Die neue EU-Richtlinie zum Urheberrecht tritt nun in Kraft. Das Vorhaben war von heftigem Protest begleitet, Deutschland hat sich mit einer nicht bindenden Erklärung aus der Affäre gezogen. Der Vorgang ist zweischneidig: Bedeutet die Regelung eine positive Beschränkung von Konzern-Macht? Oder einen inakzeptablen Ausbau der Zensur? Von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Das neue EU-Urheberrecht tritt an diesem Donnerstag in Kraft. Nun müssen die EU-Staaten die umstrittenen Regeln in nationales Recht umsetzen. Vor den Abstimmungen des EU-Parlaments waren in Deutschland und anderen EU-Staaten tausende Menschen gegen die Neuregelung auf die Straße gegangen – vergeblich: Es stimmten damals laut dpa 348 EU-Abgeordnete für die Reform, 274 dagegen.
Upload-Filter und Protest
Etwas befremdlich wirkt angesichts dieser Niederlage die jetzige Genügsamkeit einiger Reformgegner: „Ich glaube schon, dass die Protestbewegung gegen das Urheberrecht ein neuer Schritt war“, sagte Ska Keller von den europäischen Grünen am Donnerstag der dpa. Obwohl die neuen Regeln nun doch kommen, hält sie den Protest für erfolgreich. „Dass es so knapp war, dass es so viel Debatte darüber gab – das war ein großer Erfolg der Bewegung“, sagte Keller. Diese Zufriedenheit ändert leider nichts daran, dass der Protest eben nicht erfolgreich war.
Über große Teile der nun wirksam werdenden Regelungen bestand Einigkeit, aber vor allem der bisherige Artikel 13 war heftig umstritten: Er soll Internetplattformen wie Youtube haftbar machen, wenn Nutzer dort urheberrechtlich geschützte Inhalte hochladen. Kritiker monieren, dass die Plattformen sich mit sogenannten „Upload-Filtern“ gegen diese Haftung schützen müssten, also alle Inhalte prüfen müssten, bevor sie ins Internet gelangen. Die Einführung einer prophylaktischen Zensur? Weil die Plattformen, um ein Haftungsrisiko zu reduzieren, großflächig blockieren könnten, werden Beschränkungen der Meinungsfreiheit befürchtet. Aus Sicht der Befürworter geht es darum, Plattformen, die wissentlich mit fremden Inhalten Geld verdienen, zu einer fairen Lizenzierung zu zwingen.
Bundesregierung wirft Nebelkerzen
Adressat des Protests im Vorfeld war auch und gerade die Bundesregierung – weil sie die verpflichtende Einführung von Uploadfiltern eigentlich im Koalitionsvertrag als unverhältnismäßig ablehnt. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) und die Union gerieten darum unter Druck. Bei der Abstimmung gaben sie schließlich nur „unter Vorbehalt“ grünes Licht. In einer Zusatzerklärung führte die Bundesregierung aus, wie die Reform umgesetzt werden solle: ohne Uploadfilter und mit Ausnahmen.
Weil diese Erklärung aber rechtlich nicht bindend ist, kann sie als reine Nebelkerze bezeichnet werden, die das Papier nicht wert ist, auf dem sie gedruckt ist. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hatte 2016 als Digitalkommissar den Vorschlag für die Reform vorgelegt. Von nun an haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit, die umstrittenen Regeln in nationales Recht umzusetzen.
Die zwei Seiten der Urheberrechts-Debatte
Die Debatte über das Für und Wider der Reform ist längst nicht so eindeutig, wie es beide Seiten suggerieren wollen. Das haben bereits die NachDenkSeiten beschrieben:
„Künstler müssen entlohnt werden, Produktionsfirmen müssen ihre Ausgaben wieder hereinholen. Auch sollen Film- und Musik-Piraten nicht zu politischen Vorkämpfern oder Märtyrern verklärt werden. Nach dieser Sichtweise war auch etwa die 2012 losgetretene Kampagne von YouTube gegen die (berechtigten) Tantiemen-Forderungen der GEMA eine große Heuchelei: Der Mega-Konzern spielte sich zum Anwalt der ‚kleinen Leute‘ und deren ‚Recht‘ auf tausende kostenlose Popsongs auf – während der Internetkonzern auf Basis eben dieser Gratis-‚Kultur’ große Gewinne machte und die Künstler leer ausgingen. Bemühungen, Tantiemen zu garantieren, sind nicht per se schlecht: Kunst hat ihren Preis, Erwartungen von Bürgern nach einer Discount-, Ramsch- und Gratis-Kultur sollten einerseits gedämpft werden.
Das Problem ist aber andererseits, dass man gegenüber der verführerischen Sprache solcher Gesetze wie der nun beschlossenen Reform höchste Skepsis entwickeln muss: Die EU hat bereits diverse Zensur-Vorstöße gegen das Internet vollzogen, die jeweils mit dem „Schutz“ höherer Werte argumentierten. Die mutmaßliche Strategie dabei ist, anhand von akzeptierten Feindbildern Regeln zu rechtfertigen, die dann zeitversetzt alle Bürger und nicht nur die angeblich angepeilten „Rechtspopulisten“, „Russen-Propagandisten“ oder nun „Urheberrechts-Piraten“ treffen.“
Konzern-Kontrolle oder Zensur?
Es geht bei dem Vorgang also um eine Abwägung der Rechtsgüter: Alles, was das Internet als möglichst unbeschränkte Informationsquelle bedroht, ist einerseits höchst skeptisch zu betrachten. Andererseits ist es ein drängendes Problem, dass die neue und wichtige Internet-Öffentlichkeit in der Hand von skrupellosen und privaten US-Konzernen liegt, die ihre Macht auch auf der massenhaften Verletzung von Urheberrechten aufgebaut haben.
Titelbild: Viktar Dzindzikav / Shutterstock