurückreiche, teilte die Stiftung des SAP-Mitgründers Hasso Plattner am Donnerstag mit, wie Medien berichten. Die Stiftung des Milliardärs betreibt bereits das Museum Barberini in Potsdam im wiederaufgebauten gleichnamigen Palais am Stadtschloss. Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung hatte im vergangenen Jahr grünes Licht für das neue Museum im „Minsk“ gegeben, lange Zeit war geplant, das Gebäude abzureißen, schreibt etwa der „Tagesspiegel“.
Haben reiche „Mäzene“ das Recht, Kulturlandschaften zu prägen?
Der Vorgang ist widersprüchlich: Einerseits ist sowohl die Eröffnung eines neuen Museums als auch der Erhalt eines beliebten DDR-Baus sehr zu begrüßen. Andererseits ist zu kritisieren, dass die Stadt Potsdam damit ein weiteres Stück seiner kulturellen Landschaft von einem privaten Unternehmer prägen lässt. Dagegen wiederum lässt sich einwenden, dass das geplante Museum ohne die private Initiative sehr wahrscheinlich gar nicht entstehen würde und dass es noch gar nicht Teil der Potsdamer Kulturlandschaft ist. Zum widersprüchlichen und teils aber auch destruktiven Charakter von privatem Kultur-„Engagement“ haben die NachDenkSeiten kürzlich diesen Artikel veröffentlicht. Darin werden etwa folgende Fragen gestellt, die sich auch nun in Potsdam aufdrängen:
„Haben private Großspender das Recht, die Kulturlandschaften zu prägen, nur weil sie wohlhabend sind? Haben Sie das Recht, sich als besonders ‚freigiebige‘ Mitglieder der Gesellschaft darzustellen und mit diesem ungerechtfertigten Status zu werben? Muss man ihnen gar für ihr ‚kulturelles Engagement’ dankbar sein? Und: Hat der Staat das Recht, die Konzerne durch seine Untätigkeit erst in die Lage zu versetzen, sich als ‚kulturelle Wohltäter‘ produzieren zu können?“
Solche Fragen sehen aber etwa die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ bei den aktuellen Museumsplänen nicht, wenn sie mit ungetrübter Begeisterung schreiben:
„Das ehemalige Terrassenrestaurant Minsk am Brauhausberg, um dessen Schicksal jahrelang gestritten wurde, bleibt erhalten – und wird sogar wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Potsdam-Mäzen Hasso Plattner will das Haus mit seiner Stiftung restaurieren und zum Museum für ostdeutsche Kunst machen. Diesen Coup konnte Oberbürgermeister Schubert nach Gesprächen mit Plattner im März verkünden, die Stadtverordnetenversammlung fällte die notwendigen Beschlüsse in Windeseile. Die Begeisterung für die Pläne in der Stadt war nahezu einhellig. Eine Sternstunde für Potsdam.“
Eilige Beschlüsse für den „Potsdam-Mäzen“?
Dass den Plänen Plattners laut Medienberichten ohne Gegenstimme zugestimmt wurde, ist einerseits nachvollziehbar: Welcher Politiker möchte die Medienreaktionen aushalten, wenn er der Stadt Potsdam dieses „Geschenk“ des Milliardärs verwehren würde? Und es ist auch ein wichtiger Unterschied, ob ein privates Museum ganz neu entsteht (wie nun in Potsdam) oder ob sich bereits bestehende kulturelle Institutionen aus Geldmangel für die Privaten „öffnen“ müssen. Dennoch sollte es auch im Fall Potsdam zu denken geben, wenn es angesichts der Pläne eines privaten Unternehmers („Potsdam-Mäzen“) heißt, „die Stadtverordnetenversammlung fällte die notwendigen Beschlüsse in Windeseile“. Bedenklich ist auch die dominierende Wirkung, die eine Einzelperson nach Fertigstellung des neuen Museums in der Kulturszene Potsdams entfalten wird.
Ganz deutlich: Privates Kultur-Engagement soll nicht grundsätzlich diffamiert werden. Wenn es ohne Bedingungen und ohne egoistische Motive geschieht, ist es sehr zu begrüßen. Aber es darf nicht als Vorwand für staatliche Kürzungen und Rückzüge dienen, es darf nicht zur Werbung missbraucht werden und es darf nicht mit politischer Einflussnahme verbunden sein.
Wie Plattner sein Engagement für das neue Museum tatsächlich ausgestaltet – und ob er es etwa für indirekte Werbung für sich oder sein Unternehmen oder für politische Ambitionen ausnutzen wird – das bleibt abzuwarten. Dass aber privates Engagement in die Kultur zumindest das Potenzial hat, für die eigene Person oder das Unternehmen zu werben, erklärt etwa Nikolaus Reichert vom Autobauer Skoda, der laut Medien sagt, dass „die weichen Werte“, die bei der Kulturförderung über die Jahre entstehen würden, „sich auf lange Sicht bezahlt machen“: Wiedererkennbarkeit als „engagierter Kulturförderer”, das könne er belegen, leiste mehr als die schnelle Rabattaktion. Diese Sicht schwächt die Darstellung der „selbstlosen“ Position vieler privater „Mäzene“.
Kommunen sollten unabhängig von Privaten bleiben
Der Erhalt des „Minsk“ und die Nutzung als Museum sind prinzipiell sehr zu begrüßen, wie hier nochmals betont werden soll. Den Wermutstropfen bei dem Vorgang bildet die Tatsache, dass Kommunen kaputtgespart wurden und damit ihre Wahlfreiheit eingeschränkt wurde: Sind sie – angesichts der finanziellen Knappheit – nicht fast schon „gezwungen”, private „Wohltaten“ anzunehmen, anstatt das Kulturleben für die Bürger unabhängig von Einflussnahme durch Konzerne selber zu organisieren und zu finanzieren? Und hätten die Stadtverordneten – bei ausreichender finanzieller Ausstattung – nicht vielleicht noch bessere Ideen für das „Minsk“ gehabt?
Für diese unabhängige Organisation (nicht nur) des kommunalen Kulturlebens müsste die öffentliche Hand wieder in angemessenem Umfang Steuern bei Wohlhabenden eintreiben – das wäre allerdings nicht nur und nicht zuerst Sache der Kommunen, darum liegt die Verantwortung für die Potsdamer Entscheidungen, das städtische Kulturleben in Teilen von Hasso Plattner dominieren zu lassen, auch nicht allein bei der dortigen Stadtverordnetenversammlung. Vor die Frage gestellt, ob das „Minsk“ privat erhalten oder öffentlich abgerissen werden sollte, wäre die erste Variante zu wählen.
Der „reiche Onkel“ und die Reichensteuer
Diese Fragestellung beinhaltet wegen der teilweisen finanziellen Handlungsunfähigkeit von Kommunen jedoch bereits ein großes Potenzial an Abhängigkeiten. Um diese Abhängigkeit von privaten (oft gutmeinenden) „Mäzenen“ zu minimieren, müssten die Kommunen mit angemessenen finanziellen Mitteln ausgestattet werden – damit sie private „Geschenke“ auch ablehnen können. Diese Mittel könnten unter anderem durch eine (bundesweite) „Reichensteuer“ beschafft werden. Diese Steuer wurde kürzlich erneut debattiert – und es war der „Kunstförderer“ und „Potsdam-Mäzen“ Hasso Plattner, der sich in der Diskussion besonders weit aus dem Fenster gelehnt hat, wie der „Spiegel“ beschreibt:
„Bei einer zweiprozentigen Vermögensteuer muss ich Deutschland verlassen.“
In dem Artikel wird auch Plattners gesellschaftliche Rolle anhand des Bildes eines familiären Weihnachtsessens beschrieben. Dabei wird etwa die ungesunde, aus dem Reichtum Plattners erwachsende Unterwürfigkeit der „Familie“ (also der Gesellschaft) deutlich:
„Das Familienessen vorher muss halt sein, auch wenn der Onkel wieder mal das große Wort schwingt, da müssen alle durch, er ist ja schließlich reich, der alte Onkel, und ab und zu lässt er was springen. Also bloß nicht widersprechen. Wenn er gegangen ist, können die anderen ja immer noch machen, was sie wollen. Wäre Deutschland eine Familie, ihr reicher Onkel hieße Hasso Plattner.“
Solche „reichen Onkel“ können im Übrigen auch Stimmungsschwankungen unterliegen, die sich in Willkür äußern könnten – oder aber in Unzuverlässigkeit. In diesem Artikel haben die NachDenkSeiten kürzlich am Beispiel Notre Dame beschrieben, dass auf große Ankündigungen von Superreichen im Kulturbereich nicht immer Verlass ist.
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