Es ist gut, dass endlich über die Schandtat der Privatisierung von Wohnungen des öffentlichen Eigentums gesprochen wird. Es ist gut, dass auch die Frage der Enteignung von privaten Wohnungen zur Debatte steht, auch wenn ein solcher Akt wahrscheinlich unrealistisch und teuer sein wird. Wenn man über mittlere Sicht eine bessere Situation erreichen will, dann muss man die Spekulation mit dem nicht vermehrbaren Gut Grund und Boden angehen, jedenfalls anders regeln als heute. Zu diesem Zweck weise ich auf eine alte Idee hin: die Einführung einer Bodenwertzuwachssteuer und zwar auf realisierte und nicht realisierte Gewinne. Albrecht Müller.
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Zunächst zur Erinnerung an eine im Zusammenhang mit Bodenspekulation und den Kampf dagegen wichtige politische Person:
In München lebt ein 93-jähriger früher aktiver und führender Politiker: Dr. Hans-Jochen Vogel. Er hat sich angesichts des Desasters mit Wohnungen und Mieten zu Wort gemeldet und an Folgendes erinnert: Grund und Boden sind nicht vermehrbar. Dort entstehen Gewinne, die auf öffentliche Leistungen und Planungen zurückzuführen sind. Deshalb tritt Hans-Jochen Vogel heute wie ausgangs der sechziger und siebziger Jahre für einen Planungswertausgleich ein.
Die Süddeutsche Zeitung hatte am 17. Februar 2019 über die Wortmeldung Hans-Jochen Vogels berichtet. Siehe hier:
Wohnen
Der Boden, auf dem wir lebenDer frühere SPD-Minister Hans-Jochen Vogel widmet seinen letzten Kampf einer Ressource, die immer teurer, aber nie mehr wird: dem Boden. …
Der Deutschlandfunk hat ausführlich über die Analysen von Hans-Jochen Vogel und seine Vorschläge berichtet. Siehe hier:
Hans-Jochen Vogel
Ein Kämpfer gegen die BodenspekulationVon Tobias Krone
Die Reaktion auf den Artikel in der Süddeutschen Zeitung war wohl eindrucksvoll. Die Süddeutsche Zeitung ist dann am 3. März 2019 noch einmal auf das Thema zurückgekommen und hat vom Echo berichtet. Siehe hier:
Hört endlich auf Hans-Jochen Vogel!
SZ-Leser hoffen, dass die Forderungen des 93-Jährigen SPD-Politikers bundesweit Gehör finden – und in Berlin befolgt werden.
Zum Hintergrund und den notwendigen Veränderungen insgesamt:
Hans-Jochen Vogel war in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts Oberbürgermeister der Stadt München. München war in besonderer Weise von einer großen Spekulation mit Grund und Boden geplagt. In München wurden damals durch öffentliche Entscheidungen und Planungen – etwa zur Entwicklung neuer Stadtteile – enorme Bodenpreissteigerungen ausgelöst. Dies wiederum heizte die Spekulation mit Grund und Boden an. Der damalige Oberbürgermeister Vogel hat dieses Thema, diesen Skandal, damals zum großen Thema der öffentlichen Debatte gemacht – damals und dann auch später bis heute.
Von der von ihm losgetretenen Debatte und dem Skandal selbst angeregt machte sich ein Kreis von Volkswirten und Finanzwissenschaftlern, angegliedert an den Lehrstuhl des Nationalökonomen Professor Hans Möller an der LMU, an die Arbeit, Vorschläge dafür zu entwickeln, der Spekulation entgegenzuwirken. Ich war damals Assistent bei Hans Möller. Aus dem gleichen Stall kam auch Ulrich Pfeiffer. Wir beide haben uns, animiert von diesem Kreis, genannt Wirtschaftspolitischer Club, Mitte der Sechzigerjahre an die Arbeit gemacht und einen Vorschlag für eine Bodenwertzuwachssteuer erarbeitet[*]. Diesen Vorschlag brachte ich dann wenige Jahre später in die Arbeit der SPD-Steuerreformkommission unter dem Vorsitz von Erhard Eppler ein. Das Ergebnis dieser Beratungen findet sich unten als Anlage.
Die Kerngedanken unseres Vorschlages waren:
- Die großen Spekulationsgewinne, die durch Kauf und Halten von Grund und Boden und angesichts der Unvermehrbarkeit und des wachsenden Wohnungs- und anderen Bedarfs, entstehen, müssen besteuert werden und zwar so besteuert werden, dass der Spaß an der Spekulation vergeht.
- Um diesen Effekt wirklich zu erzielen, müssen nicht nur die bei Verkauf eines Grundstücks realisierten Gewinne, sondern auch die nicht realisierten Gewinne besteuert werden. Wenn man das nicht will und nicht schafft, dann soll man die Hände gleich weglassen. Wer nur die realisierten Gewinne besteuert, heizt die Spekulation mit Grund und Boden an.
- Zur Besteuerung der nicht realisierten Gewinne hatten wir uns ein besonderes System ausgedacht: Selbstveranlagung kombiniert mit dem Recht der öffentlichen Hand, ein Grundstück zu erwerben, wenn der Selbstveranlager den Wert des Bodens erkennbar zu gering angesetzt.
Das sind Gedanken und Vorschläge, die heute in Konzepte eingebracht werden müssten, wenn damit endlich geschafft werden sollte, was unvermeidbar ist: der wirksame Kampf gegen Spekulation mit Grund und Boden und Immobilien, einem prinzipiell nicht vermehrbaren Gut.
Übrigens: Die Spekulation mit Grund und Boden und Immobilien wird auch durch die Nullzinspolitik der EZB massiv angeheizt. Deshalb gehört diese genauso auf den Prüfstand.
Anhang:
Vorschlag für eine Bodenwertzuwachssteuer, vorgeschlagen von der Steuerreformkommission der SPD und beschlossen vom Außerordentlichen Parteitag der SPD 1971 in Bonn:
Titelbild: Yummy pic / Shutterstock
[«*] Das Papier von Albrecht Müller und Ulrich Pfeiffer mit dem Vorschlag einer Bodenwertzuwachssteuer auf nicht realisierte Gewinne ist leider verschollen.