„Soziale Ungleichheit eindämmen und fokussierte Bekämpfung der Einkommensarmut von Familien ist nicht die Priorität dieser Bundesregierung“, sagt Andreas Aust, Referent beim Paritätischen Gesamtverband, im Interview mit den NachDenkSeiten. Hintergrund ist eine aktuelle Studie vom Paritätischen, wonach in Deutschland jedes fünfte Kind oder Jugendlicher in Armut lebt. Ein Interview mit dem Autor der Studie über Kinderarmut, die Auswirkungen für die Betroffenen und die Möglichkeiten, den Armutsverhältnissen entgegenzuwirken. Von Marcus Klöckner.
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Herr Aust, es gibt Kinder in Deutschland, die sind ziemlich arm dran. Das Geld in ihren Familien reicht nicht aus, dass die Kinder am Leben teilhaben können. Wie kann das sein?
In den Armutsberichten des Paritätischen stellen wir regelmäßig heraus, dass der gesellschaftliche Reichtum sehr ungleich verteilt ist. Seit mehreren Jahren entwickelt sich nunmehr die Wirtschaft in Deutschland ausgesprochen positiv. Auch die Beschäftigung nimmt zu und die offene Erwerbslosigkeit nimmt ab. Infolgedessen müsste eigentlich auch die Armut abnehmen, weil mehr Menschen bezahlter Erwerbsarbeit nachgehen. Dies passiert aber nicht. Die Armut in Deutschland nimmt im Gegenteil zu. Im besten Fall stagniert diese Entwicklung zwischenzeitlich. In der längeren Perspektive ist aber der Anstieg der Armut nicht zu leugnen. Kinder sind von dieser Entwicklung besonders betroffen.
Warum ist das so?
Weil die finanziellen Bedarfe mit der Anzahl der Kinder steigen, die Einkommen der Haushalte aber nicht in der analogen Art und Weise.
Anders gesagt: Wer mehr Kinder hat, bekommt keinen höheren Lohn.
Richtig. Und der Familienlastenausgleich gleicht zwar mit Kinderfreibeträgen und Kindergeld ein wenig aus, aber das Kindergeld reicht nicht aus, um die steigenden Bedarfe zu decken. Besonders betroffen sind Kinder von Alleinerziehenden und Familien mit mehr als zwei Kindern. Diese Familienkonstellationen sind besonders häufig arm.
Die Gefahr, von Armut betroffen zu sein, ist also bei Alleinerziehenden größer?
Ja, das ist so. Nach den jüngst veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes sind etwa 40 Prozent aller Alleinerziehenden arm. Dieser Gruppe muss daher besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Und wir können zeigen: Eine Alleinerziehende – in den allermeisten Fällen handelt es sich um die Mutter – hat zwar deutlich weniger Geld zur Verfügung als Paare mit Kind(ern). Sie gibt aber dennoch fast genauso viel für ihr Kind / ihre Kinder aus. Daher können wir sagen: Alleinerziehende sparen eher bei ihren eigenen Bedürfnissen als bei den Kindern.
Was heißt denn überhaupt Kinderarmut? Wann ist ein Kind in Deutschland arm?
Der Paritätische Wohlfahrtsverband arbeitet in seiner regelmäßigen Armutsberichterstattung mit den Daten zur relativen Einkommensarmut. Relative Einkommensarmut als Maßstab bedeutet, dass die Haushalte mit weniger als 60 Prozent des nach Haushalten gewichteten mittleren Einkommens als „armutsgefährdet“ gelten. Wir sprechen bei diesen Einkommen allerdings nicht von Gefährdung, sondern von Armut. Das haben wir in unseren Armutsberichten ausführlich begründet.
Wenn in den Medien von Armut die Rede ist, haben wir es oft mit einer ziemlich technokratischen Betrachtungsweise zu tun. Verschiedene Erfassungsmethoden und Berechnungen werden herangezogen, aber was dabei auf der Strecke bleibt, ist das einzelne Kind, die einzelne Familie, die in Armut lebt. Wie sehen Sie das?
In der Tat muss die konkrete Lebenssituation des einzelnen Kindes und der einzelnen Familie im Zentrum stehen. Hinter der Debatte um die technokratische Betrachtungsweise steht aber die Kernfrage: Was verstehen wir unter Armut? Sollen wir nur von Armut sprechen, wenn es nicht genug zu essen oder zu trinken gibt? Oder: Ist Armut nur zu verstehen als relative soziale Lage in einer gegebenen Gesellschaft? Das ist letztlich die Frage: Wie wollen wir miteinander umgehen in einer Gesellschaft? Akzeptieren wir uns wechselseitig als Gleiche und gewähren einander – vermittelt über den Sozialstaat – auch die für ein menschenwürdiges Leben notwendigen Ressourcen?
Nach den Daten der amtlichen Sozialberichterstattung liegt die Armutsschwelle für ein Paar mit einem Kind bei einem Einkommen unter 1.863 Euro (2018). Der Paritätische bezieht sich auf dieses Armutsverständnis im Kern deshalb, weil Armut für uns nicht erst dann beginnt, wenn Menschen unter Brücken schlafen oder Pfandflaschen sammeln müssen oder wenn den Kindern nicht einmal mehr notwendige Kleidung, Essen oder Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Für uns beginnt in diesem reichen Deutschland Armut bereits dort, wo Kinder aufgrund der schlechten Einkommenssituation ihrer Eltern schlicht und einfach abgehängt sind, nicht mehr mitmachen können, nicht mehr teilhaben am Leben der Mitte dieser Gesellschaft und ihren ganz normalen Selbstverständlichkeiten. Das Gefühl, nicht dazuzugehören, ausgegrenzt zu sein und abseits stehen zu müssen, ist ein verbreitetes Lebensgefühl armer Kinder in Deutschland.
Wie sind Sie in Ihrer Studie vorgegangen und was haben sie herausgefunden?
In unserer Expertise „Vor verschlossener Tür“ haben wir nicht die Anzahl der Kinder in Armut diskutiert und gezählt, sondern verschiedene Aspekte untersucht: Wie viel Geld hat eine konkret definierte Gruppe von armen Familien – nämlich die untersten 10 Prozent des jeweiligen Haushaltstyps – zur Verfügung? Wie verhält sich das Einkommen armer Familien zum Durchschnittseinkommen und zu dem Einkommen der sehr gut verdienenden Haushalte in Deutschland? Was wird für die Kinder ausgegeben und wofür wird es ausgegeben? Wie viel Ressource steht Kindern für soziale Teilhabe zur Verfügung?
Wie konnten Sie diese Fragen beantworten? Woher haben Sie Ihren Datensatz?
Wir haben uns der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes bedient. Diese repräsentative Erhebung, die alle fünf Jahre bei rund 60.000 Haushalten durchgeführt wird, erfasst und kategorisiert äußerst penibel sämtliche Einnahmen und Ausgaben aller Haushaltsmitglieder. Für unsere Fragestellung ist damit die EVS die einschlägige verfügbare Datengrundlage.
Aber die letzte EVS ist aus dem Jahr 2013, also sechs Jahre alt.
Ja. Für einen 10-Jahres-Vergleich zogen wir zusätzlich die Ergebnisse der Erhebungen aus 2003 und 2008 heran. Wir haben jeweils Einnahmen und Ausgaben des untersten Einkommensdezils, also der einkommensärmsten 10 Prozent, mit denen des obersten Dezils und von Haushalten mit durchschnittlichem Einkommen verglichen.
Was haben Sie festgestellt?
Die Befunde müssen armutspolitisch mehr als beunruhigen. Ich möchte nur einige der wichtigsten Befunde kurz am Beispiel von Paarfamilien mit einem Kind vorstellen: Die Einkommensspreizung unter den Familien ist eklatant: Betrug das Einkommen der Familien im obersten Dezil im Schnitt 8.642 Euro und im Gesamtdurchschnitt 3.762 Euro im Monat, so waren es im untersten Dezil gerade noch 1.550 Euro. Das Einkommen des untersten Dezils lag damit bei gerade einmal 18 Prozent des obersten und bei nur 41 Prozent des Durchschnittseinkommens.
Das ist nicht ganz einfach zu verstehen.
Andersherum: Am oberen Ende der Einkommensskala hatte man mehr als das Fünffache dessen, was am unteren Ende zur Verfügung stand und auch beim Durchschnittseinkommen noch mehr als das Doppelte. Hier in der Mitte jedoch werden die Standards gesetzt, wenn es um Teilhabe geht.
Sie haben angeführt, dass Sie auch einen 10-Jahres-Vergleich gezogen haben. Hat sich die Situation in dieser Zeit verschärft?
Das Wohlstandsgefälle hat zugenommen – während die Einkommen in der Mitte und in der Spitze preisbereinigt anstiegen, sank das Einkommen beim untersten Dezil um 3,2 Prozent – wobei insbesondere zwischen 2003 und 2008 ein starker Kaufkraftrückgang zu verzeichnen war, der bis 2013 nicht mehr aufgeholt werden konnte. Mit anderen Worten: Die armen Familien sind 2013 noch ärmer als 10 Jahre zuvor, während die Mitte und die Spitze – wenn auch bescheiden – durchaus zulegen konnten. Die Spaltung hat sich vertieft.
Eines der besonders bedrückenden Ergebnisse: Im untersten Zehntel gelang es weder 2003 noch 2013, die ohnehin sehr niedrigen Konsumausgaben aus den laufenden Einkommen zu decken. 2013 lagen sie bei 1.685 Euro und damit um 135 Euro über ihrem Einkommen. Die Differenz muss durch Rückgriffe auf Erspartes oder aber durch die Aufnahme von Krediten ausgeglichen werden.
Mit anderen Worten: Die Armen können nur über Verschuldung leben?
Ja, die Befunde zeigen, dass bei den armen Haushalten das Einkommen schlicht und einfach nicht ausreicht. Der Weg in eine Schuldenspirale ist die nicht seltene Folge dieser Konstellation.
Zurück zu unseren Befunden: Im nächsten Schritt wollten wir sehen, wie es speziell mit den Ausgaben für die Kinder aussieht. Es zeigt sich ein ähnliches Bild: Im 10-Jahres-Vergleich sind die Ausgaben für das Kind im unteren Dezil real um 5,5 Prozent zurückgegangen. Bei Familien mit Durchschnittseinkommen sind sie dagegen um 2 Prozent und im obersten Dezil sogar um 11 Prozent angestiegen. Sprich: Die ärmeren Kinder wurden weiter abhängt. 364 Euro wurden 2013 in diesen Familien für das Kind ausgegeben. Bei den Familien mit Durchschnittseinkommen waren es dagegen 659 Euro und im obersten Zehntel über 1.000 Euro, die dem Kind zukamen.
Auch das ist nicht ganz einfach zu verstehen.
Ich mache es plastisch. In den Haushalten der obersten zehn Prozent wird für ein einzelnes Kind mit über 1.000 Euro etwa zwei Drittel dessen ausgegeben, was die untersten zehn Prozent für ein Paar mit Kind an Einkommen zur Verfügung hatten.
Für den Teilhabeaspekt besonders wichtig: Bei rückläufigen Realeinkommen wurde im untersten Dezil notgedrungen nicht bei Essen und Kleidung gespart, sondern vor allem bei Ausgaben für die sozialen Grundbedarfe der Teilhabe, den ohnehin sehr geringen Ausgaben für Kultur, Freizeit, Unterhaltung, Verkehr, Kommunikation, Mobilität oder Vereinswesen. Die Ausgaben für die soziale Teilhabe in dieser Kategorie gingen im untersten Zehntel real sogar um 17 Prozent zurück. Im Durchschnitt waren es minus 4 Prozent, während im obersten Dezil 18 Prozent zugelegt wurden. 102 Euro wurden 2013 beim untersten Einkommenszehntel für die soziale Teilhabe monatlich für das Kind ausgegeben. Davon entfielen auf Freizeit, Unterhaltung und Kultur einschließlich sogenannter bildungsrelevanter Güter gerade noch 35 Euro.
Damit ist was gemeint?
Der Besuch eines Kinos oder einer Sportveranstaltung ebenso wie Spielzeug, Bücher oder Vereinsbeiträge. Für außerhäusliche Verpflegung, sprich: mal ein Eis oder eine Limonade, finden sich im ganzen Monat noch 9 Euro. Es sind Beträge, die bei Familien mit Durchschnittseinkommen oder im obersten Dezil drei- und sechsmal so hoch liegen. Es sind Beträge, mit denen eine Teilhabe am geselligen und kulturellen Leben der Mitte dieser Gesellschaft nicht annähernd zu finanzieren ist. Arme Familien sind hoffnungslos abgehängt.
Um nochmal darauf zurückzukommen. Sie haben den Zeitraum bis 2013 untersucht. Was ist denn mit der Zeit von 2014 bis 2019?
Die EVS ist eine aufwändige Erhebung, die lediglich alle fünf Jahre durchgeführt wird. Die in unserer Expertise zugrunde gelegte Auswertung der Einkommen und Ausgaben von Familien im Jahr 2013 lag im Jahr 2018. Im selben Jahr wurden die turnusmäßigen neuen Erhebungen durchgeführt. Bis diese Informationen aufbereitet und zugänglich sind, wird es noch einige Jahre dauern. Insofern kann nicht mit Gewissheit gesagt werden, wie die Entwicklung nach 2013 aussieht.
Wohl aber lassen sich durchaus ein paar Thesen formulieren, welche Entwicklung man erwarten kann. Für eine Abschätzung kann man sich auf jüngste Forschungsergebnisse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stützen. Dieses Institut untersucht regelmäßig auf der Grundlage des sogenannten Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) die Entwicklung der Einkommensverteilung. Schaut man hier auf die jüngsten Befunde des Instituts, so sieht man, dass sich die Einkommen der untersten 10 Prozent der Haushalte negativ entwickelt haben, sprich: Diese Haushalte sind real ärmer geworden. Das DIW untersucht hier zwar nicht dieselben Gruppen wie wir in unserer Expertise, in beiden Fällen handelt es sich aber um die einkommensärmsten zehn Prozent der Haushalte.
Es ist demnach plausibel davon auszugehen, dass sich nach 2013 die Entwicklung nicht umdrehte. Ganz im Gegenteil: Die Forschungsergebnisse des DIW weisen darauf hin, dass die Schere zwischen 2013 und 2016 noch weiter aufging.
Was bedeutet diese Situation für die in Armut lebenden Kinder? Und: Wie kann man in Anbetracht dieser Realität sagen, hierzulande gibt es „Chancengleichheit“?
Ein gleichberechtigtes Aufwachsen ist für die Kinder in den einkommensarmen Haushalten nicht möglich. Einschränkungen sind vorprogrammiert. Damit sind auch deren Entwicklungsperspektiven beeinträchtigt. Von Chancengleichheit lässt sich bei derart ungleichen finanziellen Möglichkeiten nicht reden.
Wie müssten die Rahmenbedingungen aussehen, dass die Armut der Kinder aufhört?
Mit Blick auf die Situation der Kinder zeigen sich deutliche Defizite der derzeitigen Familienpolitik. In Stichworten: Die existenzsichernden Leistungen für Kinder und Jugendliche sind fachlich ungenügend ermittelt und im Ergebnis nicht bedarfsdeckend, um Armut und soziale Ausgrenzung zu vermeiden. Die Leistungen müssten viel höher liegen. Zudem mangelt es an einem einheitlich definierten Existenzminimum, das heißt die verschiedenen Rechtsgebiete (Sozial-, Unterhalts- und Steuerpolitik) sind nur unzureichend aufeinander bezogen. In der Summe wird Kinderarmut durch die familien- und sozialpolitischen Leistungen in einem unzureichenden Maße bekämpft und die vertikale Ungleichheit zwischen armen und reichen Familien wird nicht nennenswert reduziert.
Im Gegenteil: Kindergeld und steuerlicher Kinderfreibetrag führen in der Wirkung dazu, dass der steuerliche Entlastungseffekt von Besser- und Spitzenverdienern für ihre Kinder deutlich höher ausfällt als das der breiten Elternschaft zukommende Kindergeld. Für die ärmsten Kinder gibt es Hartz IV. Kindergelderhöhungen werden wiederum bei Hartz IV komplett angerechnet. Diese Leistungen kommen unter dem Strich bei den ärmsten Kindern – denen im Grundsicherungsbezug – nicht an. Wir haben es also mit einem ungerechten Drei-Klassen-System zu tun.
Die Untersuchung untermauert damit die langjährige Forderung, den Kinderlastenausgleich in Deutschland endlich „vom Kopf auf die Füße zu stellen“. Kinderbezogene Transferleistungen sind so auszugestalten, dass diejenigen, die am meisten Unterstützung brauchen, auch am meisten bekommen, und umgekehrt. Kinderbezogene staatliche Transferleistungen haben vor Armut zu schützen und sind darüber hinaus deutlich unbürokratischer zu gestalten als im derzeitigen System des Nebeneinanders unterschiedlicher Leistungen.
Auch wenn es im Grunde nie allein um arme Kinder, sondern fast immer um arme Familien geht, sollte eine zentrale Maßnahme in diesem Zusammenhang – neben dem parallel notwendigen Ausbau von allgemein zugänglichen sozialen Infrastrukturen – die Einführung einer Kindergrundsicherung sein. Die Kindergrundsicherung will bisherige, nur unzureichend aufeinander abgestimmte Leistungen für Kinder und Jugendliche zusammenführen und so weit wie möglich durch eine Leistung auf einem neu zu ermittelnden, bedarfsdeckenden Niveau ersetzen. Die Ausgestaltung der Kindergrundsicherung muss dafür sorgen, dass das Existenzminimum aller Kinder gesichert ist, sodass keine Familie lediglich wegen des Vorhandenseins der Kinder auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen ist. Dabei ist vorgesehen, dass der Kindergrundsicherungsbetrag mit steigendem Einkommen der Eltern abgeschmolzen wird.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, damit die Forderungen von Ihnen auch politisch umgesetzt werden?
Zunächst müssen wir feststellen, dass in der praktizierten Politik die speziellen Anliegen von einkommensarmen Kindern und Jugendlichen nicht hinreichend berücksichtigt werden. Betrachten wir beispielsweise die kostenträchtigen Programme der aktuellen Regierung, die mit „Kindern“ begründet werden, so ist zu sehen, dass die Interessen von einkommensschwachen Familien nicht die oberste Priorität haben. Für das neu eingeführte Baukindergeld erhalten Familien 1.200 Euro pro Kind und pro Jahr – zehn Jahre lang. Es ist offenkundig, dass einkommensarme Familien von diesem Programm nichts haben.
Aber auch von der Erhöhung des Kindergeldes haben Kinder im Grundsicherungs-/Hartz-IV-Bezug nichts. Diese Leistungen des Familienlastenausgleichs werden vollständig auf die Grundsicherung angerechnet. Unter dem Strich bleibt nichts übrig. Die Anhebung des Kindergeldes lässt der Bund sich immerhin 1,5 Mrd. Euro pro Jahr kosten. Auch für die Änderungen des Kinderzuschlags kalkuliert der Bund Mehrausgaben von immerhin über 450 Mio. Euro pro Jahr ab 2020. Für die Kinder im Grundsicherungsbezug sieht die Bilanz dagegen bescheiden aus. Die Leistungsanpassungen für das Bildungs- und Teilhabepaket werden in der Summe mit 220 Mio. Euro pro Jahr veranschlagt. Mit diesem Gesamtpaket ist klar: Soziale Ungleichheit eindämmen und fokussierte Bekämpfung der Einkommensarmut von Familien ist nicht die Priorität dieser Bundesregierung.
Titelbild: © Volkssolidarität