Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. „Zerstörung der CDU“ bei YouTube – Kommt damit klar!
  2. Österreich
  3. Wer beeinflusst uns im Europawahlkampf?
  4. Der Schlüssel liegt in Deutschland
  5. Deutschland: neue Kritik an Schuldenbremse
  6. Lasst Frau Bahlsen ihre Yacht
  7. Viele Bürger überschätzen die Arbeitslosigkeit stark
  8. Caritas-Kasse kürzt Bezüge drastisch
  9. Unheilvolle Nebenwirkung
  10. Initiative fordert Schluss mit Zeitverträgen
  11. Bayern erhält als erstes Bundesland ein Landesregiment
  12. Deutschland ist ein großer Gewinner der europäischen Einigung
  13. DB besser finanzieren und organisieren
  14. Bundestag verurteilt BDS-Bewegung
  15. Das düstere Kapitel der Zwangsarbeit im Dritten Reich
  16. Merkel kündigt weiter steigende Verteidigungsausgaben an
  17. Nutze den Tag, Rette die Welt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. „Zerstörung der CDU“ bei YouTube – Kommt damit klar!
    „Ihr sagt doch immer, dass die jungen Leute mehr Politik machen sollen“: Ein politisches Video des Youtubers Rezo sorgt unter Jugendlichen für Aufregung. Sein Titel: „Die Zerstörung der CDU“.
    Jugendzimmer: Das sind diese Räume, an deren immer geschlossenen Türen gern „Elternfreie Zone“ steht, „Unbefugten ist das Betreten verboten“ oder schlicht „Raus!“. Am Sonntag allerdings sind viele dieser Türen aufgegangen, ihre Bewohner sind klaren Blicks und ernster Miene herausgekommen und haben, statt dem Klischee zu entsprechen und sich genervt an den Frühstückstisch zu lümmeln, eine eindringliche Empfehlung zur anstehenden Europawahlan ihre Eltern gerichtet. Eine Empfehlung, welche Parteien sie bitte auf keinen Fall wählen sollten. Was war geschehen? […]
    Man muss nicht einmal damit rechnen, dass sich alle der mehr als 600.000 vor allem jugendlichen Abonnenten seines Zweitkanals „Rezo ja lol ey“, auf dem das Video zu finden ist, „Die Zerstörung der CDU“ komplett angesehen haben, aber man kann das den hiesigen Politikern, auch außerhalb der CDU, nur empfehlen, dazu den Eltern von Teenagern und allen, die sich fragen, mit welchen Mitteln Jugendliche, Erstwähler, junge Erwachsener statt zur befürchteten Politikverdrossenheit zu so etwas wie demokratischer Teilhabe finden. „Ihr sagt doch immer, dass die jungen Leute mehr Politik machen sollen“, sagt Rezo gegen Ende der Aufnahme, „dann kommt doch damit klar, wenn die jungen Leute eure Politik scheiße finden.“ Und genau so findet Rezo, selbst 26 Jahre alt, die Politik von CDU, CSU, SPD – und, als Fußnote ergänzt, ohne sie in seine umfassende Analyse einzubeziehen, der AfD.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Leser J.A.: Sehr, sehr schönes Video, sachlich fundiert, mit Belegen, wunderbar. Mehr davon!

    Anmerkung Jens Berger: Toll! Es gibt noch Hoffnung.

  2. Österreich
    1. Der feine Unterschied zwischen gutem Draht und Parteispende
      Die von Heinz-Christian Strache genannten Big Spender dementieren Parteienfinanzierung. Enge Verbindungen zur Politik haben sie dennoch.
      Parteispenden, Umgehungskonstruktionen über einen ominösen Verein, Gesetzeskauf, Manipulation von öffentlichen Vergaben: Was seit dem Auftauchen des Ibiza-Videos durch Aussagen von Heinz-Christian Strache im Raum steht, beschäftigt einige der prominentesten Vermögenden und Industriellen der Republik. Gab und gibt es Machenschaften zwischen großen Finanziers und der FPÖ, möglicherweise auch anderer Parteien?
      Die angesprochenen Personen und Konzerne hatten schon Freitagabend ihre Dementis parat, als das Video von “Süddeutscher Zeitung” und “Spiegel” veröffentlicht wurde. Gefallen sind die Namen Glock, Benko, Horten und Novomatic. Bei Glock handelt es sich um den österreichischen Waffenkonzern, der von Gaston Glock aufgebaut wurde. Wenn dessen zweite Frau Kathrin regelmäßig zum Kärntner Großereignis “Horses & Stars” lädt, sind hohe FPÖ-Vertreter Stammgäste. Neben Strache waren auch die Minister Norbert Hofer und Beate Hartinger-Klein VIP-Gäste der Glocks, die am Ossiacher See Springreitturniere veranstalten und Superstars wie Robbie Williams auftreten lassen.
      Die Verbindungen reduzieren sich nicht auf den Pferdesport. Die FPÖ hat seit jeher eine waffenfreundliche Politik verfolgt und eine EU-Richtlinie mit strengeren Kennzeichnungen und Beschränkungen bekämpft. Norbert Hofer ist bekennender Glock-26-Schütze, und: Unter Türkis-Blau zog Kathrin Glock in den Aufsichtsrat der Luftfahrtbehörde Austro Control ein, die zu Hofers Verkehrsministerium ressortiert.
      Ihre Qualifikationen? Sie leitet seit eineinhalb Jahren die Glock Aviation, die drei Privatjets betreibt. All diese Verbindungen haben schon bisher öfters die Frage aufkommen lassen, ob es Geldflüsse von dem Waffenindustriellen an die FPÖ gab. Seit Bekanntwerden des Videos und den darin von Strache getätigten Aussagen gibt es neue Aktualität und alte Reaktionen zu dem Thema. Dementi von Glocks Anwalt Über einen Anwalt ließ Glock verlauten: “Mein Mandant hat weder direkt noch indirekt Spenden oder sonstige Zahlungen an die FPÖ geleistet. Es gab dazu auch keine Gespräche.” Eines betonen auch Kritiker der Blauen: Im von Innenminister Herbert Kickl ausgearbeiteten Waffengesetz ließen sich keine Bestimmungen entdecken, die auf eine Begünstigung Glocks hindeuteten.
      Quelle: Der Standard

      Anmerkung JK: Wie Jens Berger in seinem Beitrag bereits ausgeführt hat, politische Korruption hat viele Gesichter.

      Dazu: Kuschelkurs mit Konzernen: Wie Coca Cola & Co. unsere Politik „sponsern“
      Leuchtpaneele mit Coca-Cola-Logo, Sitzsäcke in der Markenfarbe des größten Getränkeherstellers der Welt, Kühlschränke mit Cola-Flaschen zur freien Entnahme. Wer in diesen Wochen in Brüssel oder Bukarest bei einem EU-Ratstreffen unterwegs ist, kann die Werbebotschaften des US-amerikanischen Brause-Giganten kaum übersehen. Coca-Cola ist neben Mercedes, Renault und dem Telekommunikationsanbieter Digi aktueller „Platin-Partner“ der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft – und darf dabei auch Imagewerbung platzieren. „Der Mehrwert, den die Zulieferkette des Coca-Cola-Systems schafft, stellt ungefähr 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Landes dar“, prangte zum Beispiel auf einem der Werbeträger bei einem Ratstreffen der Verteidigungs- und Außenminister in Bukarest, berichtete „Die Presse“ Anfang Februar. …
      Österreich ließ sich seine EU-Ratspräsidentschaft 2018 unter anderen von Porsche, Audi und Microsoft sponsern. Bulgarien hatte im gleichen Jahr sogar mehr als 50 Sponsoren, darunter Microsoft und BMW. Und die EU-Steueroase Malta bot BMW, Microsoft und AirMalta im Jahr 2017 eine prominente Bühne.
      Recht freimütig sprach die maltesische Regierung damals aus, worum es geht: Werbepartner würden davon „profitieren, mit zahlreichen hochrangigen Veranstaltungen in Verbindung gebracht zu werden, wodurch sie unbezahlbare Exponierung, Prestige und eine verstärkte Marken-Wiedererkennung für ihre Dienste und Produkte bekommen.“ Oder, in Zahlen ausgedrückt: „200 Treffen im Rahmen der Ratspräsidentschaft, die von ungefähr 20.000 Offiziellen besucht werden“, plus noch mehr Delegierte bei weiteren Veranstaltungen in Brüssel, Straßburg und Luxemburg.
      Wie viel Geld die EU-Mitgliedsländer für ihr Sponsoring bekommen, ist nicht immer bekannt. Rumänien hat Anfragen dazu von unserer Partnerorganisation Corporate Europe Obsveratory bislang nicht beantwortet. Irland gab immerhin freiwillig an, 2013 von seinen sieben Partnern, darunter Audi, 1,4 Millionen Euro bekommen zu haben.
      Das ist hochproblematisch. Schließlich sollte die Politik in einer Demokratie unabhängig sein und sich dem Allgemeinwohl verpflichtet fühlen. Der Kuschelkurs mit den Konzernen dagegen verschafft den Unternehmen wichtige Lobbykontakte und die Möglichkeit, ihre eigene Agenda besser durchzusetzen.
      Quelle: Lobbycontrol

    2. Langjährige Verbindungen : Die Liebe der FPÖ zu Russland
      Dem Ibiza-Treffen gingen langjährige Kontakte der FPÖ nach Russland voraus. Das Milieu war ihnen vertraut und doch war Gudenus offenbar nicht klar, dass es die Oligarchin nicht geben konnte.
      Ein Treffen mit viel Alkohol und Macho-Sprüchen – mit dieser Darstellung wollte Heinz-Christian Strache seine Äußerungen rechtfertigen, die zu seinem Rücktritt führten. Doch wurde inzwischen bekannt, dass es vor und nach dem Treffen in der Villa auf Ibiza weitere Gespräche um Investitionen der vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte gab.
      Auch war ihm und seinem Parteikollegen Johann Gudenus das Milieu wohl vertraut, aus dem die Oligarchen-Nichte und ihr Begleiter vorgeblich kamen. Beide FPÖ-Politiker pflegen seit Jahren private und politische Verbindungen nach Russland.
      Strache war es, der die FPÖ nach seinem Aufstieg zum Parteichef 2005 auf einen pro-russischen Kurs brachte. Dies gipfelte Ende 2016 in einem auf fünf Jahre angelegten Kooperationsvertrag mit der Regierungspartei “Einiges Russland”. Vereinbart wurde in Moskau ein Austausch von “Erfahrungen in der gesetzgeberischen Tätigkeit” und über die Erziehung der jungen Generationen “im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude”.
      Quelle: Tagesschau

      Anmerkung JK: Leider sehen die deutschen „Qualitätsmedien“ in der Ibiza-Affäre keinerlei Veranlassung einmal die Angelegenheit kritisch zu betrachten. Stattdessen wird wieder auf Biegen und Brechen versucht irgendwie eine russische Einflussnahme zu konstruieren. Wie wäre es einmal mit einem Titel „Die Liebe der CDU zum US-Imperium“?

    3. “Besoffene G’schicht”: die offene Frage nach der Rolle der Medien beim Ibiza-Video
      Die Story rund um das Ibiza-Video, das eine ausgewachsene Staatskrise in Österreich ausgelöst hat, schillert in vielen Facetten. Was den Medienaspekt betrifft, sind sehr viele Fragen offen. Die drängendste: Wer hat das Video produziert? […]
      Wie die FAZ schreibt, soll das Video ein Jahr lang in “informierten Kreisen” herumgegeistert sein. Spiegel und Süddeutsche Zeitung, die das Material öffentlich gemacht haben, erklärten, von dem Video seit einigen Monaten zu wissen und es rund eine Woche vor der Veröffentlichung erhalten zu haben.
      Bestätigt ist auch, dass der ZDF-Komiker Jan Böhmermann bereits im April das Video kannte, zumindest dessen Inhalt. Eine Person aus seinem Umfeld soll informiert gewesen sein. Es wird viel geraunt in dieser Geschichte. In einer Video-Grußbotschaft anlässlich der Verleihung des österreichischen Fernsehpreises Romy sagte Böhmermann, dass er den Preis gerade nicht persönlich entgegennehmen könne, da er “gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchen-Villa auf Ibiza rumhänge.”
      Quelle: Meedia

      Anmerkung Jens Berger: Jan Böhmermann machte übrigens gestern via Twitter auf folgenden kryptischen Countdown aufmerksam, der zum Zeitpunkt der Aufzeichnung seiner nächsten Sendung abläuft. Coup oder gutes Marketing? Morgen Abend sind wir klüger.

  3. Wer beeinflusst uns im Europawahlkampf?
    Gefälschte Accounts, nachgemachte Wahlplakate, Social Bots – kurz vor der Europawahl steigt bei allen demokratischen Parteien in Deutschland die Nervosität. Besonders große Sorge lösen mögliche organisierte Kampagnen aus dem Ausland aus.
    Kurz vor der Europawahl steigt bei allen demokratischen Parteien in Deutschland die Nervosität. Hassmails und Einzelpersonen sind das eine, doch noch größere Sorge lösen mögliche organisierte Kampagnen aus dem Ausland aus.
    „Wir sehen einmal eine ganze Reihe von gefälschten Accounts, wo ich finde, dass man auch viel härter gegenüber Facebook und Twitter durchgreifen muss, dass sie das auch löschen. Aber da tun sie viel zu wenig“, meint Michael Kellner.
    Der Bundesgeschäftsführer und Chefstratege der Grünen verweist auf so genannte Trolle und Social Bots – also automatisierte Nutzerprofile, die oftmals durch bewusst emotionale Botschaften Wähler provozieren oder manipulieren sollen.
    „Wir haben jetzt schon mehrfach innerhalb Europas Wahlen erlebt, wo es massive Beeinflussungsversuche von außen gab. Wir haben das ja in Irland gesehen bei der Debatte um das Verfassungsreferendum, wo ganz viel Geld aus rechtsextremen Kreisen in den USA reingeflossen ist. Man hat Falschinformationen in den französischen Präsidentschaftswahlen gesehen. Russland hat da interveniert, auch die Chinesen in der Tschechischen Republik, und das sind schon Sachen, die mir einfach Sorgen bereiten.“
    „Im Brexit wurde Einfluss genommen, in der amerikanischen Präsidentschaftswahl wurde Einfluss genommen, bei der Katalanenfrage in Spanien“ – Manfred Weber, CSU-Mitglied und Spitzenkandidat der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, ist sich völlig einig mit seinem Mitbewerber.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Da weiß man nicht ob man jetzt lachen oder weinen soll? Fällt das zufällig eine Woche vor der Wahl veröffentlichte Strache-Video auch unter die Kategorie „organisierte Kampagne aus dem Ausland“, zumindest aus der Perspektive Österreichs?

  4. Der Schlüssel liegt in Deutschland
    Fabio De Masi sieht keinen Grund zu blinder Europagläubigkeit, aber gute Gründe, die EU rigoros zu verändern.
    Sie waren EU-Parlamentarier, sind jetzt Mitglied des Bundestages – wo haben Sie mehr bewegen können, in Brüssel oder in Berlin?
    Habe ich etwas bewegt? Wahrscheinlich nicht. Ich habe Öffentlichkeit für Themen geschaffen. Etwa als ich kurz vor der Veröffentlichung der Panama Papers bei Mossack Fonseca anrief und mich als Geschäftsmann ausgab, der schmutziges Geld waschen will. Aber wir haben nicht die Steueroasen ausgetrocknet. Wir haben auch nicht die Kürzungspolitik in der Europäischen Union beendet, die Europa zerstört.
    Auch im Bundestag misst die Opposition ihren Erfolg daran, ob sie öffentlich sichtbar wird mit ihren Themen. Oder gibt es hier andere Erfolgserlebnisse?
    Im Bundestag musst du dich mit einer Regierung prügeln, in Brüssel gleich mit 28. In Straßburg hältst du eine Rede von einer Minute und wenn du einen Witz machst, lachen die Anderen erst nach zwei Minuten, weil ihn der Dolmetscher übersetzen musste. Daher habe ich immer gerne Englisch gesprochen, aber dann verstehen dich die Leute zu Hause nicht. Im EU-Parlament musst du noch fleißiger und kreativer sein, um Öffentlichkeit zu schaffen. Aber du kannst zum Beispiel keine Mindeststeuern für Konzerne beschließen. Das darfst du gar nicht laut EU Verträgen. Du kannst nur sagen: Amazon zahlt null Prozent, Google ein Prozent Steuern. Das ist eine Wettbewerbsverzerrung. Wenn beide null Prozent Steuern zahlen, ist aber alles in Butter.
    In Deutschland ist es einfacher? Da regiert die Große Koalition seit Jahren durch.
    Die GroKo kannst Du abwählen, die EU Verträge nicht. Das Grundgesetz ist nicht wirtschaftsliberal wie die EU Verträge. Wir können im Bundestag über die Enteignung von Deutsche Wohnen streiten, weil die 18 Prozent Rendite mit der Miete macht. Wenn aber Jeremy Corbyn die Eisenbahn verstaatlichen will oder wir bei Deutsche Wohnen ernst machen, gibt es womöglich Stress mit der EU.
    Wie stresst dann die EU?
    Es war der Europäischen Gerichtshof, der bestimmte: Osteuropäische Bauarbeiter werden in Deutschland nicht nach Tarif bezahlt, weil das die Freiheit der Unternehmen einschränkt. Der EU-Binnenmarkt funktioniert wie das verhinderte Konzernschutzabkommen TTIP – nur ohne USA. Man kann im EU-Parlament auch Dinge erreichen. Aber das Parlament hat kein Initiativrecht – außer bei den EU-Verträgen selbst. Du musst nehmen, was von der EU Kommission kommt und dann Änderungen durchsetzen.
    Quelle: Neues Deutschland
  5. Deutschland: neue Kritik an Schuldenbremse
    Die Debatte über die Schuldenbremse wird endlich auch in Deutschland geführt. Zehn Jahre nach ihrer Verankerung im Grundgesetz und dem Siegeszug durch Europa wird die Schuldenbremse von einer zunehmenden Anzahl von ÖkonomInnen infrage gestellt. Dabei war die Schuldenbremse nie wissenschaftlich zu begründen, sondern immer ein politisches Projekt.
    „Doubts grow over Germany’s balanced budget rule“ – mit dieser Schlagzeile in der „Financial Times“ vom 28. April 2019 erreichte die Debatte um die Problematik der Schuldenbremse auch die internationalen Medien. Das Interessante daran: Neben einer Gruppe von ÖkonomInnen, die die Schuldenbremse bereits vor zehn Jahren skeptisch beurteilte, treten nun auch ehemalige BefürworterInnen gegen die Schuldenbremse auf, allen voran Michael Hüther, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Argumentiert wird, dass die Schuldenbremse in Zeiten steigender Staatsverschuldung – wir erinnern uns: 2009 mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise – richtig war, nun aber die Spielräume unnötig einengen würde. Das ist insofern bemerkenswert, als die Schuldenbremse auf Ebene der Bundesländer überhaupt erst ab 2020 greifen wird. Woher kommt also der Sinneswandel?
    Ein wesentliches Argument für einen höheren staatlichen Spielraum ist die zunehmend schlechter werdende Infrastruktur in Deutschland. Dabei ist die Messung von Investitionen unter ÖkonomInnen strittig, schließlich wird gesagt, man könne nicht trennscharf zwischen Investitions- und Konsumausgaben unterscheiden. Genau diese Unterscheidung wäre ökonomisch sinnvoll und war bis zur Einführung der Schuldenbremse auch im deutschen Grundgesetz verankert.
    Deutschland weist laut Eurostat für das Jahr 2018 staatliche Bruttoanlageinvestitionen (d. h. vor den Abschreibungen) von 2,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, Österreich 3,0 Prozent. Das ist nicht erst 2018 so: In den vergangenen zehn Jahren (2009–2018) investierte der Staat in Deutschland durchschnittlich 2,2 Prozent des BIP pro Jahr, in Österreich waren es 3,1 Prozent. Das sind gewaltige Unterschiede, die allerdings schon vor Einführung der Schuldenbremse bestanden.
    Die Zufriedenheit in Wien und Graz mit der Infrastruktur ist auch höher als in deutschen Städten. Die europäische Statistikbehörde Eurostat fragt diese Zufriedenheit ab (zuletzt 2015) und bezieht dabei 28 deutsche Städte sowie Wien und Graz in das Sample ein. In den deutschen Städten waren 80,5 Prozent der Befragten sehr zufrieden oder zufrieden mit öffentlichen Räumen wie Märkten, Plätzen oder Fußgängerzonen. In Österreich liegt die Zufriedenheit bei 88,5 Prozent. Mit dem Zustand der Straßen und Gebäude in der Umgebung waren in Deutschland 61,8 Prozent zufrieden; in Österreich 87 Prozent. Natürlich gibt es innerhalb der deutschen Städte erhebliche Schwankungen, dennoch könnten diese Aussagen durchaus ein Hinweis auf fehlende öffentliche Investitionen sein – neben den harten Fakten wie der für Lkw gesperrten Rheinbrücke bei Leverkusen.
    Quelle: Blog Arbeit & Wirtschaft
  6. Lasst Frau Bahlsen ihre Yacht
    Kekserbin Verena Bahlsen hat Deutschland gegen sich aufgebracht. Doch Deutschlands Problem ist nicht, dass Verena Bahlsen reich ist. Deutschlands Problem ist, dass es zu wenige Reiche gibt.
    Reichtum ist keine Schande. Man muss das so deutlich sagen nach einer Woche, in der sich die Kekserbin Verena Bahlsen immer wieder rechtfertigen musste. Tatsächlich hat sie in der vergangenen Woche geschichtsvergessene Sätze über Zwangsarbeiter in der Nazi-Zeit gesagt, für die sie zu Recht um Entschuldigung bitten musste.
    Doch war das gar nicht der eigentliche Ausgangspunkt der Empörung. Die war schon ein paar Tage vorher hochgekocht, als Bahlsen sich erdreistet hatte, mit ihrem Vermögen offen umzugehen. „Ich bin Kapitalist“, sagte sie in einer Rede. „Mir gehört ein Viertel von Bahlsen, da freue ich mich drüber.“ Halb scherzhaft ging es weiter: „Ich will Geld verdienen und mir Segelyachten kaufen.“ ….
    Das Land hat Unternehmer nötig, die– ob mit eigenem oder geliehenem Geld – viel arbeiten und Rückschläge in Kauf nehmen, um nützliche Produkte zu entwickeln, für die sie Geld verlangen können. Dann werden sie reich – und zwar vollkommen zu Recht.
    Es gibt Unternehmer, die sich mehr für die Sache interessieren als für das eigene Finanzvermögen. Das ist gut. Aber es reicht nicht. Wenn Reichtum nicht verpönt ist, kann auch die Aussicht auf Wohlstand Unternehmer zu Höchstleistungen anspornen. Das tut Deutschland gut. Solche Unternehmer dürfen gern von einer Yacht träumen, wenn sie wollen. Und sie dürfen sogar einen Teil des erarbeiteten Geldes an ihre Kinder weitergeben, an Unternehmenserben wie Verena Bahlsen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK: Ja, lasst Frau Bahlsen ihre Yacht und Millionen anderen ihr Hartz IV, ihre prekären Jobs, ihre Altersarmut. Das ist so abgrundtief dämliche Apologetik, das kann man gar nicht weiter kommentieren. Wo allerdings Herr Bernau im Portfolio der Firma Bahlsen, das aus der Perspektive einer gesunden Ernährung ausschließlich aus völlig überflüssigen, ja schädlichen Angeboten, die überwiegend aus Zucker und Fett bestehen, „nützliche Produkte“ sieht, weiß wahrscheinlich nur er selbst.

    Bei Herren Bernau sind natürlich Hopfen und Malz verloren trotzdem ein letzter Versuch: 45 Deutsche besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung

  7. Viele Bürger überschätzen die Arbeitslosigkeit stark
    Die Arbeitslosigkeit sinkt – doch viele Bürger überschätzen die Arbeitslosigkeit dramatisch. Zwei von fünf Deutschen meinen, die Arbeitslosigkeit betrage mehr als 20 Prozent. Darunter sind viele Anhänger von Protestparteien.
    Ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland etwa viel höher als die amtliche Statistik zeigt? Diese Botschaft verbreitet seit Jahren nicht zuletzt die Linkspartei. Es sei „Zeit zu handeln, statt zu tricksen“, kommentierte sie den jüngsten Rückgang der amtlich gemessenen Arbeitslosenzahl auf 2,2 Millionen und eine Quote von 4,9 Prozent im April.
    Tatsächlich finden solche Sichtweisen offenbar in wachsenden Bevölkerungskreisen ihren Widerhall. Einer neuen Studie zufolge überschätzen viele Bürger das Ausmaß der Arbeitslosigkeit, gemessen an den offiziellen Zahlen, sogar geradezu dramatisch: Nicht weniger als 40 Prozent der Deutschen schätzen die Arbeitslosenquote demnach auf mehr als 20 Prozent.
    Die Studie aus dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unter dem Titel „Einschätzungen zur Arbeitslosigkeit: Unwissen befördert systemisches Misstrauen“ liegt der F.A.Z. vorab vor. Anhand einer Analyse von Befragungsdaten rückt sie die häufige Kritik an „geschönten“ Statistiken in größere Zusammenhänge.
    Die Ergebnisse im Kern: Die Höhe der Arbeitslosigkeit wird in der Bevölkerung nicht nur stark überschätzt, seit einiger Zeit nimmt auch das Ausmaß dieser Überschätzung zu – was ebenso für andere Länder gilt. Und gleichzeitig deuten sich Zusammenhänge zwischen solchen Wahrnehmungen und dem Zulauf für rechte Protestparteien an. […]
    Ergebnisse von 2008 erlaubten ihnen den Zeitvergleich über acht Jahre hinweg, in denen die deutsche Arbeitslosenquote kräftig gesunken ist. Gemäß der – enger abgegrenzten – Statistik der Internationalen Arbeitsorganisation ILO sank sie von 7,5 auf 4,2 Prozent. Nur spiegeln dies die abgefragten Einschätzungen kaum: Zwar fielen die Schätzwerte im Bereich der ohnehin eher realistischen Antworten 2016 etwas geringer aus als 2008. Doch in der Gruppe, die schon damals die Quote auf 20 Prozent oder mehr taxiert hatte, tat sich wenig; sie blieb mit 40 Prozent aller Befragten unverändert groß. Offenbar ist der Aufschwung in ihren Köpfen nicht angekommen. Das Ausmaß der Überschätzung in der Gesamtgesellschaft hat sich damit erhöht: 2008 machte sie im Durchschnitt 11,1 Prozentpunkte aus, 2016 sogar 13,6 Prozentpunkte.
    Pessimismus schadet dem Zusammenhalt
    Deutschland ist damit nicht allein: Im Durchschnitt 23 europäischer Staaten wurden deren Arbeitslosenquoten im eigenen Land um 13 Prozentpunkte überschätzt. Deutschland zählt hier aber zu einer Ländergruppe, in der geringe Arbeitslosigkeit auf viel Pessimismus trifft – ähnlich wie im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland etwa viel höher als die amtliche Statistik zeigt?” Einfache Frage, und eine klare Antwort: ja. Was als “Unterbeschäftigung” kaschiert wird, bedeutet schon eine Arbeitslosenzahl von 3,2 Millionen, und von mehreren Hunderttausend verdeckt Arbeitslosen ist auszugehen. Zählt man unfreiwillig in Teilzeit statt Vollzeit Beschäftigte hinzu, dann fehlen ganz schnell 5 Millionen Arbeitsplätze, d. h. die Arbeitslosenrate liegt deutlich über 10 Prozent. Die von Creutzberg genannten 4,9 Prozent sind für die Tonne bzw. für die Statistik-Manipulationen der Bundesregierung. Und die vielen Millionen Jobs im Niedriglohnsektor sind eigentlich auch keine richtige Arbeit; insofern liegt die Schätzung von 20 Prozent, selbst wenn es nur “gefühlte Arbeitslosigkeit” ist, deutlich näher an der Realität als die Fast-Vollbeschäftigung, die die FAZ uns weismachen will. Die wenigsten Mensch waren so verrückt, in einer realen Vollbeschäftigungssituation (ich denke z. B. an die 1970er Jahre) Massenarbeitslosigkeit zu sehen – aber die gegenwärtige Massenarbeitslosigkeit für Massenarbeitslosigkeit zu halten, ergibt viel Sinn. Man kann darüber hinaus vermuten oder spekulieren, daß die 40 Prozent, die die Arbeitslosigkeit auf über 20 Prozent schätzen, die Hauptbetroffenen sind: oft prekär oder befristet beschäftigt, häufig arbeitslos und allgemein mit wenigen Chancen auf eine befriedigende Arbeitssituation. Für diese vielen Millionen Menschen kann sich der zubetonierte Arbeitsmarkt leicht wie 20 oder 30 oder 50 Prozent die Arbeitslosigkeit anfühlen. Der angebliche “Aufschwung [ist nicht nur] in ihren Köpfen”, sondern vor allem in den Portemonnaies und den Arbeitsmarktchancen “nicht angekommen”.

  8. Caritas-Kasse kürzt Bezüge drastisch
    Die Caritas-Pensionskasse ist nämlich in höchster Finanznot. Das Geschäftsjahr 2017, das jetzt erst abgeschlossen werden konnte, weist ein Minus von 142,5 Millionen Euro aus, davon sind 122,8 Millionen Euro nicht durch Eigenkapital gedeckt. Vor ziemlich genau einem Jahr, am 11. Mai 2018, verbot die Aufsichtsbehörde Bafin der Kasse die Aufnahme von Neukunden, weil sie der damals vorgelegte Sanierungsplan “unzureichend” fand. Am 8. August hat sie gar die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb widerrufen. Dagegen klagt die Pensionskasse vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt. Seit dem 1. Januar ist Keese der neue Chef, als Aufräumer und Retter. Bei der mit der Caritas-Kasse eng verbundenen Kölner Pensionskasse mit 30 00 Mitgliedern sieht die Lage nicht besser aus.
    Am Mittwoch und Donnerstag haben nun die Mitglieder-Vertreterversammlungen der beiden Kassen einem Sanierungskonzept zugestimmt, das für die Versicherten deutliche Leistungskürzungen bedeutet. Bei der Caritas-Pensionskasse betragen sie insgesamt 122,8 Millionen Euro, bei den Kölnern 48,3 Millionen Euro. Im Durchschnitt ist das eine Kürzung von fast 20 beziehungsweise mehr als zwölf Prozent für die insgesamt 55 000 Rentner und Anwärter. Welche Kürzung dem Einzelnen ins Haus steht, muss noch individuell berechnet werden.
    Fest steht, dass sie für die Rentner ab dem 1. Januar 2020 kommen; für die Anwärter wird die Rentenanwartschaft rückwirkend zum 1. Januar 2018 reduziert. “Für die meisten Zusatzversicherten wird der Dienstgeber einspringen”, sagt Keese. Für manche aber, die als Selbständige eingezahlt haben oder deren Arbeitgeber nicht mehr existiert, bedeuten die Kürzungen tatsächlich Einschnitte in der Zusatzrente, in die sie im schlimmsten Fall viele Jahre eingezahlt haben. “Es gab keine andere Wahl”, sagt Keese. So hätten das auch die Versicherten-Vertreter gesehen und dem Konzept einstimmig beziehungsweise bei der Kölner Pensionskasse bei einer Gegenstimme zugestimmt. Dies sei “entscheidend für die Sicherheit der Versicherungsleistungen”. (…)
    Bei der Caritas-Pensionskasse haben jedoch, wie es in Caritas-Kreisen heißt, teils haarsträubende eigene Fehler zu der riesigen Deckungslücke beigetragen. Offenbar ging der alte Vorstand mit viel zu optimistischen Annahmen über die Zinsentwicklung und die künftige Altersstruktur der Versicherten durch die Jahre und hoffte, dass die Zeiten irgendwie besser würden. Schon 2006 habe es einen Fehler bei der Formel gegeben, mit der die Chancen und Risiken einer Versicherung hochgerechnet werden, aus der sich dann Beiträge, Rückstellungen und Auszahlungen ergeben. Dieser Fehler sei sehr lange unentdeckt geblieben. Und dann hätte es, durchaus nicht untypisch für kirchliche und kirchennahe Betriebe, ein zu großes Vertrauen zwischen Vorstand, Risikomanagement und Revision gegeben. Offenbar prüft die Caritas-Pensionskasse jetzt, ob und gegen wen sie Schadensersatzansprüche stellen könnte.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers S.N.: Das ist sie also, die angebliche Überlegenheit der Kapitaldeckung. Die Meldungen der BaFin für Deutschland und Meldungen aus der Schweiz zeigen, dass das keine bedauerlichen Einzelfälle sind, sondern dass sich um – eigentlich hinlänglich bekannte – systemische Risiken handelt. Siehe hier und hier.

  9. Unheilvolle Nebenwirkung
    Seit Kroatien in der EU ist, wandern immer mehr Menschen ab. Das drückt die Stimmung – auch vor dem Wahlkampfbesuch der Kanzlerin in Zagreb. […]
    Allein in Deutschland leben mehr als 375.000 Kroaten. Viele von ihnen waren zwar schon vor dem EU-Beitritt da, aber danach ist die Abwanderungsbewegung stark gewachsen. In den vergangenen Jahren sind in Deutschland jährlich etwa 30.000 Kroaten hinzugekommen. Kroatien hat offiziell noch etwas mehr als vier Millionen Einwohner.
    Die Auswanderung beginnt, Kroatiens Sozialsysteme ernsthaft zu belasten. „Es kann nicht im Interesse der EU liegen, dass Kroatien und andere jüngere EU-Mitgliedstaaten massiv Fachkräfte verlieren“, sagt Kovač. Kroatien allein könne sich dagegen nicht stemmen, Maßnahmen auf europäischer Ebene seien nötig. Doch welche Maßnahmen könnten das sein, da man in der EU nun einmal niemanden daran hindern kann, in einen anderen Mitgliedstaat umzusiedeln?
    Die Lage sei jedenfalls ernst, sagt die Migrationsforscherin Caroline Hornstein-Tomić vom Zagreber Ivo-Pilar-Institut für Sozialwissenschaften. Zwar lasse sich noch nicht zuverlässig sagen, ob sich die Abwanderung insbesondere junger, gut ausgebildeter Menschen zu einer dauerhaften Emigration verstetigen werde. Doch wenn große Teile der produktivsten Bevölkerungsgruppe das Land weiter in Scharen verließen, könnten die Folgen für Kroatien bedrohlich werden: „Bedrohlich für die demographische Entwicklung, für das Rentensystem, für das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft.“
    Viele kroatische Arbeitgeber spüren diese Gefahr schon jetzt, wie die Zagreber Wochenzeitung „Globus“ unlängst berichtete. Obwohl die Regierung die Zahl der Arbeitserlaubnisse für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten deutlich erhöht habe – von 9000 im Jahr 2017 auf 65.000 in diesem Jahr, seien insbesondere der Bau und die Tourismusbranche von einem Mangel an Arbeitskräften betroffen.
    Gewerkschaften wehren sich jedoch gegen eine weitere Erhöhung. Begründung: Während massenhaft Kroaten ihre Heimat verlassen, um anderswo mehr zu verdienen, sei es keine Lösung, die Löhne in Kroatien durch den Zuzug von Arbeitskräften aus Billiglohnländern künstlich niedrig zu halten – nur um auf diese Weise noch mehr Einheimische zur Abwanderung zu bewegen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ich glaube nicht, daß die Abwanderung von Kroaten eine “Unheilvolle Nebenwirkung” ist – die Bewegungsfreiheit und damit die freie Verfügbarkeit von Arbeitskräften ist in der wirtschaftsliberal dominierten EU genauso ein *Hauptpunkt* wie die Freiheit des Kapitals, Unternehmen dorthin zu verlegen, wo die “besten” Standortbedingungen (also die höchsten Subventionen und die niedrigsten Löhne und Steuern abzugreifen sind). Dieser tatsächlich nichts beschönigende Artikel zeigt Kroatien als EU im Kleinen wie unter dem Brennglas: da die EU (besonders im Eurosystem, aber auch prinzipiell z. B. im Vertrag von Lissabon) auf eine hohe Wettbewerbsfähigkeit durch niedrige Löhne abzielt, verlassen Kroaten das Land, das ihnen keine Perspektive außer hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen Löhnen bieten möchte oder kann. Dann beklagen die Unternehmer einen angeblichen Fachkräftemangel, der (auch) von ihnen selbst durch Niedriglöhne verursacht wurde (genannt werden die typischen Niedriglohnbranchen Bau und Tourismus), und fordern Ausländer zu noch niedrigeren Löhnen an – eine unendliche Spirale nach unten. Das alles bei rekordhoher Arbeitslosigkeit sowohl in Kroatien (angeblich 8,5 Prozent, nachdem 20 Prozent [!!] der Kroaten das Land verlassen haben) als auch in der EU insgesamt (angeblich 6,5 Prozent). Es ist ein Wahnsinn. Wie begründet man hier noch mehr Arbeitskräfte von außerhalb der EU, während 20 Millionen Europäer arbeitslos sind? Immerhin wehren sich die kroatischen Gewerkschaften gegen die Wünsche der Unternehmen nach noch mehr Billigarbeitern. Warum nur befürworten andere Organisationen, die sich als links verstehen (z. B. der DGB, z. B. die Partei DIE LINKE) diesen Irrsinn?

  10. Initiative fordert Schluss mit Zeitverträgen
    90 Prozent des wissenschaftlichen Personals sowie viele Verwaltungsangestellte an der Uni Kassel haben befristete Arbeitsverträge. Das muss sich dringend ändern, fordern die Initiative “Uni Kassel-unbefristet” und Gewerkschaften. Jetzt hat die Uni-Leitung reagiert.
    Carmen Muresan kann sich jetzt Hoffnung machen, dass ihre befristete Stelle an der Uni Kassel bald in eine Dauerstelle umgewandelt wird. Dafür hatte sie in der Initiative „Uni Kassel – unbefristet“ gekämpft – gemeinsam mit den Gewerkschaften ver.di und GEW. Der Kasseler Unipräsident Reiner Finkeldey unterstützt nun die Forderungen der Initiative. Insbesondere im Hinblick auf die sogenannten „Lehrkräfte für besondere Aufgaben“. Diese erhalten die Lehre an vielen Fachbereichen der Uni Kassel mit bis zu 18 Semester-Wochenstunden aufrecht. Für wissenschaftliche Forschung, die zu den Grundlagen einer Universität gehört, bleibt da keine Zeit mehr. Dennoch will der Kasseler Uni-Präsident Finkeldey diese umstrittenen Stellen nun weitgehend entfristen:
    „Bei Lehrkräften für besondere Aufgaben sind wir durchaus nahe beieinander und die gewerkschaftlichen Forderungen nach Anteilen von 70 bis 80 Prozent unbefristeten Stellen im Bereich der Lehrkräfte für besondere Aufgaben halte ich durchaus auch für sinnvoll und mittelfristig – das heißt im Zeitraum von drei bis vier Jahren – auch für umsetzbar an der Universität Kassel.“
    Quelle: Deutschlandfunk
  11. Bayern erhält als erstes Bundesland ein Landesregiment
    Beim feierlichen Fahnen-Appell würdigte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) das Projekt, bei dem Bayern eine Vorreiterrolle einnimmt: “Unsere Bundeswehr muss wachsen und ihre Einsatzbereitschaft muss steigen. Denn wir müssen mehr tun für Stabilität und Sicherheit in Europa und in Europas Nachbarschaft.” In ihrer Festrede erklärte die Ministerin, dass sich die Sicherheitslage verändert habe.
    “Heute zählt unsere Truppe rund 182.000 Männer und Frauen. Und mit der Bundeswehr wächst auch die Reserve wieder. An dem, was da in der Truppe geleistet wird, haben unsere Reservisten einen großen Anteil.” Ursula von der Leyen (CDU), Bundesverteidigungsministerin
    Mit der Implementierung reagiert die Bundeswehr zudem auf den akuten Personalmangel in der Truppe und greift deshalb verstärkt auf Reservisten zurück. Konkret sollen künftig bis zu 500 Frauen und Männer dem bayerischen Landesregiment angehören. (…)
    Fünf Kompanien sind geplant. Als Kommandeur an der Spitze steht ein Oberst der Reserve, Stefan H. Berger: “Das Landesregiment Bayern soll den Heimatschutz sicherstellen. Das bedeutet, die Reservisten unterstützen die aktiven Soldaten bei Verteidigung, Sicherung oder Schutz von Bundeswehr-Einrichtungen und -Liegenschaften oder kritischer Infrastruktur im Inland. Auch soll das Landesregiment bei Großschadenslagen, etwa bei Naturkatastrophen oder Anschlägen, gemeinsam mit den Blaulichtkräften die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten.” (…)
    Bis Ende 2021 ist das bayerische Reservistenregiment als Pilotprojekt angelegt. So will die Bundeswehr in enger Abstimmung mit dem Reservistenverband herausfinden, ob das Konzept auch auf andere Bundesländer übertragbar ist. Ist es erfolgreich, könnte daraus, so die Vision, sogar eine Art Nationalgarde entstehen.
    Quelle: BR

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut Personalmangel bei der Bundeswehr: Verteidigungsministerium will verstärkt auf Reservisten zurückgreifen. Damit wird nun umgesetzt, was sich 2016 bereits angedeutet hatte: Berlin denkt über neue Reservisten-Truppe nach. Ein Zitat: „Nach den jüngsten Anschlägen erwägt die Bundesregierung ein neues Sicherheitskonzept. Ein Vorbild könnte aus Amerika kommen. (…)

    Als Vorbild könnten die amerikanische Nationalgarde, der Reservedienst in Frankreich und die Reserve-Armee (Army Reserve) in Großbritannien dienen. Die Vereinigten Staaten etwa unterhalten eine mehrere hunderttausend Menschen starke Nationalgarde, die bei Unruhen und im Katastrophenfall als interne Eingreifreserve, aber auch in bewaffneten Konflikten eingesetzt werden können – im In- und Ausland. Gestellt wird sie von Freiwilligen.“

  12. Deutschland ist ein großer Gewinner der europäischen Einigung
    Schriftliches Grußwort von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Europawahl
    Deutschland ist ein großer Gewinner der europäischen Einigung. Dazu reicht ein Blick in die Büros und in die Fabrikhallen in unserem Land. Unsere Wirtschaft profitiert vom Binnenmarkt. Sie profitiert von der gemeinsamen Währung. Und sie profitiert davon, dass Europa für freien und fairen Welthandel eintritt. Ein starkes Europa sorgt für volle Auftragsbücher; das sichert Wohlstand und Arbeitsplätze.
    Gleichzeitig ist die Europäische Union mehr als ein erfolgreicher Wirtschaftsraum. Sie ist auch ein Versprechen: für faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen und eine verlässliche soziale Absicherung im internationalen Wettbewerb. In der Europäischen Union herrschen Frieden und Rechtssicherheit – nur so können Wirtschaft und Handel florieren.
    Quelle: DGB

    Anmerkung JK: Beim DGB hat man langsam wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Erst veröffentlicht man zusammen mit dem Arbeitgeberverband einen Aufruf, in dem die deutschen Exportüberschüsse gefeiert werden und zeigt damit, dass einem die Kollegen in den anderen europäischen Ländern egal sind und nun veröffentlicht man auf der Webseite des DGB einen verlogenen Aufruf von Steinmeier zur Europa-Wahl. Schon vergessen Kollegen, Steinmeier war einer der Hauptverantwortlichen für die Agenda 2010, die über Hartz IV auch die Gewerkschaften stark geschwächt hat. Man müsste den Titel allerdings etwas präzisieren: Die deutsche Oligarchie ist die große Gewinnerin der europäischen Einigung.

  13. DB besser finanzieren und organisieren
    „DIE LINKE steht an der Seite der Beschäftigten und unterstützt den Protest der Gewerkschaft. Die Pläne für eine profitorientierte Bahn AG sind krachend gescheitert. Der Abbau von Strecken, eine kaputtgesparte Infrastruktur und Personalmangel haben dazu geführt, dass heute alle unzufrieden sind: Kunden, Beschäftigte und die Politik. So darf es nicht weitergehen“, erklärt Victor Perli, für die Fraktion DIE LINKE Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages und dort Berichterstatter für die Bahn, mit Blick auf die heutige Demonstration tausender Beschäftigter der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG vor dem Finanzministerium in Berlin für eine Stärkung der Deutschen Bahn. Finanzminister Scholz und Verkehrsminister Scheuer sollen sich für deutlich höhere Investitionen in die Schiene und den Ausbau des Bahn-Angebots einsetzen. Victor Perli weiter:
    „Im Haushaltsplan 2020 muss deutlich mehr Geld für den Ausbau der Schienenwege bereitgestellt werden, damit mehr Menschen vom PKW auf die klimafreundliche Bahn umsteigen und deutlich mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagert wird. DIE LINKE schlägt vor, einen Teil der Milliardeneinnahmen aus der LKW-Maut in den Ausbau der Schiene zu investieren. Der Gesetzentwurf liegt auf dem Tisch. Mehr öffentliches Geld muss auch mehr öffentliche Mitbestimmung bedeuten. Bund und Länder müssen direkten Einfluss auf das operative Geschäft der Bahn bekommen, ohne vom Aktienrecht und chaotischen Management-Strukturen mit unzähligen Tochtergesellschaften gebremst zu werden. Bürgerbahn statt Börsenbahn, das ist das Ziel der LINKEN.“
    Quelle: DIE LINKE
  14. Bundestag verurteilt BDS-Bewegung
    In den Kommentaren zur Verurteilung der Kampagne »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS) durch den Bundestag wurde hervorgehoben, dass sich die Linkspartei bei der Abstimmung enthalten habe, unter anderem weil eine »pauschale Kriminalisierung und Sanktionierung« von BDS-Unterstützern »problematisch« sei. Mithin könnten Presse- und Meinungsfreiheit durch den interfraktionellen Antrag unter Druck geraten. Das wurde als differenzierte Einstellung gelobt. Die sich ebenfalls bei der Abstimmung enthaltende AfD, welche sich als wahrer Beschützer der Juden in Deutschland geriert, wurde hingegen als undifferenziert abqualifiziert: Sie wollte die BDS-Bewegung gleich ganz verbieten lassen; man warf den anderen Parteien vor, bei der »entscheidenden Frage« zu »kneifen«.
    Man darf sich gleichwohl das Differenzierungsgetue schenken. Letztlich hat das gesamte deutsche Parteienspektrum die BDS-Bewegung des Antisemitismus geziehen, ohne sich auch nur einen Moment lang zu fragen, was daran antisemitisch sei, dass die in der Weltpolitik machtlosen Palästinenser die Möglichkeit des gewaltlosen Widerstands für sich in Anspruch nehmen. Vergleiche zum Juden-Boykott der Nazis wurden bemüht, ohne wenigstens zu reflektieren, was die Nazis mit ihrem Juden rassistisch verfolgenden Akt bezweckten. Die BDS-Kampagne richtet sich hingegen nicht gegen Juden, sondern gegen Israel – gegen ein Israel, das seit über 50 Jahren ein brutales Okkupationsregime gegen die Palästinenser aufrechterhält, sie knechtet, entrechtet, schikaniert und entmündigt. Ein völkerrechtswidrig handelndes Israel, das erst jüngst wieder in den Parlamentswahlen bewiesen hat, wes Geistes Kind sein Wahlvolk auch im Hinblick auf den Nahostkonflikt ist. Nie würde sich das gegenüber der BDS-Bewegung ach so einige deutsche Parteienspektrum einfallen lassen, Israel für seine Jahrzehnte währende verbrecherische Praxis zu verurteilen, geschweige denn praktische Schritte gegen diese zu unternehmen.
    Quelle: Moshe Zuckermann in der Jungen Welt
  15. Das düstere Kapitel der Zwangsarbeit im Dritten Reich
    Über 12 Millionen Menschen arbeiteten zwangsweise für Hitler-Deutschland. Eine Stiftung hat zwar Milliarden ausgeschüttet. Doch der Fall des Biskuit-Herstellers Bahlsen illustriert, dass viele Firmen dieses dunkle Kapitel verdrängt haben.
    2014 feierte der Biskuit-Hersteller Bahlsen sein 125-jähriges Bestehen. In der Festschrift stehen unter der Überschrift «Zusammen sind wir stark – miteinander auch durch schwere Zeiten» bemerkenswerte Sätze: Zum Selbstverständnis von Bahlsen habe auch der Umgang mit den Fremd- und Zwangsarbeitern während des Zweiten Weltkriegs gehört: Die gleiche Bezahlung wie für deutsche Arbeiter sei selbstverständlich gewesen. Diese hätten sich nach Kriegsende mit deutschen Kollegen denn auch schützend vor das Unternehmen gestellt, damit es nicht geplündert werde. …
    Übers Wochenende sind Belege publik geworden, die das Bild vom «guten Unternehmer» in der Festschrift als verharmlosend erscheinen lassen.
    Da ist der Bericht von Werner Bahlsen selbst, dem Grossvater von Verena, vom August 1942 aus dem Bundesarchiv, den das Portal FragdenStaat aufgeschaltet hat. Es geht um den Arbeitseinsatz von Ukrainerinnen im Grossdeutschen Reich, denn Bahlsen hatte im besetzten Kiew die Leitung eines Schokoladen- und Gebäckherstellers übernommen, in dem 1500 Personen arbeiteten. 74 seien ausgesucht und ins Stammhaus nach Hannover gesandt worden, heisst es in dem Dokument. Zum grössten Teil seien sie gern abgefahren, schreibt Bahlsen. Der Fabrikchef fürchtet jedoch um die Motivation der Arbeiterinnen und negative Rückwirkungen auf die Produktion in Hannover und Kiew. Die Vorschriften für den Einsatz von Ukrainerinnen würden nämlich jede persönliche Freiheit verbieten.
    Er beschreibt etwa, dass die Ukrainerinnen schlechteres Brot bekämen als die Polinnen, dass sie nicht die Strassenbahn benutzen dürften, sondern den Weg zwischen Baracken und Arbeit begleitet von deutschen Aufpassern gehen müssten. Das Versprechen, mit deutschen Arbeitern in Bezug auf die Bezahlung und Ernährung auf die gleiche Stufe gestellt zu werden, bezeichnet Bahlsen selbst als Propaganda. Er beantragt aber nicht, dass die Ukrainerinnen die Rechte der Deutschen haben sollten, sondern dass sie auf die gleiche Stufe wie die Polinnen gestellt würden.
    Quelle: NZZ
  16. Merkel kündigt weiter steigende Verteidigungsausgaben an
    Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen weiteren Anstieg des Wehretats angekündigt.
    Die Verteidigung des Bündnisgebietes erfordere schnelle Reaktionszeiten und eine exzellente Ausrüstung, sagte Merkel am Montag bei einem Besuch im Bundeswehrstandort Munster. “Deshalb werden wir fortfahren bei der Steigerung der Ausgaben für den Verteidigungshaushalt.”
    Die Bundeswehr leiste “Friedensarbeit im besten Sinne”, betonte Merkel. “Ich bin zutiefst davon überzeugt: Alle politischen Bemühungen zur Entspannung sind nur dann wirksam, wenn gezeigt wird, dass wir im Falle des Falles bereit sind, uns zu verteidigen. Das darf nicht nur auf dem Papier stehen”, sagte die Kanzlerin zur Debatte um den Verteidigungshaushalt. Der Falle der Ukraine habe gezeigt, wie schnell die territoriale Integrität in der Nähe des Nato-Bündnisgebietes verletzt werden könne.
    Der Verteidigungsetat beträgt in diesem Jahr 43,23 Milliarden Euro und soll 2020 auf 45,1 Milliarden Euro steigen.
    Quelle: Reuters
  17. Nutze den Tag, Rette die Welt
    Am Sonntag, den 26. Mai 2019, findet in Deutschland die neunte Direktwahl zum Parlament der EU statt. In Deutschland werden dabei allein 96 der insgesamt 751 Mandate zur Wahl gestellt. Es gibt hier also wahrscheinlich bessere Chancen als Aussenseiter ins Parlament einzuziehen als anderswo. Vielleicht auch deswegen ist der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis einer der Mandatsanwärter in Deutschland. Da seine Bewegung DiEM25 nicht als Partei zugelassen ist, und damit selbst nicht zur Wahl steht und weil europaweite politische Parteien ohnehin verboten sind, tritt Varoufakis als Spitzenkandidat der Kleinpartei Demokratie in Bewegung (DiB) an. Eine Gelegenheit also, einmal dem Mann auf die Finger zu schauen, der Dank gezielter massenmedialer Verblödung in Deutschland hauptsächlich wegen seines Motorrades, seines Kleidungsstils und wegen einem Stinkefinger bekannt ist.
    Entgegen solcher Äusserlichkeiten lässt sich Varoufakis‘ politische Integrität am besten mit seiner Reaktion auf das Referendum vom 5. Juli 2015 illustrieren. Premierminister Tsipras wollte damals das Volk über die sogenannten Reformen der Gläubiger-Troika aus Europäischer Kommission, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank, abstimmen lassen. Wenig überraschend wurden die von der Troika eingeforderten erneuten unerträglichen Sparmaßnahmen mit 61,31 % der gültigen Stimmen von den ohnehin bereits über alle Maßen krisengeprüften Griechen abgelehnt. In dieser Situation war Varoufakis bereit, aufs Ganze zu gehen, um die Souveränität seines Landes zu gewährleisten. Varoufakis sah in der Entscheidung des Volkes eine Aufforderung, Tsipras erneut jene Maßnahmen vorzuschlagen, mit denen er bereits zuvor auf die von der EZB verfügte erpresserische Schließung der griechischen Banken reagieren wollte. Varoufakis hatte vor, durch die Ausgabe einer Alternativwährung, durch die Erklärung eines Schuldenschnitts auf die von der EZB gehaltenen griechische Staatsanleihen, und durch die Übernahme der Kontrolle der griechischen Zentralbank, die Souveränität seines Landes gegenüber den Gläubigern wieder herzustellen, selbst wenn diese Maßnahmen letztlich zum harten Grexit geführt hätten. Tsipras liess dies aber aus Angst vor unkalkulierbaren Folgen nicht zu und führte statt dessen ein politisches Trauerspiel auf, an dessen Ende jene zweite SYRIZA-Regierung entstand, die noch heute unter Tsipras als willfährige Vollstreckerin der Gläubiger agiert. Varoufakis optierte damals hingegen konsequent für den eigenen Rücktritt. …
    Die harte Erkenntnis, dass es eine Nation alleine nicht mit der geballten Macht der EU aufnehmen kann und die direkte Erfahrung, dass es sich bei den wichtigsten entscheidungsfindenden Gremien der EU um illegale, intransparente und damit rechtsstaatlich illegitime Institutionen handelte, scheinen die primären Beweggründe für Varoufakis heutige politische Tätigkeit zu sein.
    Quelle: Rationalgalerie

    Anmerkung Jens Berger: Einige Punkte aus dem Programm von DIEM25 sind ja durchaus sympathisch und sicherlich ist diese Partei wählbar, die Spitzenkandidatur von Varoufakis ist jedoch eine fragwürdige Geschichte. Er selbst erklärt nämlich ganz offen, dass er dieses Mandat gar nicht annehmen will. Stattdessen soll die Österreicherin Dani Platsch nach Brüssel gehen, wenn DIEM25 ein Mandat gewinnt. Man könnte das schlaues Marketing nennen; man könnte jedoch auch von Wählertäuschung sprechen und das macht die an sich sympathische Bewegung dann doch wieder ein Stück unsympathischer.

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