Freie Fahrt für die Bundeswehr

Freie Fahrt für die Bundeswehr

Freie Fahrt für die Bundeswehr

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Ab nächstem Jahr dürfen Bundeswehrsoldaten die Deutsche Bahn für private und dienstliche Fahrten kostenfrei nutzen. Was umweltpolitisch sicher sinnvoll ist, stellt verkehrspolitisch ein mehr als fragwürdiges Manöver dar. Die Kosten für die Freifahrtscheine der Soldaten wird nämlich zum größten Teil die Bahn selbst übernehmen müssen. Dieses Geld fehlt an anderen Stellen und wird über kurz oder lang über erhöhte Ticketpreise von den Kunden der Bahn wieder hereingeholt. So zahlt der Bürger ein Projekt, das offenkundig vor allem als PR-Kampagne für die CDU-Vorsitzende und neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer lanciert wurde. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Als es in Deutschland noch die allgemeine Wehrpflicht gab, durften Wehrdienstleistende am Wochenende kostenlos mit der Bahn zwischen der Kaserne und ihrem Heimatort pendeln. Die Kosten dafür musste das Verteidigungsministerium aus seinem Wehretat übernehmen – 2010 immerhin 43 Millionen Euro. Das ab kommendem Jahr geltende Freifahrangebot für Soldaten stellt die alte Regelung deutlich in den Schatten – es gilt nämlich ausnahmslos für alle Soldaten und nicht nur für „Heimfahrten“, sondern für sämtliche dienstlichen und privaten Fahrten innerhalb des gesamten Netzes*. Da sollte der Verdacht ja naheliegen, dass das Verteidigungsministerium für diesen Service für seine Mitarbeiter tief in die Taschen greifen musste. Doch weit gefehlt. Für das große Paket zahlt das Verteidigungsministerium nur lächerliche vier Millionen Euro pro Jahr an die Bahn – das sind 22 Euro pro Bundeswehrsoldat.

Um diese Zahl greifbarer zu machen, lohnt sich ein Blick auf die Kosten, die andere Unternehmen für ihre Mitarbeiter für vergleichbare Dienstleistungen aufbringen müssen. Die BahnCard 100 für Geschäftskunden, die durchaus mit der kommenden „Bundeswehrnetzkarte“ vergleichbar ist, kostet 4.395 Euro pro Jahr. Man kann zwar davon ausgehen, dass die Bahn großen Firmenkunden auch großzügige Rabatte einräumt. Die sagenhafte Schieflage wird dies jedoch auch nicht großartig mindern können: Die Differenz zwischen den 22 Euro der Bundeswehr und den 4.395 Euro für normale Firmenkunden beträgt fast das 200-fache!

Ein schlechter Deal

Wie sehr die Bahn bei diesem Deal übervorteilt wurde, lassen die vorliegenden Zwischenberichte aus Verhandlungskreisen erahnen. Dort hieß es, dass die Bahn ursprünglich mindestens 38 Millionen Euro pro Jahr veranschlagte, nur um die laufenden Kosten zu bewältigen. Diese Kalkulation bezog sich jedoch auf ein deutlich eingeschränktes Angebot, bei dem Soldaten nur die Züge kostenfrei hätten buchen dürfen, die nicht sonderlich ausgelastet sind – also ein Angebot, dass für die Bahn kaum Zusatzkosten bedeutet hätte. Für dieses eingeschränkte Angebot wollte das Verteidigungsministerium demnach „knapp 20 Millionen Euro“ aufbringen. Nun hat man sich also für das „große Sorglospaket“ mit massiven Zusatzkosten für die Bahn entschieden und wie durch ein Wunder ist parallel dazu der Preis implodiert. Die verabschiedeten vier Millionen für das „große Paket“ sind immerhin nur fast ein Zehntel der ursprünglich verlangten 38 Millionen für das „kleine Paket“.

Jeder andere Manager hätte sich für einen solch negativen Vertragsabschluss vor seinem Chef rechtfertigen müssen. Doch auf Seiten der Bahn saß Bahnchef Lutz höchstpersönlich mit am Verhandlungstisch und er müsste sich höchstens vor der Kapitalseite erklären. Da die Bahn aber eine 100-prozentige Tochter des Bundes ist und die Freifahrtscheine ein ausdrücklicher Wunsch der Ministerien für Verkehr, Verteidigung und Inneres waren, hat Lutz auch hier nichts zu befürchten. Ökonomisch stellt das Angebot eine Quersubventionierung des Bundeswehretats durch die Deutsche Bahn AG dar. Dies ist in aller Form zu kritisieren.

Doch es geht hier nicht „nur“ um Ökonomie. Die Freifahrtscheine muss man vor allem als politisches Geschenk an die CDU-Chefin und neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer werten. Die Verhandlungen zu den kostenfreien Bahntickets laufen schon seit Jahresbeginn und wurden maßgeblich von der CSU vorangetrieben. Kramp-Karrenbauer nutzte lediglich die Gunst der Stunde und erntete den PR-Erfolg.

Die Kosten für diese PR-Nummer trägt der Bahnkunde. Denn wenn die zu erwartenden neuen Kunden in Uniform an den Wochenenden zu den Stoßzeiten die Fernzüge überfüllen, wird die Bahn zusätzliches Personal und zusätzliche Züge stellen müssen. Das kostet, nur dass hier den Zusatzkosten keine Zusatzeinnahmen gegenüberstehen. Die wird die Bahn sich dann über Preiserhöhungen bei ihren „normalen“ Kunden wieder holen. Schlussendlich ist es also der „normale“ Bahnkunde, der hier die Bundeswehr über den Ticketpreis quersubventioniert – ob er es will oder nicht.

Respekt und Dank? Wofür?

Kostenlose Bahntickets für Soldaten werfen jedoch auch noch ganz andere Fragen auf. Die Freifahrtscheine seien – so Kramp-Karrenbauer – ein „handfester Ausdruck“ für „Respekt und Dank“, den die Bundeswehrsoldaten „verdienen“. Das ist interessant. Wofür genau verdienen Soldaten Respekt und Dank? Und warum ausgerechnet Soldaten? Verdienen denn Kranken- oder Altenpfleger keinen Respekt und keinen Dank? Gemäß der AKK-Logik müssten dann ja alle Berufe, die Respekt und Dank verdienen, kostenlos mit der Bahn fahren dürfen. Davon kann natürlich keine Rede sein.

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt appelliert in diesem Zusammenhang gar an die „Sichtbarkeit der Soldaten in der Gesellschaft“. Der uniformierte Soldat soll also zur Normalität im öffentlichen Raum werden – wie weiland zu Kaisers und Führers Zeiten. So muss die Bahn auch noch die Kosten für ein Projekt tragen, das zur Militarisierung der Gesellschaft beitragen soll. Es geht also weniger um die Soldaten, sondern vielmehr darum, dass CDU und CSU vor allem in bundeswehraffinen reaktionären Wählerkreisen der AfD wieder Stimmen abjagen wollen.

Netzkarten sind sinnvoll, solange sie auch bezahlt werden

Dabei sind kostenfreie Netzkarten für Mitarbeiter generell natürlich eine gute Sache, verhindern sie doch überflüssige Fahrten mit dem Auto und sind daher verkehrs-, klima- und umweltpolitisch wünschenswert. Wenn diese Karten jedoch aus politischen Gründen nur Soldaten zur Verfügung gestellt und die Kosten dafür sozialisiert werden, ist dies keine sinnvolle Angelegenheit mehr. Die Bundeswehr kann und sollte ihren Soldaten gerne kostenfreie Bahntickets anbieten – aber dann sollte sie dafür auch den regulären Preis zahlen.

Am Ende sei noch an einen Punkt erinnert, der in diesem Kontext immer gerne vergessen wird. Immer wenn es um verkehrs-, klima- und umweltpolitisch sinnvolle Projekte – wie z.B. die Stärkung des Güterverkehrs auf Schienen, den Ausbau des Netzes oder bessere Taktzeiten – geht, heißt es von Seiten der Bahn und von Seiten der Politik, die Bahn sei ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das kein Spielball der Politik sein dürfte, sondern den Regeln des Marktes folgen müsse. Ist das so? Denken Sie mal drüber nach. Offenbar geht es auch anders, wenn man nur will. Dummerweise „will“ die Politik aber nur, wenn es weder um Verkehrs-, Klima- noch Umweltpolitik, sondern um das Bundeswehrbudget und die eigenen Umfragewerte geht.

Bildnachweis: Little Adventures/shutterstock.com

* Ausgenommen sind zur Zeit noch Fahrten mit privaten Bahngesellschaften im Nahverkehr. Deren Betreiber halten das Angebot des Verkehrsministeriums nämlich für viel zu niedrig.

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