Campact ist nicht mehr gemeinnützig: Ein schlechtes Signal

Campact ist nicht mehr gemeinnützig: Ein schlechtes Signal

Campact ist nicht mehr gemeinnützig: Ein schlechtes Signal

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die Initiative Campact kann man aus guten Gründen kritisieren. Trotzdem sollte gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit Widerstand geleistet werden: Der Vorgang kann als Präzedenzfall gegen andere Organisationen genutzt werden, er ist im Vergleich zu mächtigen Lobby-Verbänden heuchlerisch und er weist auf Gesetzes-Defizite hin. Von Tobias Riegel.

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Die Finanzbehörden haben der Kampagnenorganisation Campact den Status einer gemeinnützigen Organisation aberkannt, wie Medien berichten. Das ist eine schlechte Nachricht – bei aller auch in diesem Text formulierten Kritik an Teilen des Campact-Programms. Eine entsprechende Entscheidung habe das Berliner Finanzamt für Körperschaften dem Verein schriftlich mitgeteilt, informierte Campact am Montag. Der Schritt war befürchtet worden, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) Ende Februar bereits dem Netzwerk Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt hatte. Eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit hat gravierende Folgen für die Finanzierung der Organisationen, da unter anderem Spenden nicht mehr steuerlich absetzbar sind.

Berechtigte Kritik an Campact

Die NachDenkSeiten haben teils scharfe Kritik an diversen Aktionen von Campact geäußert: So wurden in diesem Artikel kürzlich eine politische Beliebigkeit Campacts und eine geäußerte Sympathie für eine Jamaika-Koalition kritisiert. Und Albrecht Müller hat in diesem Artikel über die Unterstützung von Schwarz-Grün durch Campact, in diesem Artikel über die teilweise Gegnerschaft Campacts zur LINKEN oder in diesem Artikel über antirussische Vorstöße Campacts geschrieben.

Diese Kritik an den genannten konkreten Campact-Vorhaben gilt bis heute und sie wird von den NachDenkSeiten in der Schärfe aufrechterhalten. Trotzdem sollte Campact gegen die Bestrebungen des Entzugs des Status der Gemeinnützigkeit beschützt werden. Denn das Vorgehen gegen Campact kann – wenn es glückt – zukünftig als Präzedenzfall gegen andere Organisationen genutzt werden. Zudem ist der Fall mit großer Heuchelei verbunden, wenn man im Vergleich mächtige Lobby-Verbände betrachtet, die weiterhin als gemeinnützig gelten. Außerdem weist die Causa auf gravierende Gesetzes-Defizite hin. Nicht zuletzt gilt auch in Bezug auf Campact der wichtige Ausspruch von der Meinung, die zwar nicht gefällt – deren Äußerung aber dennoch verteidigt werden soll.

Absurde Regeln: Was ist gemeinnützig?

Laut Campact beruht die jetzige Entscheidung auf dem Geist des Attac-Urteils: Nach Auffassung der Richter seien Kampagnen und politische Bildung nicht förderbar, wenn sie eingesetzt würden, „um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen“, so Campact in einer E-Mail. Davon ausgenommen seien nur 25 anerkannte Zwecke – darunter der Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz. 

Nicht gemeinnützig seien dagegen nach dieser Deutung die Wahrnehmung und Verwirklichung von Grundrechten, der Einsatz für Frieden, soziale Gerechtigkeit, informationelle Selbstbestimmung, für Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter. Mit dieser gesetzgeberischen Lücke seien Initiativen in der Vergangenheit folgendermaßen umgegangen, so Campact: Gemeinnützige Vereine konnten sich bisher auf die Förderung der Bildung berufen, wenn sie zu diesen Themen arbeiteten. Das hätte der Bundesfinanzhof aber nun beendet. Das Berliner Finanzamt treffe im Übrigen keine Schuld – es müsse die Entscheidung des BFH respektieren.

Die Fälle Attac und Campact werfen laut Campact-Vorstand Felix Kolb ein Licht auf gesetzgeberische Defizite, „Nach Attac ist jetzt Campact an der Reihe und verliert den Status der Gemeinnützigkeit“, sagte Kolb laut Medien. Nach Angaben Kolbs muss der Verein, der in Berlin und Verden sitzt, nun für die zurückliegenden Jahre rund 300.000 Euro Schenkungssteuer nachzahlen. „Was für ein fatales Zeichen: In Zeiten, wo hunderttausende Menschen mit Campact für Klimaschutz und gegen rechts auf der Straße streiten, wird deren Engagement als nicht gemeinnützig abgewertet und entwürdigt.“ Verantwortlich dafür sei vor allem Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Scholz drücke sich seit Monaten um eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, die endlich Rechtssicherheit schaffen würde.

Gesetze zur Gemeinnützigkeit: LINKE und Grüne fordern Handeln

Diese Verantwortung des Gesetzgebers betonen auch LINKE und Grüne. So sagte die Grünen-Obfrau im Bundestagsrechtsausschuss Manuela Rottmann der „Augsburger Allgemeinen“, es gehe in den Fällen „um keine reine steuerrechtliche Frage, sondern darum, wer darf eigentlich an der politischen Willensbildung in Deutschland mitwirken“. Laut Rottmann besteht „dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf, auch was die Transparenz bei der Gemeinnützigkeit von Organisationen angeht.“ Die Grünen-Politikerin forderte SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz auf, rasch seinen Gesetzentwurf zu den Fragen der Gemeinnützigkeit vorzulegen, wie er es als Parteivorsitzenden-Kandidat auf der Nürnberger SPD-Regionalkonferenz versprochen hatte

Im gleichen Medium kritisierte der LINKEN-Finanzexperte Jörg Cezanne:

„Mit seinem Aussitzen nimmt Bundesfinanzminister Olaf Scholz ganz bewusst in Kauf, dass nach Attac nun auch Campact und zukünftig wohl noch viele andere politisch engagierte Vereine offiziell für nicht-gemeinnützig erklärt werden. (…) Damit trägt Olaf Scholz die politische Verantwortung, dass die Arbeit der kritischen Zivilgesellschaft empfindlich behindert wird.“

Cezanne wies laut dem Medienbericht zudem darauf hin, dass Vereine ohne formale Gemeinnützigkeit von vielen öffentlichen Förderprogrammen, wie etwa Fördermittel gegen Rechtsextremismus oder Antisemitismus, ausgeschlossen seien. Auch zu öffentlichen Räumen für Veranstaltungen hätten solche Vereine kaum Zugang oder müssten hohen Mieten zahlen.

Die große Heuchelei: Bertelsmann und Auto-Lobby „gemeinnützig“

Auf die durch das Urteil praktizierte Heuchelei weist unter anderem die Grünen-Politikerin Rottmann hin – angesichts von finanzstarken Lobbyverbänden, die weiterhin als gemeinnützig gelten würden: Es gehe bei der Frage um Gemeinnützigkeit politisch aktiver Zivilorganisationen auch um ein machtpolitisches Gleichgewicht: „Politisch sehr einflussreiche Organisationen wie Verband der Automobilindustrie und andere Wirtschaftsverbände profitieren davon, dass Unternehmen die Mitgliedsbeiträge von der Steuer absetzen können“, sagte Rottmann. „Auch der Bund der Steuerzahler, der sich politisch äußert, profitiert als Verein steuerlich von der Gemeinnützigkeit“ , fügte die Grünen-Rechtsexpertin hinzu.

In diese Kerbe schlägt auch etwa der „Weser-Kurier“:

„Und trotzdem sollte man sich fragen, was genau eigentlich gemeinnützig ist, wenn nicht Campacts Einsatz für Menschenrechte und Demokratie. Etwa die Arbeit von millionenschweren Konzernen wie dem FC Bayern und dem Deutschen Fußball Bund? Oder das Spaßprogramm von Karnevalsvereinen? Sie gelten weiterhin als gemeinnützig, eine Organisation, der es um zivilgesellschaftliches Engagement geht, nicht.“

Das ist einerseits zutreffend – andererseits wählt die Zeitung mit Sport- und Karnevalsvereinen noch die harmloseren Verbände. Denn den hier genannten millionenschweren „gemeinnützigen“ Organisationen könnte man unter vielen anderen noch die sehr sendungsbewusste Bertelsmann-Stiftung anfügen. Deren Status als gemeinnützig wird zu recht kritisiert , aber bislang nicht angetastet.

Spenden und Appelle

Um die finanziellen Folgen der Entscheidung gegen Campact abzufedern, hat die Organisation nach dem „Attac“-Urteil bereits vorsorglich keine Spendenbescheinigungen mehr ausgestellt. Inzwischen hat die Organisation laut Medienberichten eine gemeinnützige Demokratie-Stiftung gegründet, die weiterhin Spendenbescheinigungen ausstellen kann. Diese Stiftung könne Ideen und Themen des Vereins unterstützen und zum Beispiel einen Kongress zum Bienenschutz finanzieren, sagte eine Vereinssprecherin bereits im Sommer. Der Verein hat nach eigenen Angaben zwei Millionen Interessierte in seinem Rundmail-Verteiler.

Spenden an Campact können unter dieser Adresse ausgeführt werden, ein solidarischer Appell kann unter dieser Adresse gezeichnet werden.

Titelbild: TrifonenkoIvan / Shutterstock

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