Es gibt ein paar Prinzipien in der Finanzwissenschaft, die Sinn machen. Eines davon ist das sogenannte Non-Affektationsprinzip. Es besagt, dass man sinnvollerweise nicht eine spezielle Aufgabe/Ausgabe des Staates an eine spezielle Steuer oder Abgabe binden sollte. Völlig unberührt von diesem sinnvollen Prinzip bindet jetzt Bundesfinanzminister Scholz die Finanzierung der Grundrente an die Einführung der von ihm vorgeschlagenen Finanztransaktionssteuer. (Siehe auch) Und niemand protestiert. Allenfalls wird herumgemäkelt, dass diese Steuer dem Aktienmarkt schaden könnte. Sachverstand im Niedergang! Hohe Konjunktur hingegen für die Akte politischer Korruption. Bestes Beispiel: die Förderung kapitalgedeckter Privatvorsorge fürs Alter und Vernachlässigung der Gesetzlichen Rente. Albrecht Müller.
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Zunächst zum Unsinn der Bindung einer Staatsaufgabe an eine spezielle Steuer: die Entscheidung über eine öffentliche Ausgabe wie etwa die Ausgaben für die Grundrente muss unabhängig von der Finanzierungsart getroffen und verantwortet werden. Ähnliches gilt für die staatlichen Einnahmen. Sie gehen in einen großen Topf und dann entscheiden Regierung und Parlament über die Ausgaben. Die Bindung einer Ausgabe wie beispielsweise der Grundrente an eine Einnahme wie die Finanztransaktionssteuer bringt als erstes schon das Risiko mit sich, dass es unsicher ist, ob die Einführung der Transaktionssteuer überhaupt gelingt. Und dann dürften zweitens die jeweiligen Summen, die man einnimmt und die man ausgeben will, auseinanderklaffen. Eine solche Bindung ist von Grund auf unsinnig. Und dennoch wird eine solche Bindung nicht nur in diesem Fall von den politisch Verantwortlichen immer wieder propagiert und von den Medien schweigend bis zustimmend hingenommen.
Wie selbstverständlich inzwischen hierzulande die politische Korruption geworden ist und welchen Aufstieg sie hinter und vor sich hat, kann man am Beispiel der Altersvorsorge sehen: es gibt eine vernünftige, eine sozial und ökonomisch vernünftige Lösung des Problems: die Stärkung der Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Rente. Die Gesetzliche Rente und das damit verbundene Umlageverfahren sind eine höchst effiziente Form für die Organisation der Altersvorsorge. Ihre Leistungsfähigkeit ist in den letzten 20 Jahren bewusst verringert worden, über Nullrunden und demographische Abschläge usw. Die Leistungsfähigkeit ist verringert worden, weil man den großen Finanzunternehmen, den Versicherungskonzernen, den Finanzdienstleistern und den Banken ein neues Geschäftsfeld eröffnen wollte. Ein anderes Motiv gab es nicht.
Auf den Nachdenkseiten haben wir schon immer darauf hingewiesen, dass die staatlich geförderte private Vorsorge nicht effizient funktionieren kann, schon deshalb nicht, weil der Betrieb und die Verwaltung dieser Produkte teurer sind als Verwaltung und Betrieb der Gesetzlichen Rente. Bei den Privatvorsorgemodellen geht nämlich von den geleisteten Prämien/Beiträgen der vorsorgenden Privatpersonen schon einmal ein ordentlicher Batzen weg für Betrieb, Verwaltung und Werbung usw.. Dieses Geld steht nicht mehr zur Anlage zur Verfügung. Es kann nicht mehr für die Altersvorsorge des Einzelnen “arbeiten“, wie die Befürworter der Privatvorsorge sagen. Hinzu kommt in neuerer Zeit der Einbruch der Zinsen.
Das alles bedeutet, dass man eigentlich Anlass genug hätte, neu zu überlegen. Dies aber tut man nicht. Das tun weder die Politik noch die Medien – weil sie beide mit der Finanzwirtschaft eng verbandelt sind. Am vergangenen Montag hatten wir in den Hinweisen auf einen solchen neuerlichen Fall hingewiesen, auf einen Artikel in der Frankfurter Rundschau. Siehe hier. Ich zitiere die Überschrift und den dortigen Einstieg noch mal:
“Gesetzliche Rente zu knapp: Die Fakten zur Vorsorge gegen Altersarmut
Mit der gesetzlichen Rente den gewohnten Lebensstandard sichern? Das wird wohl nicht gehen. Diese Fakten zur Vorsorge gegen Altersarmut sollten Sie kennen.
Wer sich allein auf die gesetzliche Rente verlässt, wird seinen Lebensstandard im Alter wohl einschränken müssen. Das Rentenniveau beträgt derzeit 48 Prozent. Das heißt: Die Durchschnittsrente eines Rentners, der 45 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, liegt derzeit bei weniger als der Hälfte eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens.”
So werden wir laufend falsch informiert. Heute früh wieder bei Phoenix vor Ort, wie ein NDS-Leser berichtet:
“In der Sendung Phoenix vor Ort am 11.12.19 von 10.00 -10.30 kam zu Beginn ein „Rentenexperte“ zu Wort. Der hatte wieder nur dieselben falschen Argumente zum Thema Rente. Inklusive der Aussage über die skandinavischen Länder und ihre Aktienbasierte Altersvorsorge (vergisst dabei zu erwähnen, dass es ein Staatsfond ist)”
So geht das am laufenden Band. Politische Korruption wird quasi im Stundentakt gestützt und gefeiert. Die Propaganda für die Privatvorsorge muss allerdings so massiv betrieben werden, weil andernfalls vielleicht ja auch noch mal jemand zur Vernunft käme. Da der Sachverstand aber auf Tauchstation geht und die irreführende Propaganda Konjunktur hat, sieht es düster aus.
Ein Grund mehr dafür, dass wir uns wehren.