Wenn die aktuell von den Ministerpräsidenten diskutierten Pläne zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk Vertrauen zurückgewinnen sollen, so muss dieses Vorhaben scheitern: Zuvor müssten zahlreiche Journalisten eigenes Fehlverhalten öffentlich aufarbeiten. Die weitgehende Verweigerung einer echten Selbstkritik bedroht das wichtige öffentlich-rechtliche Prinzip. Von Tobias Riegel.
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Der Schock bei zahlreichen Medienkonsumenten sitzt noch immer tief: Die Berichterstattung auch der öffentlich-rechtlichen Sender ARD, ZDF und Deutschlandfunk (DLF) zum Maidan-Umsturz, zum Krieg gegen Syrien, zu den militanten Protesten in Venezuela oder Hongkong, zum deutsch-US-amerikanischen Verhältnis, zum Thema Krieg und Frieden, zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, zum Völkerrecht, zu liberaler Wirtschaftsordnung, Altersvorsorge und Privatisierung, zu DDR und „Treuhand“, gegen die Linkspartei sowie die teils hysterisch antirussische Stoßrichtung zahlreicher Artikel hat viele Bürger nachhaltig entfremdet von den öffentlich-rechtlichen Medien.
Ähnlich wie das Personal der ebenfalls krisengeschüttelten und aus den oben genannten Gründen diskreditierten Privatmedien diskutieren die Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schon geraume Zeit Strategien, wie das zerstörte Vertrauen zu den verlorenen Kunden wiederhergestellt werden könnte – ganz aktuell befasst sich auch die Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Rundfunkfrage. Insgesamt wird aber in der offiziellen Debatte um ARD, ZDF und DLF ein ganz zentraler Punkt ignoriert: Ohne öffentliche Selbstkritik wird es keine Versöhnung zwischen den Rundfunkanstalten und dem vertriebenen Publikum geben. Und mit Selbstkritik sind keine Phrasen gemeint, nach dem Motto: „Wir wollen alles ‚noch besser‘ machen.“
Fake News verbreiten nur die Anderen
Es ist bekannt: Fake News machen aus Sicht der großen Medien eigentlich nur die Anderen – und Kritik an der Regierung, den USA oder dem Finanzsystem steht nach dieser falschen Deutung oft unter dem Generalverdacht, „rechts“ zu sein. Das Problem ist aber, dass zahlreiche Bürger die wochenlangen, intensiven und verzerrenden Berichte jener großen Medien etwa zum Maidan oder zu syrischen „Rebellen“ als die echten Fake News empfinden. Diese mutmaßlichen Fake-News-Kampagnen werden zudem als erheblich wirkungsvoller und darum relevanter und destruktiver wahrgenommen als rechtsextreme Nischen-Foren im Internet. Die Bezeichnung der Kritik an den etablierten Medien als pauschal „rechts“ ist zudem skandalös und muss zurückgewiesen werden.
Dieser Kontrast zwischen überwältigenden und großflächigen Kampagnen in so manchem großen Medium einerseits und dem hysterischen Verweis der gleichen Medien auf Internet-Propaganda andererseits erfüllt alle Kriterien des Prinzips „Haltet den Dieb“. Mit dieser Feststellung wird die reale und gefährliche rechte Propaganda weder geleugnet noch verniedlicht. Man kann aber feststellen, dass die fortgesetzte Verweigerung der Selbstkritik im Verbund mit dem mahnenden Hinweis auf Internet-Propaganda das wichtige öffentlich-rechtliche Prinzip insgesamt in Gefahr bringt. Denn dieses Verhalten fördert erhebliche Zweifel an der Lernfähigkeit des Personals. Diese Zweifel können auch Zeitgenossen ausnutzen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerne als lästige Konkurrenz zu privaten Konzernmedien ganz abschaffen wollen. Die Zweifel bestärken auch jene Bürger, die sich durch die nachvollziehbare Wut über die eingangs beschriebenen Defizite von ARD, ZDF und DLF zu einer vorschnellen prinzipiellen Ablehnung von „Staatsfunk“ und „Zwangsgebühr“ hinreißen lassen.
Öffentlich-Rechtliche: Scharfe Kritik ja – Abschaffung nein
Warum die Forderung nach einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der falsche Impuls ist, der die Probleme der deutschen Medienlandschaft eher verschärfen als entspannen würde, haben die NachDenkSeiten etwa in diesem Artikel beschrieben. Dort heißt es:
„Denn fallen die Öffentlich-Rechtlichen weg, dominieren private Medienkonzerne wie Bertelsmann und Springer – und diese Konzernmedien haben sich bei den oben erwähnten Themen ebensowenig mit journalistischem Ruhm bekleckert wie ARD, ZDF und Deutschlandfunk. (…) Im Vergleich (zu Privatmedien) haben wenigstens in der Theorie die Gremien von ARD, ZDF und Deutschlandfunk einen demokratischen Auftrag. Wenigstens in der Theorie kann man sich mit Beschwerden an sie wenden, man kann sich statt auf den zahnlosen Presserat auf konkrete Gesetzestexte berufen. Diese Vorstöße werden fast immer abgeblockt, das ist frustrierend – bei Privatmedien gibt es aber nicht einmal die theoretische Möglichkeit
Und das „Neue Deutschland“ ergänzt zum Thema:
„Wer außerhalb des Springer-Konzerns hat eigentlich den Herausgeber der »Bild«-Gruppe, Kai Diekmann, mitbestimmt? Wer könnte ihn wieder abberufen? (…) Die Antwort ist bekannt: Die Bürger (auch die Nicht-»Bild«-Leser) müssen das höchst wirkungsvolle politische Sendungsbewusstsein des Springer-Personals ertragen, ohne auf diese Meinungsbildung demokratisch Einfluss nehmen zu können. So kann ein von der Minderheit der »Bild«-Käufer und potenten Anzeigenkunden finanziertes Produkt die Politik für eine von den Entscheidungsprozessen ausgeschlossene Mehrheit verändern. Dieses Recht steht potenziell auch allen anderen Privatmedien zu – wodurch eigentlich Meinungsvielfalt entstehen soll. Die Gremien von ARD, ZDF und Deutschlandradio sind dagegen leidlich demokratisch legitimiert.“
Die verpassten Chancen des Rundfunks
Die Rundfunkfrage wird dieser Tage von den Ministerpräsidenten debattiert – etwa, ob das sogenannte „Indexmodell“ zur Entwicklung des Rundfunkbeitrags herangezogen werden soll. Wie der DLF beschreibt, beinhaltet das Modell, „den Rundfunkbeitrag zum Beispiel an die Teuerungsrate oder den Verbraucherpreisindex zu koppeln – das würde bedeuten, dass der Rundfunkbeitrag regelmäßig automatisch steigt oder sinkt, je nachdem wie sich der jeweilige Index entwickelt“.
Aus Anlass des Treffens der Ministerpräsidenten sendete der DLF am Mittwoch ein langes Gespräch zu Fragen der Finanzierung und der zukünftigen Gewichtung von Inhalten, unter anderem mit Lutz Marmor, Intendant des NDR und Diemut Roether, Chefredakteurin des Medienfachdienstes epd. Wer sich jedoch die in diesem Text geforderte Einkehr und Kritik (in angemessener Schärfe und Tiefe) erhofft hatte, wurde enttäuscht. Hier hat auch die Moderation eines öffentlich-rechtlichen Mediums einmal mehr die Chance verpasst, durch eine strenge Selbstanalyse die eigene Zukunft zu sichern.
Titelbild: nitpicker / Shutterstock