Das Klimapaket der Bundesregierung sieht bis 2030 zwanzig Milliarden Euro für die Deutsche Bahn vor – ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn man bedenkt, dass die Bahn mit ungefähr genau dieser Summe verschuldet ist. Um die zusätzlich nötigen Finanzmittel zu bekommen, leiht die Bahn sich daher jetzt frisches Geld an den Finanzmärkten. Der helle Wahnsinn ist jedoch, dass sie dies in Form einer Hybridanleihe tut. So kassieren Goldman Sachs, Deutsche Bank, BlackRock und Co. fröhlich und risikofrei Gelder, die eigentlich dafür gedacht sein sollten, den Schienenverkehr zu stärken. Dieser Wahnsinn ist eine direkte Folge des wahnhaften Dogmas der Schwarzen Null. Von Jens Berger.
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Was ist eine Hybridanleihe? Wenn ein Unternehmen Geld benötigt, kann es eine Anleihe ausgeben. Diese Anleihe hat in der Regel eine bestimmte Laufzeit und eine festgelegte Verzinsung und ist im weitesten Sinne mit einem Ratenkredit bei der Bank vergleichbar; nur dass Anleihen im Unterschied zu einem Ratenkredit am Finanzmarkt handelbar sind. Kredite und Anleihen gelten bilanzrechtlich als Fremdkapital bzw. als Schulden.
Hybridanleihen sind eine besondere Form der Anleihe – sie haben sehr lange Laufzeiten und sind oft sogar unbefristet und werden daher bilanzrechtlich nicht zum Fremdkapital, sondern zum Eigenkapital gezählt. Bilanzrechtlich sind die Besitzer solcher Hybridanleihen also keine Gläubiger, sondern Mitinhaber, die jedoch anders als Aktionäre kein formelles Mitspracherecht haben. Ein weiterer wichtiger Unterschied – während normale Anleihen als Schulden im Falle einer Insolvenz vorrangig bedient werden, genießen Hybridanleihen dieses Privileg nicht. Geht ein Unternehmen pleite, werden die Inhaber dieser Anleihen also deutliche Abstriche machen müssen. Dieses Risiko lassen sich die Käufer von Hybridanleihen jedoch auch bezahlen. Der Zinssatz solcher Anleihen ist deutlich höher als der für normale Anleihen. Warum gibt ein Unternehmen dann überhaupt Hybridanleihen aus, wenn dies deutlich teurer ist? Die Antwort ist eigentlich einfach: Da Hybridanleihen bilanzrechtlich nicht als Schulden gelten, verbessert sich dadurch die Eigenkapitalquote. Dadurch sinkt dann die Schuldenquote, das Unternehmen ist von seinen Kennzahlen her solider und spart so bei der nächsten normalen Anleihe Zinsen.
Doch was für ein normales Unternehmen ja vielleicht sogar sinnvoll sein kann, gilt für das riesige Staatsunternehmen Deutsche Bahn gerade eben nicht. Die Deutsche Bahn AG ist zwar eine Aktiengesellschaft, deren einziger Inhaber jedoch der Bund ist. Und man muss schon sehr, sehr viel Phantasie aufbringen, um ein Szenario zu konstruieren, bei dem der Bund das mit großem Abstand wichtigste Staatsunternehmen insolvent gehen lässt. Wer der Deutschen Bahn Geld leiht, leiht es indirekt dem Staat. Dementsprechend sicher sind diese Anleihen und dementsprechend niedrig verzinst sind sie auch. 2016 schaffte die Bahn es sogar, als erstes Unternehmen überhaupt, eine in Euro laufende Anleihe ohne Verzinsung (Nullkuponanleihe) und mit negativer Rendite für die Anleger am Markt zu platzieren. Die Gläubiger gaben der Bahn also Geld, um ihr Geld zu leihen. Das kennt man mittlerweile bei Bundesanleihen, bei Unternehmensanleihen ist dies jedoch eine sehr ungewöhnliche Ausnahme.
Die Bahn kann sich zur Zeit also zinsfrei über normale Anleihen finanzieren. Und warum tut sie dies nicht? Im Kielwasser von Schwarzer Null, Schuldenbremse und Austeritätspolitik hat der Bundestag der Deutschen Bahn eine Schuldenobergrenze von zwanzig Milliarden Euro verordnet – doch die Bahn wies in ihrem letzten Jahresabschluss bereits Nettofinanzschulden in Höhe von 19,5 Milliarden Euro auf. Der Bund fordert von der Bahn immer wieder, mehr zu investieren, stellt ihr dafür aber nicht die nötigen Mittel zur Verfügung und verhindert mit seiner Schuldenobergrenze, dass die Bahn sich diese Mittel nahezu zinsfrei am Kapitalmarkt besorgt.
Und hier kommt die Hybridanleihe ins Spiel. Da die über eine Hybridanleihe geliehenen Gelder nicht zu den Schulden, sondern bilanzrechtlich zum Eigenkapital gezählt werden, ist es der Bahn möglich, auf diese Art und Weise die Schuldenobergrenze auszuhebeln. Doch dieses Manöver kostet viel Geld. Wie hoch der Aufpreis gegenüber einer normalen Anleihe sein wird, stellt sich erst in der nächsten Woche heraus. Zur Zeit touren die Bahnvorstände auf einer „Roadshow“ für ihre neue Anleihe bei den großen Finanzkonzernen. Denn für normale Bürger ist diese Anleihe ohnehin nicht gedacht, wird sie doch in Tranchen im sechsstelligen Bereich ausgegeben. Die Bahn zahlt also mehr oder weniger freiwillig höhere Zinsen, als sie es eigentlich müsste.
Freuen können sich die Investmentbanken und Hedge Fonds. Sie dürfen den Zinsaufschlag für diese Anleiheform kassieren, ohne dabei das dazugehörige Risiko einzugehen, das diesen Aufschlag begründet. Denn die Frage der Nachrangigkeit dieser Anleihe dürfte beim Staatsunternehmen Deutsche Bahn und seinem Besitzer, dem Bund, ohnehin zu vernachlässigen sein. Goldman Sachs, JP Morgan, BlackRock und Co. kassieren also Dank der Schuldenbreme des Bundes fröhlich Gelder, die eigentlich dafür gedacht sein sollten, die Investitionen zu finanzieren, um den ausufernden Individualverkehr auf die Schiene zu verlagern. Es ist der helle Wahnsinn.
Titelbild: Petr Bonek/shutterstock.com