Leserbriefe zu „Krimi-Flut im öffentlich-rechtlichen Fernsehen“

Ein Artikel von:

Der Artikel “Krimi-Flut im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und ihre Folgen” stieß auf eine große Resonanz unserer Leserinnen und Leser, die wir Ihnen nachfolgend darbieten. Im Großen und Ganzen scheint Einigkeit zu herrschen über die Qualität der alltäglichen Fernsehprogramme. Interessante, weitere Aspekte für die Diskussion wurden geliefert. So z.B. in Leserbrief 2 die Tatsache, dass dargestellte Schlägereien in der Realität nie diese Länge haben würden. Ein Leserbriefschreiber (5) hat falsche Zahlen zu den jährlich verübten Morden beanstandet. Die NachDenkSeiten haben dieselbe Quelle verwendet wie der Autor der Süddeutschen. Dort wird als Quelle das BKA aufgeführt. Warum die Zahlen so unterschiedlich sind, haben weder der Leserbriefschreiber noch die Autorin bisher ausfindig machen können.
Klar scheint den meisten, dass die Diskussion über die Inhalte der zwangsgebührenfinanzierten Medien dringend breiter zu führen wäre. Zusammengestellt von Anette Sorg und Moritz Müller.

1. Leserbrief

ja, die krimiflut im öffentlich rechtlichen (private sender schaue ich erst gar nicht) ist für mich unerträglich neben den vielen belanglosen sendungen, die alle zur ablenkung und verdummung der bevölkerung beitragen..als verehrer von prof. mausfeld denke ich, daß das alles gewollt ist.
warum starten wir nicht eine initiatve zum boykott der öffentlich rechtlichen fernsehanstalten inklusive des zurückhaltens der fernsehgebühren?

mfg
reinhard wiecha


2. Leserbrief

Danke, Frau Sorg, für den Artikel!

Diese ewig gleichartigen Krimis in den Medien sind einer der Gründe, das Fernsehen gar nicht mehr einzuschalten.

Ein Aspekt scheint mir wesentlich für die Rezeption und Wirkung von Gewaltdarstellungen in den Medien: Die Darstellungen von Schlägereien dauern länger, als diese realiter dauern könnten: Ein einzelner Faustschlag in das Gesicht, auf Ober- und Unterkiefer zertrümmert den Knochen der Kiefer, das Jochbein, die Orbita und lässt Zähne fliegen. In Krankenhaus und Praxis war ich mit solchen Patienten befasst; sie sind nach dem ersten Schlag auf das Schwerste beeinträchtigt und nicht mehr handlungsfähig.

Die Verlängerung aus Gründen der Dramaturgie bedingt eine Verharmlosung der Gewalt, als wäre ein einzelner Faustschlag nicht bereits das Aus für den Getroffenen, indem er durch die Frakturen weitgehend traumatisiert und außer Gefecht gesetzt wird. Den Zuschauern, insbesondere den jugendlichen unter ihnen, wird suggeriert, dass ein Schlag nicht sofort Wirkung hat und man weiter kämpfen kann, wenn der Unterkiefer gebrochen ist, das Mittelgesicht eingedellt ist, etc.. DAS ist m.E. das Verbrechen dieser Art von Filmen, der Macher dieser Filme, dass sie allein durch Verlängerung der Gewaltszenen über das realiter mögliche Maß hinaus Gewalt verharmlosen: Man kann zuschlagen, es kann doch nicht so schlimm sein, wenn der Kontrahent noch zurückschlagen kann. 

Eine Beschwerde bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten müsste dies thematisieren.

Herzlichen Gruß
Deppe


3. Leserbrief

Sehr geehrte Frau Sorg,
 
die naheliegende Frage, warum die Zwangsgebührenzahler es weiterhin tolerieren sollen, dass die Rundfunkanstalten finanziell so üppig ausgestattet werden, dass sie derart viel seichte Unterhaltung produzieren, ankaufen und ausstrahlen können, stellen Sie leider nicht. Verstehen würde ich die Sache, wenn der Programmauftrag Volksverblödung lauten würde.
 
Auch wenn das Verfassungsgericht der Meinung ist, dass der Rundfunkbeitrag im wesentlichen grundgesetzkonform ist, muss er in der aktuellen Höhe noch lange nicht sinnvoll sein. Änderungen bei den Anstalten wird man nur erreichen können, wenn eine Diskussion über Inhalte verknüpft wird mit einer Diskussion über notwendige Kosten. Wird nicht über Kosten bzw. Beitragshöhe geredet, können Sie sicher sein, dass in den Anstalten niemand ernsthaft zuhören wird.
 
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Lange


4. Leserbrief

Annette Sorg,

vielen Dank für dieses überfällige Feature zur Krimischwemme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen! Wir haben dieses Thema neulich schon mal in unserem Nachdenkseiten-Gesprächskreis diskutiert.

Ihrer zutreffenden Analyse möchte ich nur einen Gedanken hinzufügen:

Es sind ja nicht nur fiktionale Krimis, die uns hier am laufenden Band serviert werden. Zu ihnen fügen sich auch noch so genannte„echte“, wenngleich dramaturgisch aufgearbeitete Kriminalfälle. Federführend ist hier vor allem das ZDF mit seinen drei Programmen. Ein Blick auf das heutige Montagsprogramm beispielsweise zeigt, dass sich ZDF, ZDF neo und ZDF info zwischen 6 Uhr morgens und Mitternacht insgesamt genau 16 Stunden und zwanzig Minuten lang mit Verbrechen und deren Aufklärung befassen – von „Hightech-Gangstern“ über „Kriminelle Karrieren“ bis zur „Täterjagd“ bzw. „Mörderjagd“. Es wäre sicher lohnenswert, einmal nachzurechnen, wieviele Stunden am Tag in sämtlichen öffentlich rechtlichen Sendern Polizisten in Uniform bei obrigkeitlichen Handlungen zu sehen sind.

Zwei Botschaften werden hier meines Erachtens sehr bewusst vermittelt:

  1. „Lieb Vaterland, magst ruhig sein – die Exekutive hat alles im Griff!“
  2. „Wer sich anpasst und die Gesetze und Verordnungen befolgt, hat von der Polizei nichts zu befürchten.“

Ein absolut autoritärer Subtext also, der so recht ins neoliberale System passt!.

Beste Grüße
Reinhard Schlüter


5. Leserbrief

Guten Tag Frau Sorg,

ich beziehe mich hier auf hier, speziell auf den Satz “In der Tat sinkt die Zahl der jährlichen Mordopfer. 2017 waren es deutschlandweit „nur“ 405 Menschen”.

Nun hatte ich andere Zahlen im Hinterkopf und verifizierte die Angabe sowohl mit Ihrer Quellenangabe als auch mit der Zeitreihe der Kriminalstatistik des BKA, die ich hier fand.

Auf der Seite wird die Tabelle sowohl im csv- als auch im xlsx-Format angeboten, ich wählte xlsx.

Diese Zahlen unterscheiden sich deutlich von denen Ihrer Quelle. In der Tabelle des BKA fand ich sowohl den erwarteten Anstieg seit 2012 (630 Morde nach § 211 StGB) bis 2018 mit 901 Morden. Für das Jahr 2017, das Sie nannten, sehe ich in der Tabelle des BKA 785 Morde, immerhin fast doppelt so viele als die andere Quelle ausweist.

Insgesamt weist die Statistik des BKA 3254 Straftaten gegen das Leben in 2018 aus, mithin genug Stoff für das kleine Gruseln zum Feierabend. Um sie alle korrekt abzubilden benötigten wir 8,9 Krimis pro Tag.

Freundliche Grüße,
Arno Nebauer


6. Leserbrief

Liebes NDS-Team,

motiviert von Frau Sorg meine Meinung zu formulieren, möchte ich auf die (vielleicht unbewusste) Assoziation von Gewalt in Medien als eine Ursache für Gewalt eingehen.

Die Wahrnehmung von Gewalt, bei der wir anonym und passiv sind, und derer wir uns bewusst entschieden haben, ist m.E. ein Bedürfnis, keine Ursache. Ich verstehe schon, warum – und diese Assoziation gibt es schon seit Jahrzehnten – Gewaltmedien als potenzielles Problem gesehen werden. Es läge einfach nahe. Und wäre dem so, hätten wir endlich etwas handfestes die Gewalt zu reduzieren. Diesem Wunsch stehe ich voll bei.

Ich wage aber zu behaupten, dass unsere Medien gar nicht die Ersten waren, die dieses Bedürfnis in uns befriedigt haben. Es gab ein “Live-Medium” namens Kolosseum, dass das römische Volk besänftigen sollte. Es gab und gibt noch immer Stierkämpfe. Und vieles mehr, dass noch vor dem Buchdruck existiert. Nicht immer geht es direkt um Gut und Böse, aber immer um eine Auseinandersetzung mit Gewalt und Tod. Eine Inszenierung, in der wir uns mit einer Seite identifizieren können. Und in der wir die andere Seite erforschen können.

Mir ist an mir selbst, als auch bei vielen anderen aufgefallen, dass “der Bösewicht” eine Faszination ausübt. Ich meine nicht damit, dass seine Taten das sind, was man sich (unbewusst) wünscht. Das sie irgendwie zum Nachahmen anspornen oder als Vorlage für etwas dienen. Die uns innewohnende Fantasie könnte das auch alleine erreichen. Vielmehr sehe ich die Freiheit des bösen Menschen, so grauenhaft sie auch sein mag, nach der sich gesehnt wird.

Dem entgegen, wenn ich die Medien sehen, lese oder höre, die über die Realität berichten, erzeugt das in mir Wut, Ohnmacht und Traurigkeit. Die meisten meiner Bekannten meiden daher entweder Nachrichten, weil sie die damit erzeugte Gefühlswelt nicht gut vertragen. Oder sie stumpfen in spezifischen Aspekten ab, quasi ein “Abfinden mit der Situation”, dass nicht ihre Meinung widerspiegelt, wäre sie denn von Bedeutung.

Ich befürchte, gerade die Medien über die Realität, eben wegen jener unausweichlichen Gefühlswelt, führen zu einer tatsächlichen Auswirkung. Sie verändern die Sicht der Welt. Sie kann Grundlage für Hass sein. Sie kann einen latenten Hass zu einem tatsächlichen befördern. Sie kann Gewalt legitimieren. Betrachten sie hier die aktuellen Geschehnisse. Betrachen sie den Hass, der bspw. fortwährend durch die Bild-Zeitung geschürt wird.

Worauf ich hinaus will, ist jedoch die Differenzierung von Fiktion und Realität. Nicht das wir das wir Realität in den Medien vermeiden. Die fiktive Gewalt ist nicht der Ursprung, sondern vielmehr ein Bedürfnis nach Kompensation von der realen Gewalt, ob aktiv oder passiv erlebt. Eine passive erlebte Macht als Kompensation für die Ohnmacht, die uns dieses Leben gibt, mit all ihrer existierenden Gewalt. Interessant ist in diesem Kontext, das ein fehlendes Happy-End in Filmen frustieren kann. (Sofern keine Fortsetzung erwartet werden kann.) Natürlich gibt es auch die Kompensation als Flucht, d.h. (tendenziell) gewaltfreie Medien, die zumindest versuchen. Aber um diese Medien ging es hier ja nicht.

Ich möchte dieses Thema um Himmels Willen nicht runterspielen. Ich bin nur ernüchtert darüber, dass diese Assoziation immer wieder auflebt und direkt mit fiktiver Gewalt verbunden wird. Sei es bei Amok-Läufern, bei denen sich beim genaueren Hinsehen rausstellt, das ihr Leben bis dahin bereits voll von realer, physischer oder kognitiver Gewalt war. Oder bei der zunehmenden Verrohung unserer Gesellschaft, die doch auf dem gleichen Planeten wie eben jene Amok-Läufer leben. Auf den gleichen Planeten, auf denen unentwegt sinnlose Kriege geführt werden. Tiere gequält werden. Vermeintliche “Verlierer” gedemütigt werden. Auf denen Kinder von Anbeginn gezeigt wird, dass nur der Stärkere überlebt. Oft nicht direkt, aber Kinder sind nicht dumm. Sie spiegeln vielmehr die Realität als Erwachsene, weil sie (noch) nicht wie jene Ausgewachsenen eine devote oder dominante Maske tragen, um in ihr angepasst zu überleben. Natürlich gibt es aufgeklärte unter uns. Zum Glück. Aber nicht genug um unserer Jungen ein anderes Weltbild zu geben.

Ich bin froh, dass fiktive Medien dies ein wenig kompensieren können. Jedoch nur, weil unsere frustrierte Energie nicht reicht, alles zum Guten zu wenden. Und genau deshalb, finde ich, sollten wir uns eher auf tatsächliche Gewalt konzentrieren, der viel offensichtlicheren Quelle, als die Gefahr in der Fiktiven zu vermuten. Zumindest solange die reale Gewalt so Überhand hat.

Bzgl. der Krimi-Flut vermute ich, dass die verantwortlichen Manager hier ein (deutsches) Produkt erkannt haben, dass sie ausbauen und das sie als prima Argument für die Beitragspflicht nutzen. Schlichtes kapitalistisches Denken.

Mit allergrößten Respekt für NDS,
Dennis Loewel


7. Leserbrief

Liebes Nachdenkseiten-Team,

der Artikel zur Krimi-Flut hat mich sehr an ein kürzlich von mir besuchtes Seminar erinnert, in welchem die kritische Theorie der Frankfurter Schule auf das moderne Subjekt angewandt wurde. Die kritische Theorie verbindet psychologisches Wissen (insbesondere Freud und die Psychoanalyse) mit gesellschaftlich-soziologischen Phänomenen und versucht diese so zu erklären. Ein Begriff, der hier sehr wichtig ist: Die Kulturindustrie. Adorno war ein Feind der inhaltslosen, ständig das Gleiche reproduzierenden Kulturindustrie, denn diese hält die Menschen in den jeweils bekannten Schemata eines Genres (bspw. Krimis) fest und erlaubt es nicht, zu gedanklicher Freiheit zu gelangen. Das Problem ist: Den Menschen gefällt das, was sie bereits kennen. Jedes Musik- oder Filmgenre quetscht die bekannten Schemata des Genres rücksichtslos aus und jede Akkordfolge, Liebesstory, Actionszene etc. gefällt, weil sie so ähnlich schon bekannt war. In Kombination mit der von euch beschriebenen einfachen Einteilung in Gut und Böse, dem wohligen Gefühl, dass die Staatsmacht immer die Gerechtigkeit wiederherstellt, ergibt sich: Urlaub fürs Gehirn. Leider können die Menschen sich so niemals qualitativ unterschiedliche Gesellschaften erdenken, ihnen fehlt sogar die Vorstellungskraft dazu!
Zum Thema Gewalt: Auch im Seminar wurde die Statistik genannt, die wohl auf westliche Industrienationen zutrifft: Die Gewalt- und Mordraten gehen zurück. Ich habe mich nicht weiter mit dem Thema beschäftigt, doch finde es erschreckend, dass nach eurer Aussage “wenig Forschung” zum Thema Gewaltdarstellungen in Medien existiert. Meine Vermutung ist zwar, dass das vermehrte Erleben von Gewaltszenen in Filmen und Videospielen eine Art Ersatzhandlung für einen gewalttätigen Trieb in uns ist, dass es jedoch gleichzeitig zu einer Abstumpfung gegenüber Gewalt führt. Das moderne Subjekt wächst mit tausenden Mord- und Gewaltszenen auf und ist so vielleicht sediert, doch auch nicht mehr zu schocken, wenn westliche Kampfjets eine Zivilbevölkerung durch Bomben auslöscht, wenn Soldaten Gefangene foltern oder wenn Drohnen-Raketen Hochzeitsgesellschaften zerfetzen.
Tatort und Krimis im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind meiner Meinung nach die harmlosere Variante eines modernen Phänomens zunehmender Gewaltdarstellungen in den Medien, doch selbstverständlich auch kritisch zu betrachten.
Viele Grüße
André Strick


8. Leserbrief

Sehr geehrtes Nachdenkseiten-Team,

die Frage, die Frau Sorg aufwirft, habe ich mir auch schon oft gestellt.
Ich bin Krimi-Fan, finde aber die Qualität der (deutschen) Krimis immer schlechter. Auch Krimis, an denen Deutschland beteiligt sind, werden m. E. immer schlechter. Dafür wird man damit zugeschüttet… Inzwischen gucken wir nur noch selten Tatort oder Soko o.ä. zu Hause. Was uns jedoch auffällt – neben der Gewalt- ist, dass die Stories und Figuren immer abstruser werden – die Persönlichkeiten der Kommissare auch immer a-sozialer und dass man anscheinend massiv Bürger-Erziehung über die Krimis betreibt, indem man dort massiv bestimmte Narrative bedient…
Gestern war wieder so ein Klassiker… (Der Russe (gespielt von einem estnischen Schauspieler) ist so ein Arsch, da hat man Mitleid mit der Mörderin. Mich hat der Charakter des “Russen” eher an das Gebaren von (etlichen) Westdeutschen nach der Wende im Osten erinnert…

Viele Grüße,
Doris S.
Dresden


9. Leserbrief

Liebe Frau Sorg und Mannschaft,

eine Thema das mir auch schon 30 Jahre auf unter den Nägeln brennt. Ich halte es für eine kulturelle Katastrophe mit all’ den Krimis. Seit mindestens 20 Jahren schaue ich auch keine mehr. Ausnahme ein paar alte DDR-110ner die mir auch niemals Angst machten. Gab es auch mal echte größere Straftaten die auch teilweise verfilmt wurden oder am Thema angelegt waren konnte man Gewiss sein das das Pack auch gefunden wurde und auch rigoros aus der Gesellschaft entfernt wurde. So kann ich auch fast garnichts zu den konkreten Inhalten heutiger Krimis sagen, weis aber schon durch das zufällige daraufschalten meist sofort, schon an Hand der Typen die da gezeigt werden, das ich mich wie auch auf vielen anderen Gebieten schäme der Rasse Mensch anzugehören. Leider ist das so weil es auch tatsächlich Abschaum en gros mit steigender Tendenz, so mein Gefühl, gibt. Andererseits bin ich mir völlig im klaren das nur in einer höchst verkommenen Gesellschaft sich so viel kranke Hirne entwickeln können! Das gleiche gilt natürlich auch für die meisten kapitalistischen “Eliten” der Wirtschaft und Banken! Deren Opfer gehen bekanntlich in die Millionen!

Zurück zum Krimi: Es ist mir auch wie Ihnen absolut unverständlich wie es “Unterhaltung” sein soll etwas darzustellen bei dem sich jeder wünscht nicht davon betroffen zu werden, und die Möglichkeit ist um ein vielfaches höher in der heutigen “Freiheit”. Es erübrigt sich jetzt dutzende von Beispielen anzuführen.

Noch eine kleine Anekdote: Ich habe in der DDR öfters so es sich ergab, wir hatten kein ZDF, völlig unbedarft Aktenzeichen XY geschaut. Das war nun kein Krimi wie jeder weiß, aber spannend. Als dann unsere Grenze nicht mehr gesichert war und ich Ende des Jahres wieder mal XY schaute überkam mich ein Schauer aus Angst, Wut und Traurigkeit etc. und mir wurde bewusst das der ganze Dreck nun auch zu UNS kommt. Wenige Tage oder Wochen später hatten wir in Thüringen das erste ermordete Mädchen! So war es und so ist es bis heute.

Mit frdl. Grüßen. Udo Wellhöfer Jena.

PS: Man sollte mal eine Statistik anfertigen wie viele (dargestellte) Morde ein Kind im Durchschnitt schon gesehen hat wenn es bspw. eingeschult wird!!!


10. Leserbrief

Hallo, liebe Redaktion!

Schon lange warte ich darauf, dass sich die Nachdenkseiten zu der Krimi-Flut im Fernsehen äußern.
Welchen Sender man auch immer zu allen möglichen Zeiten wählt: die “Chance”, auf einen Krimi oder sogar “Thriller” zu treffen, liegt bei  50%! Ich denke dann immer an die Kinder, die – aus welchen Gründen auch immer – nachmittags unbeaufsichtigt vor dem Fernseher sitzen und “Sex and Crime” vorgesetzt bekommen. 

Ich frage mich immer wieder, was sich die Programmmacher dabei denken? Es kann doch nicht sein, dass es eine so große Anzahl minderbemittelter Zuseher gibt, die sich nicht ein niveauvolleres Fernsehprogramm wünschen. Oder doch? Ich finde, Fernsehen sollte in gewisser Weise auch einen Erziehungs- und Bildungsauftrag haben – oder sehe ich das falsch?  

Ich jedenfalls schaue mir keinen einzigen Krimi oder Thriller an. Die täglich in aller Welt in der Realität verübten Morde, Verbrechen und Schandtaten sind ja schon mehr, als ein einigermaßen emphatisch eingestellter Mensch verkraften kann.

Mit freundliche Grüßen
Gertrude Fernekes


11. Leserbrief

Der Beitrag von Anette Sorg ist so gut geschrieben das sich dem kaum noch etwas hinzufügen läßt. Ich sehe schon lange nicht mehr fern, auch nicht im Internet, weil mir davon übel wird. Unterhaltung, Info ist für mich was anderes.

Die Rundfunkanstalten machen ihre Arbeit schon lange nicht mehr, sondern suggerieren realitatsfernen Bullshit. Zu viel Gewalt, sinnlose Grausamkeiten und widerliche Darstellungen von Obszönitäten wie Folterszenen. Tatort ist zu einer Hollywood Katastrophe verkommen, genauso wie man aus dem original James Bond 007 eine brutale Perversion gebastelt hat. Man muß sich fragen sind diese abartigen, pervers veranlagten Programmgestalter, Filmemacher gerade in der heutigen Zeit noch tragbar? Selbst aus der original McGyver Serie hat man den Sinn, statt Gewalt, mit Wissen und Köpfchen Probleme & Co zu lösen, eine widerliches Zerrbild gemacht. Das Original ist ja für den mittlerweile dummen Zuschauer zu “langweilig” geworden. Es stellt sich auch die Frage, wie verblödet Schauspieler eigentlich heute schon sind. Stolz auf seine “Arbeit” kann man doch unmöglich heute noch sein.

Daraus ergibt ein Bild das schlimmer nicht mehr sein kann. Der Zuschauer von Fernsehen, Kino und dem Mist im Internet, soll wohl gezielt abgestumpft werden gegen sinnloser Gewalt, widerlichen Grausamkeiten, ekelhaften Darstellungen (ich habe mal einen Film gesehen, wo man eine Frau an den Füßen aufhängte und mit einer Machete, wie ein Schwein lebend geschlachtet hat. Schon mal gesehen, wie man einen Menschen so in zwei Teile teilt? Was soll daran Unterhaltung sein?)

Die Macher von dem ganzen Schund arbeiten doch offensichtlich mit der Regierung oder fragwürdigen Beratern zusammen. Jemand bestimmt das “nötige Unterhaltungskonzept”. Daraus ergibt sich eine erschreckende Zukunft, man sagt ja hinter geschlossenen Türen “.. das darf die Bevölkerung niemals erfahren ..” Als ob man schon sehr genau wüßte, wie entsetzlich die doch so schöne Zukunft wirklich einmal sein wird. Da sollte man schon Angst haben. Das die Jugend mit all den Schund verkorkst wird, immer mehr geisteskranke Psychopathen zu sinnloser Gewalt neigen (siehe Schießereien in den USA) nennt man Kollateralschäden. Auf was für eine Zukunft steuern wir eigentlich zu ???

Mit freundlichen Grüßen
Freddy 56


12. Leserbrief

Krimi-Flut im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und ihre Folgen

12. August 2019 um 13:33 Ein Artikel von Anette Sorg

Ihr Beitrag hat mir sehr gut gefallen.

Schon immer habe ich mich gefragt, was war eigentlich zuerst da: Die Gewalt oder Film/Geschichte/Reportage darüber.

Bekannt ist, dass sowohl die Kinder im Kindergarten am Montag sich aggressiver verhalten als die Tage bis Freitag.

Auch auf den Schulhöfen sind diese vom Fernsehfilmen kopierte Verhaltensweisen zu beobachten.

Auffallend ist auch, dass deutsche Fernsehproduktionen die amerikanischen oft kopieren: Immer realistischere und damit brutalere Darstellung von Gewalt und die Leichenbeschauung, möglichst noch in Großaufnahme.

Auch in der “History” Serie (ZDF) werden die Römer immer brutaler. Warum muss denn noch Blut spritzen ?

In verschiedenen anderen Filmbeiträgen wird geraucht.

Das ist wirklich unglaublich, das können dann auch Kinder sehen.

Ich habe mich gefragt, woher eigentlich das Treten auf liegende Menschen herkommt. mit Sicherheit erst im Film, dann auf dem Schulhof.

Ein weiterer Trend ist auf dem Vormarsch: Darstellung von Raucher- und Trinkszenen.

Ich habe mich bereits beim Fernsehen und vielen anderen Organisationen über die Raucherszenen beschwert. Von der ARD (Beschwerde über nachweisbar völlig unsinnige Raucherszenen, zB Rauchen in einem Museum) wurde meine Beschwerde als nicht zutreffend behandelt (gemäß Drehbuch notwendig oder historischer Film).

Für mich ist Rauchen nicht nachvollziehbar, es sei denn, es gibt eine Unterstützung durch die Tabakindustrie

MfG
Bert Zapart


13. Leserbrief

Dem Artikel kann ich nur zustimmen! Man weiß manchmal gar nicht mehr was man sich als Ausweich ansehen soll.

Meiner Meinung ist das ganze ganz klar gesteuert! Es sieht so aus, als wolle man ganz gezielt den Hass unter den Menschen fördern.

Und dann wundert man sich ,dass man vor niemand mehr Respekt hat.

„nachdenkseiten“ macht weiter so!!

Freundliche grüße


14. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten,
 
ich kann Ihren Eindruck von der Krimiflut im TV-Programm bestätigen. Als ich gestern Abend auf der Homepage des ZDF war, um zu schauen, ob ein interessanter Montag Abend Film läuft, wurden mir auf den großen Teasern gleich drei Krimis hintereinander angekündigt. Zwei davon mit einer Empfehlung “ab 16 Jahren”. Ich war schon kurz davor Screenshots davon dem ZDF zu senden, um zu fragen, was das soll. Die nachfolgenden Teaser preisten dann allerdings Reportagen aus dem engl. Königshaus und Quiz-Sendungen an, da war ich wieder beruhigt, dass die Zuschauer auch noch mit anderen dummen Themen abgelenkt werden.
 
Ich denke, die Ursache der Krimi-Flut ist, dass die Leute, das tatsächlich sehen wollen, da sie in ihrem Leben so abgestumpft sind, dass sie hier mal wieder einen Kick benötigen. Die Programmveranstalter machen es sich einfach und müssen und wollen auch gar nicht, andere kreative Themen bearbeiten, die die Zuschauer ggf. zum Nachdenken bringen. Diese Sendeplätze sind dann belegt und müssten nicht mit anderen Themen versorgt werden und gleichzeitig ist die Zeit der Zuschauer belegt. Da schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe.
Das schlimme an den Krimis ist zudem, dass die gezeigten Bilder immer brutaler werden, auch an Stellen, die dramaturgisch gar nicht notwendig sind und ich frage mich, wie verarbeiten die Zuschauer das, meist kurz vor dem Schlafen gehen, noch entstellte Leichen zu sehen. Warum tun die sich das an?
 
Gruß
Beck Beckmann


15. Leserbrief

Liebes Nachdenkseiten-Team, liebe Anette Sorg,
 
es ist toll, dass Ihr das Thema der Krimiflut in der ARD aufgegriffen habt – weil es so offensichtlich und problematisch ist, es aber trotzdem medial kaum thematisiert wird. Da ich im Alltag nicht fernsehe, fällt mir das überbordende Angebot von Mord- und Totschlagsendungen nicht nur in der ARD, sondern auf allen großen TV-Kanälen umso stärker auf, wenn ich den Fernseher mal wieder einschalte. So geschehen in diesem Sommerurlaub. Zugegeben es war das Abendprogramm, aber auf nahezu jedem Sender wird da gemetzelt, massakriert und erschossen. Sind es nun Zombies, außerirdische Eindringlinge oder feindliche Geheimagenten. Gewaltfantasien wohin man blickt. Andere Arten der Konfliktlösung gibt es offenbar nicht. Da darf man sich als Zuschauer schon glücklich schätzen, eine Sendung zu finden, in der „nur“ irgendwelche Gerichtsmediziner lange ungelöste Mordfälle aufklären.
 
In ARD und ZDF ist es nicht ganz so blutig wie auf den privaten Kanälen, aber das Prinzip ist dasselbe. Verbrechen und Gewalt regieren. Nur unsere sympathischen Kriminalisten und Ermittler können uns retten. Und dann erklärt der Moderator des ARD-Politmagazins FAKT in der Sendung vom 23. Juli den Zuschauern: „Das Internet ist voll von Hass- und Gewaltfantasien bis hin zu Todesdrohungen.“ Bei so viel Dreistigkeit fällt man fast vom Sofa. Das ist Schizophrenie in Reinform. Allein im Programm der ARD werden jährlich wahrscheinlich mehr Menschen ermordet als in der Realität dieses Landes, aber mit dem Finger zeigt man lieber auf „das Internet“. Ich weiß nicht, auf welchen Websites und Online-Foren sich der Moderator herumtreibt (vielleicht in der ARD-Mediathek?), aber ich persönlich erlebe das Internet weitaus friedlicher und auf Informationsvermittlung orientiert, als das allgemeine Fernsehprogramm. Sicher, ich verzichte auf alle „sozialen Medien“, aber es gibt so viel mehr im Internet zu entdecken: kritische Artikel, informative Diskussionssendungen, tiefgründige Interviews und aufklärerische Dokumentarfilme – alles Formate, die auch in der ARD laufen könnten, nur da ist die Sendezeit leider so knapp wegen der vielen Mordfälle. Wenn man sich also bewusst macht, was alles möglich wäre und das mit der traurigen Programmrealität von billigem Klamauk und allgegenwärtiger Gewaltlegitimation vergleicht, dann wächst die Einsicht: Die großen Medien sind nicht nur „Massenzerstreuungswaffen“ (Ulrich Teusch), sondern auch ein großes Problem für die Friedensbewegung.
 
Stefan Korinth
 
Die erwähnte FAKT-Sendung mit dem Zitat des Moderators Felix Seibert-Daiker bei 9:36.
 
Ein Beispiel für den schlimmen Klamauk beim ZDF.


16. Leserbrief

Hallo,

man kann darüber diskutieren, ob man mit einem TATORT, von der realen Gewalt abgelenkt werden soll. Dazu braucht man aber erst einmal genügend Menschen die sich der realen Gewalt bewusst sind.

Stellen sie doch einmal in irgendeine Stadt zwischen Warschau und Lissabon, Rovaniemi und Messina und fragen Passanten nach dem Jemen-Krieg. Ich wette, 90% der Leute wissen nicht, wovon man redet.

Die wenigen TATORTE, die ich mir manchmal in der Mediathek ansehe, empfinde ich eher als harmlos und langweilig bis hanebüchen, also wird da meiner Meinung nach eher eine heile Welt suggeriert, als Verrohung gefördert (wie beim Musikantenstadl, falls es den noch geben sollte). Nervenkitzel gibt es da nicht. Homer Simpson, würde sagen, laaaaaaaaaangweilig.

Der Einfluss auf Kinder und Jugendliche dürfte gering sein, die gucken das eh nicht. TATORT ist wohl was für Menschen 40+.

Kinder (da wo die Eltern, keine Internetseiten sperren), aber vor allem Jugendliche (da nützen auch die Sperren nichts mehr), sind längst auf youtube, etc. unterwegs. Von dem ganzen Gaming einmal abgesehen, da wird dann nun wirklich Gewalt exerziert und in gewissem Maße auch gefördert, wenn man sieht, was man bei FORTNITE Meisterschaften so an Geld gewinnen kann.

Der TATORT trägt kaum zur Verrohung bei, es ist dann doch der Neoliberalismus in all seinen Facetten, wie im Artikel erwähnt.

Bei Kindern ist ja auch eher so, dass sie Gewalt im TV schon viel eher miterleben. Aus meiner Kindheit ist mir da noch Tom & Jerry bekannt, bei Itchy & Scratchy wird auch ganz schön gemetzelt und auch bei Wickie gab es in jeder Folge eine Massenschlägerei. Nur Zeichentrickfilme?

VG,
MP


17. Leserbrief

Es sind ja nicht nur die Krimis, dazu kommen dann noch die Spielfilme, Dokus, etc.

Das war jetzt mal auf die Schnelle, an einem Montagabend.

Und alles zur quasi parallel zur gleichen Zeit.

  • ZDF: Die Hölle
  • Arte: Mr. Long
  • ZDF Neo: Inspector Barnaby
  • ZDF Info: Täterjagd
  • hr: Tatort: Feierstunde (Fernsehfilm)
  • MDR: Mord auf Shetland
  • RBB: Tatort: Liebe macht blind

Dazu die Privaten …

  • Kabel Eins: Lethal Weapons
  • Servus TV: Felony
  • SAT1 Gold: Im Kopf des Verbrechers
  • RTLNITRO: Alarm für Cobra 11
  • ProSieben MAXX: Gotham
  • TELE5: Warhammer
  • SUPER RTL: On The Case Unter Mordverdacht
  • SIXX: Forever
  • SIXX: Killer Couples (gleich im Anschluss)

Killer, Mord, Tot, Verbrechen, so geht das jeden Tag.
ZDF Info ist, was die Menge betrifft, besonders schlimm.

MfG
Volker Ehmann


18. Leserbrief

Hallo Nachdenkseiten,

zuvorderst wäre es doch sicher interesant zu bewerten, inwieweit sich die nach meinen Beobachtungen zunehmende Krimiflut zur besten Sendezeit noch mit dem Auftrag der öffenlichen Rundfunkanstalten nach §11 in Deckung bringen lässt.

Meines Erachtens findet doch eher ein erbitterter Wettbewerb mit den Privaten um die Quoten statt.

Drüber hinaus wird der Wettbewerb zusätzlich zwischen ARD und ZDF geführt. Bestes Beispiel – Fußball im Ersten, hintereinander 2 Krimis im ZDF und Verschiebung des Heute-Journals auf 23 Uhr.

Das alles ist Wasser auf die Mühlen derer, die den sicher generell erhaltenswerten öffentlichen Rundfunk abschaffen wollen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Tuchscheerer


19. Leserbrief

Liebe Frau Anette Sorg, Sie haben ja so Recht.
 
Ich wundere mich schon lange über die zunehmende Kriminalität im deutschen Fernsehen – aber nicht nur wundern, ich finde es ungeheuerlich, dass keiner der Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft erkennen kann, wie die moralische Verwahrlosung  – z.B. durch die Vorbilder in Fernseh-Programmen –  insbesondere bei der nachkommenden Generationen zunimmt und zunehmen muss.

Aber wenn dann Einer, dem die Krimis im Fernsehen gefallen – die er regelmäßig anschaut  – und die er dann in die Tat umsetzt,  dann schreien alle    „oh  –  wie schrecklich“ !!

Was erwartet ihr denn, wenn für Kinder im Fernsehen Mord und Totschlag an der Tagesordnung ist – und zwar teilweise in widerwärtigster Art und Weise mit ausführlich demonstrierten Quälereien !.

Aber wundert es ? Wo soll denn die Moral herkommen,  wenn alle Länder/Nationen dieser Welt sich in kriegerischen Planungen und Prozessen vergessen, um Anderen klar zu machen, wer das Sagen hat, erforderlichenfalls mit Lug und Trug ,  dafür Milliarden und Aber-Milliarden an Geld ausgeben  – das für viele gute Zwecke besser geeignet wäre –  und dabei Millionen von Menschen töten oder ins Unglück stürzen –  letztlich um ihre Macht und ihren Wohlstand zu sichern. 

Diese Macht-Moral verbreitet sich  –  wenn die Politiker täglich töten, wenn im Fernsehen Töten Alltag ist –  dann ist das Alltag für Alle.

Besonders unergründlich scheint mir die Tatsache, dass eine „ christliche Union “  nicht etwa nur zuschaut bei Massen-Tötungen und Verwüstungen, sondern auch noch einverstanden ist,  dafür eigene Soldaten zu opfern, mit Flugzeugen und Bomben diesen Terror zu unterstützen und dafür auch noch viel mehr Milliarden Euro ausgeben will.

Wer da seinen Glauben an die Religion behält, muss seinen Verstand opfern.
 
Mit freundlichen Grüßen
Elgard Jabi


20. Leserbrief

Liebe Frau Sorg,
liebe NachDenkSeiten-Macher,

natürlich stimme ich Ihnen bei Ihren Bemerkungen über die Krimi-Flut im TV zu. – Die Machart wird auch immer schlichter, solche Charaktere wie Palu (Saarland) und Lena Odenthal, den knorrigen Schwaben aus Stuttgart (Name fällt mir grad nicht ein) gibt’s auch nicht mehr, … also die “Tatorte” tu ich mir nicht mehr an.

Ich möchte kurz etwas ansprechen, was fast noch viel schlimmer ist. Für uns kritische Menschen fällt ja der ganze Plunder im Kommerz-Fernsehen (vollkommen zurecht) von vornherein als indiskutabel weg. Nur: Eine Wirkung hat der schon, und auch ein durchschaubares Konzept.

Die Sender n-tv, Vox, Welt (vormals N24), TLC etc. spulen in Endlosschleife recht dubiose “Dokumentationen” ab (gar nicht zu reden von dem Scripted-Reality-Müll bei RTL & Cie.). – Also das, was die präsentieren, soll demgegenüber “echt” sein.

Zunächst mal: Es ist echt, aber “echt USA” red-white-and-blue, denn all dieser Schrott kommt von dort, oft stümperhaft synchronisiert. – Es werden die wildesten Perversitäten und Brutalitäten präsentiert. Muster ist stereotyp: hoffnungsvolle (meist) Tochter wird von brutalem Monster (pervers & drogensüchtig) gekillt, möglichst bestialisch. – Wackere Ermittler (vom FBI, Nachfolger des “Engels” J. Edgar Hoover, der Martin Luther King, Muhammad Ali und viele andere zersetzen ließ) finden den bösen Kerl. – Und dann (die Instinkte sind des Publikums sind schon am Siedepunkt), … das Urteil der Jury wird verkündet: Todesstrafe! Am besten zum Schluss noch: “vollstreckt am” plus Datum. – Tiefste Zufriedenheit.

Wir wissen natürlich, dass das US-Justiz-System mitnichten so unfehlbar ist: O.J. Simpson kam mit seinem Mord glatt davon, Angela Davis wäre um Haaresbreite justizgemordet worden … Das sind nur die einfachsten Fälle, man kann auch beliebig weit zurückgreifen, bis Sacco und Vanzetti, bis zu den Killersöldnern der Agentur Pinkerton, Haymarket, etc.

Aber ich komme zurück auf das “pädagogische Konzept” dieser Sender: Die Brutalisierung des Publikums. Das ist so gewollt.

Nun ein (nicht ganz unwesentlichen) Nebenaspekt: Wer ist in all diesen Stories denn “wir”? (Wie das suggeriert wird.) – Wie gesagt, ist dieser Müll US-amerikanischer Provenienz. – Da läuft subkutan eine Gewöhnung ab, als ob deren Verhältnisse das völlig Normale und weltweit Gültige seien. – Dem ist aber mitnichten so! Auch wenn wir von Deutschland aus vielleicht in ganz ähnlicher Weise pauschalisierend unsere Einrichtungen für die allein maßgeblichen halten, sehen wir dann doch neidvoll auf die soziale Renten- und Wohnungspolitik in Österreich, oder die echte Basisdemokratie in der Schweiz …

Kurz noch bezüglich des sonstigen Doku-Mülls auf diesen Sendern: Da läuft andauernd das Dritte Reich rauf und runter, und als ob allein die Landung in Omaha-Beach die Menschheit gerettet hätte. (Dass die Sowjetunion unter unermesslichen Blutopfern den Hauptbeitrag zum Sieg über Nazideutschland geleistet hat, wird nicht erwähnt.)

Ansonsten werden dort noch Superlative vorgestellt. Superlative der “Wehrtechnik” zumal: soundsoviel PS, Reichweite, Durchschlagskraft usw. Eine wahrhafte perverse Allmachtsorgie für männliche pubertäre Dumpfbacken …

Es ist gemein von mir, all dies so direkt anzusprechen. – Ja, es gibt dort auch “Seriöses”: Aliens z.B. und drohende Meteoriten-Einschläge. – Oh ja! Und welcher pubertäre Junge hätte nicht schon einmal davon geträumt, mit einem Super-Riesen-Bulldozer den ganzen Wald und die Landschaft abzuräumen, bei deren Anblick seine Freundin (die er niemals hatte …) sanft den Kopf an seine Schulter legte. “Rawumms, weg damit!”
Das fühlt sich so toll an, so ‘ne Maschine!

Und so läuft dort auf diesen Programmen nur eines: “Rache, Rache!
Schlagt sie alle tot!” – Dehumanisierung ganz pur & schamlos.

Wir sollten das ernst nehmen. Ich meine, das ist auch nicht so schwer, wenn man die Menschen wieder in die Mitte ihres ganz realen eigenen Lebens zurückholt.

Allerdings, und da haben Sie von den NachDenkSeiten sehr recht, die Medien sind heutzutage ziemlich verkommen.

Ich greife als Gegenbeispiel jetzt mal ganz weit zurück: Erinnern Sie sich noch an Reporterlegenden wie Franca Magniani? (Aus einer Zeit, als man auf meinem Schulhof damals noch ungeniert “Ithakersau”, “Zitronä-Schittler” und solches Zeug sagte? Das will heute kaum einer wahrhaben, aber so war es tatsächlich.) – Ich glaube, solche Journalisten, fehlen uns. (Aber die hatten’s damals auch nicht leicht.
Der Bayrische Rundfunk und die CSU, was ja das gleiche ist, haben sie entfernt. Es gab auch Menschen wie Heinrich Böll, die gegen solche Machenschaften protestierten.)

Herzliche Grüße
Andreas Brede


21. Leserbrief

Guten Morgen,

zum Beitrag “Krimi-Flut im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und ihre Folgen”

Die Lust am Krimi liegt in der Fazination der Ermittlung. Welche Hinweise, welche Vernetzungen führen am Ende auf den Täter?

Die Lust ist so groß, dass sogar Krimi-Dinners und Krimi-Spiele veranstaltete werden.

Warum wird die Lust am Ermitteln nicht auf den Tatort Rathaus angewendet? In den Kommunen entwickelt sich ein zunehmend unbeobachteter Tatort, in dem ungestört und zunehmend ungenierter jenseits des Gesetzes operiert wird.

Es wäre doch eine dankbare Aufgabe ein Krimispiel bei der lokalen Politik anzusetzen. Da gibt es viele Fälle, wie ich aus langjähriger Arbeit an kommunalen Themen erfahren haben. Themen die weit über die Kommune eine Brisants haben, wie Energie-, Industrie- und Rüstungspolitik. In den Kommunen, wo keiner so genau hinschaut, ist der ideale Ort für dunkle Geschäfte. Geschäfte mit Grundstücken, Bauaufträgen und Fördermitteln.

Welch schöne Vorstellung: In jeder Kommune gibt es eine Bürger-Soko zum Tatort Rathaus. Eigentlich sollten das die Partein leisten, aber die kuscheln lieber und machen mit.

Das Thema griff 1979 schon Hans Scheibner auf mit seinem Song “Das macht doch nichts, das merkt doch keiner”

Das macht doch nichts, das merkt doch keiner
Frau Lorenz lag mit einem Mann
im Bett, da fragte der,
ob das nicht Ärger geben kann,
weil sie verheirat’ wär?
Da lachte Frau Lorenz: „Mein Kleiner,
das macht doch nichts, das merkt doch keiner!“
 
Kuckuck, Kuckuck …
 
Es gab ein Mann der Steuer an,
was er verdient im Jahr.
Er gab natürlich nicht alles an,
er machte, das ist doch klar,
den großen Betrag etwas kleiner –
Das macht doch nichts, das merkt doch keiner!
 
Kuckuck, Kuckuck …
 
Es steht eine Fabrik am Fluss,
die hat ein Abflussrohr,
von dem nicht jeder wissen muss –
das kommt ja überall vor.
Der Fluss wird davon zwar nicht reiner –
Das macht doch nichts, das merkt doch keiner!
 
Kuckuck, Kuckuck …
 
Es saß ein Richter viele Jahr
zu Gericht in unserm Land,
obwohl er selbst ein Schurke war,
seine Akten war’n verbrannt.
So ein Heuchler, so ein gemeiner –
Das macht doch nichts, das merkt doch keiner!
 
Kuckuck, Kuckuck …
 
Im Kernkraftwerk, wie ärgerlich,
ging gestern etwas schief.
So dass ein bisschen – oho – entwich,
Und der Direktor rief:
„Hauptsache, es quatscht hier nicht einer!
Das macht doch nichts, das merkt doch keiner.“
 
Kuckuck, Kuckuck …
 
Ein Englein kam zu Gott, dem Herrn,
und rang vor Schreck nach Luft:
„Die Erde, Herr, Dein schöner Stern,
hat sich grad selbst verpufft.“
Da lächelte Gott: „Ach, mein Kleiner,
das macht doch nichts, das merkt doch keiner!“
 
Kuckuck, Kuckuck …

Gruß aus einer nordhessischen Kreisstadt
Delf Schnappauf


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