Am Montag veröffentlichte die geschätzte Kollegin Gaby Weber auf Telepolis einen Artikel zur Rolle der EZB bei der Monsanto-Übernahme durch Bayer und sorgte damit für einige Aufregung. Am Mittwoch ging Ingo Arzt in der taz kritisch auf diesen Artikel ein. Gestern legte Weber auf Telepolis nach und keilte ihrerseits gegen die taz aus, die sie als „Sprachrohr von EZB und Bundesbank“ bezeichnet. Doch dabei vergaloppiert sie sich. Die taz-Kritik ist korrekt, vergisst jedoch ebenfalls einen wichtigen Punkt. Von Jens Berger.
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Hat die EZB die Monsanto-Übernahme mit Steuergeldern finanziert? Dies behauptet Gaby Weber ja in ihrem Artikel bereits in der Überschrift. Doch dies ist ganz eindeutig falsch. Gelder, die die EZB im Rahmen ihrer Politik der Quantitativen Lockerung schöpft, sind keine „öffentlichen Gelder“, wie Gaby Weber es in ihrer Replik formuliert, und schon gar keine „Steuergelder“. Technisch unterscheidet sich von der Geldschöpfung zum Aufkauf von Anleihen durch die EZB fast gar nichts von einem Aufkauf von Anleihen auf Pump durch einen Privatmann oder ein Unternehmen – die EZB muss lediglich verständlicherweise keine Sicherheiten hinterlegen. Wenn die EZB Staats- oder Unternehmensanleihen kauft, schöpft sie das Geld dafür sozusagen aus dem Nichts. Anleihen sind jedoch (auch nur) eine besondere Form des Kredits. Wenn sie von den ausgebenden Unternehmen, also in diesem Falle den Schuldnern, an die EZB zurückgezahlt werden, verschwindet das Geld auch wieder im Nichts. Nur die Zinsgewinne bleiben im Kreislauf.
Der Staat und sein Haushalt – also im weitesten Sinne die „Steuergelder“ – haben damit jedoch überhaupt nichts zu tun. Und selbst wenn es zu einem Konkurs des betreffenden Unternehmens kommt, entsteht erst einmal ein Bilanzverlust in den Büchern der EZB. Auch hier gibt es keinen Grund anzunehmen, dass ein derartiger Bilanzposten auf öffentliche Haushalte, also den Steuerzahler, weitergereicht wird. Die NachDenkSeiten haben den Zusammenhang schon mehrfach erklärt (u.a. hier, hier oder hier). Gaby Webers Kernaussage ist also ohne Wenn und Aber falsch.
Ein wenig anders sieht es mit ihrer zweiten Aussage aus, die besagt, dass das Ankaufprogramm für Unternehmensanleihen durch die EZB eine „Subvention“ sei. Dies ist – wenn auch in einem anderen Kontext – durchaus richtig. Durch das CSPP-Programm der EZB tritt ein weiterer Anbieter von Fremdkapital auf dem Anleihenmarkt auf, was einen zinssenkenden Einfluss auf die betreffenden Anleihen hat. Im Vergleich zur Zinspolitik der EZB ist dies jedoch eine Petitesse. Und es wäre auch mutig zu folgern, dass die EZB oder gar die Bundesbank mit ihrem Anleihen-Aufkaufprogramm nun speziell die Monsanto-Übernahme subventioniert hätte. Die Bedingungen für das Programm sind klar definiert und vergleichsweise transparent. Der Eindruck, irgendwelche Zentralbanker hätten nun Bayer unter die Arme gegriffen, ist daher auch irreführend. Auch ohne CSPP-Programm der EZB hätte Bayer Monsanto übernommen und hätte dabei im schlimmsten Fall ein paar Basispunkte mehr bei den Zinskosten einkalkulieren müssen. Wenn man spitzfindig sein will, könnte man jedoch sagen, dass ohne die Niedrigzinspolitik von FED und EZB eine Übernahme unwahrscheinlicher gewesen wäre, da deren Finanzierung bei normalem Zinsniveau ungleich teurer gewesen wäre. Aber das sind gleich einige „wäre“, so dass auch diese Aussage spekulativ ist.
Ingo Arzt kritisiert den Artikel von Gaby Weber recht überzeugend und auch das CSPP-Programm kritisiert er – jedoch leider teils von der falschen Seite, wenn er beispielsweise von „explodierenden Wohnungspreisen“ als Folge der quantitativen Lockerung spricht.
Entscheidend sollte bei der Kritik jedoch sein, dass das CSPP-Programm der EZB die selbstgesteckten Ziele nicht erfüllt. Man ist bestrebt, Geld „in die Volkswirtschaft zu pumpen“, um damit die Inflation auf die Zielmarkt von 2,0% zu hieven und die Wirtschaft anzukurbeln. Dass dies so nicht funktioniert, nicht funktionieren kann, zeigt das konkrete Beispiel der Bayer-Anleihe sehr gut. Bayer hat mit der Anleihe die Aktionäre von Monsanto ausbezahlt. Die saßen zum Großteil gar nicht in der Eurozone und selbst wenn, dürfte nur ein sehr kleiner Teil des Geldes in inflationstreibende Investitionen oder Konsumausgaben gegangen sein. Wie soll der Aufkauf einer Anleihe, mit der die Übernahme eines US-Konzerns finanziert werden soll, die Inflation in der Eurozone pushen?
Zu den Hintergründen lesen Sie bitte: “Vergesst die Inflation!”
Die Ziele der EZB-Politik sind ja richtig, allein die Mittel sind nicht geeignet, diese Ziele zu erreichen. Würde man – z.B. über die Förderbanken – das geschöpfte Geld so in den Kreislauf bringen, dass es die Konsum- oder Investitionsausgaben ankurbelt, sähe dies anders aus. Warum gibt es aber keine billigen EZB-Gelder für Kredite zur Bewältigung der Energiewende? Warum bekommen Studenten keine zinslosen Studienkredite von der EZB? All dies wäre viel sinnvoller als der Kauf von Bayer-Anleihen. Den muss man kritisieren. Aber das sollte man auch aus den richtigen Gründen tun, sonst vergaloppiert man sich und kommt zu den falschen Schlüssen. So wie die Diskussion um Gaby Webers Artikel momentan läuft, ist es wenig wahrscheinlich, dass dabei etwas Produktives hängenbleibt.