Ein Richterin in London hat Julian Assange gestern zu 50 Wochen Haft verurteilt – dafür, dass er sich der Auslieferung nach Schweden entzogen hat und im Juli 2012 in die Londoner Botschaft von Ecuador geflüchtet war. Die Höchststrafe hierfür wäre ein Jahr, und typischerweise kommen Angeklagte in ähnlichen Fällen mit sechs Monaten davon. Ein Bericht aus London von Moritz Müller.
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Southwark Crown Court, London gestern Mittag: Vor dem Gerichtsgebäude haben sich vielleicht 50 Journalisten und eine Schar von Julian-Assange-Unterstützern eingefunden, die auf die Urteilsverkündung und eine Stellungnahme von Julian Assanges Rechtsbeistand warten. Es herrscht eine Stimmung der aufgeregten Erwartung. Als die Nachricht von der Verurteilung zur in diesem Falle möglichen Maximalstrafe nach draußen dringt, macht sich doch Verwunderung breit bzw. es herrscht Ernüchterung, dass das Gericht in diesem Fall überhaupt keine mildernden Umstände in Betracht gezogen hat.
So äußert sich zumindest kurze Zeit später Julian Assanges Rechtsanwältin Jennifer Robinson. Es seien weder die fast sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft, die eine UN-Arbeitsgruppe 2016 als willkürliche Inhaftierung bezeichnet hat, noch der schlechte Gesundheitszustand von Assange in die Höhe des Urteils eingeflossen.
Dem Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson zufolge machte sich die Richterin Deborah Taylor im Gerichtssaal sogar über die UN lustig und gab zu erkennen, dass die UN für sie in diesem Falle keine Rolle spiele. Hrafnsson zeigt sich hierüber und über die generelle Attitüde des Gerichts ehrlich schockiert und lässt durchscheinen, dass sein Vertrauen in die britische Justiz weiter abgenommen hat. Auf die Frage, was zu tun sei, antwortet er, dass es an jedem Einzelnen läge, in diesem Fall aktiv zu bleiben, weil hier fundamentale Prinzipien der Pressefreiheit und Freiheit eines jeden Menschen berührt würden.
Auf den gesundheitlichen Zustand von Julian Assange befragt, antwortet Jennifer Robinson, dass sie tief besorgt sei, und die Jahre in der Botschaft nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind; genau wie die letzten drei Wochen im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, wo er zusammen mit verurteilten Schwerverbrechern einsitzt. Im Volksmund wird Belmarsh auch das Guantanamo Englands genannt. Trotzdem bezeichnet Jennifer Robinson Julian Assange als entschlossen und konzentriert. So berichtigte er die Richterin, als diese von einer schwedischen Anklage sprach, dahingehend, dass in diesem Fall nie Anklage erhoben wurde und somit zur Zeit nichts in dieser Sache gegen ihn vorläge.
Jennifer Robinson gab keine klare Auskunft, ob geplant sei, das Urteil anzufechten, und das man abwarten werde, was in der heutigen Auslieferungsanhörung zum Begehren der USA passieren werde. Sie machte deutlich, dass es im Moment nur einen provisorischen Auslieferungsantrag der USA gäbe, und dass die Amerikaner noch 65 Tage Zeit hätten, ein offizielles Auslieferungsbegehren zu formulieren. Insgesamt gab sie zu verstehen, dass ein langwieriges Prozedere zu erwarten sei und dass es sich eher um Monate und Jahre handeln werde, bis eine endgültige Entscheidung getroffen werde.
Bei der gesamten Befragung durch die Presse stehen Jennifer Robinson und Kristinn Hrafnsson zwei energische Wikileaks-Mitarbeiter zur Seite und man bekommt den Eindruck, dass es sich bei Wikileaks immer noch um eine schlagkräftige Organisation handelt, obwohl mir später aus dem Unterstützerkreis berichtet wird, dass es im Moment nicht so gut um die Finanzen der Organisation steht. Rechtliche Auseinandersetzungen sind teuer und in Kürze geht es weiter vor dem Westminster Magistrates Court. Wir berichten weiter über diese wichtige Angelegenheit.
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