Am kommenden 20. Oktober finden in Bolivien allgemeine Wahlen statt. Gewählt werden für die Regierungsperiode 2020-2025 der Präsident, der Vizepräsident sowie 130 Abgeordnete und 36 Senatoren. Ein Bericht von Frederico Füllgraf.
An der Präsidentschaftskampagne beteiligen sich 9 Kandidaten, davon 3 Hauptakteure – der amtierende Präsident Evo Morales, sein Vorgänger Carlos Mesa und Oscar Ortiz – und 6 aussichtslose Bewerber, darunter der aus Korea stammende, rechtsradikale Pastor und Gründer von 70 presbyterianischen Kirchen, Chi Hyun Chung.
Wegen seiner umstrittenen Rolle bei den jüngsten Amazonas-Bränden hat der zur dritten Wiederwahl angetretene bolivianische Präsident einiges von seiner Popularität eingebüßt. Mit 40 Prozent der Wählerintentionen gilt Morales dennoch als klarer Favorit, der die Wahl bereits in der ersten Runde entscheiden könnte und nach Schätzungen selbst konservativer Meinungsforschungsinstitute seinen Herausforderer Carlos Mesa in einer eventuellen Stichwahl am 15. Dezember 2019 mit deutlichem Vorsprung besiegen würde.
Im neuen bolivianischen Wahlregister sind 7,3 Millionen Wahlberechtigte, 12,5 Prozent mehr als 2016, erfasst. Der Anteil der Unentschlossenen, beziehungsweise der Wähler mit voraussichtlicher Abgabe von ungültigen Wahlzetteln, lag eine Woche vor der Wahl bei rund 20 Prozent, womit ihre Umstimmung eine Voraussetzung für Morales‘ Wahlsieg wäre.
Referendum, Verleumdungen und Popularitätsverlust
Evo Morales wurde am 22. Januar 2006 zum ersten Mal als Regierungschef vereidigt und verkörpert seitdem die längste Präsidentschaft in der politischen Geschichte Boliviens. Nach seinem ersten Mandat, das er mit 54 Prozent der Stimmen erkämpft hatte, siegte er 2009 mit 64 Prozent und zu seiner zweiten Wiederwahl, im Jahr 2014, mit 61 Prozent der Stimmen.
Morales strebte jedoch schon 2016 eine vierte Amtszeit bis 2025 an, wenn das Land seine 200-jährige Unabhängigkeitsfeier begehen wird. Zur Begründung der Ambition des Präsidenten erklärte sein langjähriger Weggefährte, Regierungs-Chefstratege und Vize, Álvaro García Linera, damals mit zugleich dramatischer und poetisch anmutender Warnung, „wenn er nicht unterstützt wird, kehren die Gringos, die Landesverräter und Mörder zurück, und dann ist Schluss mit unserem Traum. Tränen werden fließen, die Sonne wird sich verstecken, der Mond wird sich verdunkeln und alles unter uns wird von Traurigkeit geschluckt werden”.
Die Opposition hatte zunächst zum Wahlboykott mit massiver Stimmen-Annullierung aufgerufen, änderte jedoch ihre Taktik und klagte ein Referendum ein. Davor hatte Linera in einer ländlichen Gemeinde gewarnt. Unter Berufung auf die Verfassung des Plurinationalen Staates Bolivien aus dem Jahr 2009 beantragte die konservative Opposition – aber auch namhafte, dezidiert linke, ehemalige Verbündete von Morales – die gerichtliche Verhinderung seines Anspruchs. Die Verfassung gab ihnen in formaler Hinsicht Recht. Sie schreibt wörtlich vor, dass „die Amtszeit der Präsidentin bzw. des Präsidenten und der Vizepräsidentin bzw. des Vizepräsidenten des Staates fünf Jahre beträgt; eine Wiederwahl ist für eine einzige, fortlaufende Amtszeit erlaubt”.
Mit 48,7 Prozent gegen 51,3 Prozent der Stimmen unterlagen Evo Morales und Álvaro Linera im Referendum vom 21. Februar 2016. Mit Berufung auf Artikel 23 der Interamerikanischen Menschenrechtskonvention – die Grundrechte auf Wahl und darauf, gewählt zu werden – ignorierte das Hohe Gericht jedoch das Plebiszit-Ergebnis und läutete eine unerwartete Wende mit der Ermächtigung vom 28. November 2017 ein, die Morales das Anrecht auf eine dritte Wiederwahl für 2019 einräumte. Damit setzte ein hohes nationales Gericht mit einer seltenen Entscheidung in Lateinamerika die internationale über die einheimische Rechtsprechung.
Der Rechtsstreit blieb jedoch nicht ohne Folgen. Der Opposition und den mit ihr verbündeten und auch in Bolivien hegemonialen konservativen Medien gelang es vorübergehend, die hervorragenden, zudem weltweit gewürdigten wirtschafts-, sozial- und außenpolitischen Leistungen der Morales-Administration mit wütenden Attacken und Verleumdungen zu überschatten, die Morales‘ Popularität Schaden zufügten.
Carlos Mesa – wie Mauricio Macri “ein Mann der USA”?
Der Historiker, Schriftsteller und einer der einflussreichsten Journalisten seiner Zeit, Carlos Mesa, wurde 2002 zum Vizepräsidenten in der vom Unternehmer Gonzalo Sánchez De Lozada geführten Regierung gewählt. Infolge massiver sozialer Proteste gegen den brutalen Einsatz von Militärs, der mindestens 60 Menschen das Leben kostete, legte De Lozada am 17. Oktober 2003 sein Amt nieder. Sein Vize Mesa übernahm noch am gleichen Tag die Präsidentschaft und distanzierte sich von De Lozada. Doch Mesas Regierung überlebte ebenfalls kaum eineinhalb Jahre. Nach neuen sozialen Protesten, zu denen der damalige Gewerkschaftsführer der Coca-Bauern von Chapare, Evo Morales, aufgerufen hatte, trat Mesa am 9. Juni 2005 von seinem Amt zurück.
Über Jahre hinweg herrschte u.a. deshalb zwischen Mesa und Morales ein frostiges Verhältnis, das der 2006 gewählte, erste indianische Präsident Boliviens jedoch mit konzilianter Geste auflöste und Mesa den Ehrenposten des offiziellen Regierungssprechers in der Auseinandersetzung mit Chile über Boliviens Anrecht auf einen Zugang zum Meer übertrug. Der Internationale Haager Gerichtshof lehnte schließlich die bolivianische Forderung ab, doch das war nicht Mesas Schuld, sondern schlicht und ergreifend juristisches Pech.
Danach ließ sich der Historiker als Rivale Evo Morales‘ für die Präsidentschaftswahlen 2019 aufstellen und wirft dem amtierenden Staatschef seitdem „Korruption, Ungerechtigkeit, Autoritarismus, zu viel Machtmissbrauch und Stagnation der Wirtschaft“ vor. Ja, laut Mesa pflastere Morales gar „den Weg zu einer Diktatur“; eine absurde und lächerliche Unterstellung.
Mesas Vorwurf der angeblich stagnierenden Wirtschaft wurde Mitte 2019 zugleich von drei internationalen Organisationen – darunter zwei machtvollen Pfeilern des skrupellosen Finanzkapitalismus – in aller Deutlichkeit revidiert: von der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und der Karibik (CEPAL), der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). In ihrem Bericht “Economic Survey of Latin America and the Caribbean 2019” prognostizierte die CEPAL am vergangenen 31. Juli ein 4-prozentiges Wachstum des bolivianischen Brutto-Inlandsprodukts (BIP), womit die Administration Evo Morales sämtliche Länder Lateinamerikas um mehr als das Doppelte abhängt und als unbestrittener Rangerster der Wirtschaftsleistung auftritt. Davor hatte die Weltbank in ihren Wirtschaftsprognosen vom Juni letzten Jahres bestätigt, dass Bolivien 2019 um 4,0 Prozent zulegen werde, was auch mit den Projektionen des IWF übereinstimmte.
Carlos Mesa nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau, noch weniger, wenn es sich um die eigene Vergangenheit handelt. Zum Beispiel um die Korruption. „Sollte der Präsidentschaftskandidat Carlos Mesa … heute auf die Anschuldigungen gegen ihn mit der Wahrheit reagieren, würde er jene Bolivianer enttäuschen, die am 20. Oktober für ihn stimmen wollen“, ironisierte jüngst Rogelio Mayta, Kandidat für das Senatoren-Amt auf Morales‘ Liste der Bewegung zum Sozialismus (MAS). Maytas Satz war eine Anspielung auf Mesas Weigerung, in einer Anklage auszusagen, in der ihm die gesetzwidrige Zuwendung von 1,2 Millionen Dollar zur Finanzierung seiner Vizepräsidentschafts-Kandidatur im Jahr 2002 vorgeworfen wird. Darüber hinaus soll Mesa – wie der amtierende argentinische Präsident Mauricio Macri – auch wegen umstrittenen Devisengeschäften in den Skandal um die sogenannten Panama-Papers involviert sein.
Skepsis macht sich auch in Bolivien breit, wenn es um Mesas politisches Verhältnis zu den USA geht.
Evo Morales hat den letzten Botschafter des Weißen Hauses im Jahr 2008 ausgewiesen und seinen eigenen in Washington zurückgezogen. Anlass zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen waren vielfältige Vorwürfe Boliviens, die US-Regierungen torpedierten die innen- und außenpolitische Autonomie des Landes und versuchten einen Regime Change herbeizuführen. Nichtsdestotrotz floriert nach offiziellen Angaben der Handel zwischen beiden Ländern, weshalb die Administration Morales eine eventuelle, jedoch vorsichtige Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen signalisiert.
Mit der Begründung, Bolivien sei ein „kleines Land”, das sich nach den USA – der „ersten Macht der Welt” – richten müsse, forderte Carlos Mesa in seiner Wahlkampagne indes die sofortige Wiederherstellung „vollständiger Beziehungen“. Regierungskreise und Teile der Öffentlichkeit verweisen dabei auf Mesas zwiespältige US-Liaison. Demnach sandte Mesa am 4. Dezember 2003 als damaliger Präsident ein offizielles Schreiben an den Parlamentsvorsitzenden Hormando Vaca Díez und bat ihn, die „Genehmigung und Ratifizierung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Bolivien und der Regierung der Vereinigten Staaten” zu prüfen, die über die Auslieferung von Staatsbürgern der USA an den Internationalen Strafgerichtshof bestimme.
Ein Vermerk auf Wunsch der USA erklärte deutlich, „alle Staatsangehörigen der USA und Angehörige des Militärs, die Funktionen für die USA ausüben oder ausgeübt haben und die nicht die deren Staatsangehörigkeit besitzen und sich auf dem Hoheitsgebiet der Republik Bolivien aufhalten, dürfen ohne die ausdrückliche Zustimmung der US-Regierung in keiner Weise zu irgendeinem Zweck … an den Internationalen Strafgerichtshof übergeben oder ausgeliefert werden … , insbesondere dann nicht, wenn sie Teil des Militärpersonals der USA sind“.
Die Absicht, in Bolivien stationierten (und eventuell straffällig gewordenen) US-Truppen die Immunität zu genehmigen, löste damals eine lautstarke Protestwelle in Bolivien aus, die Mesa heute noch als US-hörigen Untertan verdächtigen.
Risse im indianischen Empowerment, die Umarmung der Großgrundbesitzer und die Waldbrände
Mit der neuen Verfassung von 2009 wurde der Name Republik Bolivien in Plurinationaler Staat Bolivien geändert. Die Namensänderung sollte die unterschiedlichen ethnischen Identitäten widerspiegeln und Boliviens Indigene aufwerten, die immerhin 40,6 Prozent der Bevölkerung zählen, jedoch über fünf Jahrhunderte hinweg als Bürger zweiter Klasse behandelt wurden.
Unvergesslich ist jene Szene, als Schamanen der Aymara-Ethnie für den frischgewählten Evo Morales vor seinem offiziellen Regierungsantritt im Januar 2006 eine Zeremonie auf dem Tiwanaku-Heiligtum westlich von La Paz veranstalteten. In ein traditionelles rotes Gewand gekleidet, musste Morales auf die Akapana-Pyramide steigen, wo die Schamanen während eines Feuerrituals ihm ein Zepter aushändigten, das sein Recht symbolisierte, die vereinigten Stämme Boliviens zu führen.
Nach der Verstaatlichung der reichlich vorhandenen Gasreserven des Landes startete die neue Regierung eine marktfreundliche Wirtschaftspolitik mit Investitionen in soziale Programme, die insgesamt 4 Millionen Ureinwohner Boliviens begünstigte. Sehr rasch konnte die Weltbank zum Beispiel den Zugang indigener Gemeinschaften zu Elektrizität, Abwassersystemen und Trinkwasser bestätigen.
Morales berief Frauen, Indigene und Gewerkschaftsführer in sein Kabinett. Er schloss sich Basisorganisationen an und schmiedete einen sogenannten “Einheitspakt” mit Führungsfiguren von Anden-, Tiefland- und amazonischen Stämmen. Gemeinsam halfen sie bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung, die 2009 von 60 Prozent der Bolivianer in einem Referendum verabschiedet wurde.
Doch im Jahr 2011 kamen die ersten Spannungen mit indigenen Gemeinden auf. Der indianische Präsident nutzte das stetig steigende Wirtschaftswachstum und plante eine 300 Kilometer lange Fernstraße durch das indigene Territorium am Nationalpark Isiboro, ein amazonisches Naturschutzgebiet mit den Ausmaßen Jamaikas. Die Straße, so argumentierte Morales, wäre notwendig, um die Grundversorgung entfernt lebender Stämme sicherzustellen. Doch die Indigenen und Umweltgruppen reagierten mit Empörung auf das Projekt. Sie warfen Morales vor, die Straße werde den Drogenhandel, den illegalen Holzeinschlag und andere unerwünschte Aktivitäten begünstigen.
Über einen Monat lang protestierten Demonstranten friedlich in der Hauptstadt La Paz, doch die Polizei reagierte mit unverhältnismäßiger Gewalt und trieb die Proteste mit Tränengas und Gummigeschossen auseinander. Im September 2011 gab Morales den umweltschädigenden Plan auf, doch die Beziehungen zu einzelnen indigenen Gemeinden waren bereits angeschlagen. Zwei relevante indigene Verbände – die Cidob und der Nationalrat von Ayllus und Markas del Qullasuyu (Conamaq) – kündigten den Einheitspakt. Seitdem weiteten sich die Risse und Spaltungen aus, die auch der politische Druck der Regierungspartei MAS nicht verhindern konnte.
Im Wahljahr 2019 leistete sich Evo Morales allerdings eine zweite Konfrontation mit Boliviens indigenen Gemeinden. Zuerst verabschiedete er das Gesetz Nr. 741 – das Waldrodungen auf dem Gebiet von landwirtschaftlichen Betrieben genehmigt – und im Juli erließ er das Dekret 3973, das „kontrollierte Brände” in den Regierungsbezirken Beni und Santa Cruz legalisierte. Mit diesem Dekret wurden 41.235.487 Hektar als „dauerhaftes Waldproduktionsland“ freigegeben, von denen 28.190.265 für „uneingeschränkte“ Nutzung ausgewiesen sind. Die Folge: Die Großgrundbesitzer expandierten ihre exportorientierten Mega-Plantagen und Rinderfarmen um mehr als 2 Millionen Hektar. Im August und September legten in Santa Cruz und dem amazonischen Beni die Brandrodungen mehrere Millionen Hektar Regenwald in Schutt und Asche.
Indigene und Umweltschützer machten Morales für die Katastrophe – die zweitgrößte nach den Bränden im benachbarten Brasilien – verantwortlich. Die Koordination der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens (Coica) erklärte die Präsidenten Boliviens und Brasiliens – Evo Morales und Jair Bolsonaro – für personae non gratae und machte sie für den „Umweltgenozid“ im Amazonas verantwortlich. Sie wies darauf hin, dass es beiden an Willen mangele und sie nicht in der Lage gewesen wären, indigene Völker, Flora und Fauna vor Waldbränden zu schützen.
In einem Offenen Brief – der gemeinsam mit der Menschenrechtskommission der indigenen Völker und der Nationalen Organisation der indigenen Völker des kolumbianischen Amazonas unterzeichnet wurde – rief Coica beide Staats- und Regierungschefs zur Verantwortung. Sie forderte außerdem die Hohe Kommissarin für Menschenrechte und den Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker bei den Vereinten Nationen dazu auf, „über die Notwendigkeit unverzüglicher Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zur Bewältigung des ökologischen Notfalls zu entscheiden und Maßnahmen mit internationaler Verbindlichkeit zu formulieren, um (solche Katastrophen) in Zukunft zu verhindern“.
Den Hintergrund bildet Morales‘ politische Umarmung der reichen weißen Farmer des Agronegocio, die bis vor wenigen Jahren noch mit einer separatistischen Kampagne drohten, Santa Cruz und den bolivianischen Nordosten vom Rest des Landes abzutrennen. Da ihre Agrarexporte – Soja, Reis, Quinoa und Rindfleisch, vor allem nach China – fortlaufend expandieren und zu Überschüssen in der Außenhandelsbilanz führen, bedeuten Morales‘ Gesetzesinitiativen im Wahljahr ein Geschenk auf Gegenseitigkeit, sprich: der Stimmensicherung.
Bilanz
Zwischen 2006 und 2019 ist das bolivianische BIP von 9.000 Millionen US-Dollar auf rund 40.000 Millionen US-Dollar angestiegen, wurde das Pro-Kopf-Einkommen mit 3.000 US-Dollar verdreifacht, die Armut von 59,9 Prozent auf 35 Prozent nahezu halbiert.
Gegen den Strom der weltweiten neoliberalen Privatisierungswelle baute die Morales-Administration den staatlichen Wirtschaftssektor in strategischen Bereichen, wie Bergbau und Energie, ständig aus, erzielte damit milliardenschwere Einkommen, kontrolliert derzeit rund 37 Prozent der bolivianischen Wirtschaft und investiert die Überschüsse in Sozialprogramme und den stetigen Abbau der Armut. In 13 Regierungsjahren erhöhte Bolivien die öffentlichen Investitionen um das Zehnfache, verringerte das Handelsbilanzdefizit und hielt die Inflation auf einem Niedrigststand – eine Marschroute nationaler Entwicklung und sozialer Umverteilung, die die Wahlen in Mexiko beeinflusste und den bevorstehenden Wahlgang vom 27. Oktober in Uruguay und Argentinien ungemein motiviert.
Die Evo-Morales-Administration setzte von Anbeginn auf die Expansion der Erdöl- und Gasförderung und neuerdings auf den Aufbau der Lithium-Industrie und die Ausweitung der Landwirtschaft. Dass letzteres Ziel, vor allem nach den gigantischen Waldbränden, rigoros überdacht werden muss, ist nun auch der bolivianischen Regierung bewusst, die nicht etwa „ein doppeltes Spiel in der Umweltpolitik betreibt“ – wie es in zynischen Titeln, zum Beispiel des Londoner Guardian heißt – sondern ihre bisherige Umweltpolitik bar jeder Naivität und energischer gegenüber dem gefräßigen Agrobusiness verteidigen muss.
Die in Deutschland von bolivianischen Wissenschaftlern erarbeitete Studie „A pivotal year for Bolivian conservation policy“ verweist zwar auf Widersprüche in der bisherigen Umweltpolitik der drei Regierungsperioden von Evo Morales, erwähnt in ihrer kritischen Bewertung allerdings die Führungsrolle Boliviens in Umweltfragen, insbesondere wegen der rechtlichen Absicherung von Naturrechten und seiner entscheidenden Beteiligung an der Formulierung internationaler Verpflichtungen wie dem Pariser Klimaschutzabkommen.
Nach Angaben des Lateinamerikanischen Strategischen Zentrums für Geopolitik (CELAG) genießt Evo Morales ein positives Image bei 54 Prozent der Bolivianer. Selbst diejenigen, die nicht für seine Wiederwahl stimmen würden, glauben, dass er die Wahlen am 20. Oktober gewinnen wird. Sein dreizehnjähriges Mandat, das sich weltweiter Anerkennung und Popularität erfreut, habe seinen Ruf sowohl als „Macher“ als auch als Feuerwehrmann gefestigt, bescheinigte ihm die argentinische Tageszeitung Pagina12.
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