Als Reaktion auf einen grausamen Unfall in der Berliner Innenstadt, der vier Passanten das Leben kostete, entbrennt eine emotional geführte Debatte. Einzelne Politiker von Grünen und SPD fordern bereits ein Verbot von SUVs. Doch derartige Forderungen sind – so berechtigt sie im Kern sind – eine Phantomdebatte, da ein derartiges Verbot in der Praxis ohnehin kaum sinnvoll zu formulieren wäre. Dabei gäbe es mit der Überarbeitung des Dienstwagenprivilegs und den Abschreibungsrichtlinien für Firmenwagen ein sehr mächtiges Schwert, um die „Panzer auf vier Rädern“ zumindest zum größten Teil von unseren Straßen zu vertreiben. Denn was gerne verschwiegen wird – laut Zulassungsstatistik handelt es sich bei den Wagen, um die es hier geht, fast ausschließlich um gewerblich angemeldete Fahrzeuge. Von Jens Berger.
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Wo fängt ein SUV an, wo hört er auf?
Auch wenn „ganz Deutschland“ über SUVs diskutiert, gibt es keine verbindliche Definition, was eigentlich ein SUV ist. Folgt man der Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamts gehört beispielsweise der Seat Arona zu den „Sport Utility Vehicles“, kurz SUVs. Der Seat ist jedoch eigentlich eher ein etwas höhergelegter Kompaktwagen, dessen Leergewicht mit 1.165–1.320 Kilogramm unterhalb dem des VW Golfs liegt. Ähnlich sieht es beim Opel Mokka oder beim Peugeot 2008 aus, die laut KBA ebenfalls „SUVs“ sein sollen.
Die Fahrzeuge, die man umgangssprachlich im Auge hat, wenn man von SUVs als „Panzern auf vier Rädern“ spricht, wie der Audi Q7, der BMW X5, der Porsche Cayenne oder die GL-Klasse von Mercedes, sind laut Definition des Kraftfahrtbundesamtes indes gar keine SUVs, sondern ganz einfach „Geländewagen“. Nun lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob die vergleichsweise kleinen, kompakten SUVs eine Fehlentwicklung sind. Ich halte sie in der Tat für eine solche, mein eigener Vater, der als älterer Mann froh ist, „leicht wieder aus dem Sitz herauszukommen“, sieht dies gänzlich anders. Aber auch das ist Phantomdebatte, da wohl niemand ernsthaft die Position vertritt, dass höhergelegte Klein- und Kompaktwagen verboten werden sollten. Nein, es geht um die irrwitzig hoch motorisierten Geländewagen jenseits der Zwei-Tonnen-Gewichtsklasse, von denen im Falle eines Unfalls nicht nur ein massives Tötungsrisiko für Fußgänger und Insassen „normaler“ Fahrzeuge ausgeht, sondern die mit ihren extrem hohen Abgaswerten auch unter umwelt- und klimapolitischen Maßgaben problematisch sind.
Da hört sich ein generelles Verbot oder ein Verbot für die Innenstädte auf den ersten Blick natürlich verlockend an. Doch wie sollte ein solches Gesetz formuliert werden, wenn noch nicht einmal das Kraftfahrtbundesamt hier eine sinnvolle Kategorisierung anbietet? Wie schon erwähnt – bei einem „SUV-Verbot“ nach Definition der Fahrzeugklassen durch das KBA dürfte der Rentner in seinem höhergelegten Seat nicht mehr in die Stadt, der Anwalt mit seinem Porsche Cayenne aber schon.
Dann machen wir es halt am Gewicht fest! Nimmt man die Zwei-Tonnen-Grenze als Maßstab, wäre davon jedoch nicht nur der Anwalt im Porsche Cayenne, sondern auch der Familienvater mit seinem VW-Bully betroffen. Hinzu kommt die ebenfalls schwammige Unterscheidung zwischen Privat- und Firmenwagen. Auch Kleintransporter und Kastenwagen wiegen oft mehr als zwei Tonnen. Hierbei handelt es sich dann aber um gewerblich genutzte Fahrzeuge, die bei einem Verbot ausgespart werden könnten, werden Anhänger eines solchen Verbots nun sagen. Gewerblich genutzt sind die meisten Porsches, BMWs und Audis aber auch. Und wie man dem Monteur erlauben soll, was man dem Werbekaufmann verbietet, ist eine Frage, die man lieber Fachjuristen überlassen sollte. Ich bin skeptisch, dass ein solches Gesetz überhaupt sinnvoll formulierbar wäre. Dabei könnte man gleich mehrere Fliegen mit einer ganz anderen Klappe schlagen.
Firmen- und Dienstpanzer auf vier Rädern
Zunächst muss man die Frage stellen, wer sich denn überhaupt so einen „Panzer auf vier Rädern“ kauft, dessen Preis meist sechsstellig ist. Die Antwort ist ebenso ernüchternd wie einfach: Fast niemand. Die großen Luxus-Geländewagen, um die es im Kern bei der Debatte ja geht, werden fast ausschließlich von „Gewerbekunden“ geleast. Beim Audi Q7 beträgt der Anteil gewerblicher Kunden laut KBA-Neuzulassungsstatistik 76,8%. Beim BMW X5 sind es 77,3%, bei der GL-Klasse von Mercedes 93,4%, beim Porsche Cayenne 76,5% und beim VW Touareg 86,2%. Diese Zahlen sind von überragender Bedeutung, wenn man darüber debattiert, wie man diese Ungetüme von den Straßen bekommen kann.
Die gewerbliche Nutzung umfasst zwei Seiten: Zum einen handelt es sich aus Sicht der Nutzer selbst um sogenannte Dienstwagen, die Angestellten zur dienstlichen und privaten Nutzung als Lohnersatzleistung auch zur privaten Verfügung überlassen werden. Dies schließt in der Regel übrigens sämtliche laufenden Kosten, inklusive der Kraftstoffkosten an der Tankstelle, mit ein. Als Ausgleich muss der Nutzer eines Dienstwagens ein Prozent des Listenpreises als Lohnersatzleistung versteuern. Kostet ein Wagen laut Liste also 100.000 Euro, muss der Angestellte 1.000 Euro pro Monat versteuern. Bei einem angenommenen Einkommensteuersatz von 30% wären dies 300 Euro Gesamtkosten, die wohlgemerkt sämtliche Kosten, inkl. Wartung, Spritverbrauch, Reparaturen etc. beinhalten. Diese 1%-Regelung kann übrigens auch von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft in Anspruch genommen werden, die dort selbst als Geschäftsführer tätig sind. Diese Subvention nennt sich Dienstwagenprivileg und ist eine der tragenden Säulen der Lobbypolitik der deutschen Automobilhersteller.
Die zweite Seite ist die Sicht des Unternehmens. Die Kosten für das Leasing und die Betriebsausgaben – inkl. Kraftstoffkosten – können und werden vom Unternehmen in der Gewinn- und Verlustrechnung voll als Kosten eingerechnet. Wenn der Gesellschafter sich als Geschäftsführer einen Porsche Cayenne mit einer Leasingrate von 2.000 Euro pro Monat genehmigt und für 800 Euro im Monat Tankquittungen einreicht, entstehen für das Unternehmen 2.800 Euro Kosten, die voll auf das Betriebsergebnis anrechenbar sind und am Ende des Geschäftsjahres den entstandenen Gewinn und damit die Steuerlast drücken.
Von Seiten des Gesetzgebers gibt es also zur Zeit für Unternehmen und Unternehmer keine Anreizsteuerung, preiswerte, kleine und spritsparende Fahrzeuge zu nutzen. Im Gegenteil – wer seine Kraftstoffkosten 1:1 abrechnen kann, überlegt sich nicht zweimal, ob er „kostenlos“ privat mit dem eigenen Wagen fährt oder den Weg umwelt- und klimafreundlich mit der Bahn zurücklegt. Ob der Dienstwagen mit Strom fährt, drei oder zwölf Liter Benzin auf einhundert Kilometer verbraucht, ist ebenfalls für den Nutzer des Dienstwagenprivilegs einerlei, da er selbst am Ende stets kostenfrei fährt.
Diese simple Wahrheit ist übrigens auch ein Dämpfer für diejenigen, die nun SUVs über den Umweg höherer Mineralölsteuern oder einer CO2-Steuer „unattraktiv“ machen wollen. Wenn es dem Fahrer vollkommen egal sein kann, was der Liter Benzin oder Diesel kostet, kann man auch über die Besteuerung des Kraftstoffs keine Lenkungswirkung ausüben. Besonders delikat: Da auch der Steueranteil im Kraftstoff bei Dienstwagen indirekt über die Kosten die Gewinne senkt und so die Steuerlast des Unternehmens drückt, würde der Staat auf diesem Weg die höheren Steuern für Kraftstoffe über niedrigere Körperschaftssteuern ebenfalls „quersubventionieren“. Letztlich zahlt die Rechnung in diesem Fall der Privatmann – egal ob er einen Porsche Cayenne oder einen VW Lupo fährt.
Was zu tun wäre
Und hier findet man auch den Hebel für die Verdrängung der „Panzer auf vier Rädern“. Warum verabschiedet man kein Gesetz, das die steuerliche Abschreibbarkeit und das Dienstwagenprivileg an bestimmte Parameter koppelt? Dies könnte der CO2-Ausstoß sein, dies könnte aber auch der Listenpreis, das Leergewicht oder eine Kombination aus diesen und anderen Faktoren sein. Es gibt keinen(!) vernünftigen Grund, warum der Geschäftsführer einer Werbeagentur oder ein Wirtschaftsanwalt in Berlin einen Geländewagen mit sechsstelligem Listenpreis fahren muss und dementsprechend sollten die entsprechenden Gesetze auch angepasst werden. Dies ließe auch Feinheiten und Ausnahmen zu – denn anders als der Werber oder der Anwalt kann beispielsweise der Heizungsmonteur ja sehr wohl begründen, warum er einen Kleintransporter mit mehr als zwei Tonnen Leergewicht als Firmenwagen braucht.
Würde es die Subventionen über das Dienstwagenprivileg und die Abschreibbarkeit solcher Wagen nicht mehr geben, würden diese Wagen zum großen Teil wieder aus den Showrooms der Hersteller verschwinden.
Der größte Vorteil einer Modernisierung der genannten gesetzlichen Regelungen wäre jedoch, dass sie weit über das tagesaktuelle emotionale Thema „SUVs“ hinausgehen. Das Gros der Firmen- und Dienstwagen sind ja nicht die Geländewagen der 2-Tonnen-Plus-Klasse, sondern die Limousinen und Kombis der Kompakt- und Mittelklasse. Auch hier haben wir vor allem bei den Produkten deutscher „Premiummarken“ das große Problem, dass nicht der private Autofahrer, sondern der Nutzer von Dienst- und Firmenwagen den Markt bestimmt. Da für solche Nutzer umwelt- und klimapolitische Eigenschaften aber sekundär sind – schließlich bezahlt der Arbeitgeber ohnehin sämtliche Verbrauchskosten – wird der Markt mit spritschluckenden, schweren PS-Monstern vergiftet. Die landen dann nach Ablauf des Leasings nach zwei bis vier Jahren auf dem Gebrauchtwagenmarkt und bestimmen hier das verfügbare Angebot. Wenn mehr als zwei Drittel aller Zwei- bis Vierjährigen aus bestimmten Angebotssegmenten aus dem Fuhrpark der gewerblichen Nutzer stammen, hat der private Nutzer, der sich sein Auto ja in der Regel ohnehin nicht neu, sondern gebraucht kauft, auch gezwungenermaßen keine freie Wahl mehr. Zudem wird der Gebrauchtwagenpreis über Angebot und Nachfrage geregelt. Wenn (zu) viele PS-starke Wagen mit (zu) hohem Verbrauch auf dem Markt sind, sinkt bestenfalls deren Preis, was eine Beeinflussung des Gebrauchtwagenmarktes in genau die falsche Richtung darstellt.
Auch hier könnte eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen Wunder wirken. Wenn besonders PS-starke Wagen mit hohem Gewicht und hohem Verbrauch unterhalb der „Panzer-auf-vier-Rädern-Klasse“ beispielsweise nicht mehr mit einem, sondern künftig mit zwei oder drei Prozent des Listenpreises bei der Nutzung als Dienstwagen versteuert werden müssten, würden sich die meisten Angestellten, die ein derartiges Angebot nutzen, sicher auch zwei- oder dreimal überlegen, ob es eine umwelt- und klimapolitisch sinnvollere kleinere, leichtere und spirtsparendere Alternative nicht auch tut. Und nach Ablauf der Leasingzeit würden dann diese Wagen den Gebrauchtwagenmarkt überschwemmen. Das wäre doch schon mal ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Wohlgemerkt: Bei diesen Gedanken geht es „nur“ um die Probleme innerhalb des Segments des Individualverkehrs. Die darüber hinausgehenden Perspektiven haben wir auf den NachDenkSeiten bereits in den ersten fünf Teilen (1, 2, 3, 4, 5) unserer kleinen Reihe „Lassen Sie uns doch mal über Verkehr reden“ behandelt. Doch selbst dieser kleine Ansatz zu einem sehr konkreten Thema hat leider wohl kaum Aussicht auf Erfolg. Vom Dienstwagenprivileg und den derzeitigen Abschreibungsregelungen profitieren nämlich vor allem die Hersteller, die übermotorisierte, schwere und spritfressende Autos im Angebot haben und das sind mit einem übergroßen Marktvolumen die deutschen „Premiummarken“, für die genau diese Fahrzeuge zudem „Cash Cows“ sind, die ganz maßgeblich die Gewinne der Unternehmen bestimmen. Hier geht es also um das Herz des Dinosauriers und es ist leider auszuschließen, dass sich in der Politik ein Großwildjäger findet, der es mit Autolobbycratus Rex aufnimmt.
Titelbild: medvedsky.kz/shutterstock.com