Die aktuelle Initiative von Heiko Maas zum Schutz von Frauen in Kriegsgebieten ist rundum zu begrüßen. Gleichzeitig erscheint der Vorstoß heuchlerisch: Durch sein Wirken als Minister trägt Maas mutmaßlich zur Entstehung von Kriegsgebieten bei. Einen zusätzlichen Makel erhält die Initiative durch die „glamouröse“ Inszenierung. Von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Außenminister Heiko Maas (SPD) muss an dieser Stelle zunächst gelobt werden: Die aktuell vor einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats eingebrachte Initiative für den Kampf gegen sexuellen Missbrauch in Kriegsgebieten ist ohne Abstriche zu begrüßen. “Vergewaltigung und andere Formen von sexueller Gewalt werden weltweit als Kriegs- und Terrortaktiken in Konflikten genutzt“, schreiben Maas und die US-Schauspielerin Angelina Jolie zutreffend in einem Gastbeitrag in der US-Zeitung „Washington Post“. Dieser schlimmen Praxis muss die UNO auch in Form von internationaler Strafverfolgung scharf entgegentreten.
Zwei wesentliche Resolutionen haben die UN laut Medien bisher zum Thema verabschiedet: Die im Jahr 2000 beschlossene Resolution 1325 ruft dazu auf, Frauen zu schützen und sie gleichberechtigt in Friedensverhandlungen und Wiederaufbau einzubeziehen. Im Jahr 2008 forderte die Resolution 1820 dann den sofortigen Stopp jeglicher sexueller Gewalt als Methode der Kriegsführung. Diese Bemühungen zum Schutze der betroffenen Frauen sind unverzichtbar und es ist zu begrüßen, dass sie nun verstärkt werden.
Eine wichtige UN-Initiative – Und eine große Heuchelei
Doch im gleichen Moment muss man Heiko Maas Heuchelei vorwerfen – angesichts des alltäglichen Wirkens des deutschen Außenministers, das Kriege mutmaßlich erst möglich macht oder verlängert. Das „glamouröse“ Beiwerk zu seinem (grundsätzlich guten) Vorhaben – in Form der Flankierung durch Hollywood-Star Jolie und Amal Clooney – verstärkt noch den Eindruck einer symbolhaften Show-Politik.
Der Eindruck der Heuchelei wird unübersehbar, wenn man die in der Uno-Initiative geäußerten Argumente und Ziele mit der tatsächlichen Außenpolitik Deutschlands vergleicht. Diese Diskrepanz bringt etwa Heike Hänsel von der Linkspartei auf den Punkt, die betont, dass die Initiative glaubwürdiger wäre, „wenn sich die deutsche Außenpolitik für eine aktive Friedenspolitik einsetzen würde, statt sich an Kriegen zu beteiligen“. Hänsel fährt fort:
„Das Erstarken islamistischer Terrorgruppen wie des IS sowie weitere islamistische Milizen in Syrien wie die sogenannte Freie Syrische Armee sind nach UN-Angaben für sexuelle Gewalt ebenso verantwortlich wie pro-saudische Milizen im Jemen. (…) Gleichzeitig liefert die Bundesregierung bis heute Waffen und Kriegsgüter an die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, die nachweislich islamistische, frauenverachtende Gruppierungen unterstützen und im eigenen Land Frauen brutal unterdrücken.“
„Ende der Straffreiheit“ klingt schön – Gilt das auch für die Kriegsherren und Waffenlieferanten?
Eine weitere Unstimmigkeit gibt es beim Punkt der Straffreiheit. Denn wer eine Verfolgung der Verbrechen in Kriegsgebieten fordert, muss auch die Ahndung des vorgelagerten, größeren Verbrechens vorantreiben: das der Kriegstreiberei und des Angriffskriegs, ohne die die Bedingungen für die sexualisierte Gewalt nicht im erlebten Maße gegeben wären. Wenn Maas vor der Uno also sagt: „Nachdem es so oft schiefgegangen ist, Täter von sexueller Gewalt vor Gericht zu stellen, hat sich ein Zustand entwickelt, in dem Straflosigkeit fast normal ist“ – so kann man diesen Satz ebenso auf die Personen anwenden, die jene Vorbedingungen in Form von Angriffskriegen erst schaffen. Kriege sind Materialschlachten – sie brauchen permanenten Nachschub an Waffen, Nahrung und Treibstoff. Dieser Nachschub kommt allzu oft auch aus Deutschland.
Wie sehr sich die Bundesregierung sträubt, sich konsequent etwa von Saudi-Arabien zu distanzieren, lässt sich an dieser Szene aus der Bundespressekonferenz ablesen. Anlass für die Fragen der Journalisten waren die jüngsten Massen-Hinrichtungen in dem Land.
Unreflektierte Medien: Deutschlands Themen sind „Frauen, Frieden und Sicherheit“
Kritische Fragen zu dem Missverhältnis zwischen dem aktuellen UN-Vorstoß und etwa deutschen Waffenlieferungen muss Maas von den meisten deutschen Medien nicht fürchten. Statt dessen wird der (grundsätzlich gute) Vorstoß meist isoliert und naiv betrachtet und dementsprechend unreflektiert gelobt, etwa in den „Badischen Neuesten Nachrichten“, die schreiben: „Der SPD-Politiker nutzt die Gunst der Stunde und den deutschen Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat in New York, um das Schicksal von Frauen in Krisengebieten zumindest ein wenig zu verbessern“. Und die „Rhein-Zeitung“ betont:
„Wer wie Deutschland einen ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat anstrebt, der muss auch als nicht ständiges Mitglied seine Themen setzen. Aus deutscher Sicht sind das: Frauen, Frieden und Sicherheit, die zusammengehören. (…) Der Weltfrieden ist ein großes, vermutlich nicht erreichbares Ziel. Aber in manchen Regionen wären sie schon für einen kleinen Frieden dankbar.“
Titelbild: paparazzza / Shutterstock
Mehr zum Thema auf den NachDenkSeiten: