Am Donnerstagmorgen wurden zwei Chemikalientanker im Golf von Oman wenige Kilometer vor der iranischen Küste unter bislang noch ungeklärten Umständen attackiert. Die US-Regierung gab bereits wenige Stunden später Iran die Schuld und präsentierte ein verschwommenes „Beweisvideo“. Beweisen lässt sich mit diesem Video jedoch nichts und Staaten wie Japan und auch Deutschland haben ihre Skepsis bereits verlautbart. Vieles spricht dafür, dass das Video selbst eine Fälschung ist. Dann würden sich jedoch Fragen stellen, deren Konsequenzen die Weltöffentlichkeit sehr ernstnehmen müsste, will man einen drohenden Flächenbrand am Persischen Golf verhindern. Von Jens Berger.
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Für US-Außenminister Mike Pompeo ist die Sache glasklar. Er habe „keinen Zweifel“ daran, dass Iran den Angriff auf die zwei Tanker begangen hat. Es gäbe „viele Beweise“, die von den Geheimdiensten gesammelt wurden und die Weltöffentlichkeit werde viele davon auch noch zu Gesicht bekommen. Man darf gespannt sein. Der erste angebliche Beweis sollte das vom U.S. Central Command veröffentlichte Video sein, das jedoch selbst bei wohlwollender Betrachtung schwerlich mehr als ein schwaches Indiz für eine unterstellte iranische Täterschaft sein kann. Warum ist das Video, das immerhin gute 12 Stunden nach dem ersten Anschlag aufgenommen wurde, eigentlich von derart schlechter Qualität? Man sollte doch annehmen, dass die modernste und hochgerüstetste Armee der Welt in der wohl weltweit am besten überwachten Seestraße zwölf Stunden nach einem derartigen Vorfall im Stande sein sollte, ein scharfes Video zu drehen. Aber das ist nur eine Frage am Rande. Die eigentlichen Zweifel am Video und damit der US-Version sind gravierend.
Die US-Version ist unwahrscheinlich
Im Video soll gezeigt werden, dass ein zehnköpfiges Team der Revolutionären Garden auf einem Patrouillenboot an der mittlerweile manövrierunfähigen und evakuierten Kokuka Courageous anlegt und eine nicht explodierte magnetische Haftmine entfernt. Zwei weitere Haftminen sind demnach in den Morgenstunden explodiert und haben das Schiff schwer beschädigt. Dies widerspricht jedoch den Aussagen der Besatzung und auch die japanische Reederei[*] widersprach der US-Erklärung im japanischen Staatsfernsehen massiv. Demnach habe die Crew kurz vor den Explosionen anfliegende Objekte gesehen. Dies könnten Raketen oder aber – was wahrscheinlicher ist – eine Drohne gewesen sein.
Quelle: NHK
Ein weiterer interessanter Punkt sind die Einschlagsstellen. Die sind bei beiden Schiffen oberhalb der Wasserlinie an der Steuerbordseite. Dies lässt zuallererst die anfangs vermeldete Variante ausscheiden, die Schiffe seien von Torpedos getroffen worden. Torpedos treffen Schiffe unterhalb der Wasserlinie und nicht oberhalb. Aber auch Haftminen werden in der Regel unterhalb der Wasserlinie angebracht. Nur dort verrichten sie größtmöglichen Schaden und nur dort können sie durch Taucher unbemerkt angebracht werden. Selbst in der Nacht ist es schon sehr schwer, sich unbemerkt mit einem Schlauchboot an einen fahrenden Tanker heranzuschleichen und eine über 40 Kilo schwere Magnetmine an der Außenwand anzubringen, um dann dem Schiff zwar schweren Schaden zuzufügen, es aber nicht zu versenken.
In Frage käme auch eine ballistische Rakete. Doch die hätte das Schiff dann – sofern sie vom Iran abgeschossen wurde – nicht auf der Steuerbord-, sondern auf der Backbordseite treffen müssen. Doch die Schiffe wurden steuerbords getroffen. Ein möglicher Beschuss hätte also aus dem von den USA lückenlos überwachten Gebiet inmitten der dicht befahrenen Fahrtrinne zur Straße von Hormus abgefeuert werden müssen. Doch das ist unwahrscheinlich.
Bei Betrachtung der Indizien ist demnach unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen ein Beschuss durch eine Drohne die wahrscheinlichste Erklärung. Dies schließt wohlgemerkt keinen der Verdächtigen aus. Sowohl Iran als auch Saudi Arabien, die Emirate oder die USA selbst verfügen über derartige Drohnen.
Was wäre, wenn die US-Version doch stimmen würde?
Die US-Version eines Anschlags mit Haftminen wirft indes eine ganz andere Frage auf. Denn selbst wenn man einmal annehmen würde, dass die Aussagen der Crew nicht korrekt sind und der Anschlag tatsächlich mit Haftminen ausgeführt wurde, wäre dies kein „rauchender Colt“ aus Richtung Iran. Viel wahrscheinlicher wäre bei einem solchen Szenario, dass die Haftminen von Spezialkräften in den Häfen oberhalb der Wasserlinie angebracht wurden. Die Courageous kam aus dem saudischen Hafen al-Dschubail. Die Front Altair kam aus Ruwais, einem Hafen der Vereinigten Emirate. Beide Tanker kamen also aus Häfen der Länder, die in den vergangenen Monaten am stärksten auf einen Militärschlag gegen Iran gedrängt haben.
Wäre die US-Version mit den Haftminen stimmig, kämen also vor allem Saudi Arabien und die Emirate als Täter in Frage. Dies würde sich dann aber nicht mit dem Video des U.S. Central Commands vertragen, was zu der spannenden Frage führt, woher dieses Video wirklich stammt.
Die entscheidende Frage wird nicht gestellt
Wenn man die derzeit sehr unwahrscheinliche Variante herauslässt, dass die Seeleute und die Reedereien – aus welchen Gründen auch immer – die Unwahrheit sagen und iranische Spezialkräfte mitten auf einer der am dichtesten befahrenen Seestraßen der Welt in einer Nacht- und Nebelaktion zwei Tankern bei voller Fahrt über der Wasserlinie Haftminen verpasst haben, stellt sich die sehr interessante Frage, von wem das „Beweisvideo“ des U.S. Central Command eigentlich stammt.
Als Akteure kommen hier natürlich nicht nur die Regierungen, sondern auch zahlreiche andere Akteure aus den Militärs und Geheimdiensten in Frage. Es ist keineswegs auszuschließen, dass die Falken im Weißen Haus einen „Golf-von-Tonkin-Zwischenfall“ inszenieren wollen, um Präsident Trump in einen Krieg zu ziehen. Das Video beweist wohl schlussendlich nur, dass es zur Zeit Kräfte gibt, die Interesse daran haben, die USA in einen Krieg mit Iran zu ziehen. Und das ist in höchstem Grade alarmierend und sollte auch die Bundesregierung dazu veranlassen, eine offizielle unabhängige Untersuchung der Ereignisse zu fordern.
Der Zwischenfall im Golf von Oman steht anscheinend in einer langen Reihe, die vom Tonkin-Zwischenfall über die Brutkastenlüge, den Hufeisenplan bis zu Saddams Massenvernichtungswaffen geht. Die USA haben alle(!) ihre Kriege seit Vietnam mit einer inszenierten Lüge begründet! Dies sollte die Weltöffentlichkeit nie vergessen.
Titelbild: ISNA
[«*] Die „Besitzverhältnisse“ von Schiffen sind heutzutage nicht so einfach zu ermitteln. Die Kokuka Courageous gehört einer Briefkastenfirma aus Panama City, fährt unter der Flagge Panamas, wird im Auftrag der japanischen Reederei Kokuka Sangyo von einem deutschen Schiffsmanagement-Dienstleister über seine Tochter aus Singapur betrieben. Die Front Altair gehört einer Briefkastenfirma aus Liberia, die wiederum einer Holding aus Zypern gehört, an der der norwegische „Tankerkönig“ Fredriksen 51% der Anteile hält. Betrieben wird die Altair von Frederiksens Reederei Frontline, die ihren Sitz auf den Bermudas hat, und fährt unter der Flagge der Marschallinseln.