Leserbriefe zum Hartz-IV-Urteil
Das BVerfG-Urteil zu Hartz IV und der Beitrag “Hartz-IV-Urteil: Angriffe auf das Existenzminimum sind in Ordnung” sowie der “Hinweise #1 vom 06. November 2019” dazu lösten erwartungsgemäß eine Flut von Zuschriften aus, von denen wir nachfolgend einige wiedergeben. Der letzte Leserbrief enthält praktische Tipps zur Einklagung von Schulbuchkosten für Hartz-IV-Empfänger. Zusammengestellt von Moritz Müller.
1. Leserbrief
Liebe Nachdenkseitenmacher,
nun ist es also höchsrichterlich bestätigt, daß in diesem Land das materielle und soziokulturelle Existenzminimum unterschritten werden darf… und das gleich um 30 Prozent.
Im Urteil von 2010 hieß es noch, der ALG 2-Satz sei das absolute Existenzminmum und sei im Grunde unverfügbar.
Wie verfügbar, sieht man an diesem Urteil.
Mit freundlichen Grüßen
S. Giese
2. Leserbrief
Sehr geehrte Damen und Herren,
ein erbärmlicher Tag, dass das Bundesverfassungsgericht heute Sozialdemokraten und Christdemokraten erklären musste was gegen die Menschenwürde verstößt.
Freundliche und nachdenkliche Grüße
Volker Kamp
3. Leserbrief
Hallo Nachdenkseiten,
schauen Sie sich im gestrigen Hartz IV-Urteil bitte u. A. die Nr. 209 im Urteil an:
„Anders liegt dies folglich, wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern. Ihre Situation ist dann im Ausgangspunkt derjenigen vergleichbar, in der keine Bedürftigkeit vorliegt, weil Einkommen oder Vermögen aktuell verfügbar und zumutbar einsetzbar sind. Wird eine solche tatsächlich existenzsichernde und im Sinne des § 10 SGB II zumutbare Erwerbstätigkeit ohne wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II willentlich verweigert, obwohl im Verfahren die Möglichkeit bestand, dazu auch etwaige Besonderheiten der persönlichen Situation vorzubringen, die einer Arbeitsaufnahme bei objektiver Betrachtung entgegenstehen könnten, ist daher ein vollständiger Leistungsentzug zu rechtfertigen.“
Das heißt im Klartext, nicht mehr 30-60-100%, sondern gleich sofort auf 0.
Weiterhin sagt das BVerfG: “Kürzung bis zu 30 Prozent sind nicht zu beanstanden”
Damit hat das BVerfG unser Grundgesetz verraten und eine der vielfältigen Formen von Faschismus zementiert!
Das BVerfG hat nicht die Menschenwürde geschützt, sondern das Hartz IV-Terrorsystem vor dem Kollabieren durch die eigenen Kosten der Sanktionswut.
Hier beschreibt es auch jemand recht passend:
Das Urteil ist nicht nur kein partieller Sieg für die Menschenwürde, als die es hier teils akzeptiert wird. Es ist eine entsetzliche Niederlage für den Sozialstaat, für das Solidarprinzip, für unsere Gesellschaft.
Das ist kein Quantensprung auf den Weg zu sozialen Garantien!!!
(Nachtrag 7.11.)
laut Deutschlandfunk sind Sanktionen bundesweit vorerst ausgesetzt.
Hartz IV-Urteil Sanktionen gegen Arbeitslose vorerst ausgesetzt
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz-IV wird es vorerst keine Sanktionen gegen Arbeitslose geben.
Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Scheele, sagte im Deutschlandfunk, man habe am Tag des Urteils gemeinsam mit Bund und Ländern vereinbart, in den nächsten Wochen keine Sanktionen auszusprechen. Das gelte auch für Jugendliche. Man brauche Zeit, um ein rechtskonformes Vorgehen zu schaffen. Scheele betonte, auch in der Vergangenheit habe man lediglich bei drei Prozent der Empfänger Sanktionen verhängt – die meisten davon nur in geringer Höhe. Bei den Jobcentern stehe das Fördern im Vordergrund.Das Verfassungsgericht hatte entschieden, dass Leistungen höchstens noch um 30 Prozent gekürzt werden dürfen und nicht wie bisher um 60 oder sogar 100 Prozent. Grundsätzlich bleiben Sanktionen aber möglich.
Zitat Ende.
Sicher auch auf der Homepage der Presseagentur.
Im Elo Forum bestätigte das jemand nach einem Besuch im JC.
zu einem Interview mit Herrn Scheele von heute
mfg. Tigranes
4. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Reimann,
so richtig kann ich Ihre Freude nicht teilen. Das Urteil sagt doch nur das Teile der bisherigen Praxis nicht ganz konform mit dem GG gingen.
30% Abzüge sind jedoch ok. Die Miete wird zwar gezahlt, doch an der Nahrung kann gespart werden. Die Wurst bleibt dann dem Butterbrot fern.
Abgezogen werden die 30% vom Existenzminimum, also dem, was der Mensch einfach braucht um zu existieren – nicht zu leben.
Für einen Erwachsenen mag dies vielleicht irgendwie gehen, jedoch wenn Kinder im Haushalt sind, wird es schwierig. Diese leiden nach wie vor unter den Sanktionen. Diese werden auch weiterhin in Sippenhaft genommen.
Nein, ein Grund zur Freude besteht nicht. Auch weil das BVerfG die Realität am so genannten Arbeitsmarkt nicht berücksichtigt hat. Das Verhältnis von “offenen Stellen” und den Menschen die Lohnarbeit suchen, ist nach wie vor erschreckend. Hinzu kommt, dass die Politik weiterhin nach Arbeitskräften im Ausland sucht, anstatt von den Fabrikanten zu fordern die Lohnarbeitsuchenden entsprechend auszubilden.
Hinzu kommt, dass Menschen über 40 es immer schwerer haben einen Lohnarbeitsplatz zu finden. Menschen die über 50 sind, haben überhaupt keine Chance mehr. All dies wird ausgeblendet vom BVferG.
— Mit dem Grundgesetz kann das dennoch vereinbar sein, wenn diese Sanktion darauf ausgerichtet ist, dass Mitwirkungspflichten erfüllt werden, die gerade dazu dienen, die existenzielle Bedürftigkeit zu vermeiden oder zu überwinden. —
bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/bvg19-074.html
Mit diesem Satz ist auch die bisherige Praxis abgesichert. Die Politik hat halt ein wenig überzogen.
— Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass eine der in § 31 Abs. 1 SGB II benannten Mitwirkungspflichten gegen das Verbot der Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 2 GG) verstoßen würde. —
[ebd]
Art. 12 GG
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
Ist sinnloses schreiben von Bewerbungen nun Arbeit oder nicht? Sind nutzlose Bewerbertrainigs Arbeit oder nicht?
Auch der folgende Absatz sollte einmal auf seine Bedeutung hin überprüft werden.
— Auch die Einschätzung des Gesetzgebers, dass eine solche Sanktion zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten erforderlich ist, hält sich noch in seinem Einschätzungsspielraum. Die gesetzgeberische Annahme, dass mildere, aber gleich wirksame Mittel nicht zur Verfügung stehen, ist hinreichend tragfähig. Es erscheint jedenfalls plausibel, dass eine spürbar belastende Reaktion die Betroffenen dazu motivieren kann, ihren Pflichten nachzukommen, und eine geringere Sanktion oder positive Anreize keine generell gleichermaßen wirksame Alternative darstellen. —
[ebd]
Heißt wohl: Dass ein bisserl mit der Peitsche durchaus seine Rechtfertigung hat. Willst du nicht freiwillig, so brauch ich Gewalt.
Freude ruft dies alles bei mir nicht hervor.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Geduld.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Skalla
5. Leserbrief
Sehr geehrtes NDS-Team,
wie kann es sein, dass der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordneter Herr Harbarth, der selbst Hartz IV samt Sanktionen politisch aktiv befürwortete , an einem solchen Urteil mitwirkt? Sind unsere Gerichte wirklich unabhängig?
Hartz IV einschließlich der damit vebundenen menschenunwürdigen Sanktionen wurde unter der Rot-Grünen-Koalition eingeführt. Das scheinen sowohl die Sozialdemokraten als auch die Grünen gerne zu vergessen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Edelmann
6. Leserbrief
„gibt der Vorsitzende des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Herr Harbarth, damit nicht implizit zu, dass er als CDU-Bundestagsabgeordneter mit seinem Stimmverhalten für Sanktionen – zumindest teilweise – verfassungswidrig entschieden ha.“
Wer selbst an der gesetzlichen Regelung der Sanktionen als Bundestagsabgeordneter mitgewirkt hat, ist in der Sache selbst befangen und hätte sich aus Verfahren zurückziehen müssen.
Das Urteil des Verfassungsgerichts ist damit nichtig. Nur gibt es keine bundesdeutsche Instanz mehr, die diese Nichtigkeit auch geltend machen könnte.
Rechtsstaat wo bist du geblieben?
WJK
7. Leserbrief
„Sanktionen führen zu Leid und dazu, dass Menschen sich zurückziehen,“ sagt Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. „Sie entspringen einer längst überwundenen Rohrstockpädagogik des vergangenen Jahrhunderts. Sie sind deshalb komplett und ersatzlos zu streichen.“
Liebe NDS-Redaktion,
mir ist eigentlich nicht ganz klar, welche Leistungen der Paritätische Wohlfahrtsverband in dem Fall (oder überhaupt) erbringt. Der Verband hat im letzten Jahr allein an Bundeszuschüssen mehr als 35 Mio. € eingenommen. Wofür? Damit sich Herr Dr. Ulrich Schneider immer durch “Armuts-PR” in Szene setzt? Laut Tageszeitung hat der Kläger eine ihm zumutbare Arbeit abgelehnt und ist daraufhin in dem Fall (meiner Meinung nach) völlig zurecht sanktioniert worden. Der Kläger wusste, dass er damit rechnen musste. Auch Marx und Engels haben sich im Kommunistischen Manifest durchaus für eine Arbeitspflicht ausgesprochen. (Der Zwang, sich seinen Lebensunterhalt in der Regel selbst verdienen zu müssen, wird nicht nur von politisch rechtsaußen stehenden Menschen vertreten). Richtig ist, dass Schikanen seitens der Ämter unterbleiben müssen und das Job-Center die Fälle differenzierter betrachten müssen, als sie das bisher gemacht haben. Zumindest verstehe ich das Karlsruher Urteil in diesem Sinne, und das geht auch in Ordnung so.
VG Michael Wrazidlo
8. Leserbrief
bremer-montagsdemo.de/708/reden708.htm#708-GDB
Dem Staat die Menschenfeindlichkeit ausgetrieben
Wenn Menschen nicht weiterwissen, greifen sie zurück auf knappe Glaubenssätze. Damit stützen sie ganze Denkgebäude. Die Architekten von Hartz IV beispielsweise, voran Sozialdemokraten wie Schröder, Müntefering oder Clement, konnten sich zur Begründung, warum Arbeitslose unter existenziellen Druck gesetzt werden müssten, mit den Christdemokraten auf einen besonders mageren Glaubenssatz einigen, der sogar noch aus der Bibel stammt: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Es gebe kein Recht auf Faulheit, glaubte der Kanzler. Die Wettbewerbsfähigkeit müsse gestärkt werden, glaubt die Kanzlerin.
Dem sonst so wortreichen und -mächtigen Ex-Bundesrichter und Neu-Kolumnisten Thomas Fischer wiederum fiel zum Hartz-IV-Regelsatz bisher allein die karge Feststellung ein, ob dieser hoch genug ist, sei eine philosophische Frage. Solch entrückter Glaube ist erstaunlich, schließlich haben Wohlfahrtsverbände ausführliche Untersuchungen darüber vorgelegt, welche tatsächlichen, weitaus höheren Ausgaben für alltägliche Lebensbedarfe entstehen. Dass diese in großem Umfang aus Brottafeln, Suppenküchen und Kleiderkammern gedeckt werden müssen, widerlegt doch den Glauben an ausreichend Sozialstaatlichkeit. Linke glauben ja, am Niedriglohn wolle sich jemand bereichern.
Die Verfassungsrichter hingegen, die jetzt mit knapp 15 Jahren Verspätung die zentrale Stütze des Hartz-IV-Unrechtsbauwerks wegbaggerten, ließen es bei der Frage, ob es nicht verbotene Zwangsarbeit ist, wenn das Nichtantreten zu amtlich vermittelter Niedriglohnarbeit oder verordneter Zeitvertreibsmaßnahme mit Entzug sämtlicher Leistungen zum Lebensunterhalt sanktioniert wird, mit der dürren Feststellung bewenden, ein solcher Verstoß sei nicht erkennbar. Das ist kaum zu glauben, hat doch der Sozialrechtler Harald Thomé für sie entsprechende Schicksale zuhauf gesammelt und die Herkunft der Sanktionsparagraphen über die alte Sozialhilfe aus dem Armenrecht und der Arbeitspflicht in Nationalsozialismus und Kaiserzeit in einer Expertise dargelegt.
Zu verstehen ist diese unbegründete richterliche Feststellung nur als jene eine Folgerung, die eben nicht gezogen werden darf. Das Phänomen der Zwangsarbeit, bis zur Existenzvernichtung durchgesetzt, muss der faschistischen Vergangenheit vorbehalten bleiben. Heute würde es mit dem höchsten der schönen Glaubenssätze kollidieren, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. So taten die Richter das Nötige und untersagten mit Sofortwirkung den überwiegenden oder gar vollständigen Leistungsentzug. Der Glaube des Gesetzgebers an eine helfende Wirkung solcher Sanktionen sei wissenschaftlich unbelegt. Erst mit diesem Urteilsspruch hat das Verfassungsgericht dem bundesdeutschen Staat endlich die auf die Gruppe der Arbeitslosen bezogene Menschenfeindlichkeit ausgetrieben.
Es bleibt die Ungeheuerlichkeit, dass Sozialdemokraten einen solchen Verfassungsbruch verübt haben. Uwe Schmidt von der Bremer SPD sprach sich 2017 vor seiner Direktwahl in den Bundestag gegen Sanktionen aus und stimmte anschließend dafür. Sanktionierte wurden traumatisiert durch Obdachlosigkeit und Verlust aller sozialen Bezüge. Hartz IV macht krank. Millionen Menschen wurden durch die Hartz-IV-Tretmühle gedreht, weitere Millionen, eine ganze Generation, zu ständigem Lohnverzicht gedrängt. Hartz IV macht Angst. Ob sie die Wahlstimmen der Betroffenen jemals wiedergewinnen kann, entscheidet sich wesentlich daran, ob die SPD den obrigkeitsstaatlichen Sanktionen jetzt ein Ende bereitet. Das muss sie ihren christdemokratischen Kumpanen abfordern als Preis für ein Fortsetzen der Koalition.
Gerolf D. Brettschneider (parteilos, Webmaster Bremer Montagsdemo)
9. Leserbrief
Liebes Team,
danke für den Artikel s.oben.
Meine Meinung: Das BVG hat nichts geändert. Es bleibt bei Hartz 4 und bis, so las ich an anderer Stelle, die Neuregelungen erarbeitet und “abgesegnet” sind, darf weiter so verfahren wie bisher.
Von Katja Kipping ist nichts anderes zu erwarten gewesen, denn die hat den “Knall” immer noch nicht gehört wie viele Linke und SPD-Anhänger.
Sehe ich mir das deutsche System insgesamt an, so fragte ich mich manchmal und derzeit immer öfter, ob die deutsche politische Klasse die Gemeinheit, Hinterhältigkeit, kriegerisches und destruktives Verhalten und Bestrafungsfreudigkeit in ihren Genen hat? Andere EU-Länder sind doch ganz anders. Nur Deutschland ist so was von negativ und herrschsüchtig, dass ich mich mittlerweile im europäischen Ausland für diese ruinöse Politik einfach nur noch schäme. Da gibt es auch nichts wirklich gar nichts schön zu reden! Wo man hinschaut brennt es lichterloh und keine Feuerwehr da, die löschen könnte, weil das Personal fehlt!
beste Grüße
Karola Schramm
10. Leserbrief
Hallo Herr Riegel!
Ich finde es traurig, dass Hartz IV Empfänger immer noch gern als Faulenzer abgestempelt werden. Ich vermute, die Zahl derer, die so „faul“ sind, dass sie sich auf ein derartiges Existenzminimum beschränken möchten, dürfte gering sein.
Natürlich wäre es ungünstig mitzuteilen, dass Hartz IV rigoros zur AUSBEUTUNG genutzt wird, wo doch gerade staatliche Institutionen sehr gerne Hartz IV Empfänger als 1-Euro-Jobber nutzen.
Welchen Zweck haben Mindestlöhne, wenn man diese mittels Hartz IV aufweichen kann? Die Menschen, die auf diese Weise gezwungen werden lächerlich bezahlte Arbeiten anzunehmen, sind zu bedauern, nicht zu beschimpfen. Sie werden schikaniert und nach Gusto eingesetzt, wo man sie grade brauchen kann. Wehrt man sich, wird einem das Wenige gekürzt, was man hat.
Da wundere ich mich: Sind wir wirklich so weit von der Sklaverei entfernt?
Nebenbei interessant finde ich, dass ein Konzept, das von einem verurteilten Kriminellen ersonnen wurde, nach wie vor angewandt wird. Während unsereins sich wegen wesentlich geringerer Vergehen ernsthaft sorgen müsste, in Hartz IV abzugleiten, besteht diese Gefahr für Herrn Hartz praktischerweise nicht.
Herzliche Grüße,
V. Weinand
12. Leserbrief
Hallo Leute,
der Tobias Riegel hat in seinem Artikel nicht hinreichend herausgearbeitet, von welchem Anteil der Hartz4-Leistungen, eine künftige Kürzung um 30% verfassungskonform sein soll.
Das Urteil ist diesbezüglich nicht schlüssig begründet.
Geht es um die Gesamtleistung inkl. Miete, Heizung, KV und Regelsatz, oder um den Regelsatz, in derzeitiger Höhe von 425 Euro allein ? Bei Grundlage der Gesamtleistung von angenommenen 1200 Euro pro Monat für einen Singlehaushalt, könnte bei einer 30prozentigen Kürzung nahezu der komplette Regelsatz gestrichen werden; es blieben 25 Euro übrig.
Dies ist kein Vorwurf. Die gesamte Medienmeute hat gepennt. Angesichts dessen, war das voreilige Lob der Frau Kipping überflüssig.
LG
Klaus Pomrehn
13. Leserbrief
Werter Herr Riegel!
Zu ihrem Beitrag: “Hartz-IV-Urteil: Angriffe auf das Existenzminimum sind in Ordnung” möchte ich gerne folgendes anmerken.
Es war schon mehr als ein Schock, wie ich heute beim Bäcker die Schlagzeile der BILD war nahm. Der Zufolge “Hartz IV jetzt auf dem Silbertablett serviert” wird! Dazu gab es dann gleich noch ein Foto von Deutschlands “Faulsten” Hartz IV Empfänger. Toll kann ich da nur sagen! Mit so einem Weltbild bekommt der Tag gleich Struktur und man weiß wo der Feind steht. Gibt es eigentlich noch so etwas wie den Presse- oder Ethikrat in diesem Land , welcher sich bei solch rhetorisch geschliffenen Aufmachern einschalten sollte?? Aber bei der momentanen Gemütslage, ist so etwas, wohl im Rahmen des Erlaubten? Es ist ja eh nur der unterste Auswurf dieser Gesellschaft von Gewinnern, welcher hier an den Pranger gestellt wird und darüber sollte und muss man sich nicht echauffieren.
In den Neunziger Jahren gab es viele nachmittägliche Trashshows auf billigen Niveau (Weiß gar nicht, ob es die noch gibt?) aber bei dem Gedanken, fällt mir folgender Vorschlag für ein neues Format ein. Wie wäre es mit einer Show, in welcher die gesamte Redaktion der BILD (Incl. Dieckmann, versteht sich!) für wenigstens 1 Jahr mit HARTZ IV leben muß ohne an ihre privaten Reichtümer zu kommen. Halt so eine Art Langzeitstudie, aber mit allen Schikanen. Denn wenn schon, dann richtig! Danach dürfen die Teilnehmer ihre Erfahrungen, über das Leben vom “Silbertablett” Revue passieren lassen und an ihre Leserschaft weiter geben. Sie erwähnen in ihrem Beitrag das diverse andere Herausgeber von Druckerzeugnissen eine ähnliche Sichtweise wie BILD haben, die kann man ja gleich mit dazu nehmen. Es kann doch nicht schaden, wenn die “Stützen” unserer Gesellschaft mal das wunderbar “faule” und bequeme Leben auf der “sonnigen” Seite der Gesellschaft kennen lernen, wo sie sonst nur im Arbeitsstress für die Elite unsere Landes stehen. In diesem Sinne!
Mit frdl. Grüßen Ralf Matthias, Hannover
14. Leserbrief
Hat man da tatsächlich mit einem guten Urteil gerechnet? Wie lange lag dieses wichtige Thema denn schon in Karlsruhe?
Dieses Gericht ist doch Teil des Problems, mit dem wir es zu tun haben.
Darf ich daran erinnern, welches skandalöse Urteil dort zur Rentenbesteuerung gesprochen wurde? Diese Richter waren ja noch nicht einmal in der Lage, herauszufinden, wie hoch die Renten in Deutschland sind.
Anzunehmen, da würden die Anwälte des kleinen Mannes sitzen, entbehrt doch jeder Grundlage.
Gruß ans Team
Roland Kuntz, Saarbrücken
15. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
auch wenn ich vehement gegen die Hartz IV-Praxis bin, schlagen doch zwei Herzen in meiner Brust. Ich möchte dies am Beispiel meiner selbst und im unmittelbaren Umfeld mit den Lesern teilen.
Ihre Kritik ist angebracht. Wenn ein Existenzminimum mit Sanktionen unterschritten wird, dann ist das zu verurteilen. Als ehemals Betroffener kann ich ein Liedchen davon singen, welche Auswirkungen Sanktionen nicht nur für den Geldbeutel, sondern auch für die Psyche, die Würde, bedeuten. Der Staatsapparat war darin unerbittlich, den Mtarbeiten in den Jobcentern wurde keine Eigenverantwortung eingeräumt. Der Staat möchte demnach mit aller Härte gegen so genannte Faulenzer vorgehen, die ihm auf der Tasche liegen.
Die Zeit in den unerbittlichen Mühlen aggressiver Jobbeschaffungspolitik hat mich schließlich nachhaltig geprägt. Allerdings nicht im guten psychologischen Sinne, sondern dürfte eine Art Trauma platziert haben, in ständiger Angst vor sozialem Abstieg zu leben, bis hin zur drohenden Obdachlosigkeit. Wenn betroffene Menschen geprägt wurden, sind oder werden, dann hat sich der Staat eine Bevölkerungsgruppe geschaffen, die zumindest traumatisiert wie ich wieder in die Schiene zurückfinden und Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Selbstwert- und andere defizitäre Verhaltensmuster können einen reibungslosen Wiedereingliederungsprozess hemmen oder gar verhindern. Hartz IV ist also nicht nur ein erniedrigendes System, wenn man darin gefangen ist, sondern wird auch entsprechende Nachwirkungen haben. Hier müsste ein Inklusionsprogramm Abhilfe schaffen, weil die Defizite hemmend für einen reibungslosen Arbeitsalltag sein können – es wird dagegen an die Eigenverantwortung des ehemaligen “Hartz IV´ler” appelliert bzw. ausgelagert. So viel Bürde auf sich zu nehmen empfand ich als erdrückend. Vielleicht hat der Staat bei mir das erreicht, was er beabsichtigte, nämlich Hartz IV als Mittel zur Erpressung zu verstehen.
Das zweite Herz schlägt tatsächlich ein wenig dafür, dass man die “Gewohnheitsarbeitslosen” wieder in die Spur bringen könnte/sollte. Knackpunkte sind wie immer das Wie und Weshalb. Nur ist das System auch als nichts anderes wie ein Parkplatz für den “faulen” Teil der Bevölkerung zu deuten. Ich wurde schon Zeuge davon, wie einer von ihnen vier Wochen in Arbeit kam, leuchtende Augen beim Blick auf sein Bankkonto bekam, als der erste Lohn überwiesen war; diese Person tauchte nach vier Wochen nicht mehr auf der Arbeitsstelle auf, weil ihr das Aufstehen zu wider war und man mehr als zwei Stunden durcharbeiten musste, laut ihrer Aussage. Was denkt man in solchen Momenten? Das Klischee, das die BILD so genüsslich ausbreitet, um einen Sündenbock zu präsentieren, wurde im Prinzip bestätigt. Auch das Prinzip vom Geben und Nehmen, wie im Tagesschau-Kommentar erwähnt, halte ich für richtig, wenn der Sozialstaat wissentlich geschröpft wird. Wir sollten uns also nicht nur über die Selbstbedienungsmentalität der Reichen mokieren, sondern auch in den unteren Schichten – letztlich sind es Individualentscheidungen, die man treffen muss, ein “Hartz`ler” wird wohl weniger finanziellen Schaden anrichten als ein Steuerflüchtling. Der entscheidende Faktor kann letztlich in Absicht und Tragik zu finden sein: sollte eine Person wissentlich im System leben wollen, hat dies mit Tragik nichts zu tun. Sollte man das einfach aushalten? Es erscheint mir diesbezüglich wie eine Doppelmoral, Menschen – egal ob arm oder reich – entweder als clever anzusehen oder sie als Dieb bei der Erschleichung von Leistungen hinstellt. Wie das durchzusetzen wäre, ist eine Grundsatzentscheidung, die jeder anders sieht – für mich würde vor allem eine Änderung in der öffentlichen Wahrnehmung Sinn machen, weil unsere gelebte und geliebte Leistungsgesellschaft falsche Anreize schafft und oftmals nur auf Druck basiert, was wiederum psychischen Stress und entsprechende Nachwirkungen nach sich zieht.
Vielleicht müsste Hartz IV um ein Belohnungssystem erweitert werden und der Regelsatz nicht angerührt, doch wenn davon gesprochen wird, reden wir oftmals nur über Geld. Sachleistungen oder Stellenangebote mit Wiedereingliederungsprogrammen, gefördert und angewandt durch die Arbeitgeber – das würde die Lust am Arbeiten wecken, positive statt negative Stresssituationen erzeugen und eine Aufbruchstimmung begünstigen, die Langzeitarbeitslose langsam, aber wirksam, in den Arbeitsalltag begleiten. In den Jobcentern müsste eine Kultur der offenen Arme vorherrschen und nicht, wie allgemein zu beobachten, die der nüchternen Abarbeitung von Bevölkerungsgruppen.
Ich möchte abschließend resümieren, dass wir kritischen Köpfe das Urteil des BVG als Teilerfolg feiern und die übrigen Kritikpunkte erstmal nicht wegfordern sollten. Es ist kein “Quantensprung”, aber für mich eine Entscheidung in die richtige Richtung, an der wir weiter arbeiten sollten. Es bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung vonstatten geht, welche Auswirkungen sich damit einstellen, doch ich hätte mir damals gewünscht gehabt, unter würdigeren Bedingungen Pech gehabt zu haben. Vielleicht müsste ich heute nicht mit dem Druck leben müssen, bloß nicht mehr in Hartz IV zu rutschen. Ich habe den Absprung geschafft, um meine Würde und Stolz erhalten zu können und irgendwo in mir drin eine Bringschuld gegenüber der Gesellschaft existiert. Andere wollen dies auch – wieder der Gesellschaft nützlich sein, Wohlstand zu schaffen und gleichzeitig zu erhalten. Dabei gilt für beide Seiten: Respekt und Anstand ist keine Einbahnstraße, deswegen sollten Sanktionen, gleich welcher Art, nicht grundsätzlich verteufelt werden.
Mit freundlichen Grüßen
SW
16. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Müller,
anbei das Urteil zu den Schulbüchern. Traurig, dass man die Kosten für Schulbücher einklagen muss.
Harald Thomè hat mich in der Angelegenheit inspiriert und war auch so freundlich und hat das mal breitgetreten. Einzelheiten können Sie dem Link entnehmen.
tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2542/
Zur Zeit kämpfe ich dafür, dass die Kosten für die Schülertickets meiner Söhne übernommen werden.
Da ich in der Angelegenheit zu emotional bin – das Jobcenter möchte das mein Sohn das Gymnasium wechselt – habe ich die Angelegenheit einem Anwalt gegeben (Schülerbeförderung).
Anmerken möchte ich, dass acht Mitschüler*innen schon seit dem Vorkindergarten und in der Grundschule ihr Leben gemeinsam verbringen. Gemeinsam haben sich die Kinder auf eins von vielen Gymnasien in Mönchengladbach geeinigt und sich für ein Gymnasium entschieden, dass musische, naturwissenschaftliche und sprachliche Talente besonders fördert. Als farbiger Junge aus einem Hartz IV Haushalt sind solche Kontakte in der Klasse eine Lebensversicherung – Armut grenzt aus! Leider ist das Jobcenter bei der Chancengleichheit für Kinder gnadenlos – gestern wurde in der Schule St. Martin gefeiert – das macht es dann noch unerträglicher – die Schule sammelt an diesem Tag auch Lebensmittel für die Tafel.
Wenn Sie recherchieren – Herr Thomè ist ein feiner Mann – den können Sie sicher über die Tacheles Wuppertal erreichen. Er war auch beim Urteil am 05.11.2019 in Karlsruhe dabei.
BVerfG-Urteil zu Sanktionen im Hartz IV System: Analyse u. Bewertung
youtube.com/watch?v=CRIlR3BpFbs&feature=player_embedded&fbclid=IwAR0y5IcXo3c6GfT5bVCrWgbo5GJI5TJMd98A5VItPyh99jkSGnozB00LFdk
Viele Grüße
Thomas Wasilewski
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