Den SPD-Plänen zur Vermögensteuer schlägt massiver Widerstand aus vielen großen Medien entgegen. Doch auch von „linker“ Seite erklingt Häme. Man sollte den Vorstoß aber trotz der ihm innewohnenden Heuchelei, trotz seiner Mängel und trotz der unbestrittenen politischen Sünden der SPD verteidigen. Von Tobias Riegel.
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Den SPD-Plänen zur Vermögensteuer kann man sich von „linker“ Seite auf verschiedene Weisen nähern. Zum einen mit Häme: Es ist mittlerweile gute sozialdemokratische Tradition, kurz vor anstehenden Wahlen jene sozialen Forderungen zu formulieren, die die Partei ansonsten unter „Sachzwängen“ begräbt oder bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Entsprechend erwartungsgemäß ist auch das Misstrauen, das dem Vorschlag nun entgegenschlägt. Eine andere (und sinnvollere) „linke“ Betrachtungsweise des SPD-Vorstoßes wäre aber jene mit kritischer Distanz und vorsichtiger Zustimmung: Prinzipiell sind die SPD-Forderungen zu begrüßen – auch wenn sie nicht weit genug gehen und sich die SPD hier eher an den Konzepten der LINKEN zum Thema hätte orientieren sollen.
Von wirtschaftsliberaler Seite werden die vom kommissarischen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel am Montag vorgestellten Pläne ebenfalls auf zweierlei Weisen verarbeitet: Zum einen – weil es sich einfach nicht leugnen lässt – wird gönnerhaft „zugestanden“, dass die Superreichen (eigentlich) mehr finanzielle Verantwortung fürs Gemeinwohl übernehmen müssten, wie die unten angeführten Medien-Beispiele zeigen. Zum anderen folgt in zahlreichen Artikeln ein „ja, aber“: Die finanziell Bevorteilten in die Pflicht zu nehmen, sei natürlich angebracht, aber so einfach sei das alles nicht: ein Gesamtkonzept müsse her, am besten eine „internationale Lösung“ – das Konzept sei also nett gemeint, aber unausgegoren, unprofessionell und als reine Wahlkampffinte zu deuten. In diesem letzten Punkt treffen sich die Analysen „linker“ und wirtschaftsliberaler Kommentatoren.
Der SPD-Vorstoß ist vorsichtig zu begrüßen
Ein möglicher rationaler Umgang mit dem eigentlich sehr zu begrüßenden SPD-Vorstoß wäre es, mit ihm einerseits nicht zu viele Hoffnungen zu verbinden, ihn andererseits aber prinzipiell und standhaft gegen die neoliberalen Angriffe zu verteidigen: Denn wie soll die SPD jemals aus der wirtschaftsliberalen Sackgasse herauskommen, wenn auch ihre gut klingenden sozialen Forderungen attackiert werden? Die Hinweise auf die zahlreichen wirtschaftspolitischen Sünden und Heucheleien der SPD treffen einerseits voll ins Schwarze – andererseits sollte der Partei aber auch ein Ausweg aus dieser selbstverschuldeten Situation offengehalten werden.
Die SPD-Pläne sehen vor, dass die Besitzer der größten Vermögen in Deutschland für eine Vermögensteuer 1 bis 1,5 Prozent pro Jahr an den Staat zahlen. Besteuert werden sollen demnach Grundbesitz, Immobilien, Unternehmensanteile und Barvermögen. Laut Eckpunkten, die das SPD-Präsidium beschloss, wären die ein bis zwei Prozent der reichsten Vermögenseigentümer betroffen. Betroffen sein sollen von der Steuer laut SPD-Konzept nur Personen mit einem Vermögen von mehreren Millionen Euro. Wie wichtig eine Wiedereinführung der Vermögensteuer ist, zeigt dieses aktuelle Zitat aus der „Süddeutschen Zeitung“:
„Der Reichtum ist in der Bundesrepublik so ungleich verteilt wie nirgendwo sonst in der Euro-Zone. Das reichste Hundertstel der Bürger verfügt über ein volles Drittel des Vermögens. Millionen Menschen dagegen besitzen kaum etwas – oder nur Schulden.“
„Raubzug bei den Reichen“ – Meinungsmache zur Vermögensteuer
Dem relativ ausgewogenen Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ steht aber eine Masse an Meinungsmache gegen die Steuerpläne gegenüber. So behauptet das „Handelsblatt“: „Die SPD plant einen Raubzug bei den Reichen.“ Das Blatt fährt fort:
„Die Pläne zur Vermögenssteuer der SPD zeigen: Die Partei schaltet in Panikmodus. Das undurchdachte Konzept bringt auch Olaf Scholz in die Bredouille. Eine schnöde Geldsammelaktion soll nun angeblich helfen, das Klima zu retten, Straßen zu bauen und Schulen zu renovieren. Statt einen schwungvollen Zukunftsplan für Deutschland in wirtschaftlich schwächeren Zeiten zu präsentieren, plant man einen Raubzug bei den Reichen.“
Die „Welt“ befindet: „Olaf Scholz rührt einen fatalen Mix für die Mittelschicht an“. Die Zeitung folgt, wie viele andere Medien, dem Prinzip des „Ja, Aber“:
“Auf den ersten Blick klingt das Vorhaben verführerisch: Nur ‚Reiche und Superreiche’ sollen besteuert werden, und man will sich am Vorbild der Schweiz orientieren. Bei näherem Hinsehen hat eine allgemeine Vermögensteuer jedoch schwere Mängel, und das ist der Grund, warum sie international kaum noch erhoben wird und selbst in Staaten wie Schweden und Frankreich abgeschafft wurde.“
Die „Neiddebatte“ und der „produktive Reichtum“
Die Strategie des „einerseits/andererseits“ ist auch im „Deutschlandfunk“ zu beobachten:
„Dabei liegen die Sozialdemokraten mit ihrem Anliegen noch nicht einmal so falsch. Die wirklich Vermögenden stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen ist richtig. Nur muss das in ein steuerliches Gesamtkonzept eingebettet sein.“
Der „Spiegel“ hält seine Anti-Steuer-Botschaft besonders simpel und ruft: „Bloß keine Neiddebatte!“ Das Magazin fährt fort:
„Die Diskussion über eine Besteuerung großer Vermögen hat gerade wieder Hochkonjunktur. Doch statt Neid zu schüren, sollten wir darüber reden, was Wirtschaft und Gesellschaft wirklich hilft. (…) Die Antwort ist, dass viel des privaten Vermögens in Deutschland bereits heute einen ganz essenziellen Beitrag zu Wirtschaft und Gesellschaft leistet. Es ist Vorsicht geboten bei einer Besteuerung von Vermögen, vor allem bei Unternehmen, die einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten.“
Und die „FAZ“ beschreibt: „Wie die SPD den Reichtum missversteht“. Die Zeitung fährt fort:
“Immerhin hat sich herumgesprochen, dass die Einkommen der Deutschen nicht so furchtbar ungleich verteilt sind. Jetzt geht es um die Vermögen. (…) Der folgende Satz klingt im ersten Moment paradox, er ist aber wahr: Eine hohe Vermögensungleichheit ist ein Indiz dafür, dass der Wohlfahrtsstaat in einem Land gut ausgebaut ist. (…) Es ist ja nicht so, dass die Geldscheine im Fließband auf den großen Haufen der Reichen geschüttet werden, wie es die SPD vergangene Woche noch in einer Karikatur gezeigt hat. Reichtum entsteht, indem verdientes Geld produktiv investiert statt für den Konsum verwendet wird.“
Und auch die weiter oben noch gelobte „Süddeutsche Zeitung“ kommt nach der teils stimmigen Bestandsaufnahme der skandalösen Ungleichheiten zu dem verbreiteten Ja-Aber-Fazit:
„Die Richtung, Reichtum stärker für die Gesellschaft zu nutzen, stimmt also. Die SPD sollte aber darüber nachdenken, welches das beste Instrument für ihr Ziel ist. Eine reine Vermögensteuer hat Nachteile.“
“Alter Hut und Irrweg” – Die Ablehnung der politischen Konkurrenz
Meinungsmache findet sich auch in der zweiten Reihe der Zeitungen, etwa in der „Mittelbayerische Zeitung“ aus Regensburg:
„Die zehn Prozent Bestverdiener in Deutschland schultern über 50 Prozent der Einkommenssteuer. Einkommensmillionäre tragen also bereits einen erheblichen Teil zum Wohlergehen des Landes bei. Wer umverteilen will, kann sich ebenso gut fragen, warum das deutsche Steuerrecht in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen zu Spitzenverdienern erklärt hat.“
Breite Ablehnung kommt erwartungsgemäß auch von der politischen Konkurrenz, wie Medien berichten. Demnach bezeichnen CDU und CSU die Vermögensteuer als einen “alten Hut und einen Irrweg”, so etwa CSU-Parteichef Markus Söder. Antje Tillmann, die finanzpolitische Sprecherin der CDU, äußerte ebenfalls Bedenken. “Tatsächlich ist das Vermögen in Deutschland ja ganz wesentlich in Betrieben angelegt oder auch in Mietwohnungen. Und wenn dann tatsächlich Mietwohnungen mit der Vermögenssteuer belastet würden, kann man sich vorstellen, wer die hinterher bezahlt – nämlich der Mieter”, sagte sie. Der haushaltspolitische Sprecher der Union, Eckhardt Rehberg, warf der SPD vor, eine Neiddebatte zu führen.
„Vermögen ist in Deutschland grotesk ungleich verteilt“
Doch es gibt auch vereinzelt mediale Zustimmung zu den SPD-Plänen, die man allerdings in den kleineren Zeitungen findet, etwa in der „Freien Presse“ aus Chemnitz:
„Fest steht aber auch, dass Vermögen in Deutschland grotesk ungleich verteilt ist. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Die soziale Lunte im noch reichen Deutschland glimmt. Die Steuer kann die Vermögensverhältnisse nicht umkehren, aber die Reichtumsverteilung etwas gerechter gestalten. Wie sich die SPD auf ihrem Parteitag im Dezember positioniert, ist wichtig. Die Steuer gilt innerhalb der deutschen Linken als wichtiges Symbol. Eigentum verpflichtet schließlich. Steht auch im Grundgesetz. Und gilt auch für ‚Superreiche‘.“
Titelbild: Shutterstock / aastock