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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Klimagipfel in Madrid
  2. Vor Fachkräftegipfel “Die Wirtschaft braucht eine Anwerbestrategie”
  3. Justizministerium: WhatsApp, Gmail & Co. sollen Passwörter herausgeben müssen
  4. Ukraine: Fünf Rechtsradikale wegen Mord an dem Journalisten Scheremet verhaftet
  5. Anything to say? — Was ich zu sagen habe!
  6. Saskia Esken in Kündigungsaffäre verwickelt
  7. Unterhauswahlen in Großbritannien
  8. Unterstützung von Ökonomen – Auf einmal Fans der SPD
  9. Die Entfesselten
  10. Umsetzungsprobleme
  11. Gebt das Geld lieber Leuten, die damit etwas Sinnvolles machen (also nicht den Banken)
  12. Sahra Wagenknecht: Attacke auf Attac – unsere Finanzordnung ist ungerecht
  13. Die unsichtbare Mietpreisexplosion: Wann Wohnen teurer wird
  14. Klöckner-Behörde verschleppt Glyphosat-Ausstieg
  15. Labour leadership race begins as senior figures back Rebecca Long-Bailey
  16. Frankreich
  17. USA, nicht China, haben deutsche Netze angegriffen
  18. An der Klimakrise scheitern nicht nur die Regierungen, sondern auch die Medien

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Klimagipfel in Madrid
    1. Keine Zeit zu handeln
      Im Licht der jüngsten Erkenntnisse der Klimaforschung war der Klimagipfel von Madrid ein Desaster, auch wenn das völlige Scheitern verhindert werden konnte. Die Blockade des internationalen Klimaschutzes kann nur durch Vorreiter aufgelöst werden, die ohne Rücksicht auf die fossilen Bremser vorangehen.
      “Es ist Zeit zu handeln.” So lautete das Motto, das über dem Madrider UN-Klimagipfel stand. Das Ergebnis der zweiwöchigen Konferenz spricht dem Hohn.
      Vier Jahre sind seit der Verabschiedung des Pariser Weltklimaabkommens vergangen, das erstmals alle Staaten der Erde konkret zur Begrenzung der Erderwärmung verpflichtet. Damals sprach der französische Präsident François Hollande von der “schönsten und friedlichsten aller Revolutionen”.
      Doch von der Aufbruchstimmung des Jahres 2015 ist praktisch nichts übrig. Madrid war ein Desaster, auch wenn das völlige Scheitern nach der längsten Verlängerung einer solchen Konferenz bisher gerade noch verhindert werden konnte. […]
      Wer den rasenden Stillstand auf der Konferenz beobachtete, kann ihr nur zustimmen. Den notorischen Bremsern wie den Trump-USA, Bolsonaro-Brasilien und Morrison-Australien sowie anderen Ländern mit überbordenden fossilen und anderen Eigeninteressen ist es gelungen, Blockaden aufzubauen, die kaum oder nicht zu überwinden waren.
      Die Aussichten für die Umsetzung des Klimaabkommens sind nach Madrid noch schlechter, als sie es vorher waren. Der historische Paris-Vertrag, der die globale Erwärmung auf 1,5 bis zwei Grad begrenzen soll, tritt im nächsten Jahr in Kraft. Um ihn zu erfüllen, müssen die Anwendungsregeln klar sein. Doch sie komplett fertigzustellen ist in vollen vier Jahren nicht gelungen.
      Quelle: Klimareporter
    2. Die Null steht
      Das Ergebnis ist so matt wie am Ende die Delegierten. Der Klimagipfel von Madrid lehrt: Von der Weltpolitik ist nichts zu erwarten. Ein Kommentar von Daniel Lingenhöhl.
      Das Ende war vorhersehbar. Wohl nur die größten Optimisten hatten vor Beginn der Klimakonferenz von Madrid auf ein brauchbares Ergebnis und handfeste Maßnahmen zum Klimaschutz gehofft. Von den USA, die immer noch der zweitgrößte Produzent an Treibhausgasen sind, konnte man nichts erwarten: Präsident Trump führt sein Land aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015, und seine Administration tut zuhause alles, um fossile Energie zu fördern und Umweltgesetze zu schleifen. Im brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und dem australischen Premierminister Scott Morrison hat er willfährige Verbündete: Der eine befeuert die Abholzung am Amazonas, der andere fördert die Kohleindustrie wie weltweit kaum ein zweiter Staatschef.
      Quelle: Spektrum
  2. Vor Fachkräftegipfel “Die Wirtschaft braucht eine Anwerbestrategie”
    Der Diagnose widerspricht niemand mehr: Deutschland braucht dringend mehr Zuwanderung von Fachkräften. Vor einem Spitzentreffen im Kanzleramt fordert Arbeitsminister Heil von der Wirtschaft eine klare Strategie.
    Die Feststellung gehört inzwischen zum Standardrepertoire von Unternehmern, Verbandsfunktionären und Arbeitsmarktexperten: In Deutschland herrscht in vielen Regionen ein gravierender Mangel an Fachkräften. Da der heimische Markt “leergefegt” ist, schauen die Betroffenen ins Ausland. Hier will Deutschland verstärkt für Zuwanderung von Fachkräften und Menschen, die dazu werden wollen, werben. Am 1. März tritt ein neues Gesetz in Kraft.
    Doch dass eine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt noch keinen Mangel behebt, weiß auch die Bundesregierung. Sie lädt deshalb am Montag zu einem Treffen im Kanzleramt, auf dem Spitzenvertreter von Wirtschaft, Gewerkschaften und Regierung beraten wollen, wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bestmöglich umgesetzt werden kann.
    Quelle: Tagesschau.de

    Anmerkung JK: Wieder blanke Meinungsmache und Propaganda in den öffentlich-rechtlichen Medien. Wäre der heimische Markt “leergefegt”, dann müsste sich eine signifikante Lohnentwicklung bemerkbar machen. Dem ist aber nicht so. Also dient die von der Industrie geforderte “Zuwanderung von Fachkräften” einzig allein dem Zweck die Löhne unten zuhalten.

  3. Justizministerium: WhatsApp, Gmail & Co. sollen Passwörter herausgeben müssen
    Der Entwurf von Justizministerin Christine Lambrecht für ein Gesetz gegen “Hasskriminalität” geht weit über eine Verschärfung des NetzDG hinaus.
    Bundesjustizministerin Christine Lambrecht wandelt in Überwachungsfragen auf den Spuren ihres Kollegen im Innenressort, Horst Seehofer (CSU). Mit ihrem am Freitag vorgelegten Referentenentwurf für ein Gesetz “zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität” will die SPD-Politikerin nicht nur das an sich bereits heftig umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) deutlich verschärfen. Sie plant auch eine Pflicht für WhatsApp, Gmail, Facebook, Tinder & Co., schon jedem Dorfpolizisten und zahlreichen weiteren Sicherheitsbehörden auf Anfrage sensible Daten von Verdächtigen wie Passwörter oder IP-Adressen teils ohne Richterbeschluss herauszugeben.
    “Wer geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt, daran mitwirkt oder den Zugang zu Nutzung daran vermittelt”, soll einschlägige erhobene Bestands- und Nutzungsdaten “zur Erfüllung von Auskunftspflichten” gegenüber den berechtigten Stellen verwenden dürfen, heißt es in dem heise online vorliegenden Entwurf, den mittlerweile der Journalist Hendrik Wieduwilt veröffentlicht hat. Die herauszugebenden Informationen seien “unverzüglich und vollständig zu übermitteln”, betont das Justizministerium.
    Quelle: Heise

    Anmerkung Jens Berger: Christine Lambrecht ist übrigens Mitglied der SPD. Was sagt eigentlich die neue SPD-Vorsitzende Saskia Esken zu diesen Plänen? Immerhin hatte sie sich in der Vergangenheit ja als Netzpolitikerin profiliert.

    Anmerkung unseres Lesers M.W.: Vollkommen durchgeknallt und gegen jede vernünftige IT-Sicherheit, weil Betreiber bei sicherer Handhabung Passwörter ihrer Nutzer gar nicht kennen dürfen

  4. Ukraine: Fünf Rechtsradikale wegen Mord an dem Journalisten Scheremet verhaftet
    2016 hatte man Moskau verantwortlich gemacht, dann wurden die Ermittlungen bis jetzt verschleppt. Möglicherweise will Selenski wegen des von rechtsnationalistischer Seite kritisierten Truppenrückzugs ein Zeichen setzen
    Das kam überraschend. Am Donnerstag gab die ukrainische Polizei die Verhaftung von fünf Personen bekannt, die wegen des Mordes an dem liberalen Journalisten Pawel Scheremet verdächtigt werden. Scheremet starb am 20. Juli 2016 in der Innenstadt von Kiew, als eine Bombe, die unter seinem Auto angebracht war, explodierte (Schuldzuweisungen gegen Moskau nach Journalistenmord). Das Auto gehörte Aljona Pritula, der Chefredakteurin des regierungsnahen Internet-Portals “Ukrainskaja Prawda”.
    In Kiew veranstaltete der ukrainische Innenminister Arsen Awakow am Donnerstag im Beisein von Präsident Wolodymyr Selenski eine Pressekonferenz auf der ausführlich über die Ermittlungen berichtet wurde.
    Alle fünf Beschuldigten kämpften in der Ost-Ukraine gegen die abtrünnigen “Volksrepubliken”. Als Organisator des Journalisten-Mordes bezeichnen die Ermittler der ukrainischen Polizei den Rockmusiker Andrej Antonenko von der Band Riffmaster. Antonenko schrieb 2016 die Hymne der ukrainischen Spezialeinheiten: “Still ist er gekommen, still ist er verschwunden”.
    Quelle: Ulrich Heyden auf Telepolis
  5. Anything to say? — Was ich zu sagen habe!
    Rede des UN Sonderberichterstatters, Nils Melzer, am Brandenburger Tor in Berlin, 27 November 2019
    Jahrzehntelang wurden im Westen politische Dissidenten mit offenen Armen aufgenommen, weil sie in ihrem Kampf für die Menschenrechte von diktatorischen Regimes verfolgt wurden.
    Heute aber müssen westliche Dissidenten selber um Asyl ersuchen, so wie Snowden in Russland oder bis vor kurzen Assange in der Ecuadorianischen Botschaft in London.
    Denn der Westen hat selber begonnen, seine Dissidenten zu verfolgen, sie in politischen Schauprozessen mit drakonischen Strafen zu belegen und wie gefährliche Terroristen in Hochsicherheitsgefängnisse einzusperren, unter Bedingungen, die man nur als unmenschlich und entwürdigend bezeichnen kann.
    Unsere Regierungen fühlen sich bedroht durch Chelsea Manning, Edward Snowden und Julian Assange, denn sie sind Whistleblowers, Journalisten und Menschenrechts-aktivisten, die uns handfeste Beweise geliefert haben für Missbrauch, Korruption und Kriegsverbrechen der Mächtigen, und die nun deshalb systematisch diffamiert und verfolgt werden.
    Sie sind die politischen Dissidenten des Westens, und ihre Verfolgung sind die Hexenprozesse von heute, denn sie gefährden die Privilegien einer unüberwachten Staatsmacht, die ausser Kontrolle geraten ist.
    Quelle: medium

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Mathias Bröckers zum Fall Assange: „Von Pressefreiheit kann dann nirgendwo mehr die Rede sein“ und Außenamt zu Berichten des UN-Sonderberichterstatters über Assange: “Diese Berichte gibt es nicht”.

  6. Saskia Esken in Kündigungsaffäre verwickelt
    Die frisch gewählte SPD-Vorsitzende gibt als Qualifikation für ihre neue Führungsposition unter anderem an, früher Vizevorsitzende des Landeselternbeirates Baden-Württemberg gewesen zu sein. Sie habe dort befriedet und demokratisiert. Doch stimmt das? Kontraste hat mit ehemaligen Kolleginnen und Kollegen Saskia Esken gesprochen. Dabei sind Vorfälle ans Licht gekommen, die an der Aussage der neuen SPD-Chefin zweifeln lassen – und an ihrer Führungsfähigkeit. Unter anderem wirft Eskens Rolle bei der versuchten Kündigung einer damals 56-jährigen Mitarbeiterin des Landeselternbeirats Fragen auf.
    Anmoderation: Jetzt aber zu ihr: Saskia Esken, die ganz Neue an der SPD-Spitze. Verkauft sich gern als schwäbisch-zupackend, das gute Gewissen der SPD, linker als die meisten, aufrechter als viele. Aber wer sich ihr Vorleben ansieht, der stößt auf einige, die ihr das so nicht durchgehen lassen können: Einige, die mit ihr in nächster Nähe zusammengearbeitet haben, haben eine andere Saskia Esken kennengelernt.
    Quelle: Kontraste

    Anmerkung J.K.: Nun, aufgemacht hat das Fass das Magazin ‘Kontraste’ das vom RBB produziert wird. Die öffentlich-rechtlichen sind also voll mit dabei beim Bashing der neuen SPD-Führung. Über Scheuer hört man dagegen nichts kritisches obwohl dieser Herr sicher richtig “Dreck am Stecken hat” wie man sagt.

    Dazu: SPD-Chefin Esken geht juristisch gegen Berichterstattung vor
    Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte eine SPD-Sprecherin am Freitagabend, die Berichterstattung des ARD-Magazins sei “unwahr und damit rechtswidrig”. Der beauftragte Medienanwalt Christian Schertz habe nach juristischer Prüfung “presserechtliche Schritte auf Unterlassung, Widerruf und Gegendarstellung” gegen den Sender RBB eingeleitet. (…)
    In der “Stuttgarter Zeitung” wies Carsten T. Rees, der heutige Vorstandsvorsitzende des Elternbeirats, die Kritik von Buksch und der gekündigten Mitarbeiterin der Geschäftsstelle zurück. Entgegen der Darstellung durch „Kontraste“ sei nicht W. durch den Vorstand ausspioniert worden, sondern genau das Gegenteil sei der Fall gewesen: „Es war Illoyalität ganz andersherum.“
    Quelle: Der Tagesspiegel

  7. Unterhauswahlen in Großbritannien
    1. Sahra Wagenknecht über Labour und den Wahlausgang
      Was für eine bittere Niederlage für Labour. Und das trotz des mutigsten Programms, das eine sozialdemokratische Partei in Europa in den letzten Jahren hervorgebracht hat: Labour wollte das Gesundheitswesen, die Bahn, die Post, die Wasser- und Energiebetriebe sowie einen Teil der British Telecom wieder in öffentliche Verantwortung zurückholen, eine Million Jobs in den verarmten ehemaligen Industriegebieten im Norden schaffen, den Sozialstaat erneuern und ausbauen.
      Ist ein solches Programm unpopulär?
      Umfragen in Großbritannien belegen das Gegenteil. Viele wünschen sich nach Jahrzehnten neoliberaler Demütigung nichts sehnlicher als einen Staat, der das Heft des Handelns zurückgewinnt, aktiv für Arbeitsplätze und soziale Sicherheit sorgt und sie vor den Unbilden der Globalisierung schützt.
      Warum hat Labour dann so dramatisch verloren?
      Weil es in diesem Wahlkampf letztlich nur ein zentrales Thema gab: den Brexit. Eine Partei, die sich dazu nur ein verzagtes Jein leisten konnte, weil sie in dieser Schlüsselfrage selbst gespalten war, hatte in einem solchen Umfeld keine Chance. Boris Johnsons „Get Brexit done“ war eine klare Antwort – wo Labour überhaupt keine gab. Hätte Corbyn Johnsons Plänen einen entschlossenen Left Brexit entgegensetzen können, also das Vorhaben, ein Ende der neoliberalen EU-Verträge für einen sozialen Umbau der britischen Gesellschaft zu nutzen, wäre ein anderes Ergebnis durchaus möglich gewesen. Traurige Ironie dieses Wahlkampfes: Labours großes Sozialstaatsprogramm ist innerhalb der heutigen EU überhaupt nicht umsetzbar.
      Man muss bedenken: Selbst das Geld, das die Bundesregierung im Rahmen des Klimapakts für einen Ausbau des Bahnnetzes zur Verfügung stellen will, scheitert voraussichtlich an den EU-Beihilferegeln. Eine Ausweitung öffentlichen Eigentums an Schlüsselbereichen der Daseinsvorsorge, Vorrang für Gemeinwohl statt Rendite, all das ist mit den Vorgaben der EU-Verträge schlicht unvereinbar.
      Wähler haben einen feinen Instinkt für solche Widersprüche. Dass vor allem die obere Mittelschicht und die gebildeten Großstädter in Großbritannien gegen den Brexit waren, während ehemalige Industriearbeiter und die Ärmeren für ihn stimmten, ist nicht irrational. Irrational ist, dass sie einen neoliberalen Tory wählen mussten, der ihnen noch weniger Schutz, noch weniger soziale Leistungen und noch miesere Löhne bringen wird, um die endlose Bexit-Hängepartie zu beenden.
      Bitter, dass es nun so ausgegangen ist. Doch bei aller Dramatik sollte man auch nicht vergessen: Von einem Ergebnis von mehr als 32 Prozent können andere sozialdemokratische Parteien in Europa nur träumen.
      Das Scheitern von Labour ist daher definitiv kein Grund, eine Linkswende der Sozialdemokratie andernorts abzublasen.
      Quelle: Sahra Wagenknecht via Facebook
    2. L wie Labour, Liberale, Loser
      Lange galten sie als Alternative zu Boris Johnsons Brexit-Populismus. Doch Labour und Liberaldemokraten haben die Wahl in Großbritannien verloren. Beide Parteichefs treten ab. Wie kam es zu diesem Debakel? (…)
      Doch für das Gros der Briten galt Corbyn als unwählbar. Der 70-Jährige zog mit den niedrigsten Zustimmungswerten eines britischen Oppositionsführers seit den Siebzigerjahren in die Wahl ein. Das liegt vor allem an seinem harten Linkskurs, seiner früheren Unterstützung der irischen Unabhängigkeitsbewegung – und an seinem Unvermögen, sich für den Antisemitismus in den eigenen Reihen zu entschuldigen oder etwas gegen diese Tendenzen innerhalb der Partei zu unternehmen. Er gab Freitag bekannt, die Partei nicht in die nächste Wahl führen zu wollen.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung J.K.: Es wurde schon gesagt, die Verkommenheit der klassischen Medien ist nicht mehr zu übertreffen.

      Warum hat Labour verloren? Die Frage ist an Heuchelei nicht zu übertreffen. Die Kampagne der britischen Kollegen gegen Corbyn waren für den Spiegel kein Thema, im Gegenteil man hat dabei nach Kräften mit gemacht.

    3. Nach Brexit-Kehrtwende: Wie Labour sich den potentiellen Wahlsieg vermasselte
      Noch bis Anfang dieses Jahres konnte sich die sozialdemokratische Labour-Partei mit Jeremy Corbyn an der Spitze in den Umfragen um die 40 Prozent sichern. In einigen Umfragen übertraf sie sogar die Konservative Partei. Auch bei dem letzten Wahlgang im Jahr 2017 konnte Labour 40,3 Prozent sichern. Doch bei den Wahlen gestern musste sie eine schwere Niederlage einstecken. Prozentual lag ihr Stimmanteil mehr als elf Prozent weniger als die Wahlgewinner der Konservativen, die 43,6 Prozent erreichten. Da in Großbritannien das Majoritätswahlrecht herrscht, sind die Mehrheitsverhältnisse im Parlament umso deutlicher und der Anteil an Labour-Abgeordneten umso geringer. Was geschah in den letzten Monaten, das zum dramatischen Absturz von Labour führte?
      Die Frage ist recht einfach zu beantworten. Während es die Labour-Partei bis in den Sommer hinein geschafft hatte, das Thema Brexit weitgehend zu kompensieren durch die Betonung sozialer Fragen, die ihrer Kernwählerschaft und auch der neuen, jüngeren Wähler, die Jeremy Corbyn für Labour mobilisieren konnte, beugte sich Corbyn zunehmend dem Druck der Labour-Parteibürokratie, die wesentlich durch die neoliberale Phase unter Tony Blair und Gordon Brown geprägt ist. Labour und auch Corbyn selbst begannen, das Ergebnis des Brexit-Referendums zunehmend in Frage zu stellen.
      Führende Vertreter des liberalen, rechten Flügels in Labour plädierten nach den für die beiden Hauptparteien desaströsen Ergebnissen der EU-Wahlen im Mai 2019 für eine eindeutige Anti-Brexit-Orientierung. Im Juli dann folgte die endgültige Kehrtwende in der Brexit-Politik der Labour-Partei: Die Sozialdemokraten sprachen sich nunmehr für ein zweites Referendum aus. Zudem bemühte sich die Partei um eine sympathischere Rhetorik gegenüber der EU als die Konservativen, die nach dem Debakel der EU-Wahlen mit ihrem neuen Vorsitzenden Boris Johnson auf eine klare Abgrenzung zur EU setzten.
      Es war schon damals eigentlich glasklar, dass das eine massive Fehkalkulation sein würde. Die Partei, die am erfolgreichsten aus den EU-Wahlen hervortrat, war die neue Brexit-Partei von Nigel Farage, die mit ihrem klaren Pro-Brexit-Kurs aus dem Stand 30 Prozent erreichte. Besonders erfolgreich war sie unter anderem in den vormals industriell geprägten, aber im Zuge des Neoliberalismus abgehängten Gebieten in Mittelengland und im Norden, die einst Labour-Hochburgen waren.
      Quelle: RT Deutsch

      Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Zerrissenes Königreich – Großbritannien nach der Wahl und Großbritannien.

  8. Unterstützung von Ökonomen – Auf einmal Fans der SPD
    Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die neuen Vorsitzenden der Sozialdemokraten, haben ihre Freunde ganz links – und unter konservativen Ökonomen. Wie passt das zusammen?
    Am kommenden Donnerstagabend treffen sie sich endlich leibhaftig. Die neuen Parteichefs der SPD reden zum ersten Mal offiziell mit den Kollegen von CDU und CSU, den Fraktionsvorsitzenden aus dem Bundestag, der Kanzlerin und ihrem Vize. Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans werden die Wünsche formulieren, die sie jüngst auf dem eigenen Parteitag selbst beschlossen haben: einen Anstieg des Mindestlohns, einen höheren Preis für CO2 – und, vor allem anderen, mehr staatliche Ausgaben, besonders für Investitionen.
    Im politischen Raum stoßen sie damit nicht auf viel Begeisterung, noch nicht mal in den eigenen Reihen: Den Koalitionsvertrag quartalsweise neu auszuhandeln, das finden im Grunde ihres Herzens auch die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder und die meisten Bundestagsabgeordneten der Partei nicht besonders professionell.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die ökonomischen Ansichten der neuen SPD-Spitze und konservativer Ökonomen, die alle zusammen mehr staatliche Investitionen fordern, passen hervorragend zusammen, wenn man nicht so borniert ist wie die konservativ-neoliberalen Medien bzw. im politischen Raum Union (und FDP). So etwas schockiert natürlich einen Ralph Bollmann. Ein relevanter Unterschied besteht aber doch zwischen den wirtschaftsliberalen Ökonomen und der SPD: erstere wollen die Kosten über Schulden auf den Steuerzahler, d. h. die normalen Arbeitnehmer abwälzen (Kapitalgesellschaften zahlen praktisch keine Steuern), während die SPD zumindest zum Teil Vermögende an den Kosten beteiligen will.

  9. Die Entfesselten
    Wohnungskonzerne kaufen billig, lassen Mieter für Sanierung zahlen, nutzen Steueroasen und alle nur denkbaren schmutzigen Tricks. Höchste Zeit für Widerstand
    Sucht man nach dem Ursprung – und den Schuldigen – für den derzeitig grassierenden Wohnungsnotstand, landet man früher oder später bei Helmut Kohl. Er war es, der im Jahr 1988 zusammen mit CDU, CSU und FDP die Gemeinnützigkeit der Genossenschafts- und Werkswohnungen abschaffte. Aber erst die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer setzte die Welle dann richtig in Gang. Nur ein Beispiel: 2004 verkaufte die Bundesregierung die 82.000 Wohnungen der Gagfah, der Wohnungsgesellschaft der Bundesanstalt für Angestellte, und 65.000 Eisenbahnerwohnungen. Die Berliner Landesregierung von SPD und PDS mit Finanzsenator Thilo Sarrazin verkaufte 65.000 Wohnungen. Die CDU-FDP-Landesregierung in Nordrhein-Westfalen verhökerte 91.000 Wohnungen aus öffentlichem Besitz, Thyssenkrupp verscherbelte 48.000 Werkswohnungen, der Energiekonzern Eon 138.000. Noch 2012 bot die Landesregierung aus Grünen und SPD in Baden-Württemberg 21.000 Wohnungen zum Verkauf an, noch 2013 die CSU in Bayern unter Ministerpräsident Seehofer und Finanzminister Söder 33.000 Wohnungen.
    Quelle: Werner Rügemer im Freitag
  10. Umsetzungsprobleme
    Diese Woche ist im Deutschen Bundestag über die Schuldenbremse debattiert worden. Die FDP will das Instrument weiter verschärfen, kaum verwunderlich, die Liberalen haben noch nie etwas von Volkswirtschaft verstanden. Die Grünen wollen die Schuldenbremse weiterentwickeln, bekannten sich aber ganz überraschend zu der neoliberalen Regel im Grundgesetz, zum Teil mit absurden Argumenten, die offenbar der Union als künftigem Partner gefallen sollen. Die Linken fordern ein Ende der Schuldenbremse und eine Investitionspflicht. Das ist zwar richtig, aber eben auch nicht umsetzbar, da die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit, um die Verfassung wieder zu ändern, in weiter Ferne liegt. Man muss es ja leider so drastisch sagen: Die “Idioten” haben auch hierzulande die Mehrheit. (…)
    Es ist daher vollkommener Unsinn, etwas gut an einer Schuldenbremse zu finden. Noch absurder ist es sogar, irgendwelche Grenzen der Gesamtverschuldung zu benennen, von denen längst klar ist, das sie frei erfunden sind und rein gar nichts über die Stabilität einer Volkswirtschaft aussagen können. Und ob das Vertrauen in die Politik gestiegen ist, ist angesichts der wiederholten Wahlerfolge im rechten Lager mehr als fraglich. Tief Luft holen und nachdenken, täte daher so manchem Politiker gut, bevor er oder sie seine Redezeit mit dem größtmöglichen Nonsens vergeudet, der überall auf der Welt für ein fassungsloses Kopfschütteln sorgt, nur in Deutschland nicht. Da klatscht man für derartige Peinlichkeiten auch noch Beifall im Parlament.
    Quelle: TauBlog
  11. Gebt das Geld lieber Leuten, die damit etwas Sinnvolles machen (also nicht den Banken)
    Schluss mit Minuszins: Die neue Chefin der Euro-Notenbank, Christine Lagarde, sollte aufhören, Geld in ein überfordertes Finanzsystem zu pumpen. Und es stattdessen an uns alle verteilen. (…)
    Zu den Quatschvorstellungen, die in Deutschland so grassieren, gehört, dass die Euro-Notenbank an den niedrigen Zinsen per se schuld ist. Dabei sind die Sätze ja auch außerhalb der Eurozone so niedrig, fast überall in der Welt. Und es hat sich unter den etwas ernster zu nehmenden Experten herumgesprochen, dass es dafür sehr reale Gründe gibt: Es gibt ein Zuviel an Erspartem bei zu wenig Nachfrage nach Geld

    • weil in der Wirtschaft seit Jahren zu wenig investiert wird,
    • Staaten weniger bis keine neuen Schulden aufnehmen,
    • es zu viele Reiche gibt,
    • die Reichen sparen und ihr Geld gar nicht mehr ausgeben (können)
    • und seit der großen Finanzkrise auch sonst einfach zu viel gespart wird;
    • außerdem weil Bilanzen aufgeräumt werden
    • und die Perspektiven zu investieren eher wackelig erscheinen.

    Da wirken Angebot und Nachfrage. Ergebnis: Nullzins.
    Quelle: Thomas Fricke in Spiegel Online

  12. Sahra Wagenknecht: Attacke auf Attac – unsere Finanzordnung ist ungerecht
    Was sind eigentlich gemeinnützige Zwecke? Das fragt sich Sahra Wagenknecht in der Gastwirtschaft.
    Unsere Finanzordnung ist zutiefst ungerecht. Nicht nur, dass Sprösslinge von Milliardären und Multimillionären in der Regel keine Erbschaftssteuer zahlen. Auch bei Spenden wird hierzulande mit zweierlei Maß gemessen – mit fatalen Folgen für zivilgesellschaftliches Engagement. (…)
    Dass die Milliardärsfamilie Mohn über die Bertelsmann-Stiftung ein privates Medienimperium beherrscht und als Eigentümer von Dienstleistungskonzernen wie Arvato ein eigennütziges Interesse an Privatisierungen hat, scheint kein Finanzamt zu interessieren. Öffentliche Einflussnahme im Interesse von Millionen Menschen scheint verdächtig und unerwünscht zu sein. Wenn Millionäre Vereine und Stiftungen gründen, um im Hintergrund mit staatlicher Unterstützung politische „Landschaftspflege“ zu betreiben, sieht niemand ein Problem – oder doch?
    Was sind gemeinnützige Zwecke? Im Interesse der Demokratie muss diese Frage neu beantwortet werden. Die Unabhängigkeit von Konzernen und Wirtschaftslobbies muss gestärkt, bürokratische Auflagen für ehrenamtliches Engagement müssen abgebaut und die Maulkörbe für Vereine wie Attac oder die VVN/BdA zurückgenommen werden. Diese Aufgabe kommt dem Bundestag als Gesetzgeber zu. Es darf nicht sein, dass Finanzbehörden in den Ländern entscheiden, welches politische Engagement privilegiert wird und welches nicht.
    Quelle: Sahra Wagenknecht in Frankfurter Rundschau
  13. Die unsichtbare Mietpreisexplosion: Wann Wohnen teurer wird
    Die Wahrnehmung stark steigender Mieten bewegt Menschen und Politik, aber in der Statistik ist kaum etwas davon zu sehen. Geht das mit rechten Dingen zu?
    Quelle: Norbert Häring in Handelsblatt
  14. Klöckner-Behörde verschleppt Glyphosat-Ausstieg
    Frankreich verbietet einen Großteil der Glyphosat-Produkte, in Deutschland dagegen dürfen sie ohne Abstriche weiter verwendet werden. Die Begründung ist interessant. (…)
    Am Nikolaustag hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit den Herstellern von Glyphosat-Pestiziden die Zulassungen für ein weiteres Jahr gewährt. Sie gelten nun bis zum 15. Dezember 2020.
    “Die Zulassungen, die verlängert wurden, bestehen inhaltlich unverändert weiter”, bestätigt das Bundesamt. Was bedeutet: Es gibt keine neuen Auflagen. Nicht einmal der vielfach geforderte Verkauf an Privatkunden wurde reglementiert. Keine Minimierung ist auch nur in Sicht.
    Als Grund für die bedingungslose Verlängerung nennt die Behörde, sie habe es aus verschiedenen Gründen nicht geschafft, die Zulassungsanträge der Hersteller fristgemäß zu prüfen. Deshalb müsse nun ungeprüft verlängert werden, damit den Unternehmen kein Schaden entstehe, so will es das Gesetz.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Das ist doch wohl nicht mit dem Wohle des Volkes zu vereinen. Steckt hier Absicht oder Dummheit dahinter? Bundesministerin Klöckner scheint eine Lobbyistin zugunsten von Unternehmen zu sein. Bitte lesen Sie auch Party im Stall! mit einer Anmerkung.

  15. Labour leadership race begins as senior figures back Rebecca Long-Bailey
    Jeremy Corbyn could remain in post to end of March as post-election infighting continues
    The starting gun has been fired on the race to succeed Jeremy Corbyn as Labour leader, as the party became engulfed in a bitter row about whether its Brexit position or leadership were mainly to blame for last week’s election disaster.
    Labour confirmed on Sunday night that Corbyn had asked for a leadership process to elect his successor by the end of March, meaning he will carry on in post and opposing Boris Johnson across the dispatch box for more than three months. […]
    John McDonnell, the shadow chancellor, and Richard Burgon, the shadow justice secretary, threw their weight behind their long-term ally Rebecca Long-Bailey for the top job while blaming Brexit for the party losing support across the north and Midlands.
    With endorsement from the Corbynite wing of the party, Long-Bailey is now the favourite for the job even though she has not formally declared her candidacy. […]
    Caroline Flint, a former minister who lost her Don Valley seat, said Long-Bailey and Nandy were the only candidates worth considering as they had not been complicit in pushing the party towards a more remain position. […]
    Corbyn has not apologised for the election defeat but he has said he is “very sad” about the result. He released a video on Sunday in an apparent attempt to defend his policies and cement his legacy.
    “Make no mistake, Labour is the greatest force for progressive change this country has ever known. And though this wasn’t our moment, our time will come,” he said. “Over the last four years we have built a new movement which isn’t going away. For those that feel disheartened and feel like giving up, I say stay and fight for a better society.”
    Quelle: The Guardian
  16. Frankreich
    1. Polizeigewalt in Frankreich – Neue Gummigeschosse sind schon bestellt
      Frankreichs Polizei geht mit Härte gegen die Demonstrierenden vor. Dahinter steckt offenbar eine neue Strategie: Man will nicht noch einmal die Kontrolle verlieren.
      Der zerschmetterte Schädel, den Laurent Thines an diesem Tag auf seinem Operationstisch sah, erinnerte den Chirurg an Verunglückte bei einem Autounfall. Der Arzt aus dem ostfranzösischen Besançon behandelt seit Wochen Demonstrierende, Gelbwesten und auch einfach nur Passanten, die von Polizeigewalt betroffen sind. Darunter seien auch Menschen, denen ein Gummigeschoss das Auge zerstörte, erzählt Thines. Das Ausmaß der Gewalt lässt sich in einer Statistik des Journalisten David Dufresne ablesen: 25 Menschen verloren Augen, fünf Hände, hunderte wurden schwer verletzt. Die meisten Opfer sind Demonstrierende, aber Dufresne listet auch mehr als hundert Journalisten, 46 Minderjährige und 70 Passantinnen, die von einem Schlagstock, einer Granate oder einem Gummigeschoss getroffen wurden.
      Quelle: ZEIT

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Danke für die empathische Darstellung. Macron, der “Jupiter”, der große “Linksliberale”, ist auch nur Präsident eines Polizeistaats, der demonstrierende Bürger zusammenprügeln, zusammenschießen und lebensgefährlich verletzen läßt.”Die Bundesregierung, die zusammen mit Frankreich Gewalt gegen Protestierende in Russland oder Hongkong anprangert, hat noch kein Wort über die französische Polizei verloren. Auch in den deutschen Medien las man bislang wenig dazu.” – Genau so ist es. “Sie wollen nicht wahrhaben, dass Frankreich eine autoritäre Wende vollzogen hat”, urteilt Chirurg Thines.” – Und zwar im Herzen der EU, dem großen Friedensprojekt, das allen Europäern Frieden und Wohlstand garantiert. Oder etwa nicht? Stattdessen nur den großen Unternehmen maximalen Gewinn garantiert, auch wenn das hunderte Bürger Würde und soziale Sicherheit, die Augen, die Hände oder gar das Leben kostet?

    2. Macron überzeugt nicht
      Im Streit um Frankreichs Rentensystem geht es vor allem um den Kampf gegen soziale Ungleichheit. Der Widerstand ist dringend notwendig.
      Reform bedeutete früher Fortschritt. Unbemerkt hat sich das ins Gegenteil verkehrt. Wenn die französische Staatsführung Reformen ankündigt, gehen die Gewerkschaften defensiv in Deckung, weil sie mit einer sozialen Regression rechnen. Wer ein bisschen leichtfertig sagt, Frankreich sei wegen seiner widerspenstigen BewohnerInnen schlicht „nicht reformierbar“, übersieht, dass die Menschen aus leidiger Erfahrung gelernt haben.
      Was Emmanuel Macrons Regierung nun im Namen der „Gleichheit“ und der Abschaffung von „Privilegien“ vorschlägt, würde neue Ungleichheiten und viele Frustrationen schaffen. Die echten Privilegien der Oberschicht aber blieben unangetastet. Ist etwa die Tatsache, dass ein Lokführer wegen seiner häufigen Nachteinsätze und Präsenz an den Wochenenden ab 52 in Rente gehen kann (nicht muss), ein überzeugender Grund, für alle ungeachtet ihrer speziellen Arbeitsbedingungen identische Regeln anzuwenden?
      Die Demagogie in der Argumentation ist allzu offensichtlich und das pauschale Misstrauen in der Politik zu tief verankert. Die Staatsführung, die in einer Pressemappe mit Fall­beispielen behauptet, von dieser Reform würden „alle“ profitieren, hofft dennoch, dass ihr die Betroffenen aufs Wort glauben, es werde keine Verschlechterungen geben. In Schweden hat die Einführung eines vergleichbaren Punktesystems zur Rentenberechnung dazu geführt, dass sich die Altersarmut verdoppelt hat.
      Quelle: taz

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Man kann nur jeden einzelnen Satz unterschreiben. Erfreulich, daß Rudolf Balmer Macron, den er noch 2017, 2018, teilweise 2019 als “Pro-Europäer” und “Linksliberalen” verklärt hat, endlich als den Hardcore-Neoliberalen und Präsident der Reichen zeigt, der Macron schon immer war. Und noch besser: wenn die taz diese Analyse von “Reformen” auf die genauso asoziale Politik der Rot-Grünen Bundesregierung Schröder/Fischer anwenden würde. “Warum sollte [die Arbeiterbewegung] heute diese erkämpften Rechte der neoliberalen Buchhalterlogik der Kostensenkung opfern?” Es wäre schön gewesen, wenn die taz solche Fragen 2003, 2004, 2005 an Schröder, Fischer, Katrin Göring-Eckardt gestellt hätten. Ein erster Schritt wäre die wenigstens retrospektive Verurteilung der neoliberalen “Reformen” und die genauso harte Kritik an Angela Merkels Austeritätspolitik, die ich in der taz schmerzlich vermisse.

    3. Zugeständnisse und Spaltungsversuche
      Der französische Ministerpräsident Edouard Philippe hat am 11. Dezember Einzelheiten der Rentenreform vorgestellt, die der Anlass für die massivste Streik- und Protestbewegung seit 25 Jahren ist (siehe dazu meinen letzten MAKROSKOP-Artikel). Philipps Rede[1] und das Konzept sind ein spannendes Lehrstück dafür, wie unter den aktuellen Kräfteverhältnissen zwischen Kapital und Arbeit die Auseinandersetzung um die Reform eines grundlegenden Systems der Daseinsvorsoge verlaufen kann.
      Die Logik des Konzepts beruht auf drei Elementen:

      • der harte, neoliberale Kern der Reform wird beibehalten, nämlich die Erhöhung des Renteneintrittsalters bei gleichzeitiger Absenkung der durchschnittlichen Rentenhöhe;
      • es gibt aber zugleich Komponenten, die einer zu radikalen Verschlechterung der Lebensqualität der Rentner – etwa auf deutsches Niveau – vorbeugen;
      • der Übergang auf das neue System wird zeitlich so gestreckt, dass es gegenwärtige und zukünftige Rentner in mehrere Gruppen unterschiedlicher Betroffenheit aufspaltet.

      Bei der einhelligen Ablehnung vor allem des Tricks mit dem Gleichgewichtsalter stechen einige Stimmen hervor. An erster Stelle ist Laurent Berger, Vorsitzender der sozialdemokratischen Gewerkschaft CFDT, zu nennen, der sich jetzt in die Widerstandfront eingereiht hat. Ursprünglich hatte die CFDT die Streiks abgelehnt. Als dann aber nicht nur die Eisenbahnersektion, sondern auch viele Mitglieder an der Basis mit auf die Straße gingen, musste die Führung befürchten, ihren Einfluss auf den Gang der Dinge zu verlieren. In jüngster Zeit war es der CFDT gelungen, die Konkurrenz von der CGT bei den Mitgliederzahlen leicht zu überflügeln. Sie konnte dabei immer auf die massive Unterstützung aus dem Unternehmerlager und den großen Medien, darunter auch den linksliberalen, wie Le Monde, zählen. Das könnte mit der starken Rolle der CGT in der aktuellen Bewegung jetzt wieder gefährdet sein.
      Auch alle Oppositionsparteien lehnen den Vorschlag der Regierung ab, die Linken, wie La France Insoumise und die KP sowieso, aber auch die PS (Sozialdemokraten), die Grünen, die konservativen Républicains bis hin zu Marine Le Pen. Prompt hat Finanzminister Le Maire mit einem Angebot reagiert. Es bestünde noch „Raum für Verhandlungen.“[5] Das zielt vor allem auf die CFDT, die damit für Gespräche geködert werden soll, während man gegenüber „der Straße“ auf ein Abflauen der Proteste hofft, das aber wegen der Weihnachtspause ohnehin unvermeidlich ist.
      Seriöse Prognosen, ob und wie der Widerstand gegen die Reform weiter geht, sind nicht möglich. Wie das Zurückweichen Le Maires aber zeigt, ist die Auseinandersetzung keineswegs entschieden. Das Konzept, das der Regierungschef vorgestellt hat, wird definitiv nicht die endgültige Fassung sein. Weitere Zugeständnisse sind in Reichweite. Schon jetzt steht fest: es lohnt sich wieder, auf die Straße zu gehen – und zwar auch ganz handfest in Euro und Cent.
      Quelle: Peter Wahl in Makroskop

  17. USA, nicht China, haben deutsche Netze angegriffen
    Telefónica Deutschland hat in einem Positionspapier an Bundestagsabgeordnete die Position des Unternehmens zu chinesischen Spionagevorwürfen und Huawei deutlich gemacht. “Die einzigen bekannten Sicherheitsvorfalle in Mobilfunknetzen, in die Staaten involviert waren, gehen auf die USA zurück.” Das steht in der Stellungnahme, die der frühere Reuters-Journalist Noah Barkin auf Twitter veröffentlicht hat. Telefónica-Deutschland-Sprecher Klaus Schulze-Löwenberg hat Golem.de die Authentizität des Papiers bestätigt. Es stamme aus der ersten Novemberhälfte. “Wie zuvor hat Telefónica Deutschland auch im November und Dezember mehrfach mit den zuständigen Behörden und der Bundesregierung zum Thema der Lieferanten von 5G-Technologie gesprochen”, sagte er.
    In dem Papier heißt es: “Seit 2013 wissen wir, dass die NSA Datenströme, die nachgelagert hinter den Internetzugangsnetzen der Netzbetreiber im deutschen Internet Backbone DE-CIX zusammenlaufen, teilweise vom BND erhalten hat. Zudem hat die NSA Daten, welche durch Überseekabel in die USA geroutet wurden, abgefangen, hieran war kein chinesischer Geheimdienst beteiligt.” (…)
    Die gegenwärtige Diskussion werde ohne jegliche Kenntnis tatsächlicher Sicherheitsrisiken geführt, betonte der international operierende Telekommunikationsbetreiber: “Den Netzbetreibern und offensichtlich auch dem Bund sind keine Risiken bekannt, die spezifisch von der Hardware bestimmter Hersteller ausgehen.” Die unlängst von der Bundesnetzagentur vorgelegten, generellen Sicherheitsanforderungen und Zertifizierungsverfahren seien aus Sicht von Telefónica der einzig richtige Weg, um ein erhöhtes Sicherheitsniveau zu etablieren, von dem alle Hersteller gleichermaßen erfasst würden. “Ein Großteil der IT-Hardware auch aller anderen Hersteller wird in China produziert”, betonte Telefónica. Zu keinem Zeitpunkt sei das Unternehmen von der Bundesregierung oder einer Bundesbehörde darüber informiert worden, dass Kenntnisse über Spionagetätigkeiten in Mobilfunknetzen vorlägen, die durch Huawei oder die Volksrepublik China durchgeführt würden.
    Derzeit existieren auf dem Weltmarkt nur fünf Hersteller von 5G-Hardware, nämlich Nokia, Ericsson, Samsung, ZTE und Huawei: “Ein Ausschluss nur eines Herstellers würde die Verfügbarkeit der Hardware empfindlich verknappen”, betonte Telefónica.
    Quelle: golem.de

    Dazu: CDU-Außenpolitiker geht mit SPD-Abgeordneten gegen Huawei an
    Der frühere Bundesminister Norbert Röttgen (CDU) hat sich mit einzelnen SPD-Abgeordneten verbündet, um im Bundestag einen fraktionsübergreifenden Antrag gegen Huawei einzubringen. Das berichtet der Tagesspiegel unter Berufung auf das Dokument. Nach Informationen aus Branchenkreisen, die Golem.de vorliegen, ist der Antrag jedoch nicht – anders als das Handelsblatt es darstellt – die offizielle Position der Fraktionen.
    Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, Hersteller auszuschließen, bei denen das Risiko “von staatlicher Einflussnahme ohne rechtsstaatliche Kontrolle, Manipulation oder Spionage besteht”. Dies solle “sowohl im Kern- wie im peripheren Netz” gelten. Im Januar soll der Antrag im Plenum vorgebracht werden. Röttgen schloss mit Thomas Tschersich, Leiter Group Security der Deutschen Telekom, bewusst einen Gegner der Boykottpolitik von einer Anhörung am 11. November 2019 im Bundestag aus. Laut einer Branchenquelle, die um Anonymität bat, traf das Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom, Claudia Nemat, kürzlich den stellvertretenden Vorsitzenden von Huawei, Eric Xu, zu Gesprächen, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.
    Quelle: golem.de

    Anmerkung unseres Lesers J.S.: Was ich mich dabei immer frage: Gibt es wirklich Menschen in diesem Land, die solcherlei Schauergeschichten ernst nehmen?

    Ergänzende Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut “Boah dieser Huawei-Bullshit hört und hört nicht auf. Ist mal gut langsam?“.

  18. An der Klimakrise scheitern nicht nur die Regierungen, sondern auch die Medien
    Man stelle sich folgende Talkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vor: Thema ist die Bedrohung durch Krebs-Erkrankungen, und in der Talkrunde sitzt eine ahnungslose Staatssekretärin, ein abwiegelnder Heilpraktiker, ein Journalist, der behauptet, Krebskranke seien eigentlich eine Sekte, und ein Onkologe, der als Teil seiner Forschungsgruppe einen Nobelpreis bekommen hat. Dann fragt die Moderatorin: „Glauben Sie an den Krebs?“
    Das Szenario ist eigentlich undenkbar. Einen offensichtlichen Quacksalber auf Augenhöhe mit einer medizinischen Koryphäe zu befragen, würde niemandem einfallen. Jedenfalls nicht bei einem Medizin-Thema. Beim Klimawandel ist das anders. Da saß am 11. Oktober 2017 eine ähnliche Runde bei „Maischberger“. Und die Moderatorin fragte tatsächlich: „Glauben Sie an den Klimawandel?“
    Glauben statt Wissen – die Sendung ist ein besonders krasses Beispiel dafür, wie die Medien angesichts der Klimakrise versagen. Am 29. November gehen wieder „Fridays for Future“ auf die Straßen. Die Medien werden sich wieder mit Berichten über diese junge Protestbewegung aus dem Nichts überschlagen. Dabei stünde uns Journalisten ein bisschen professionelle Demut bei diesem Thema ganz gut. Denn anstatt zwischen seriöser Forschung und abseitigen Einzelmeinungen zu unterscheiden, verlieren sich die Berichte immer noch oft im Einerseits-Andererseits.
    Quelle: ÜberMedien

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