Politikwechsel in NRW gescheitert – Alles läuft auf eine Große Koalition hinaus
Der Ausgang der Sondierungsgespräche zwischen SPD und Grünen mit der Linken war absehbar. Hannelore Kraft ging es um die Bestätigung ihrer Wahlkampfparole, dass die Linke „weder koalitions- noch regierungsfähig“ sei. Die SPD fällt damit endgültig in die Rolle des Arztes am Krankenbett der CDU. Wolfgang Lieb.
Um die zukünftige Politik für das Land NRW ging es bei diesen Sondierungsgesprächen nur am Rande. Es ging vor allem um die Vergangenheitsbewältigung der seit über 20 Jahren untergegangenen DDR. Man muss sich einmal diese Groteske vorstellen: Da saßen nordrhein-westfälische Politiker zusammen, von denen keiner in der DDR gelebt hat und von denen wohl die meisten nie die DDR mit eigenen Augen gesehen haben, und diese Historiker-Laienschar spielte die Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Angeblich soll das zeitgeschichtliche „Seminar“ auf der Basis einer von den Grünen im letzten Jahr zu den dortigen Landtagswahlen entwickelten „Thüringer Erklärung“ abgearbeitet worden sein. Dort heißt es bezogen auf Ostdeutschland: „Vor einer Aufarbeitung in die Gesellschaft hinein muss das Bekenntnis zur DDR als einem Staat stehen, der eine Diktatur war, der nicht nur kein Rechtsstaat war, sondern ein Willkürstaat, der in der Konsequenz Unrechtsstaat genannt werden muss.“
Bis zur Verurteilung der DDR als „Diktatur“ sollen die Verhandlungspartner der Linken nach eigenem bekunden noch mitgegangen sein, auch dabei dass die DDR „kein Rechtsstaat“ war, haben sie wohl noch mitgezogen. Bei der durchaus subtilen Frage, ob die DDR nun ein „Unrechtsstaat“ war, habe es laut Kraft „relativierende Äußerungen“ gegeben.
An diesem – nebenbei bemerkt – vor allem von der CDU in ihrer Abgrenzungskampagne (übrigens auch zur SPD) ins Feld geführten Schlagwort des „Unrechtsstaats“, womit es den Konservativen vor allem um die „verlogene“ (Schorlemmer) Gleichsetzung der DDR mit dem Nazi-Regime ging, machten die nordrhein-westfälische SPD und die Grünen also die mangelnde „Koalitions- und Regierungsfähigkeit“ der 11 Parlamentarier/innen der Linken fest.
Würde die SPD diese Elle anlegen, müsste sie bei ihren für Dienstag angekündigten Sondierungsgesprächen mit der CDU zuerst die Einrichtung einer historischen Kommission fordern, die die NS-Vergangenheit von CDU- und FDP-Abgeordneten im Landtag nach 1945 aufarbeitete. Denn damals und über Jahrzehnte später saßen mehr als mehr als 40 Abgeordnete der bürgerlichen Parteien im Landtag, die in der NSDAP oder parteinahen Organisationen wie der SS oder der SA waren. Mehrere Nazis wurden sogar Minister.
Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Dieser Rekurs, ist selbstverständlich unhistorisch und absurd, aber er mag verdeutlichen, wie wenig ernsthaft das gestrige Sondierungsgespräch war. Es war der Versuch eines Ablenkungsmanövers der SPD-Verhandlungsseite gegenüber denjenigen Wählerinnen und Wählern, die die Sozialdemokraten gewählt haben, weil sie einen Politikwechsel in NRW erhofften. Hannelore Kraft war klar: Hätte sie ein solches Gespräch mit der Linken von vorneherein abgelehnt und wäre direkt auf eine Große Koalition mit der CDU zumaschiert, dann hätte sie einen Großteil ihrer Anhängerinnen und Anhänger komplett vor den Kopf gestoßen.
Nun soll also das Verhältnis zur DDR die Basis für eine Große Koalition im Westen Deutschlands liefern, über den Rest, der an Politik für NRW übrig bleibt, wird man sich dann schon verständigen.
Diese Vorgehensweise der SPD und der Grünen belegt, wie sehr diese beiden Parteien noch Gefangene der mit der Abwahl von Schwarz-Gelb eigentlich schon gescheiterten Roten-Socken-Kampagne sind. Die angeblich einstimmige Ablehnungsentscheidung beider Parteien ist ein weiterer Beweis dafür, wie außengesteuert durch die Medien die Politik auch in NRW ist. Gab es doch seit der Wahl kaum einen Medienbericht, in dem nicht erwähnt wurde, dass die Linke vom Verfassungsschutz überwacht werde und dass Mitglieder deren Fraktion mit angeblich undemokratischen links-radikalen Organisationen in Verbindung gebracht würden. Darüber, welche Inhalte des politischen Programms der Linken, denn verfassungswidrig oder verfassungsgefährdend sein könnten, wurde nie geredet. Aber schon diese Drohkulisse reichte aus, um die Politik für das Land völlig in den Hintergrund zu drängen.
Da ist die Politik in Deutschland in einer der schwierigsten Krisen und die Meinungsmacher haben kein wichtigeres Thema, als dass ein Abgeordneter z.B. einer Gefangenenhilfsorganisation angehört.
Dass es sich bei den Verhandlungen nur um ein taktische Manöver handelte, belegt die Ungeschicklichkeit, dass Hannelore Kraft gleichzeitig mit dem Scheitern des Sondierungsgesprächs bekannt gab, dass sie schon eine Gesprächseinladung an die CDU und Ministerpräsident Rüttgers geschickt habe.
Wenn sie sich nicht völlig unglaubwürdig machen wollen, bleibt den Grünen und der FDP eigentlich nur noch der Weg in die Opposition, hatten beide doch ausdrücklich eine Jamaika-Koalition ausgeschlossen. Vielleicht machen sich aber manche in der SPD und auch bei den Grünen immer noch Hoffnung, dass nach dem eklatanten Scheitern der Gespräche mit der Linken, die FDP noch einmal umfallen könnte. Aber das würde die SPD nach den Attacken ihres Vorsitzenden Sigmar Gabriel gegen die FDP der Lächerlichkeit preisgeben und die Grünen gleich dazu.
Die SPD hat sich damit selbst zur leichten Beute der CDU gemacht. Und wenn sich Ministerpräsident Rüttgers auf den frei gehaltenen Posten des Parlamentspräsidenten abschieben lässt, dürften die inhaltlichen Kontroversen von der Schulpolitik bis zum Mindestlohn der „Realität“ angepasst werden. Die SPD fällt damit endgültig in die Rolle des Arztes am Krankenbett der CDU.
Optimistische Beobachter der Landespolitik spekulieren allerdings noch auf ein Scheitern der Gespräche zwischen CDU und SPD und setzen auf Neuwahlen und sagen dazu sogar „satte Mehrheiten“ für Rot-Grün voraus.
Doch selbst, wenn dieser Weg gangbar wäre, wo sollten für eine Selbstauflösung des Parlaments gegenwärtig die Mehrheiten herkommen? Weder die CDU noch die FDP könnten bessere Ergebnisse erwarten, im Gegenteil. Der SPD dürften dann auch noch alle diejenigen Wählerinnen und Wähler weglaufen, die darauf gesetzt hatten, dass diese Partei tatsächlich einen „Neuanfang“ (Gabriel) versuchen könnte. Und vor allem: Wo sollten die Parteien das nötige Geld für einen neuerlichen Wahlkampf herzaubern.
Die Wähler dürften sich nach all diesem Theater zum Stimmvieh degradiert fühlen und sich vollends von ihrem letzten Teilhaberecht an der Demokratie verabschieden und in Wahlverdrossenheit verfallen.