In der Nacht von Donnerstag auf Freitag löschte YouTube ohne vorherige Warnung den Kanal der Videoplattform NuoViso.tv. Die Leipziger sind seit 2006 bei YouTube dabei und hatten am Abend der Löschung mehr als 175.000 Abonnenten. Eine Begründung für diese drastische Maßnahme bleibt YouTube bis heute schuldig und versteckt sich kryptisch hinter den hauseigenen „Nutzungsbedingungen“. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass „Soziale Netzwerke“, die von privaten amerikanischen Unternehmen betrieben werden, politische und gesellschaftliche Kritik nur in engen Leitplanken erlauben und dabei keine demokratischen Regeln zulassen. Von Jens Berger.
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Man kann NuoViso durchaus skeptisch betrachten und inhaltlich gibt es wohl auch eher überschaubare Schnittmengen mit den Inhalten von NuoViso und denen der NachDenkSeiten. Bei NuoViso findet man zwar immer wieder kleine Highlights, wie beispielsweise dieses vor drei Wochen auf einem „Tochterkanal“ erschienene Gespräch mit Axel Schmidt-Gödelitz, aber auch eine gehörige Portion Esoterik samt Ufos und Pyramiden und unzählige Gespräche mit Personen, die man wohl am ehesten als „umstritten“ bezeichnen könnte. So laviert die „Linie“ beim Thema Klimawandel irgendwo zwischen Skepsis und offener Leugnung. Progressiv ist das alles meistens nicht. Aber darum geht es hier ja auch nicht. Der Finanzteil der WELT ist auch nicht eben progressiv und oft nicht minder esoterisch als so mancher YouTube-Kanal. Dennoch käme wohl niemand auf die Idee, die Social-Media-Kanäle der WELT zu löschen.
Aber um was geht es denn hier überhaupt? Offenbar haben einzelne Videos von NuoViso gegen die selbsterstellten „neuen“ Richtlinien von YouTube verstoßen. In welchem Video und welchem Zusammenhang gesündigt wurde, ist jedoch nicht bekannt. YouTube muss sich da nicht erklären und tut dies auch nicht. Wer nun von „Zensur“ und einem Verstoß gegen die „Meinungsfreiheit“ spricht, hat jedoch leider nicht so recht verstanden, wie unsere „Sozialen Netzwerke“ organisiert sind.
Facebook, Twitter, YouTube und Co. sind private Unternehmen, die ihren Nutzern eine werbefinanzierte Software zur Verfügung stellen, über die diese miteinander kommunizieren können. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf die Nutzung dieser Software. Wer diese Netzwerke nutzen „darf“ und welche Inhalte dort „erlaubt“ sind und welche nicht, entscheiden zunächst einmal einzig und alleine diese Unternehmen selbst. Rechtlich zur Verantwortung können sie nur gezogen werden, wenn sie klar rechtswidrige Inhalte nicht löschen. Wenn YouTube also einen kompletten Kanal löscht, so ist dies im weitesten Sinne vergleichbar mit einem Wirt, der einen Gast auf die Straße setzt, weil ihm dessen Nase nicht gefällt. Dagegen zu klagen, macht keinen Sinn. Es gibt weder einen Rechtsanspruch auf einen Platz an der Theke im Wirtshaus noch auf die Veröffentlichung von Inhalten auf den „Sozialen Netzwerken“.
Dieses nicht eben unwichtige Detail wurde lange verdrängt. Das lag vor allem daran, dass die Social-Media-Konzerne durch die Bank weg amerikanische Unternehmen sind, die tendenziell eher ein liberales Weltbild teilen und die kritische Masse der Internetnutzer in den frühen Jahren dieser Netzwerke auch selbst liberale und progressive Inhalte gepostet hat. Der „Laissez-faire-Politik“ der Netzwerke stand jedoch spätestens seit dem Aufstieg von Tea Party und „Alt Right“ in den USA und Pegida und Co. in Europa eine zunehmend reaktionäre Nutzerschar entgegen. Nicht umsonst war der erste wirklich große Fall einer Löschung eines kompletten Medienkanals durch die „Sozialen Netzwerke“ die Löschung der Kanäle von Alex Jones – einem berüchtigten rechten Hetzer, der zu den „Vordenkern“ der Alt-Right-Bewegung zählt. Dass es nun in Deutschland NuoViso getroffen hat, wird wohl auch kein Zufall sein, da dieser Kanal von bestimmten Medien ebenfalls in eine rechte Schublade einsortiert wurde. Was ansonsten wohl zu einem Aufschrei geführt hat, wird so schweigend und nickend hingenommen.
Leider macht es wohl keinen Sinn, nun darauf zu hoffen, dass die Social-Media-Konzerne ihre „Löschpolitik“ ändern. Der Fall NuoViso war wohl eher der Auftakt einer „Säuberung“ von YouTube und Co. Die Netzgiganten wollen ein „seriöses“ und „familienfreundliches“ Umfeld für ihre Werbekunden schaffen und meiden zudem jegliche Kollision mit der US-Politik, die über die implizite Drohung, die De-Facto-Steuerbefreiung dieser Konzerne rückgängig zu machen, ein sehr scharfes Schwert besitzt. Kontroverse Inhalte stören da nur. Und da die Unternehmen das alleinige „virtuelle Hausrecht“ haben, ist Widerstand wohl zwecklos.
Hinzu kommt, dass Facebook, YouTube und Co. immer stärker ins Visier von Gruppen geraten, die kritische Inhalte aus US-Sicht am liebsten generell aus den „Sozialen Netzwerken“ verbannen würden.
Lesen Sie dazu: „Facebook zensiert alternative Medien – ´Das ist erst der Anfang´, meint ein neokonservativer Insider“ und „Brüssel im Machtrausch: Zensur heißt jetzt Faktenprüfung“.
Konstruktiver ist es wohl, möglichst bald selbst alternative Plattformen zu etablieren, YouTube mag zwar als Videoplattform ein gefühltes Monopol haben; gerade wenn es um die Möglichkeit geht, kritische Inhalte zu veröffentlichen, ist dies jedoch kein Vor-, sondern ein massiver Nachteil, da man ohne Zugang zur Monopolplattform im digitalen Nirwana enden kann.