Demokratie? Schön wär’s! Von Oskar Lafontaine.
Weniger als die Hälfte der Deutschen ist noch zufrieden mit dem Funktionieren unserer „Demokratie“, nämlich 47 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage von Infratest Dimap. (Siehe hier)
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Wenig überraschend: Je mehr Geld jemand hat, desto zufriedener ist er. So finden Befragte aus der oberen Mittel- und der Oberschicht zu 57,5 Prozent, dass unsere „Demokratie“ gut funktioniert. Für sie wird ja auch Politik gemacht. Bei den Arbeitern und Geringverdienern dagegen sind weniger als ein Drittel zufrieden. Kein Wunder, denn die Entscheidungen, die die Volksvertreter von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen im Bundestag in den vergangenen Jahren getroffen haben – etwa die Agenda 2010, der größte Sozialabbau nach dem Kriege (FAZ) – haben ihre Lebensbedingungen erheblich verschlechtert. Für höhere Löhne, höhere Renten und bessere soziale Leistungen, für eine Politik für die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung also, finden sich keine Mehrheiten im Bundestag. Demokratie?
Aber wenn Banken Milliarden in den Rachen geworfen werden sollen und immer weiter aufgerüstet wird, heben die braven Parlamentarier von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen immer die Hand. Kein Wunder, dass 42 Prozent der Befragten sagen, am besten sei es, wenn die Bürgerinnen und Bürger in regelmäßigen Volksentscheiden Gesetze verabschiedeten. Im Parlament können sich die oberen Zehntausend mit Wohltaten und Parteispenden die notwendigen Mehrheiten sichern. Das ganze Volk aber kann man nicht kaufen.
Demokratie heißt eine Gesellschaft, in der sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen, sagte der griechische Staatsmann Perikles. Die Interessen der Mehrheit setzen sich bei uns aber schon lange nicht mehr durch. Millionen Menschen leben in Armut, 40 Prozent haben heute weniger Geld als Ende der Neunziger Jahre. Die 45 reichsten Haushalte „besitzen“ so viel, wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Lobbyisten schreiben fleißig an Gesetzestexten mit, Konzerne halten sich Parteien mit Spenden bei Laune. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass immer noch 47 Prozent zufrieden sind mit dem Funktionieren unserer „Demokratie“.
Das Ganze hat System. Wie sagte einst James Madison, der spätere US-Präsident, der große Teile der US-Verfassung geschrieben und das parlamentarische System der USA mit aus der Taufe gehoben hat? „Die vorrangige Funktion einer Regierung ist es, die Minderheit der Reichen vor der Mehrheit der Armen zu schützen.“ Und wie man sieht, sind parlamentarische Regierungen damit nicht nur in den USA, sondern in der ganzen Welt sehr erfolgreich.