Sind die Lohnforderungen der Stahlarbeiter wirklich unbezahlbar?
In der westdeutschen Stahlindustrie wird in diesen Wochen wieder zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband Stahl um eine Lohnerhöhung gestritten. Das ist dann immer die Lamento-Zeit der Arbeitgeber und ihrer publizistischen Hilfsorgane: Die Löhne seien zu hoch, die Arbeitszeit zu kurz, die deutschen Unternehmen könnten im Wettbewerb nicht mehr bestehen. Ausgeblendet wird bei solchen Betrachtungen immer die Produktivitätsentwicklung.
Im Jahr 1979 betrugen die Arbeitskosten je Arbeiterstunde in der Stahlindustrie West 12,77 €, im Jahr 2003 dagegen 33,29 €. Das ist natürlich ein wesentlicher ein Kostensprung von 100 auf 261.
Allerdings: 1979 erzeugten rd. 243.000 Arbeitnehmer in der deutschen Stahlindustrie eben so viele Tonnen Stahl wie Ende 2003 nur noch 72.000 Beschäftigte. Die Produktivität je Arbeiterstunde ist von 100 in 1979 auf 317 in 2003 gestiegen, nämlich pro Jahr um 5,2 Prozent, während die gesamten Arbeitskosten nur um 3,8 Prozent im Jahresdurchschnitt zunahmen. Wenn sich die Produktivität stürmischer entwickelt als die Arbeitskosten, dann sinken folgerichtig die Lohnstückkosten je erzeugter Tonne Stahl; in der Stahlindustrie West konnten sie von 1979 bis 2003 von 100 auf 82, also um 18 Prozent gesenkt werden, nach der Verbandsstatistik der Arbeitgeber jahresdurchschnittlich um 1,3 Prozent.
Nach jahrelanger Lohnzurückhaltung wäre es an der Zeit, dass auch die Stahlarbeiter ihren fairen Anteil aus dem Produktivitätsfortschritt zurückbezahlt bekämen.