Hinweise der Woche
Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Deutsche Reeder klagen über höhere Versicherungsprämien
- “Das Land ist zerrissen” – Armutsforscher Christoph Butterwegge schlägt Alarm
- Klinikärzte: Bis nix mehr geht
- Monopoly im Pflegeheim
- Stuttgart 21 wird für die Bahn wohl zum Finanzdesaster
- Neue INSM-Kampagne will die starke Klimaschutzbewegung der Jugend aushebeln
- Die Lüge, die infame Lüge und Bertelsmann
- Violence has spiked in Africa since the military founded Africom, Pentagon Study finds
- How the West Got China’s Social Credit System Wrong
- „Eine anti-aufklärerische Mode“
Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Deutsche Reeder klagen über höhere Versicherungsprämien
Die angespannte Lage an der Straße von Hormus belastet auch die deutsche Handelsschifffahrt – die Risiken der Durchfahrt steigen, das macht die Versicherung teurer. Reeder zeigen sich aufgeschlossen für eine europäische Beobachtermission.
Die Straße von Hormus ist eine der wichtigsten Seestraßen der Welt. Fast ein Drittel des globalen Ölexports wird durch die Meerenge im Golf von Oman verschifft. Auch 20 bis 30 deutsche Handelsschiffe durchfahren dieses Nadelöhr dem Verband Deutscher Reeder (VDR) zufolge täglich – und der sorgt sich angesichts der politischen Spannungen in dem Gebiet.
Quelle: SPIEGEL OnlineAnmerkung Jens Berger: Unter welcher Flagge fahren eigentlich die Tanker der „deutschen“ Reeder? Um Steuern zu sparen und systematisch Arbeitnehmerrechte auszuhebeln, fahren nahezu alle Schiffe „deutscher“ Reedereien unter „Billigflagge“. Dagegen ist rechtlich offenbar wenig zu machen. Wer sich aus der Gesellschaft ausklinkt, sollte jedoch auch keine Forderungen an die Gesellschaft stellen, wenn es mal Probleme gibt. Vielleicht können die „deutschen“ Reeder ja mal in Liberia, Antigua oder auf den Marschallinseln nachfragen, ob diese Staaten eine „Beobachtermission“ in den Golf entsenden. Viel Spaß.
- “Das Land ist zerrissen” – Armutsforscher Christoph Butterwegge schlägt Alarm
Angesichts jüngster Zahlen zur Armutsgefährdung hat der Armutsforscher Christoph Butterwegge die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. “Das Land ist zerrissen”, sagte der Kölner Politikwissenschaftler gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Es gebe auf der einen Seite prosperierende Regionen im Süden und Südwesten Deutschlands und auf der anderen Seite Regionen, die abgehängt werden, wie etwa Teile des Ruhrgebiets, Bremen und Bremerhaven. “Das sind die Sorgenkinder, man könnte auch sagen, die Armenhäuser der Republik”, sagte Butterwegge.
Diese Zerrissenheit widerspricht Butterwegge zufolge dem, was der Staat als Grundgesetzauftrag im Artikel 72 mitbekommen habe: die Herstellung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.
Das ist bisher nicht gelungen, das ist eigentlich eine große Aufgabe für Heimatminister Horst Seehofer.
Es sei nicht damit getan, den Breitbandausbau voranzubringen. Butterwegge war bei der letzten Bundespräsidentenwahl als Kandidat der Linken angetreten.
Der Armutsforscher schlug vor, “die 20 Milliarden Euro, die der Bund jährlich mit dem Solidaritätszuschlag einnimmt, nicht abzuschaffen, wie es im Koalitionsvertrag versprochen wird”. Stattdessen solle das Geld verwendet werden, um die abgehängten Regionen im Kampf gegen die Armut zu unterstützen.
Quelle: RT Deutsch - Klinikärzte: Bis nix mehr geht
Es begann mit Kopf- und Magenschmerzen. Gegen die Kopfschmerzen nahm ich Ibu, dazu Pantoprazol. Täglich die gleichen quälenden Fragen: Wohin mit den Patienten? Schaffe ich es heute, die Kinder abzuholen? Und dann fing mein Herz an zu stolpern.
Es mag sein, dass dieser Text von einigen als zu persönlich empfunden wird und vielleicht gebe ich zu viel von mir preis. Aber wie soll man sonst auf Missstände aufmerksam machen? Wie kann man der Welt begreiflich machen, dass das, was in vielen Krankenhäusern passiert, gefährlich ist?
Für Arzt und Patient. Ich war auch schon auf der anderen Seite, nämlich Patientin. Es ging mir schlecht und ich hatte tolle Ärzte, die sich Zeit nahmen und tolle Pflegerkräfte, die sich ein Bein für mich ausrissen.
Genau so war und bin ich eine Ärztin, die sich für ihre Patienten ein Bein ausgerissen hat. Und die gearbeitet hat, bis die Pumpe streikte.
36–48 Zusatzstunden im Monat
Mit einer angeborenen Störung ist mein Herz in Stresssituationen nicht so stabil wie das Herz anderer Menschen. Aber als ehemalige Leistungssportlerin mit einer wöchentlichen Trainingszeit von 10 Stunden zu Spitzenzeiten habe ich mein Herz auf Stress und Höchstleistung gedrillt. […]
Wie viele Kollegen (ich rede von Ärzten und Pflegekräften) habe ich weinen sehen, vollkommen überfordert mit den Anforderungen und den Massen an Patienten.
Wie viele Kollegen habe ich gesehen, die ihre Gesundheit vollkommen herunter wirtschafteten, weil sie entweder gar nichts aßen, zu viel rauchten oder ihre Ernährung auf Cola-Basis aufbauten. Wie viele Kollegen fielen monatelang depressionsbedingt aus. Wie viele hatten kaputte Familien, weil die Arbeitsbelastung sich mit einem gesunden Familienleben nicht vertrugen.
Wie viele sah ich nach der Arbeit zum Auto rennen, weil der Kindergarten gleich schließen würde. Wie viele Oberärzte traten kräftig nach unten, weil sie zu viel Verantwortung tragen müssen und keinen anderen Weg wissen. „Das Leben ist kein Ponyhof, Frau Doktor.“ Danke, schon mal gehört.
Quelle: DocCheck - Monopoly im Pflegeheim
Aggressive Investoren dringen in die Gesundheitsbranche ein und übernehmen Krankenhäuser und Pflegezentren. Sie entziehen dem System viel Geld – zum Schaden der Belegschaft und der Patienten. (…) Seit Jahren fühlt sich das Kapital von der Gesundheitsbranche angezogen. Dieses Marktgeschehen beobachtet der Soziologe Christoph Scheuplein vom Institut für Arbeit und Technik (IAT). Von 2013 bis Mitte 2018, so Scheuplein, gab es in der Branche knapp 130 Übernahmen durch Investmentfirmen. Betroffen sind rund 82 000 Beschäftigte in Deutschland. (…) Denn das Geschäft mit kranken und alten Menschen lohnt sich. IAT-Forscher Scheuplein hat 39 Fonds untersucht, die in der Gesundheitsbranche zuletzt tätig waren. „Hier lagen die Renditen bei 18 Prozent.“ Renditen, die mit öffentlichen Geldern und Leistungen der Sozialversicherungen erwirtschaftet werden.
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung - Stuttgart 21 wird für die Bahn wohl zum Finanzdesaster
Nach den ursprünglichen Plänen wäre der neue, unterirdische Bahnhof der Landeshauptstadt, genannt Stuttgart 21, schon 2008 in Betrieb gegangen. Nun wird es wohl 2025 werden.
Für den Bauherrn, den Staatskonzern Deutsche Bahn, ist das allerdings wenig erfreulich. Ihm laufen die Kosten davon. Die größte Baustelle der Bahn wird auch zu einem der größten finanziellen Risiken des Staatskonzerns.
Nur 4,5 Milliarden Euro Baukosten sind bislang abgesichert, der Großteil davon ist auch schon durch Aufträge gebunden oder ausgegeben. Auf weiteren 3,8 Milliarden Euro bleibt die Bahn erst mal sitzen. Wenn es überhaupt bei den jetzt geschätzten Gesamtkosten von 8,2 Milliarden Euro bleibt.
Ronald Pofalla, Infrastrukturvorstand der Bahn und damit zuständig für das Projekt Stuttgart 21, macht auf locker. „In der Ruhe liegt die Kraft – und fröhlich bleiben“, scherzte der frühere Kanzleramtsminister auf der Bilanzpressekonferenz im Frühjahr. Lustig findet das eigentlich niemand.
Die Bahn braucht Milliarden für die Sanierung ihrer Bahnhöfe, Schienen und Signalanlagen, für neue Züge und zusätzliches Personal. Bahn-Chef Richard Lutz verspricht, dann endlich wieder pünktlich fahren zu können und den Service zu verbessern. Lutz muss allein fünf Milliarden Euro zusätzlich zum normalen Budget organisieren, um seine Qualitätsagenda bezahlen zu können.
Doch mit Stuttgart 21 hat die Bahn auf Jahre eine finanzielle Last am Hals, die erst jetzt so richtig auf die Bilanz durchschlägt. 2018 hat der Staatskonzern erstmals rund 200 Millionen Euro aus eigener Tasche zusteuern müssen, bald wird es ein Mehrfaches davon sein. Jährlich.
Noch im April wehrte sich Pofalla gegen Spekulationen, die Baukosten würden schon wieder explodieren. Der „Gesamtwertumfang“ werde eingehalten, versicherte er. Was auch immer ein Gesamtwertumfang sein mag. Keine zwei Monate später war klar, dass auch die bis dahin unangetastete Reserve von einer halben Milliarde Euro gebraucht wird. Der Aufsichtsrat musste das Geld in seiner Sitzung im Juni freigeben.
Quelle: HandelsblattAnmerkung JK: Es sage niemand, dass man dies nicht hätte wissen können. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man dahinter politische Korruption vermutet. Das ganze Projekt scheint nur noch dazu da zu sein, um öffentlicher Gelder in die Taschen privater Investoren umzulenken. Der Aberwitz dabei ist, dass die Bahn eigentlich jeden Cent bräuchte um eben diese als umweltfreundliches Verkehrsmittel auszubauen. Die Verantwortlichen in der Politik interessiert dies alles wieder einmal nicht, was auch ein bezeichnendes Licht auf die politischen Verhältnisse in Deutschland wirft.
- Neue INSM-Kampagne will die starke Klimaschutzbewegung der Jugend aushebeln
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), eine einflussreiche Lobbyorganisation, die die Interessen der großen Konzerne der deutschen Wirtschaft vertritt, hat eine neue Kampagne gestartet: „Klimaschutz“
Diesmal ist sie klar gegen die erfolgreichen jugendlichen Klimaproteste gerichtet, um sie einzufangen und so zu schwächen, dass sie die großen Geschäfte des fossilen/atomaren Wirtschaftsgefüges nicht ernsthaft gefährden können. Im Rahmen von Themenkampagnen übernimmt die Initiative neue soziale Marktwirtschaft Begriffe der Gegenseite („sozial“, „Gerechtigkeit“, „Energiewende“, „Klimaschutz“), und sorgt dafür, eine neue Assoziation zu den Begriffen in ihrem Sinn herbeizuführen. Beim Thema Klimaschutz heißt das: 2°C Ziel statt 1,5°C Ziel, Ausbremsen schneller, massiver Klimaschutzmaßnahmen für die Industrie, Verhindern einer CO2-Abgabe, Erdgas-Offensive, Emissionshandel statt schnellem Kohleausstieg.
INSM-Themenkampagnen werden umgesetzt durch dauerhaftes, intransparentes, flächendeckendes Platzieren und Erzeugen von Schlagzeilen in Print, TV, Funk und Internet über einen langen Zeitraum. Ergänzt wird dies durch Anzeigen- und Plakatkampagnen. Die Interessenorganisation der großen Konzerne stellt sich nach außen so dar, dass sie unbedingt Klimaschutz, Energiewende, soziale Gerechtigkeit etc. will, bewirkt mit ihren Vorschlägen aber immer genau das Gegenteil das, was der jeweilige Begriff ihrer Themenkampagne ist.
Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft ist die Tochtergesellschaft des Instituts der deutsche Wirtschaft (IW) Köln, was wiederum von den beiden Industrieverbänden BDI und BDA finanziert und kontrolliert wird.
Quelle: Hans-Josef Fell - Die Lüge, die infame Lüge und Bertelsmann
Diese Woche hat wieder eine Krake der deutschen Politik einen ihrer Tentakel ausgefahren. Bertelsmann veröffentlichte eine Studie zur Klinikversorgung, die zu dem hübschen Schluss kam, die Hälfte aller Krankenhäuser sei überflüssig. Diese Studie wurde mit viel Getöse und öffentlich-rechtlicher Unterstützung begleitet, ist aber das, was Papiere aus diesem Haus üblicherweise sind – nichts als ein Mittel zur politischen Manipulation.
Wenn man erkennen will, auf welche Art und Weise die Demokratie in unserem Land zur Farce und die Politik zur Interessensverwaltung der Großkonzerne wird, dann muss man nur einen näheren Blick auf Bertelsmann werfen. Und das Bild des Kraken ist für diesen Konzern passgenau – er tarnt sich gut, bleibt beständig unter der Wasseroberfläche, hält fest, was er greifen kann, und verwischt seine Spuren im Notfall in einer Tintenwolke. Bertelsmann schlägt die Beraterfreunde der Frau von der Leyen, KPMG und Co., schon allein deshalb um Längen, weil es das Komplettpaket aus Lobbyismus, medialer Begleitung und letztlich ökonomischer Verwertung perfektioniert hat.
Ein Bertelsmann-Institut erstellt Studien, weitere Bertelsmann-Einrichtungen vermitteln diese (Abendessen eingeschlossen) an die Politik, Bertelsmann-Medien verbreiten diese Sicht in der Bevölkerung, andere Bertelsmann-Abteilungen formulieren die Gesetze vor, und am Schluss profitieren Bertelsmann-Töchter von der dadurch geschaffenen Lage, sichern sich Aufträge oder weiten ihre wirtschaftlichen Beteiligungen aus.
Auf diese Art und Weise kam die Republik zu Hartz IV. Über Jahre hinweg wurden durch Bertelsmann-Medien die in den USA und in Großbritannien verbreiteten ‚workfare‘-Programme beworben, Programme, die die Sozialhilfe durch die inzwischen auch bei uns bekannte Verfolgungsbetreuung ersetzten. Dann wurden die Gedanken über ‚wissenschaftliche‘ Veranstaltungen in die Politik einmassiert, bis schließlich ein Entwurf des Hauses in das berüchtigte Gesetz gegossen wurde, das die Republik mit „einem der besten Niedriglohnsektoren Europas“ (Schröder) beglückte (1). Dieses Gesetz und die daraus resultierende Verwüstung der Lebensverhältnisse haben einen entscheidenden Anteil daran, dass zwischen der Lohnentwicklung in Deutschland und der vergleichbarer Industrieländer seit Jahren eine enorme Lücke klafft. In diesem Fall muss man nicht lange nachdenken, wie der Konzern Bertelsmann davon profitiert hat.
Quelle: Ken FMSiehe auch: „Krankenhäuser schließen – Leben retten?“ – Öffentlich-rechtlicher Kampagnenjournalismus zur besten Sendezeit.
- Violence has spiked in Africa since the military founded Africom, Pentagon Study finds
Since U.S. Africa Command began operations in 2008, the number of U.S. military personnel on the African continent has jumped 170 percent, from 2,600 to 7,000. The number of military missions, activities, programs, and exercises there has risen 1,900 percent, from 172 to 3,500. Drone strikes have soared and the number of commandos deployed has increased exponentially along with the size and scope of AFRICOM’s constellation of bases.
The U.S. military has recently conducted 36 named operations and activities in Africa, more than any other region of the world, including the Greater Middle East. Troops scattered across Africa regularly advise, train, and partner with local forces; gather intelligence; conduct surveillance; and carry out airstrikes and ground raids focused on “countering violent extremists on the African continent.”
AFRICOM “disrupts and neutralizes transnational threats” in order to “promote regional security, stability and prosperity,” according to its mission statement. But since AFRICOM began, key indicators of security and stability in Africa have plummeted according to the Defense Department’s Africa Center for Strategic Studies, a Pentagon research institution. “Overall, militant Islamist group activity in Africa has doubled since 2012,” according to a recent analysis by the Africa Center.
There are now roughly 24 “active militant Islamist groups” operating on the continent, up from just five in 2010, the analysis found. Today, 13 African countries face attacks from these groups — a 160 percent increase over that same time span. In fact, the number of “violent events” across the continent has jumped 960 percent, from 288 in 2009 to 3,050 in 2018, according to the Africa Center’s analysis.
Quelle: The Intercept - How the West Got China’s Social Credit System Wrong
[…] But there is no single, all-powerful score assigned to every individual in China, at least not yet. The “official blueprint” Pence referenced is a planning document released by China’s chief administrative body five years ago. It calls for the establishment of a nationwide scheme for tracking the behavior of everyday citizens, corporations, and government officials. The Chinese government and state media say the project is designed to boost public confidence and fight problems like corruption and business fraud. Western critics often see social credit instead as an intrusive surveillance apparatus for punishing dissidents and infringing on people’s privacy.
With just over a year to go until the government’s self-imposed deadline for establishing social credit, Chinese legal researchers say the system is far from the cutting-edge, Big Brother apparatus portrayed in the West’s popular imagination. “I really think you would find a much larger percentage of Americans are aware of Chinese social credit than you would find Chinese people are aware of Chinese social credit,” says Jeremy Daum, a senior research fellow at Yale Law School’s Paul Tsai China Center in Beijing. The system as it exists today is more a patchwork of regional pilots and experimental projects, with few indications about what could be implemented at a national scale.
That’s not to say that fears about social credit are entirely unfounded. The Chinese government is already using new technologies to control its citizens in frightening ways. The internet is highly censored, and each person’s cell phone number and online activity is assigned a unique ID number tied to their real name. Facial-recognition technology is also increasingly widespread in China, with few restraints on how it can be used to track and surveil citizens. The most troubling abuses are being carried out in the western province of Xinjiang, where human rights groups and journalists say the Chinese government is detaining and surveilling millions of people from the minority Muslim Uyghur population on a nearly unprecedented scale.
Quelle: WiredAnmerkung Jens Berger: Auch deutsche Medien berichten reihenweise falsche Fakten zum chinesischen Sozialkreditsystem.
- „Eine anti-aufklärerische Mode“
Statt um soziale Gerechtigkeit dreht sich die Debatte derzeit vor allem um symbolisches Unrecht: um die Beleidigung und Diskriminierung von Minderheiten. Und dieser Diskurs gilt dann auch noch als „links“ und „progressiv“, wundert sich Harald Welzer. […]
Wenn, um nur ein bekanntes Beispiel zu nennen, eine Parteivorsitzende sich wegen schlechter Witze im Karneval heftiger Empörung und dringenden Aufforderungen ausgesetzt sieht, sich bei allen Queer- und Transgender-Menschen zu entschuldigen – was möchte man mit solcher Empörung eigentlich erreichen? Dass ausnahmslos alle Menschen sich nur noch in einer gleichsam klinisch reinen, hinsichtlich jeder denkbaren Mikroaggression bereinigten Weise artikulieren, obwohl sie möglicherweise etwas ganz anderes denken und fühlen? Politisch ist es doch weit aufschlussreicher, wenn man sieht und hört, welche Witze jemand ohne die Reinheitszensur macht, wie er oder sie andere Personengruppen betrachtet, welche Ressentiments er oder sie hegt – kurz, wes Geistes und Vorurteils Kind er oder sie ist.
Was wüssten wir über die Gefährlichkeit eines Donald Trump, wenn er seine Verachtung von Minderheiten sprachlich kaschieren würde? Was vom Menschenbild Annegret Kramp-Karrenbauers, was vom Rassismus eines Andreas Scheuer, wenn alle sich vorab einer identitätspolitischen Zensur unterwerfen würden, deren oberstes Ziel darin besteht, dass niemand sich verletzt fühlen darf?
Skandalisierung symbolischer Ungleichheit
Interessanterweise sehen solche Reinheitswünsche übrigens regelmäßig davon ab, wie verletzend objektive Ungleichheiten in der Gesellschaft sind – wie demütigend es etwa ist, als Kind armer Eltern nicht am Klassenausflug teilnehmen zu können, als Sozialleistungsempfänger noch die intimsten Details seiner Lebensumstände offenbaren zu müssen, oder seine Wohnung zu verlieren, weil man die erhöhte Miete nach der Sanierung nicht mehr bezahlen kann. Die Skandalisierung symbolischer Ungleichheit tritt in der antiaufklärerischen Mode der Identitätspolitik an die Stelle der Bekämpfung sozialer Ungleichheit – eine politisch kostenlose Empörung, mit der man anstrengungslos ohne eigene Urteilskraft immer schon auf der richtigen Seite steht.
Merkwürdigerweise gilt diese Verschiebung vom sozialen auf das symbolischen Unrecht sogar als „links“ oder „progressiv“, obwohl sprach- und einstellungspolizeiliche Ermittlungen doch genauso dem totalitären Formenkreis angehören wie die Figur des eifrigen Sammlers von Verfehlungen anderer, also des Denunzianten. Welcher gesellschaftliche Fortschritt sollte aus solcher selbstgemachter Repression in einer freien Gesellschaft entstehen?
Quelle: Deutschlandfunk Kultur