Da die politischen Kanäle zwischen Russland und „dem Westen“ von Medien und Politikern weitgehend zerstört wurden, braucht es andere Wege der Kommunikation. Diese Wege sollten auch die Möglichkeiten nutzen, die kulturelle, sportliche oder geschäftliche Beziehungen zwischen Russland und EU-Ländern bieten können. Ein Beispiel für jene „alternativen“ Kommunikations-Kanäle nach Russland ist das dieser Tage in London ausgerichtete „Westminster Russia Forum“. Von Tobias Riegel.
Der offizielle Dialog zwischen Russland und zahlreichen EU-Ländern ist höchst eingeschränkt oder ganz zum Erliegen gekommen. In dieser Situation braucht es Alternativen zu diesen offiziellen Kanälen. Ein Beispiel dafür ist das dieser Tage in London ausgerichtete “Westminster Russia Forum“ (WRF), das an einer Entspannung mit Russland interessierte Politiker, Geschäftsleute, Sportler und Künstler zusammenbringen will.
Bei diesen Gesprächskanälen abseits der Politik können auch manchmal seltsame Verbindungen entstehen – so würde es nicht verwundern, wenn manchen Lesern der NachDenkSeiten einzelne der Referenten des WRF, etwa aus dem House Of Lords, möglicherweise als zu „konservativ“ erscheinen. Das wirft ein Licht auf die prinzipiellen Komplikationen in der Kommunikation zwischen Nationen: Um eine Entspannung mit Russland zu befördern, müssen auch Unterschiede ausgehalten und Gemeinsamkeiten betont werden, auch gegenüber den „Mitstreitern“. Das bedeutet keine Kritiklosigkeit, weder gegenüber Russland noch gegenüber einzelnen Referenten des WRF. Das Ziel der Entspannung mit Russland sollte aber zahlreiche Differenzen überlagern, die auf anderen Politikfeldern bestehen. Auch wenn das Westminster Russia Forum also „ideologisch“ nicht „perfekt“ sein mag: Es ist unverzichtbar.
Wenn die Politik versagt: Entspannung durch Kultur und Handel
Eine zentrale Veranstaltung des WRF ist die Diskussionsrunde mit dem Thema „Europäisch-russische Beziehungen: Multilaterale Ost-West-Beziehungen in Zeiten des Wandels“. Die Teilnehmer sind der LINKEN-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko, der Viscount von Waverley aus dem House Of Lords, Olga Podberezkina von der Russischen Staatsduma, Mirjam Zwingli vom WRF sowie Frank Creyelman vom flämischen Parlament.
Weitere Referenten des Forums sind unter vielen anderen Martin Hoffman vom Deutsch-Russischen Forum, der russische Handelsbotschafter in Großbritannien, Alexander Yarovoy, sowie Abgesandte zahlreicher Firmen oder Anwaltskanzleien – letztere bestreiten Diskussionsrunden mit Themen wie „Juristische Kooperationen zwischen Europa und der Russischen Föderation“ oder die „Stärkung von Banden durch Medien, Sport und Kultur“.
In den letztgenannten Themen könnte eine der Stärken des WRF liegen – in einem Ausbau der Verbindungen jenseits der großen Politik: in Form von Partnerschaften bei Business, Sport und Kultur. Das sieht auch Nicolas Cobb so. Den Vorsitzenden des WFR haben die NachDenkSeiten kürzlich in Berlin interviewt und er sagt zur Kraft der Verständigung:
„Solange die Politik sich sperrt: Sind Kultur und Handel Wege der Annäherung? Ja, die einzigen, die im Moment existieren. Offiziell gibt es keine Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Aber es gibt eine Entwicklung – und die kommt nicht von den Medien und auch nicht von den Politikern. Sie geht von Menschen aus, die in Universitäten recherchieren wollen oder Interessen in Kultur, Sport oder in Musik haben, von internationalen Rechts-Firmen, Banken etc. Wenn die Politik sich weigert, die Beziehungen zu verbessern, dann muss das durch den Handel und die Kultur entstehen.“
Russenfeindlichkeit: Medien schüchtern Politiker ein
Cobb bestätigt zudem das allgemeine Empfinden: Demnach dominiert eine bedenkliche Russenfeindlichkeit sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien vor allem die Medien, aber auch weite Teile der Politik. Auch laut dem Tenor der großen britischen Zeitungen sei Russland eine homophobe Diktatur und fördere internationale Konflikte. Wegen dieser Medienkampagnen wagen sich zahlreiche britische Politiker, die eigentlich für eine Entspannung sind, nicht aus der Deckung, wie Cobb beschreibt:
„Da die Politiker sich nicht trauen, sich für einen Dialog mit Russland einzusetzen, bleiben im Moment nur wir. Es gibt zwar jene 30-40 Parlamentarier, die offen für einen Dialog wären – aber niemand würde das offen zugeben. Da also die parlamentarischen Verbindungen, etwa zum russischen Parlament Duma, auf Eis liegen, haben wir als WRF begonnen, Reisen für Parlamentarier zu organisieren und Treffen mit Duma-Mitgliedern für einen Austausch.“
Das WRF und seine Ziele beschreibt Cobb folgendermaßen:
„Wir sind eine Lobby-Gruppe, allerdings nicht mit einem dicken Bankkonto – im Gegenteil. In Großbritannien haben wir einige hundert Unterstützer aus allen Teilen der Gesellschaft. Uns verbindet ein Interesse an Russland. Ich würde mich als russophil bezeichnen, davon gibt es hier nicht viele. Aber viele Engländer haben dennoch ein Interesse an russischer Kultur oder sie arbeiten für eine russische Bank oder haben einen russischen Ehepartner. Wir hatten als WRF früher Verbindungen zu britischen politischen Parteien, aber das hat sich geändert. Wir sind nun ein neutrales Forum für Ökonomie und Politik.“
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