Schulbaukomplott. Berlin braucht neue Lehranstalten – der Senat betreibt ihren Ausverkauf

Schulbaukomplott. Berlin braucht neue Lehranstalten – der Senat betreibt ihren Ausverkauf

Schulbaukomplott. Berlin braucht neue Lehranstalten – der Senat betreibt ihren Ausverkauf

Ein Artikel von Ralf Wurzbacher

Die rot-rot-grüne Hauptstadtregierung ist schon fast drei Jahre im Amt. Ihre hochgejubelte sogenannte Schulbauoffensive kommt trotzdem nicht in die Gänge. Von Dutzenden Vorhaben existieren die meisten nur auf dem Papier. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die allein 30 Neubauten stemmen will, ist nicht einmal in die Planung eingestiegen. Solange die Verträge mit den Bezirken nicht gemacht sind, macht keiner einen Finger krumm. Und auch danach ist mit der Fertigstellung nicht vor 2026 zu rechnen. Für Carl Waßmuth vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand ist die Einbindung der GmbH eine Privatisierung durch die Hintertür und ein schlimmer Fall von Zeit- und Geldverschwendung. Mit ihm sprach Ralf Wurzbacher.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Herr Waßmuth, Ihnen läuft die Zeit davon. In Berlin ist der Senat aus SPD, Grünen und Linkspartei gerade dabei, die sogenannte Berliner Schulbauoffensive (BSO) unter Dach und Fach zu bringen. Der Rahmenvertrag zum Projekt wurde schon vor Monaten unterzeichnet. Was noch fehlt, sind die Einzelverträge zwischen den Stadtbezirken und der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge. Diese soll als Teil des Vorhabens 30 Neubauprojekte und zehn Großsanierungen stemmen und sich dafür mindestens 1,7 Milliarden Euro auf dem privaten Kapitalmarkt beschaffen dürfen. Die Verhandlungen sollen kurz vor dem Abschluss stehen. Warum meinen Sie, den Deal um jeden Preis verhindern zu müssen?

Wenn die Sache durchgeht, schauen die Menschen in Berlin in die Röhre. Mit den Unterschriften werden die viel zu hohen Kosten rechtsverbindlich und die großen Verzögerungen unvermeidlich. Wir kennen das von anderen ÖPP-Vorhaben: Hinter diesen speziellen Unterschriften sind Kapitalanleger und Beraterfirmen her wie der Teufel hinter der armen Seele. Sie binden das Land Berlin für 37 Jahre.

Und dass die maßgebliche Privatfirma, die Howoge GmbH, in diesem Fall noch in öffentlichem Eigentum ist, wird uns wenig helfen. Zum einen gelten die Verträge in jedem Fall und zum anderen wurde gerade ein Manager der Vonovia zum Geschäftsführer der Howoge ernannt. Die Vonovia ist einer der größten Privatisierungsgewinnler der letzten zehn Jahre in Deutschland. Da kennt man sich bestens damit aus, wie man aus öffentlichem Eigentum und Steuergeldern private Gewinne macht.

Warum ist die landeseigene Howoge für Sie eine „Privatfirma“? Und warum stellen Sie den Vergleich zu öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) her, während die BSO offiziell als öffentlich-öffentliche Partnerschaft (ÖÖP) gehandelt wird?

Die Howoge ist eine GmbH, die nach Gesetz und Satzung zur Gewinnerzielung verpflichtet ist. Bisher hat die öffentliche Verwaltung Schulen selbst geplant, gebaut und betrieben. Das nötige Geld hat ihr das Parlament freigegeben und das Ziel war ein geordneter Schulbetrieb. Bei der Howoge werden Schulen jetzt zu Kapitalobjekten. Sie bekommen feste Einnahmen und kalkulierbare Ausgaben – unter der Vorgabe, Renditen abzuwerfen. Die Howoge ist auch insofern privat, als sie jederzeit verkauft werden kann, samt den Schulen, die man ihr übertragen will. Das ging mit den Schulen bisher nicht und auch mit der Verwaltung konnte man das nicht machen.

Zur Frage ÖÖP oder ÖPP. Die Howoge übernimmt in der BSO die Rolle der sogenannten ÖPP-Projektgesellschaft, mit allen von ÖPPs bereits bekannten Merkmalen. Dazu gehört die lange Laufzeit der Verträge, die Geheimhaltung, die Hebelung von zehn Prozent der Investitionssumme mit Hilfe von 90 Prozent Kapitalmarktkrediten. Die Bezeichnung ÖÖP war immer schon Augenwischerei von Rot-Rot-Grün, ein kühl berechneter Euphemismus zur Täuschung der eigenen Wählerschaft.

Trotzdem beteuern die Koalitionäre zu jeder Gelegenheit, dass die BSO nicht auf eine Privatisierung des Schulbaus hinausläuft, auch nicht auf eine versteckte.

Die Menschen haben Privatisierungen mehr als satt. Wer heute noch privatisiert, riskiert seine Abwahl. Von daher war es den Berliner Koalitionären ungemein wichtig, zu jeder Zeit den Privatisierungscharakter des Vorhabens zu verbergen. Gleichzeitig mussten sie darauf achten, dass die Vertragskonstruktion das Ziel „Umgehung der Schuldenbremse“ nicht verfehlt. Für Letzteres wurden Rechtsgutachten beauftragt. Dabei ist ein fataler Lapsus passiert: Die als Gutachter tätigen Juristen bestätigen, dass man so die Schuldenbremse umgehen kann. Aber sie plauderten dabei aus, natürlich davon auszugehen, dass es sich bei der Konstruktion um eine Privatisierung handelt.

Mit etwas Abstand ist das auch ohne Gutachten klar. Die Deutsche Bahn AG agiert so ungestört kunden- und klimafeindlich, weil sie ein privatisiertes Unternehmen ist, das auf Gewinne und hohe Managementgehälter aus ist. Die privatrechtliche Howoge unterläuft derzeit das öffentliche Vergaberecht, indem sie ganz normale Bauvorhaben als Forschung ausgibt. Das gibt uns einen Vorgeschmack auf einen möglichen Howoge-Schulbau.

Wie könnte also in Zukunft Schulbau à la Howoge schmecken?

Die erste Folge ist schon zum aktuellen Schuljahresbeginn zu spüren: zu wenig Schulplätze! Nebenräume und Keller wurden zu Klassenzimmern umgewidmet. Denn so absurd es klingt, die Übertragung des Schulbaus an die Howoge verzögert den Baufortschritt erheblich, statt ihn zu beschleunigen. Das liegt zum einen an den zahlreichen und hochkomplexen ÖPP-Verträgen – dreiunddreißig insgesamt! – die ausgehandelt werden müssen, bevor man überhaupt mit der Planung beginnen kann. Zum anderen fungiert die Howoge im Weiteren nur noch als Briefkastenfirma, sie reicht Planung und Bauausführung in großen Paketen an Großfirmen weiter. Die bauen sehr langsam, wie die Beispiele des BER-Hauptstadtflughafens und der Hamburger Elbphilharmonie zeigen.

Wenn dann doch einmal eine Schulsanierung oder ein Schulneubau fertig wird, kann es sein, dass der Schulbetrieb bald nach „BlackRock“ schmeckt – schließlich werden die Howoge-Schulen zu handelbaren Finanzprodukten und müssen künftig stets eine Rendite erwirtschaften. Auch in benachbarten Schulen könnte ein schaler Howoge-Geschmack verbleiben: Weil die Schulbauten für die Howoge schon nach jetziger Planung um ein Vielfaches teurer ausfallen werden als ein normaler Schulbau, bleibt für andere wenig oder gar nichts.

Warum teurer und wie viel teuer als anderswo?

Man kennt ja Baukostensteigerungen, ich hatte den BER erwähnt. Da schließt die öffentliche Hand mit einem Bauriesen einen Vertrag und kommt dann nicht mehr raus, selbst wenn der nicht liefert. Bei ÖPP und auch im Fall der Howoge ist es anders: Da werden die Kosten schon vor Vertragsunterschrift viel zu hoch angesetzt. Das fällt kaum auf, weil sich ja alles auf Jahrzehnte verteilt. Deswegen haben wir zu den Kosten der BSO eine eigene Studie erstellt, die wir in Kürze veröffentlichen werden. Wir haben genau nachgerechnet und mussten feststellen: Die Howoge soll für die Schulen, die sie baut, mehr als das Doppelte pro Schulplatz verlangen dürfen, als das Land Berlin bei eigenen Schulbauten veranschlagt. Bei den Howoge-Sanierungen gibt es keine Vergleichszahlen für Berlin, deshalb haben wir die bundesweit üblichen Kosten herangezogen. Und wieder ist das Howoge-Engagement mehr als doppelt so teuer. Damit würden nach den bisherigen Plänen über 750 Millionen Euro verschenkt!

Die Pläne besagen auch, dass die Howoge die fraglichen Schulgebäude überschrieben bekommt, um sie dann jahrzehntelang an die Bezirke zu vermieten. Sie sagten, allein mit der langen Laufzeit lassen sich Kosten verstecken. Inwiefern?

Die Schulen sollen von den Bezirken gratis an die Howoge übergehen, die dann viel Geld für die künftige Nutzung verlangt. Geleakte Kalkulationen gehen von Mieten bis zu 27 Euro pro Quadratmeter aus, wir kommen sogar auf über 30 Euro. Die Baupreise von Schulgebäuden sind nicht höher als im Wohnungsbau. Da würde man bei solchen Mieten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Nach 37 Jahren sollen die Bezirke die Schulen dann zurückbekommen, die dann rechnerisch null Euro wert sein sollen. Das ist hoffentlich nicht der Fall, denn dann wären sie ja unbenutzbar! Wenn aber ein Restwert bleibt, muss der auch bezahlt werden. Den Bezirken stehen also noch viele Millionen Euro an Ablösesummen ins Haus. Das Ganze ist eine völlig absurde Konstruktion, kein Privater würde so bescheuerte Verträge unterschreiben.

Aber was konkret soll so hohe Mieten rechtfertigen?

Mehrkosten entstehen unter anderem durch Projektentwicklungsleistungen, die 40 Prozent über dem Satz liegen, die das Land für eigene Bauten zahlt. Und durch Steuern, die sonst überhaupt nicht anfallen würden, etwa Grunderwerbssteuer, Grundsteuer und Mehrwertsteuer. Hier werden in Hinterzimmern unkündbare Geheimverträge ausgehandelt, die das Eigentum an den Schulen der Howoge überschreiben. Und was steht in diesen Verträgen? Laut Rahmenvertrag – dessen Veröffentlichung wir hart erstritten haben – soll die Howoge „für die Erstellung der Entwurfsplanung, deren Prüfung und die Durchführung der Partizipation“ drei bis fünf Millionen Euro je Neubauvorhaben erhalten.

Was bedeutet hier „Partizipation“?

Partizipation klingt erst einmal gut. Da stellt man sich die Beteiligung von Eltern, Schülerinnen und Schülern vor. Tatsächlich ist das aber keine definierte Leistung. Um zu verstehen, was für ein Wucher mit dem Begriff getrieben wird, muss man Entwurfsplanung und Partizipation auseinanderhalten. Leistungen für Entwurfsplanung sind gesetzlich genau geregelt, sie dürfen selbst für die eigentlich viel zu hoch veranschlagten Baukosten der Howoge maximal 1,2 Millionen Euro pro Schule betragen. Das bedeutet, dass den Bürgern pro Schule der Rest von drei bis fünf Millionen Euro, also 1,8 bis 3,8 Millionen Euro, für eine „Partizipation“ abgeknöpft wird, von der niemand weiß, was sich dahinter verbirgt.

Lässt sich das nicht herausfinden?

Die Howoge unterliegt nicht dem Informationsfreiheitsgesetz und muss keine Auskünfte geben – und gibt sie auch nicht. Über Ihre Geschäfte entscheidet sie ganz alleine. Und jetzt soll sie allein mehr als 50 Millionen bekommen – dafür, dass mit dem gesamten Modell echte Partizipation dauerhaft verhindert wird.

Ihr Verein hat sich dieser Tage mit der Forderung zu Wort gemeldet, die BSO im Volumen von einer Milliarde Euro zu kürzen. In den Berliner Schulen bröckelt überall der Putz und auch bundespolitisch wird der Ruf nach mehr Bildungsinvestitionen immer lauter. Und jetzt kommen Sie und sagen: Wir brauchen gar nicht so viel Geld, wie uns der Senat geben will. Das bringen Sie mal den Bürgern bei.

Wir fänden es toll, wenn in Berlin eine Milliarde Euro mehr für Bildung fließen würde. Aber genau das passiert nicht. Das Geld wird rausgeblasen, ohne dass eine Schülerin oder ein Schüler davon etwas hat. Es entstehen nur Mehrkosten für und durch dieses Privatisierungsmodell. Wir kämpfen für diese Milliarde und wollen sie im Bildungssystem halten. Berlin hat bundesweit die höchste Quote an Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Auch deshalb hat der Landeselternbeirat jetzt gedroht, die Zusammenarbeit mit der Bildungssenatorin ganz einzustellen.

Gemeint ist Sandra Scheeres von der SPD …

Was wir brauchen, sind viele kleine, aber schnelle Maßnahmen. Die Privatisierung über die Howoge ist das Gegenteil, weil dabei alles in Riesenvergabepakete gepackt wird. Da wird sozusagen der bröckelnde Putz von 30 Schulen zusammen europaweit ausgeschrieben. Es heißt jetzt bereits, dass die meisten Howoge-Bauvorhaben nicht vor 2026 fertig werden.

Am Montag der Vorwoche tauchten plötzlich Zahlen aus der Bildungsverwaltung auf, wonach die BSO schon jetzt hinter dem Bedarf hinterherhinkt und in zwei Jahren 26.000 Schulplätze fehlen werden.

Der Senat operiert mit falschen Zahlen. Auf die Einsparsumme von einer Milliarde kamen wir so: Zu Beginn der Schulbauoffensive hieß es, innerhalb von zehn Jahren müssten Berlins Schulen 86.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler aufnehmen. Daher müsste man neu bauen, und zwar für 2,8 Milliarden Euro. Und weil die Verwaltung nicht so viel Geld in so kurzer Zeit selbst investieren kann, sollte die Howoge helfen. Inzwischen wissen wir, dass der Bedarf an neuen Schulplätzen nur bei 53.000 liegt. Das hat der Senat selbst eingeräumt, mehrfach sogar. Nicht korrigiert wurde aber die Zahl von 2,8 Milliarden! Der Neubau für 53.000 Plätze soll genauso viel kosten wie für 86.000. Da stimmt was nicht. Der Dreisatz sagt, dass es jetzt nur noch 1,73 Milliarden Euro sein dürfen.

Sie unterstellen den Verantwortlichen, den Bedarf aufzublasen?

Hier geht es einfach um richtig viel Geld, da gibt es handfeste Interessen. Der Neubau ist das eine, dazu kommen noch Sanierung, baulicher Unterhalt und der Schulbetrieb. Damit lassen sich noch einmal viele Hunderte Millionen Euro verdienen. Offenbar haben es Interessengruppen geschafft, Zugang zu einem kleinen Kreis von maßgeblichen Entscheidern zu bekommen. Die BSO treiben in der Koalition vielleicht zehn Leute maßgeblich voran. Die Abgeordneten machen nur mit, folgen der vorgegebenen Linie. Trotzdem braucht man ein Minimum an Argumentation. Deshalb sagte man, „das ist keine Privatisierung, sondern ÖÖP“. Aber war nur defensiv gegen die Kritiker gerichtet, man brauchte auch etwas für die Offensive, und das waren die hohen Schülerzahlen.

Sie sagen es: Das „waren“ die Schülerzahlen, denn jetzt stehen plötzlich wieder ganz andere im Raum.

Richtig. Am vergangenen Dienstag hat Frau Scheeres auf einer Pressekonferenz den zusätzlichen Bedarf an Schulplätzen um deutlich mehr als die Hälfte nach unten korrigiert, auf nur noch 9.500. Wie kommt das? Viele Jahre lang waren die Prognosen im Rückblick recht treffsicher, plus minus zwei Prozent. Vor vier Jahren wurde das Verfahren auf einmal umgestellt und heraus kamen 40 Prozent höhere Werte! Das hat Ängste ausgelöst, bis in die Bezirke und die Verwaltung hinein. Keiner wollte zu denen gehören, die den nötigen Schulbau ausbremsen – selbst wenn dafür ein wenig privatisiert werden muss. Deswegen haben wir nachgerechnet und sowohl Zahlen als auch Berechnungsmethode veröffentlicht, plausibel waren die niedrigeren Werte. Einen Tag später wurde zurückgerudert! Aber obwohl die aufgeblasenen Zahlen nun wieder kassiert wurden, soll es bei der Privatisierung bleiben. Das wollen wir uns nicht bieten lassen.

Weil damit viel Zeit verloren geht?

Genau. Gerade in den nächsten zwei, drei Jahren ist die Lücke an Schulplätzen am größten, danach gehen die Wachstumsraten nach allen Prognosen deutlich runter. Jetzt müssen Räume geschaffen werden. Das geht, aber nur ohne diese Privatisierung. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat es gezeigt: Die haben in der Schweiz kurzerhand zwei Schulerweiterungen aus Holz bestellt und in weniger als einem Jahr aufgestellt. Ästhetisch und pädagogisch erfüllen diese Holzschulen alle Ansprüche. Und gekostet hat das auch nicht viel: 2,2 Millionen Euro für jeweils 180 Schulplätze. Das sind 12.200 Euro pro Schulplatz, ein Bruchteil dessen, was die Howoge ansetzt. Wenn alle zwölf Bezirke jedes Jahr drei solcher Holzschulen aufstellen, würden alle Schulplatzprobleme gelöst. Und das würde insgesamt nur 800 Millionen Euro kosten.

Wie viele Baumaßnahmen sind bisher im Gang oder schon abgeschlossen?

Anfang August wurde in Mahlsdorf eine Grundschule eröffnet. Da hat die Bildungssenatorin gleich halbseitige Anzeigen in den Tageszeitungen geschaltet: „1. BSO-Schule eröffnet!“ Dabei geht die Initiative für diese Schule auf Eltern vor Ort zurück, die in der letzten Legislaturperiode den damaligen Sozialsenator für sich gewinnen konnten – Mario Czaja von der CDU. Ansonsten ist der Planungs- und Baufortschritt eine Black Box, obwohl die sogenannte Task-Force Schule einen eigenen Oberregierungsrat für Öffentlichkeitsarbeit eingestellt hat und die Steuerungsgruppe Schule einen zweiten. Die Howoge hat jedenfalls noch gar nichts geplant oder gebaut. Das ist einerseits tragisch, wenn man den Anspruch betrachtet, aber auch gut, denn es macht es allen viel leichter, zu sagen: Danke, wir brauchen euch gar nicht. Wir brauchen Schulplätze jetzt, und nicht 2026 oder 2030. Und dass ihr nicht liefern könnt, ist offensichtlich, vom Preis einmal ganz abgesehen.

Was, wenn der Berliner Senat da nicht mit einstimmt?

Werden die Verträge unterschrieben, passiert dreierlei: Dann wird das System Schule in Berlin aufgespalten in privatisierte und nicht-privatisierte Schulen. Mit einer einheitlichen Bildungspolitik ist dann Schluss. Zweitens wird das akute Schulplatzproblem verschärft, um dann in zehn Jahren eine Schulplatzschwemme zu bekommen, sobald sich durch rückläufige Geburtenraten die Schulen wieder leeren. Und drittens verschleudern wir richtig viel Geld, das dem Bildungssystem dauerhaft verloren geht. Noch einmal: Die Einbindung der Howoge kostet mindestens 750 Millionen mehr und das bei absehbar schlechteren Leistungen, wenn man sich deren Bauqualität im Wohnungsbau ansieht.

Dazu kommt das Risiko des Weiterverkaufs. Rot-Rot-Grün wird es nicht wagen, die Howoge oder die Erbpachtverträge zu veräußern. Aber 37 Jahre sind lang. Wer auch immer die Schulen privatisieren will, findet alles zum sofortigen Verkauf bereit. Und dann ist da noch die Gefahr, dass der Fall Berlin Nachahmer findet, noch bevor die schlimmsten Folgen spürbar werden. In Bremen schickt sich die neue Regierungskoalition gerade an, das Modell zu kopieren, bezeichnenderweise ein rot-rot-grünes Bündnis. Aber vielleicht lesen die Bremerinnen und Bremer ja dieses Interview und fahren ihrer Regierung in die Parade.

Titelbild: BlurryMe/shutterstock.com

Zur Person: Carl Waßmuth ist von Berufs wegen Bauingenieur und Infrastrukturexperte. Er ist Mitbegründer, Vorstandsmitglied und Sprecher beim Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB), der sich für die Demokratisierung aller öffentlichen Institutionen, insbesondere der Daseinsvorsorge, und für die gesellschaftliche Verfügung über Güter wie Wasser, Bildung, Mobilität und Energie einsetzt. Der Verein war maßgeblich an der Volksinitiative „Unsere Schulen“ beteiligt, die sich gegen die von der Hauptstadtregierung aus SPD, Bündnis 90/die Grünen und der Partei Die Linke auf den Weg gebrachte „Berliner Schulbauoffensive“ (BSO) wendet.