Das US-Magazin und die Zensur

Das US-Magazin und die Zensur

Das US-Magazin und die Zensur

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Unterdrückung von Informationen wirft ein Ex-Mitarbeiter dem US-Medium „Newsweek“ vor – er begründet den Vorwurf mit einem detaillierten internen Bericht über die Gepflogenheiten in der Redaktion. Wenn die Aussagen stimmen, dann bieten sie wichtige Einblicke in die Welt der westlichen „Pressefreiheit“. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Einblicke in das Innenleben eines großen privaten US-Mediums wurden dieser Tage bekannt: Der britische Journalist Tareq Haddad hat seine Stelle bei „Newsweek“ gekündigt – nach eigener Darstellung, weil sich das US-Nachrichtenmagazin geweigert habe, seine Informationen über eine geleakte E-Mail aus den Reihen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu veröffentlichen. Über den Vorgang bei dem Medium hat er nun einen detaillierten Artikel geschrieben.

Informationen unterdrückt?

Inhaltlicher Hintergrund des Konfliktes zwischen Haddad und „Newsweek“ ist der mutmaßliche/angebliche Giftgaseinsatz vom 7. April 2018 im syrischen Duma, wie etwa RT berichtet. Für diesen mutmaßlichen Angriff hatten westliche Staaten und Medien in unseriöser Weise umgehend die syrische Regierung verantwortlich gemacht – woraufhin Syrien eine Woche später von den USA, Frankreich und Großbritannien mit Marschflugkörpern angegriffen wurde. Der im März 2019 veröffentlichte Abschlussbericht der OPCW stützt diese Schuldzuweisung. In der von Haddad thematisierten E-Mail zeigten sich deren Verfasser dagegen “erstaunt” darüber, dass die OPCW in ihrem Bericht “die Fakten falsch darstellt”. Über diesen Vorgang wollte Haddad berichten – er wurde aber massiv daran gehindert, wie er nun sagt. Auf der Homepage von „Newsweek“ war bis dato keine Erklärung zu dem Vorgang zu finden.

Als Reaktion auf die (angebliche) Informations-Unterdrückung durch „Newsweek“ hat Haddad nicht nur seine Stelle aufgegeben und dies in einer Reihe von Twitterbotschaften öffentlich gemacht:

Er hat, wie gesagt, noch nachgelegt und vor einigen Tagen einen langen Bericht zu seinen Erfahrungen bei „Newsweek“ verfasst (auf Englisch). Unter diesem Link finden sich Haddads zuvor bei „Newsweek“ veröffentlichte Beiträge. Haddad hat nach einer Ausbildung bei „Press Association“ bei der „Hull Daily Mail“ und der „ITB Times UK“ und schließlich bei „Newsweek“ gearbeitet.

Stimmen die Anschuldigungen gegen „Newsweek“?

Hier soll aber auch betont werden, dass die Aussagen Haddads bisher Behauptungen sind. Eine direkte Überprüfung seiner Schilderungen ist aktuell kaum möglich. Daher sollte beim Lesen seines Artikels die Frage mitschwingen: Stimmt das alles? Auch die Erfahrung, dass Abrechnungen enttäuschter Ex-Mitarbeiter teils mit großer Vorsicht zu genießen sind, sollte in die Beurteilung einfließen. Andererseits ist der Bericht von Haddad geradezu detailversessen und wartet mit zahlreichen anscheinend stimmigen Belegen auf.

Vorausgesetzt also, die Anschuldigungen von Haddad sind zutreffend: Dann ist sein Bericht ein (weiterer) Beitrag zur Enttarnung jener Heuchelei, die im „Westen“ rund um die (offiziell) geheiligte „Pressefreiheit“ praktiziert wird. Darum sollen hier – nochmals mit dem Vorbehalt der Seriosität der Aussagen – einige Stellen aus dem Artikel zitiert werden. Der Artikel liegt nur auf Englisch vor und laut Haddad hat bislang als einziges großes Medium der US-Sender „Fox-News“ über seine Kündigung berichtet.

„Fakten unterdrücken“ im schicken Büro

Der arabisch-russisch-stämmige Brite Haddad führt folgendermaßen in den Artikel ein:

„Bis vor einigen Tagen war ich Journalist bei Newsweek. Ich entschied mich, meinen Rücktritt einzureichen, weil ich im Wesentlichen eine einfache Wahl hatte. Einerseits konnte ich weiterhin in der Firma beschäftigt sein, in ihren schicken Londoner Büros bleiben und ein festes Gehalt verdienen – nur wenn ich mich an das hielt, was berichtet werden konnte oder nicht berichtet werden konnte und wichtige Fakten unterdrückte. Oder ich könnte die Firma verlassen und die Wahrheit sagen.“

Haddad stellt auch allgemeine Überlegungen zum Prinzip „Shoot The Messenger“ an:

„Wenn die dargestellten Tatsachen völlig ignoriert und die Boten selbst auf diese Weise gekreuzigt werden, signalisiert das den Rechtschaffenen, wer die wahren Urheber der Lügen sind und wo die Wahrheit tatsächlich liegt.“

„Das Verständnis der Welt implodiert“

Eindringlich beschreibt er, warum die Kette der falschen Berichterstattungen dringend unterbrochen werden muss:

“Wenn unsere Aufzeichnung darüber, woher wir kommen, fehlerhaft ist (…), stapeln sich die neuen Lügen auf den alten, bis unsere Verbindung zur Realität so unzusammenhängend wird, dass unser Verständnis der Welt letztendlich implodiert.”

Dass Haddad kein Naivling ist, der erst bei „Newsweek“ plötzlich von der bitteren Realität des Nachrichtengeschäfts eingeholt wurde, macht er ebenfalls klar, wenn er sagt: „Natürlich ist dieses Versagen des Mainstream-Journalismus, von dem ich spreche, für diejenigen, die darauf achten, nichts Neues.“ Trotz dieser Haltung war Haddad geschockt:

„Nichts, was ich jedoch las, kam der Unehrlichkeit und dem Betrug nahe, die ich während meiner Zeit bei ‚Newsweek‘ erlebte. Früher glaubte ich, dass nicht genug Journalisten die Regierungsberichte ausreichend in Frage stellten. Ich glaubte, dass sie die Fakten nicht aufmerksam genug untersucht hatten und die Punkte nicht in Verbindung gebracht hatten, wie es eine Handvoll anderer getan hatten. Nein. Das Problem ist viel schlimmer als das.“

„Verschwörungstheorie“!

Haddad beschreibt auch nachvollziehbar seine Meinungsbildung beim Thema Syrien – jenem Komplex, der schließlich zu seiner Kündigung führte. So erlebte er den Umgang vieler Medien mit wichtigen Journalisten wie Seymour Hersh oder Robert Fisk als „eine der beschämendsten Episoden in der Geschichte der Presse“. Er fährt fort: „Etwa zur gleichen Zeit, angesichts des Angriffs von Khan Sheikhoun, sah ich michmit einer immer länger werdenden Liste von Unregelmäßigkeiten und offensichtlichen Fälschungen konfrontiert – wie z. B. die zunehmenden Beweise dafür, dass die Weißhelme nicht das waren, was sie vorgaben zu sein.“

Im Zusammenhang mit der türkischen Invasion in Syrien stieß Haddad dann auf Ungereimtheiten bei der OPCW:

„Als ich diese Geschichte untersuchte, stieß ich auf immer mehr Beweise, dass die von den Vereinten Nationen unterstützte Untersuchungsstelle für den Einsatz chemischer Waffen, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), einen gefälschten Bericht über einen angeblichen chemischen Angriff in Douma im April 2018 herausgab, sehr zum Ärger der OPCW-Ermittler, die den Schauplatz besuchten. (…)

Dies ist keine ‚Verschwörungstheorie‘, wie ‚Newsweek‘ traurigerweise in einer Erklärung gegenüber Fox News – interessanterweise die einzige Mainstream-Publikation, die über meinen Rücktritt berichtet – sagte. Echte OPCW-Wissenschaftler haben sich mit echten Journalisten getroffen und den zeitlichen Ablauf der Ereignisse erklärt. Sie stellten interne Dokumente zur Verfügung, die diese Anschuldigungen bewiesen – Dokumente, die dann von Reuters bestätigt wurden. Das ist alles, was ich berichten wollte.“

Chronik einer Zensur?

Doch dieser Bericht war laut Haddad in der „Newsweek“-Redaktion unerwünscht. Den folgenden internen Vorgang und den bitteren Umgang von übergeordneten „Kollegen“ mit seiner Person beschreibt er sehr detailliert – inklusive interner Kommunikation. Diese beschriebenen Vorgänge – vorausgesetzt, sie haben so stattgefunden! – sind skandalös und könnten gar als Blaupause für medieninterne Zensur-Strukturen dienen. Mutmaßlich sind ähnliche Mechanismen, um unliebsame Beiträge zu verhindern – also die Isolation und Verunsicherung von „problematischen“ Autoren – in zahlreichen großen Medien.

Haddad hat schließlich das Handtuch geworfen:

“Das ist nicht hinnehmbar, und ich bin zurückgetreten, als mir verboten wurde, darüber zu berichten.“

Bereits in den heutigen Hinweisen des Tages hat unser Leser K.L. auf einen schweren Verdacht hingewiesen, den der Artikel abschließend äußert:

“(…) Abschließend begründet er (Haddad) seinen Verdacht, dass es bei Newsweek wie in jedem großen US-Medium so etwas wie “Verbindungsoffiziere” (mein Ausdruck) des Council on Foreign Relations gibt, die darauf achten, dass nur solche Informationen ihren Weg an die Öffentlichkeit finden, die den Interessen des US-Imperiums dienlich sind. (…).”

Anmerkung: Der letzte Absatz wurde ergänzt.

Titelbild: Casimiro PT/shutterstock.com

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