Nun ist es offiziell. Zusammen mit namhaften Partnern will Facebook bereits im nächsten Jahr seine eigene „Weltwährung“ herausgeben. Die Libra ist als wertstabile Kryptowährung konzipiert, mit der man sich über Währungsräume hinweg einfach und unkompliziert Geld zuschicken kann. Mittel- bis langfristig soll sie zu einem „universalen Zahlungsmittel“ im eCommerce werden. Schon wird eifrig darüber diskutiert, ob Facebooks Libra eine Währung ist und als solche reguliert werden sollte. Doch das lenkt vom eigentlichen Problem ab: Sollte Facebook mit seiner Libra Erfolg haben, kann das Unternehmen die Nutzerdaten aus seinen Softwareangeboten mit den Finanz- und Konsumdaten der Nutzer verknüpfen und würde so zur unangefochten größten Datenkrake der Welt. Von Jens Berger.
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Immer wenn es um den Begriff „Währung“ geht, driftet die Diskussion schnell ins Esoterische ab. Was Facebook mit seinem Libra-Projekt umsetzen will, ist jedoch ziemlich unspektakulär. Geld über verschiedene Währungsräume hinweg zu transferieren, ist in Zeiten von PayPal, Moneygram und Co. nichts Besonderes. Diesen Service in ein Messenger-Programm zu integrieren, ist in China über den WeChat-Dienst schon lange tagtägliche Realität. Neu ist beim Libra-Projekt lediglich, dass der Transfer technisch über eine Kryptowährung vonstattengeht, deren Recheneinheit offenbar an einen Währungskorb aus Dollar, Euro und Yen gekoppelt sein soll. Hinter den Kulissen soll eine „Reserve“ dafür sorgen, dass die Libra gegenüber diesen Währungen „stabil“ bleibt. Doch das ist natürlich im Sinne des Wortes nicht möglich, da die jeweiligen Währungen untereinander ja nicht stabil sind, sondern im Rahmen der Kursschwankungen an den Devisenmärkten fluktuieren. Aber das ist ohnehin nebensächlich, da die Libra ja eben kein „echtes“ Geld ist und nicht alle Geldfunktionen mitbringt und nicht für die „Wertaufbewahrung“, sondern für als „Zahlungsmittel“ konzipiert ist.
Um zu verstehen, was die Libra eigentlich ist, ist es hilfreich, sie sich zunächst einmal als eine Art universelle Preisangabe vorzustellen. Spotify kann seine Monatsgebühren mit 10 Libra angeben, was dann bei einer hypothetischen Libra-Kopplung von 1:1 zum Euro und 1:1,1 zum US-Dollar ungefähr dem heutigen Preis entspricht. Ob es nun übersichtlicher oder gar einfacher ist, wenn Preise in einer Kunstwährung angegeben werden, darf ernsthaft bezweifelt werden. Hier wird ein Problem konstruiert, das selbst beim grenzüberschreitenden Handel heute doch gar nicht existiert. Es gibt wohl kaum eCommerce-Seiten, die die gültigen Preise nicht entweder automatisch oder manuell in der gewünschten Währung darstellen und die Kaufsumme über die entsprechenden Finanzdienstleister (PayPal, Visa, MasterCard, Klarna etc.) gegen eine überschaubare Transaktionsgebühr in Echtzeit überweisen.
Auch volkswirtschaftlich ist die Libra nicht sonderlich aufregend. Wenn man das ganze Kryptowährungs-Bohei, das nur unter der Motorhaube von Belang ist, mal herauslässt, ist Facebooks ökonomische Funktion bei dieser Transaktion lediglich, vom Käufer den Kaufpreis zu kassieren und ihn dem Verkäufer gutzuschreiben. Alles andere ist eine Black Box. Nach außen hin ist es unerheblich, ob die Teilnehmer des Netzwerks ihre Preise nun in Euro, Dollar, Libra oder Glasperlen ausschreiben und welche internen Rechnungseinheiten sie zur Fakturierung benutzen. Da ist sehr viel PR und sehr wenig Substanz im Spiel.
Die Libra ist eine Lösung für ein Problem, das es gar nicht gibt. Und wenn Facebook – wie angekündigt – die „übliche Regulierung“ für Finanzdienstleister übernimmt, dürfte auch die Geldwäscheproblematik – ganz anders als bei Bitcoin und Co. – überschaubar sein. Das ist auch kein Wunder, da das eigentliche Geschäftsmodell mit „anonymen Transaktionen“ nicht umsetzbar wäre. Denn so sinnlos die Libra auch scheinen mag, hat sie für die Datenkrake Facebook einen sehr verlockenden Reiz, den sich das Unternehmen auch was kosten lassen dürfte. Und hier wird es dann auch interessant.
Auch wenn PayPal das Clearing über die großen Kreditkartenkonglomerate oder auf anonymer Ebene Western Union oder Moneygram technisch reibungslos funktionieren und vom Kunden angenommen werden, so sind sie doch vergleichsweise teuer. Das merkt der Endkunde zwar in der Regel nicht, da die Transaktionsgebühren eingepreist sind. Je nach Bedingung, Standort und Währungsraum fallen jedoch bei solchen Transaktionen meist zwischen 0,5% und 5% Gebühren an, die in der Regel dem Verkäufer, also dem Handel in Rechnung gestellt werden. Wenn Facebook hier einen preiswerteren oder gar kostenlosen Transaktionsdienst anbietet, wird der Handel diesen Dienst natürlich nicht nur annehmen und unterstützen, sondern auch mit Freude pushen.
Doch hier gilt die alte Regel – wenn Du nichts für einen Dienst zahlst, bist Du das Produkt. Und bei Facebook ist der Nutzer ohnehin das Produkt. Wenn Facebook über seine Schweizer Tochter „Libra Networks“, deren Geschäftsinhalt übrigens mit „Investition, Zahlungsabwicklung, Finanzierung, Identitäts-Management, Analyse, Big Data und Blockchain“ beschrieben ist, die Daten aus seinem gleichnamigen Netzwerk und den angeschlossenen Diensten (Instagram, Messenger u.a.) nun mit seinem neuen Finanzdienstleister Libra, dessen Transaktionsdaten und allen Daten der Libra-Partner (Visa, MasterCard, Spotify, Uber u.a.) zusammenführt, entsteht ein Datenpool, der sogar Google neidisch machen würde. Dieser gigantische Datenpool in den Händen eines Unternehmens wie Facebook wäre ein Datenschutz-Super-GAU. Wenn es das neu gewählte EU-Parlament mit seinen Sonntagsregeln von einem besseren Datenschutz und der Aufsicht von „Big Data“ ernst meinen würde, wäre Facebooks Libra die Nagelprobe.
Titelbild: M.INTAKUM/shutterstock.com