„Elliott steht vor der Tür und möchte Ihnen ein Angebot machen, das Sie nicht ablehnen können!“ Dieser Satz, angelehnt an das berühmte Zitat aus dem Mafia-Film „Der Pate“, ist freilich frei erfunden. Gut möglich ist aber, dass sich Tobias Hartmann, Vorstandschef des Kleinanzeigen-Portals Scout24, derzeit tatsächlich vorkommt wie im Film „Der Pate“. Denn Elliott steht tatsächlich vor seiner Tür und hat ihm auch ein eindeutiges Angebot gemacht, und zwar in Form eines Offenen Briefes, den er in der vergangenen Woche im Internet veröffentlicht hat. Elliott fordert Hartmann darin auf, die Plattform Autoscout24 abzuspalten, ein umfangreicheres Aktienrückkaufprogramm aufzulegen und mit den Aktionären des Unternehmens „sinnvoll zusammenzuarbeiten“. Von Thomas Trares.
Elliott ist nämlich der Meinung, dass der wahre Wert von Scout24 nicht wie derzeit bei etwa 50 Euro pro Aktie liegt, sondern bei 65 Euro. Und Elliott ist auch nicht irgendwer, sondern der Hedgefonds des US-Investors Paul Elliott Singer, der diesen 1977 gegründet und nach seinem zweiten Vornamen benannt hat. Über Elliott verwaltet Singer heute knapp 35 Milliarden Dollar. Dem US-Milliardär eilt zudem der Ruf voraus, bei der Durchsetzung seiner Geschäftsinteressen nicht gerade zimperlich vorzugehen. In der Presse wird er mal als „Aasgeier“, mal als „Wall-Street-Hai“, mal als „Finanzheuschrecke“ oder auch als „größter und rabiatester aktivistischer Investor der Welt“ bezeichnet.
Offener Brief an Hartmann
Entsprechend ist auch der Brief an Hartmann in einem klaren und unmissverständlichen Ton gehalten. Elliott spricht darin von „verpassten Chancen“, einer „weiteren Enttäuschung“ und einem „Führungsteam, dem es an Ambition mangelt“. Ferner schreibt Elliott, dass sein Plan, nämlich Abspaltung von AutoScout24, Initiierung eines umfassenderen Aktienrückkaufprogramms und Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit den Aktionären, „unverzüglich“ verfolgt werden müsse. Der Brief endet schließlich mit folgender Botschaft an Hartmann: „Um die skeptischen Aktionäre zu beruhigen, müssen Sie mehr Ambition und Weitsicht zeigen. Die Präsentation der Quartalsergebnisse am 13. August bietet eine ideale Gelegenheit, Ihre Pläne zu verdeutlichen.“
Die Vorgehensweise von Finanzinvestoren vom Schlage Singers folgt einem ganz bestimmten Muster. Sie kaufen sich in meist angeschlagene, unterbewertete oder vermeintlich schlecht geführte Unternehmen ein und machen anschließend Rabatz. Es wird auf die Unternehmensstrategie Einfluss genommen, Manager unter Druck gesetzt, sie sollen Unternehmensteile abspalten, höhere Dividenden zahlen und in großem Stile Aktien zurückkaufen, oft finanziert mit Krediten, die das Unternehmen gar nicht benötigt. Eine Langfriststrategie, die das Unternehmen weiterbringt, ist dahinter in der Regel nicht zu erkennen. Ziel ist vielmehr, den Aktienkurs kurzfristig in die Höhe zu treiben und anschließend Kasse zu machen.
Singer und die Argentinienkrise
Singer ist in der internationalen Finanzwelt freilich kein Unbekannter. Seine Methoden bekam eine breite Weltöffentlichkeit spätestens im Zuge der Argentinienkrise, die 2001 ausbrach, vor Augen geführt. In deren Verlauf kaufte der US-Milliardär argentinische Staatsanleihen zum „Schleuderpreis“ auf. Als einer der wenigen Gläubiger weigerte er sich dann, das Umschuldungsabkommen mit dem argentinischen Staat zu unterzeichnen und klagte bei einem New Yorker Bundesgericht dann auch noch die Auszahlung des Nennwerts in voller Höhe ein, zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen, Schadensersatzansprüchen sowie Erstattung der Rechtskosten für die rund 900 Versuche, überall auf der Welt argentinische Vermögenswerte zu pfänden. Dabei ließ Singer im Oktober 2012 – besonders spektakulär – auch den Dreimaster „Libertad“, das Segelschulschiff der argentinischen Marine, an der Küste Ghanas festsetzen.
Alles in allem kam der Milliardär am Ende auf Forderungen gegen den argentinischen Staat von rund 1,3 Milliarden Dollar, ein Vielfaches von dem, was er ursprünglich für den Kauf der Anleihen ausgegeben hatte. Die argentinische Regierung indes schaltete im Zuge der Auseinandersetzung in mehreren internationalen Zeitungen Anzeigen, um für Unterstützung gegen „gierige Spekulanten“ zu werben. Erschienen sind diese unter anderem in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, in der spanischen „El País“ sowie in den britischen „Financial Times“ und „Times“.
Singer entdeckt Europa
Offenbar ist für Singer inzwischen aber der Boden jenseits des Atlantiks abgegrast, denn seit etwa zwei Jahren ist er verstärkt in Europa aktiv. So ist er etwa bei dem französischen Spirituosenkonzern Pernod Ricard, dem italienischen Fußballclub AC Mailand und kürzlich erst bei dem britischen Reise- und Versicherungsspezialisten Saga eingestiegen. In Deutschland ist der Hedgefonds außer an Scout24 auch an dem Energiekonzern Uniper, dem Stahlkonzern Thyssenkrupp, dem Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland, dem Werkzeugmaschinenhersteller DMG Mori, dem Industriekonzern Gea, dem 3D-Druckspezialisten SLM Solutions und neuerdings auch an dem Pharma-und Chemiekonzern Bayer beteiligt.
Für Rabatz hat Elliott dabei auch schon bei Thyssenkrupp gesorgt. Dort hat er sich im Mai 2018 mit knapp drei Prozent eingekauft. Der Konzern habe „operativ erhebliches Verbesserungspotenzial“ und mit dem Vorstand wolle er in Kürze in einen „konstruktiven Dialog“ eintreten, ließ Elliott damals verlauten. Gut zwei Monate danach nahm der damalige Vorstandschef Heinrich Hiesinger seinen Hut. Wenig später ging auch Aufsichtsratschef Ulrich Lehner. Dieser hatte kurz zuvor noch in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ erklärt, dass einzelne Investoren „Psychoterror“ ausübten, indem sie Unwahrheiten in der Öffentlichkeit platzierten, unberechtigte Rücktrittsforderungen stellten sowie Nachbarn und Familienmitglieder von Managern belästigten. Elliott warf Lehner daraufhin Verleumdung vor.
Wird Bayer das nächste Opfer?
Spannend dürfte es bald auch bei dem Bayer-Konzern werden. Wie im Juni dieses Jahres bekannt wurde, ist Elliott nun mit 1,1 Milliarden Euro bei den Leverkusenern beteiligt. Den roten Teppich hat Bayer-Chef Werner Baumann dem Hedgefonds wohl, ohne es zu wollen, höchstpersönlich ausgerollt. Denn mit der missratenen Monsanto-Übernahme ist der Kurs der Bayer-Aktie erst richtig in die Knie gegangen und hat somit den Konzern angreifbar gemacht – ein gefundenes Fressen für Elliott. Dieser machte inzwischen auch schon klar, dass Bayer „mehr für die langfristige Wertschöpfung“ tun müsse.
Unterdessen ist auch Scout24-Chef Hartmann vor den Machenschaften des US-Investors eingeknickt. Bei der Präsentation der Quartalszahlen am Dienstag dieser Woche sagte er: “Mit dem Ziel, langfristigen Wert für alle unsere Aktionäre zu schaffen, haben wir eine Prüfung der strategischen Alternativen für AutoScout24 angestoßen.“ Das schließe einen möglichen Verkauf oder eine Abspaltung ein. Bei seinem Kapitalmarkttag im November will Scout24 dann über die Zukunft der Plattform Auskunft geben – ganz so, wie von Elliott gefordert.
Titelbild: World Economic Forum (CC BY-NC-SA 2.0)