Die Wahlen waren legal. Was Maduros Regierung in gewisser Weise delegitimiert, ist ihre Leistung – im Gespräch mit Alejandro González (2/2)

Frederico Füllgraf
Ein Artikel von Frederico Füllgraf

In Fortsetzung des gestrigen ersten Teils des Interviews mit dem Energie-Fachmann, Hochschulprofessor und politischen Blogger Alejandro López-González[*] folgt hier der zweite und abschließende Teil. Das Interview führte Frederico Füllgraf.

Nicht selten wurde der verstorbene Präsident Chávez wegen schwerwiegender Fehler kritisiert, wie zum Beispiel die Abwicklung der Ölgeschäfte im Währungssystem des US-Dollar und das Anvertrauen der Goldreserven Venezuelas an britische Banken; eine Achillesferse, die gerade mit der Usurpierung von Goldbarren im Werte von 1 Milliarde Dollar auf dramatische Weise sichtbar wurde. Auch ist unverständlich, weshalb der Chavismo nicht für Investitionen in der landwirtschaftlichen Entwicklung und die Steigerung der Lebensmittel-Erzeugung sorgte. Erzählen Sie uns von den Erfolgen und Fehlschlägen der Regierungen von Chávez und Maduro in der Wirtschafts-, Industrie- und Versorgungspolitik.

Als Hugo Chávez nach seiner ersten Wahl die Regierungsmacht übernimmt, erklärt er die „Zahlung der Sozialschulden”, wie er es nannte, zur Priorität seines Regierungsprogramms, alles andere erschien ihm zweitrangig. Im politischen Verständnis von Chávez hatte das venezolanische Volk Anspruch auf gewaltige soziale Investitionen, hauptsächlich in Gesundheit und Bildung, die seit Jahrzehnten nicht getätigt worden waren. Chávez meinte, dass der Staat als erstes seine „sozialpolitischen Verbindlichkeiten” tilgen müsste, um tiefergehende Transformationen einzuleiten, und nicht umgekehrt.

Nach dem Putschversuch vom April 2002 und der Erdölsabotage von Anfang 2003 war Chávez ferner der Ansicht, dass die finanzpolitische Konfrontation mit den internationalen Wirtschaftsmächten keinen Vorrang besitze. Er räumte verschiedenen transnationalen Konzernen am Orinoco-Ölgürtel Zugeständnisse ein, um damit einen „Waffenstillstand” mit dem transnationalen Großkapital zu erzielen. Das gleiche Ziel verfolgte die Deponie nationaler Goldreserven in ausländischen Banken. In jener Phase wollte er sich nur der sozialen „Schuldentilgung” widmen und überlegte vielleicht, dass er keinen permanenten, gleichzeitigen „Krieg” an der einheimischen und der internationalen Front führen könnte. Das erklärt, weshalb Chávez der Maximierung der Sozialausgaben durch die sogenannten Misiones den Vorrang gab.

Diese „Missionen” waren ein gesetzlicher Hebel, womit er öffentliche Einnahmen direkt für Sozialpläne bereitstellen konnte, ohne – wie er es nannte – administrativen oder „bürokratischen” Aufwand und Kontrolle. Die Missionen funktionierten als eine Art Parallelstaat, das heißt, die Gesundheitsmissionen arbeiteten parallel zum Gesundheitsministerium, also nicht unbedingt nach den Plänen der Staatsverwaltung; ebenso wenig die „Energiemissionen”. Doch damit wurden 1.100 Megawatt in Kraftwerken mit dezentraler Stromerzeugung und bar jeder technischen Beziehung zu den offiziellen Energie-Unternehmen errichtet, denen diese Missionen ohne jegliche vorherige Konsultation und Abstimmung auferlegt wurden. Tatsächlich beruhte Chávez‘ Entwicklungsmodell von 2004 bis 2012 auf enormen Sozialausgaben, darunter die Missionen, die aus den Öleinnahmen finanziert wurden – mehr nicht.

Nach Angaben des ehemaligen Planungsministers von Chávez, Jorge Giordani, wurden zwischen 2004 und 2012 650 Milliarden Dollar in Sozialausgaben „investiert”. In den ursprünglichen Plänen der Alternativen Bolivarischen Agenda von 1996 waren diese Sozialausgaben zur Begleichung der „Sozialschulden” auf 100 Milliarden Dollar geschätzt worden. Nachdem Giordani 2014 von Nicolás Maduro aus der Regierung ausgeschlossen wurde, erklärte er, dass von jenen 650 Milliarden Dollar mindestens 250 Milliarden auf Offshore-Konten außerhalb Venezuelas landeten. Es war eine enorme, vielleicht die größte Kapitalflucht in der Geschichte Venezuelas.

Mit dem Einbruch der Erdölpreise im Jahr 2009 begann auch die Talfahrt vom Modell der „Sozialschulden-Tilgung”. Der gravierende Fehler bestand in der Annahme, dass der Ölpreis zumindest für weitere 15 Jahre Höchststände verzeichnen und der Regierung Zeit für die vollständige „Abzahlung“ ihrer sozialen Verpflichtungen geben würde, um sich anschließend dem politischen Modell eines „neuen Staates” zu widmen. Der sollte aus den Missionen erwachsen, die parallel zum sogenannten “bürgerlichen Staat” ausgebaut wurden. Das war nicht möglich. Es gab keine Schonzeit, die Ölpreise fielen und es gab nichts Konkretes, um den “bürgerlichen Staat” zu ersetzen.

Angesichts der enormen wirtschaftlichen Macht, die der Staat als Eigner der Erdölgesellschaft mit den größten Reserven der Welt darstellte und damals mit einem einzigen Barrel Öl 100 Dollar verdiente, war Hugo Chávez der Ansicht, dass er auf die Zusammenarbeit mit der einheimischen Privatwirtschaft verzichten könne. Er richtete die gesamte verbale und mediale Artillerie des Staates gegen die Unternehmer im Agrarsektor, in Industrie und Handel. Mit den zunehmenden Importen, die mit Petro-Dollars subventioniert wurden, gingen private einheimische Agrar- und Lebensmittelunternehmen eines nach dem anderen Pleite. Dann wurde ein staatlicher Lebensmittelkonzern gegründet, der mit Dollars zu Vorteils-Notierungen weiterhin die Importe erhöhte und die einheimischen – politisch gesehen sicherlich sehr reaktionären, doch eben venezolanischen – Geschäftsleute in den Ruin trieb.

Der Staat importierte plötzlich Reis, Maismehl, Weizenmehl, praktisch alles. Andererseits muss man auch sagen, dass die zu jener Zeit auf dem Binnenmarkt aktiven, einheimischen börsennotierten Unternehmen niemals rentabler waren als der mit Vorzugs-Dollars subventionierte Import. Das hat dazu geführt, dass diese börsennotierten Unternehmen gegenwärtig als totales Fiasko betrachtet werden. Als ehemaliger Beamter im Energieministerium, zwischen 2011 und 2016, kann ich sehr wohl den fortschreitenden Absturz jener börsennotierten Unternehmen bestätigen, die schließlich 2016 am Boden lagen; deren Mitarbeiter ihre Arbeitstage untätig hinter sich brachten und nichts produzierten.

Ende 2012, Wochen vor seiner Reise nach Kuba für seine letzte Operation, erklärte Chávez, es sei notwendig, den gesamten ursprünglichen Plan an eine radikale „Kursänderung” anzupassen, also den von mir beschriebenen Zuständen einen neuen organisatorischen Rahmen verpassen. Es ist jedoch offensichtlich, dass der Plan „nicht nach Plan“ verlief und die politische strategische Konzeption der sogenannten “bolivarianischen Revolution” radikal geändert werden musste. Die Zeit lief aber den Planungen davon. Monate später starb Hugo Chávez und eine korrupte Fraktion der Partei- und Staatsführung übernahm die Macht.

Seitdem folgt die Politik der regierenden Sozialistischen Einheitspartei Venezuelas (PSUV) einem völlig anderen Narrativ. Über das wirtschaftliche Missmanagement der Regierung Nicolás Maduro braucht nicht viel gesagt werden. Ich empfinde gewisse Schwierigkeiten bei der Aufforderung, diese Regierung beschreiben zu müssen. Es handelt sich gewiss um eine absolut improvisierte, planlose Regierung, die, von ihrem pamphletartigen Stil und den Parolen abgesehen, keine solide Ideologie vorzuweisen hat.

Ich denke, angesichts ihrer korrupten und populistischen Natur verfügt sie kaum über seriöse Pläne, die über das elementare, tägliche Überleben hinausgehen. „Von der Hand in den Mund leben“, wäre wohl die gleichzeitige Karikatur und korrekte Umschreibung der Misswirtschaft. In den Armenvierteln von Caracas gibt es ein Sprichwort („como vaya viniendo vamos viendo” – „Mal sehen wie´s kommt und dann wir schauen weiter”), das die sorglose Improvisation benennt. Ich denke, das ist der Regierungsplan von Nicolás Maduro.


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Lassen Sie uns über Erdöl sprechen, ein Thema, das nur wenige Leute besser kennen als Sie – Sie waren ja mehr als 10 Jahre für den PDVSA-Konzern tätig. In einem kürzlich veröffentlichten Gespräch bekräftigte der US-amerikanische Ökonom Michael Hudson, dass Hugo Chávez es versäumt habe, die Unterschlagungen und kaschierten Schein-Einkommensverluste im Ölsektor energisch zu bekämpfen. Auch gelang ihm nicht, die Kapitalflucht der Oligarchie aufzuhalten, die ihren Reichtum ins Ausland verlegte und zum Teil selbst davonlief. Sind diese Argumente ausreichend, um die PDVSA-Krise zu erklären? Und was ist von den massiven Attacken des ehemaligen Chávez-Ministers Rafael Ramírez gegen Maduro in den sozialen Netzwerken zu halten?

Ich stimme dieser Aussage von Herrn Hudson voll und ganz zu. Ich denke, die vorigen Ausführungen machten deutlich, dass dies der Fall ist. Es gibt nicht viel mehr hinzuzufügen, als dass es Ökonomen gibt, die die tatsächliche Höhe der Kapitalflucht mit 600 Milliarden Dollar ansetzen, was absolut enorm ist. Chávez hat es nicht geschafft, die Veruntreuung und die Korruption im Erdölbereich zu beseitigen. Und obwohl es sich als Paradoxon liest, glaube ich, dass er es nicht versucht hat. Er widmete sich, wie gesagt, vorrangig einem Teil seines Plans von der Tilgung der Sozialschulden und sonst nichts. Das Übrige überließ er Mitarbeitern wie Rafael Ramírez, der sich als äußerst korrupt erwies.

Die PDVSA-Krise ist jedoch nicht nur auf Korruption zurückzuführen. Ich absolvierte 2004 meinen Abschluss als Ingenieur und kam ein Jahr nach der Sabotage in der Ölindustrie zum PDVSA. Man sollte wissen, dass 20.000 PDVSA-Mitarbeiter infolge dieser Sabotage den Konzern verließen; entweder, weil sie wegen krimineller Aktivitäten gegen die Infrastruktur des Unternehmens gefeuert wurden oder weil sie beschlossen hatten, das Unternehmen aus eigener Initiative zu verlassen. Zum Thema Sabotage in der Ölindustrie im Jahr 2003 gibt es viele Bücher, aber ein sehr gutes Buch – “La Nube Negra: Golpe Petrolero” / “Die schwarze Wolke: Der Erdöl-Anschlag” – wurde vom kubanischen Botschafter in Venezuela, Germán Sánchez Otero, geschrieben.

Der Schaden, den die Sabotage in der nationalen Ölindustrie angerichtet hatte, war immens. Es gibt Ölverarbeitungsanlagen, die bis heute dahinsiechen, ohne jemals repariert worden zu sein. Als ich bei PDVSA zu arbeiten begann, standen zahlreiche Büros leer, man begegnete kaum jemandem und die Neuen, wie wir, waren hauptsächlich junge Ingenieure und Absolventen autonomer Universitäten mit nationalem Prestige; etwas, das sich später leider ändern würde.

Das Büro, das mir zugewiesen wurde, war der Arbeitsplatz eines Ingenieurs mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung, der persönliche Gegenstände zurückgelassen hatte, die ich aufbewahren und an das Archiv des Unternehmens liefern musste. Ich musste Hals über Kopf, ohne vorherige Schulung und ohne klare Anweisungen meiner Vorgesetzten, den Ingenieur ersetzen. Diese Chefs machten eine kleine Gruppe aus, die das Unternehmen während der Sabotageakte von 2003 nicht verlassen hatten, jedoch nicht gerade zu den technisch Qualifiziertesten gehörten.

Der größte Schaden im PDVSA-Konzern war also der Verlust des gesamten technischen Personals. Wir, die Neuen, mussten am Anfang sehr hart arbeiten; es war eine Schufterei. Ein paar wenige Chefs wurden als „Helden des neuen PDVSA” ausgezeichnet, doch dieser anfängliche, revolutionäre und sozialistische Impuls hielt nicht lange an.

Der Vorsitz von Rafael Ramírez hat uns enttäuscht. Korruption wurde bei betrügerischen Käufen offensichtlich. Die Geldmenge war überwältigend, das Öl-Barrel brachte 100 US-Dollar ein und das Unternehmen, das täglich mehr als 2 Millionen Barrel förderte, war berauscht vom “Tanz der Millionen”. Die Gehälter waren sehr gut, aber es gab eine riesige Verschwendung. Die Sozialausgaben dienten oft als Entschuldigung für Korruption. Der Wohnungsbau wurde direkt von PDVSA über Tochterbaugesellschaften betrieben, die oft mit Managern des Unternehmens besetzt waren, von denen wiederum einige als “Helden des neuen PDVSA” bezeichnet wurden. Das war für einen neuen Ingenieur, wie mich, damals enttäuschend.

Der PDVSA-Konzern wurde durch Korruption und mangelnde Management-Strategie zur Wiederherstellung von verlorengegangenem Fachwissen und der Ausbildung neuer Marktteilnehmer zerstört. Von den neuen Ingenieuren, die wie wir mit dieser ersten Neuanstellungs-Welle den Konzern betraten, waren die meisten an den besten Universitäten des Landes ausgebildet worden. Wir waren revolutionär und sozialistisch gesinnt, doch davon ist heute fast nichts mehr übrig. Wir wurden nach und nach durch Ingenieure ersetzt, die die von der Regierung gegründeten neuen Universitäten absolviert hatten.

Grundsätzlich erkannte das Management von Rafael Ramírez schnell, dass es bei Ingenieuren wie uns schwierig war, die offen praktizierte Korruption der Manager, die Ramírez in allen Territorialabteilungen des Unternehmens untergebracht hatte, straflos fortzusetzen. Sammelbewegungen sozialistischer Arbeiter wurden geschaffen, um Widerstand zu leisten, die Medien und die Regierungspartei stellten sich jedoch taub. Letztendlich verließen wir geschlossen das Unternehmen und wurden durch loyale Ingenieure ersetzt, die an neuen Universitäten auf sehr niedrigem technischen Niveau ausgebildet worden und der politischen Ausrichtung des Unternehmens vollständig hörig waren; ein schrecklicher Zustand.

Ich kann nicht schwören, ob Rafael Ramírez gestohlen hat oder nicht, das wird irgendwann von einem Gericht entschieden. Was ich jedoch bestätigen kann, ist, dass es während seiner Verwaltungszeit und mit seinem Wissen in meinem Fachgebiet zahlreiche Korruptionsfälle innerhalb von PDVSA gab und dass die zentrale Unternehmensführung in undurchsichtige Praktiken involviert war.

Das hatte wiederum mit der Krise des Elektro-Sektors zu tun. Hunderte von Ingenieuren jener ersten Welle könnten heutzutage die PDVSA-Korruption bezeugen. Viele der im ersten Teil des Interviews erwähnten Anlagen wurden nicht von Corpoelec, sondern von PDVSA erworben. Im Korruptionsfall, in dem Anlagen der deutschen Siemens involviert sind, werden stärkere Verbindungen zu PDVSA von Rafael Ramírez als zu Corpoelec erkennbar. Außerdem war die Mittelverschwendung von 2004 bis 2012 in PDVSA während der Rafael-Ramírez-Administration ausgesprochen brutal.

Die Gründe für das plötzliche Zerwürfnis zwischen Ramírez und Maduro liegen ganz woanders. Ramírez wollte schon immer Präsident Venezuelas werden und hatte Geld, um sich selbst zu finanzieren. Maduro witterte diese Gefahr und zunächst entfernten sich beide voneinander. Das heißt, Maduro erkannte in Ramírez eine Gefahr für seine eigene politische Hegemonie und damit brach der offene Konflikt aus. Mit dem Korruptionsvorwurf als politischer Waffe wurde Ramírez sozusagen politisch in die Enge getrieben und verließ das Land. Doch daran stimmt etwas, er ist nämlich tatsächlich ein Dieb. Aber nicht mehr oder weniger als viele aus dem Umfeld Maduros.

Ramírez‘ Anklage, Maduro sei ein „illegitimer“ Präsident, ist bösartig. Die Wahlen vom 20. Mai 2018 waren legal, Maduro wurde rechtmäßig gewählt. Was Maduros Regierung in gewisser Weise delegitimiert, ist ihre Leistung. Es ist eine Regierung, die zum Kartell korrupter Beamter mutierte. Und bedauerlich ist dabei die untätige venezolanische Justiz.

Beeindruckende Hintergründe, die den meisten Lesern, selbst den meisten Journalisten kaum bekannt sind. Kehren wir nun zur Gegenwart zurück und sprechen wir über bilaterale Beziehungen.

Das deutsche Auswärtige Amt erklärte sich von der Ausweisung Daniel Krieners, des deutschen Botschafters in Caracas, „überrascht”, obwohl dieser in den vergangenen Wochen mehrmals Seite an Seite mit Juan Guaidó auftrat und Präsident Nicolás Maduro als „illegitim” bezeichnete. Wie sehen Sie es aus der Perspektive der venezolanischen Souveränität?

Nun, schauen Sie sich die Reden des deutschen Botschafters im UN-Sicherheitsrat an, absolut diffamierende und vor Ungereimtheiten strotzende Reden. Während der letzten Sitzung antwortete Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza ja energisch auf die Rede des deutschen Botschafters zum Fall Venezuela. Ich muss sagen, dass es mir sogar schien, als ob der russische Botschafter den deutschen Botschafter während dieser Sitzung schwer in Verlegenheit brachte. Er hat die totale und absolute Verkennung der Realität Venezuelas durch die deutsche Regierung und ihre Diskurse bar jeder realen Grundlage als stupide Wiederholung der Slogans der US-Regierung bloßgestellt.

Ich finde es bedauerlich, dass Deutschland gegenüber den amerikanischen Interessen eine so dienliche Position einnimmt. Auch dass die Position Europas im Allgemeinen unwürdig erscheint. Ich bin überrascht, dass die Regierung Nicolás Maduro abwartete, bis der Botschafter an der Seite Juan Guaidós bei dessen Rückkehr nach Venezuela auftrat, um den Deutschen auszuweisen. Ich bin der Ansicht, Venezuela hätte seit den Auftritten im UN-Sicherheitsrat und den offenen Einmischungen des deutschen Botschafters in Venezuela längst die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abbrechen sollen.

Es waren unhöfliche Worte und unwürdige Auftritte einer großen und mächtigen Nation wie Deutschland. Ich verstehe die europäische Position wirklich nicht. Ich verstehe die europäischen Interessen nicht, wenn Europa das Spiel der USA gegen Venezuela spielt. Die europäische Position scheint mir mittelmäßig zu sein, Regierungen wie die Spaniens überraschen mich überhaupt nicht, aber die deutsche Haltung hat mich schon beeindruckt.

Ich vermutete immer, Deutschland träte mit seiner internationalen Politik als viel souveräneres Land auf. Aber, nein, ohne eigene Verifizierung unterschrieb Deutschland sozusagen die US-Anschuldigung, dass die Lastwagen der humanitären Hilfe von der Regierung Nicolás Maduro verbrannt worden waren, und käute die Lügen der Regierungen Kolumbiens und der USA wieder. Und was wird die deutsche Regierung jetzt tun, nachdem Recherchen der New York Times belegten, dass die Lastwagen umgekehrt von den Anhängern Juan Guaidós verbrannt wurden? Es ist wirklich ein Trauerspiel.


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Wie beurteilen Sie die straflos gebliebene Rückkehr von Juan Guaidó? Wenn dies eine korrekte Maßnahme der Maduro-Regierung war … – warum war sie es?

Der ursprüngliche Plan der Regierung Nicolás Maduro war, Juan Guaidó bei seiner Rückkehr zu inhaftieren. Doch sehen wir uns den US-Plan für Guaidó an. Er hat drei Phasen durchlaufen: Erstens: Am 23. Januar die Selbsterklärung zum Übergangspräsidenten. Zweitens: Der Versuch, “humanitäre Hilfe” zwangsweise über die Grenze einzuschleusen. Drittens: Die Rückkehr Guaidós, um seine Verhaftung zu erzwingen und die Maduro-Regierung als „Diktatur“ usw. anschuldigen. Die ersten beiden Versuche scheiterten. Die Idee war, eine institutionelle Krise auszulösen, die aber nicht eingetreten ist.

Der Plan mit der Selbstvereidigung Guaidós bestand darin, eine Spaltung im Land und in den Streitkräften herbeizuführen, einen Konflikt zu provozieren, der im erzwungenen Rücktritt von Nicolás Maduro gipfeln sollte. Die Idee schlug jedoch fehl. Dann, einen Monat später, wurde versucht, angebliche humanitäre Hilfe einzuschleusen: drei Lastwagen mit Tüten der US-amerikanischen Streitkräfte und USAID, kalte Arzneimittel und Spritzen. Dies war doch keine konkrete Hilfe für das Land. Russland spendete zum Beispiel Tonnen teurer Medikamente zur Behandlung von Krebspatienten, die allerdings mit Erlaubnis der Regierung und den entsprechenden Kontrollen ins Land kamen. Und niemand beschwerte sich, es gab keine Probleme und die Hilfsmittel stehen in Venezuela zur Verfügung.

In diesem Sinne ist der Entschluss, Guaidó nicht zu verhaften, eine korrekte Strategie der Regierung Nicolás Maduro. Es ist ein “rotes Tuch”, mit dem nicht gewunken werden sollte, da es nur den USA Vorwände für eine militärische Intervention in Venezuela liefert. Bis sich die Situation im Land wieder normalisiert, wird Guaidó zumindest vorerst nicht inhaftiert. Ich fürchte jedoch, dass die US-Geheimdienste die Möglichkeit prüfen, einen False-Flag-Anschlag auf Juan Guaidó zu inszenieren, um der Regierung die Schuld in die Schuhe zu schieben und eine militärische Intervention zu rechtfertigen. Deshalb schätze ich, dass Guaidó der Regierung Donald Trump jetzt als “Märtyrer” dienlicher wäre denn als “selbsternannter Präsident”; ein Titel, der in einer Verschwörung zum Sturz Nicolás Maduros absolut harmlos klänge. Dies scheint zumindest für den sozialdemokratischen Außenminister der spanischen Regierung, Josep Borrel, sehr klar, der erklärte, die USA hätten Juan Guaidó zu seiner Präsidenten-Selbsterklärung regelrecht gedrängt.

Nun kommen wir zum Kern der polarisierten Debatte über Venezuela, in der auf jeden Angriff der USA und ihrer Verbündeten die traditionelle Linke mit der Verteidigung der Maduro-Regierung antwortet. Wie positionieren Sie sich, was sind Ihre Vorschläge und wer sind die Hauptakteure des linken Chavismo, mit dem Sie sich identifizieren?

Es ist klar, dass in Venezuela zwei Pole im Konflikt stehen, die aber nicht die einzigen politischen Akteure in meinem Land sind. Ideologische Polarisierung ist völlig falsch, wir Venezolaner sind, strenggenommen, keine Sozialisten oder Neoliberalen, das ist eine falsche Annahme. Im Allgemeinen ist das venezolanische Volk sozialdemokratisch oder in geringerem Maße christlich-sozial gesinnt, obwohl viele nicht einmal wissen, was das bedeutet.

Ich identifiziere mich mit keiner der beiden. Es gibt auch kein Übermaß an Rechtsextremen in Venezuela. Dass es sie neuerdings gibt, ist genau der Fehler derjenigen, die in der Vergangenheit Typen wie Leopoldo López und Juan Guaidó unterstützten.

Andererseits erhielt auch die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) vor Hugo Chávez kaum mehr als 3 Prozent der Stimmen und die rechtsextremen Parteien – wie die Vorläufer von “Primero Justicia” (Henrique Capriles, Leopoldo López, Julio Borges stammen aus dieser Strömung) – erhielten auch nie mehr als 1 bis 3 Prozent der Stimmen. Die überwiegende Mehrheit stimmte für die Sozialdemokraten (AD, Mitte-Links) oder die Christlich-Sozialen (COPEI, Mitte-Rechts). Die gegenwärtige Polarisierung ist eine Falle, sie ist nicht für die Mehrheit der Venezolaner repräsentativ, zumindest nicht in ideologischer Hinsicht.

Ich selbst sehe mich als Sozialist, doch nicht wegen Hugo Chávez, sondern wegen dem ideologischen Familien-Erbe. Mein Vater ist Sozialist, meine Mutter ist die humanistischste Frau, die ich kenne, meine Großeltern mütterlicherseits waren Christlich-Soziale, meine Großeltern väterlicherseits waren auf dem eher linken Flügel der Demokratischen Aktion (AD) angesiedelt, die sich beide der Militärdiktatur von Marcos Perez Jiménez widersetzten und zusammen mit der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) den Diktator 1958 stürzten.

Danach begann die repräsentative Demokratie in Venezuela, bis sie 1999 in eine Art partizipatorischer Demokratie mündete. Das wurde damals von der neuen Verfassung unter Führung von Hugo Chávez durchgesetzt; im Übrigen, eine vorbildliche Verfassung, die ich als Mitunterzeichner unterstütze. Doch die überwiegende Mehrheit der Venezolaner – sowohl auf Seiten der Regierung als auch der Opposition, selbst in meiner eigenen Familie – zählte sich niemals zum rechten Lager; einfach deshalb, weil das in Venezuela rein statistisch nicht ins Gewicht fiel. Selbst heute strotzen Regierung und Opposition vor Sozialdemokraten oder Christlich-Sozialen, die in beiden Lagern ideologischen Diskursen und Etiketten zugeordnet werden, die für sie nicht natürlich sind, die nicht auf sie passen.

Es gibt natürlich Rechtsextremisten, darunter zum Beispiel diejenigen, die mit Juan Guaidó marschieren und fremdenfeindliche, rassistische Schlagworte usw. austeilen. Das ist aber eine schwindende Minderheit. Ebenso gibt es Kommunisten, die für die Regierung Maduro und für Chávez eintraten, doch selbst das ist eine kleine Gruppe. Chávez gewann 1998 die Wahlen deshalb, weil sich die Sozialdemokraten und die Christlich-Sozialen enttäuscht fühlten und mit dem gemeinsamen Nenner beider politischer Strömungen – nämlich die altbewährte soziale Gerechtigkeit – die Wahl von Hugo Chávez unterstützten. Nichts weiter. Ich bin der Ansicht, dass Venezuela zu seinen historischen, demokratischen Wurzeln zurückkehren muss, um die aktuellen politischen Probleme und die Gefahr der extremen Rechte zu überwinden, die Juan Guaidó und seine militantesten Anhänger darstellen.

Die Dissidenten des Chavismo, die sich als links oder sozialistisch ausgeben, beschränken sich momentan auf Chávez-Anhänger und Persönlichkeiten; nicht viel mehr als das. Sie verfügen leider über keine eigene Stärke. Ohne Hugo Chávez mangelt es ihnen an ideologischem Profil. Dies ist der Fall Héctor Navarros, Jorge Giordanis und ihrer Gruppe, auch derer, die sich als dissidenter Chavismo bezeichnen. Allesamt zweifellos Intellektuelle von Wert, aber mit sehr geringer sozialer Basis. Als selbstständige Option sind sie aus meiner Sicht unbedeutend, könnten aber wertvolle Verbündete für eine größere, breit gefächerte Volksfront sein.

Es gibt sozusagen moralische Reserven in sozialdemokratischen und christlich-sozialen Politikern aus der Zeit von 1958 bis 1999, die heute Juan Guaidó nicht unterstützen und dennoch in der Opposition sind. Ebenso gibt es auch bedeutende moralische Reserven in der Kommunistischen Partei. Ich glaube, dass eine wirkliche breite Front, bestehend aus einem historischen Bündnis von Sozialdemokraten und Kommunisten, selbst mit den Christlich-Sozialen, ein Ausweg aus dieser Krise sein könnte. Zusammen bilden diese drei die Seele der venezolanischen Politik. Das Einzige, was uns zu einem soliden institutionellen Rahmen führen kann, der es uns ermöglicht, die partizipative Demokratie in Venezuela neu zu gestalten, wäre ein wesentlicher taktischer Rückzug; es gibt keinen anderen Weg. Die andere Option wäre der Bürgerkrieg.

In Venezuela gibt es neue Werte, die von den Medien und den antagonistischen Polen völlig unsichtbar gemacht wurden, jedoch am 20. Mai 2018 zu den Präsidentschaftswahlen gegen Nicolás Maduro antraten. Zum Beispiel Henry Falcón – der von einem historischen venezolanischen Sozialdemokraten wie Claudio Fermín gefördert wurde – und Javier Bertucci, der von den entschlossenen Dissidenten der christlich-sozialen Partei COPEI unterstützt wurde, die sich keinesfalls mit der extremen Rechten identifiziert und zur Wahlteilnahme aufgerufen hatte.

Es ist doch bemerkenswert, dass, obwohl die sogenannte Opposition zum Wahlboykott aufgerufen hatte, mehrere Millionen Venezolaner für diese beiden Oppositions-Kandidaten und viele andere für den von Maduro angeführten Chavismo gestimmt haben. Die deutschen Leser sollten wissen, dass die Rechtsextremen, die heute hinter Juan Guaidó herlaufen, Falcón und Bertucci als Verräter beschimpften und ihnen den öffentlichen Lynchmord androhten.

Basisbewegungen im Umweltbereich sind auch eine Referenz für einen unabhängigen sozialen und sozialistischen Kampf. Heute sind wir noch unsichtbar, weil die Opposition auf der Behauptung besteht, dass niemand an den Wahlen vom 20. Mai teilgenommen hat. Was überhaupt nicht stimmt. Dieses für die Medien unsichtbare Venezuela, das an den Wahlen vom 20. Mai 2018 teilgenommen hat, ist das Venezuela, das uns auf den Weg des Fortschritts führen kann, der nach friedlichen Lösungen sucht.


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Sie haben in unserem Vorgespräch einen Dialogtisch vorgeschlagen, den die UNO zur Lösung der venezolanischen Krise überwachen sollte. Ein Dialog, der Wahlen zum Ziel hat, an denen die regierende PSUV als anerkannter politischer Akteur beteiligt wird, mit Maduro als politischem Akteur, jedoch nicht als Kandidat. Aber auch ein Dialogtisch, an dem der konservative Enrique Capriles und der rechtsextreme Leopoldo López teilnehmen können.

Sie stimmen zu, dass Leopoldo López ein Gewalttäter der Ultrarechten ist, sagen aber, er stelle keine Gefahr dar, weil er die Wahlen nicht gewinnen würde. Nach Ihrer Analyse würde umgekehrt ein alternativer, von der PSUV-Basis gewählter Kandidat die Präsidentschaftswahl gewinnen. Damit aber ein Verfahren der direkten Demokratie stattfinden kann, sagen Sie auch, dass die gesamte derzeitige PSUV-Führung unter Maduro ihren Hut nehmen soll. Unser NachDenkSeiten-Kollege Tobias Riegel stellt Ihnen deshalb folgende Fragen: Ist Nicolás Maduro im Moment nicht die beste (real) verfügbare Option? Sollte nicht vor dem Sturz Maduros eine (reale) Option verfügbar sein? Ist der Vorabend eines Putsches der richtige Zeitpunkt, um neue Fronten in der venezolanischen „Linken“ aufzumachen? Gonzalez will keinen einzigen alternativen Namen nennen – Hat seine Kritik also die proklamierte „linke“ Wirkung?

Die Regierung Nicolás Maduro wird von dem Vertrauen getragen, das ihr Millionen Venezolaner entgegenbringen. Die Protagonisten sind Venezolanerinnen und Venezolaner, die ihre Regierung mit schierer Begeisterung und Vertrauen unterstützen. Doch die Führung Nicolás Maduros glänzt nicht gerade vor Verdiensten. Maduro sollte durch einen Parteitag ersetzt werden, bei denen die Parteiführung, die von Diosdado Cabello, Tareck El Aissami und Maduro kontrolliert wird, nicht in die Basisentscheidungen eingreift.

Die regierende PSUV sollte eine Neugründung nach Ende der Ära Chávez ins Auge fassen, die bisher nicht stattgefunden hat, und danach an Neuwahlen teilnehmen. Ich denke an Führungspersönlichkeiten wie Delcy Rodríguez, Jorge Rodríguez, Jorge Arreaza oder Héctor Rodríguez, allesamt Vertreter der nicht-militärischen Linken. Sie sind weit weniger „angesteckt“ als Diosdado Cabello, Cilia Flores, Tareck El Aissami oder Nicolás Maduro. Ein Wiedergründungskongress der PSUV könnte diese Führungspersönlichkeiten als potenzielle Kandidaten für eine Neuwahl aufstellen, die von den Vereinten Nationen überwacht würde. Diese neue PSUV-Führung muss jedoch ein Bündnis mit den sozialdemokratischen und christlich-sozialen Parteien suchen.

Ich denke, es ist dringend notwendig, einen PSUV-Parteitag einzuberufen, auf dem die landesweiten Führungspositionen überdacht werden. Ihnen stehen die alten Kaziken gegenüber, die entschlossen sind, weiterhin ihre absolute Kontrolle auszuüben. In diesem Kampf zwischen der Parteibasis und ihrer Spitze wird die Zukunft der PSUV entschieden. Ich meine aber, es geht nicht darum, ob es jetzt bereits einen Kandidaten gibt oder nicht. Es geht vielmehr darum, die Alternative von unten aufzubauen.

Jetzt schon Namen in Umlauf zu bringen, klingt mir zu messianisch. Der Wert dieses Kandidaten wird nicht an seiner allmächtigen Person, sondern an der Legitimität seines Ursprungs gemessen werden. Dieser Prozess kann nur von den Massen und nicht von Persönlichkeiten geführt werden. Doch die PSUV muss gereinigt werden. Der abgewählten alten Führung sollte ein gewisser ehrenhafter Abtritt zugestanden werden. Es ist ein Preis, der bezahlt werden muss. Aber sie müssen gehen.

Auf der anderen Seite könnte sich die sozialdemokratische und christlich-soziale Opposition mit der Kommunistischen Partei Venezuelas verbünden, falls es der PSUV nicht gelingt, sich zu erneuern. Diese breite Front muss jedoch von den Kommunisten aufgebaut und von ihr auch die Führung der sozialen Bewegungen übernommen werden.

Die dritte Möglichkeit ist die Machtergreifung der extremen Rechten Juan Guaidós, die höchstwahrscheinlich zu einem Bürgerkrieg führen und das Ende der Bolivarischen Republik Venezuela bedeuten würde. In diesem Fall würden wir von unseren Nachbarn Kolumbien, Brasilien und Guyana (England) auseinandergerissen, die sich unser an Öl, Gas, Gold und Coltan reiches Gebiet teilen würden.

Seit den 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts zeigen Berichte des CIA den Heißhunger Kolumbiens und Brasiliens nach der gewaltigen venezolanischen Beute; einem Territorium, das zwischen 1958 und 1998 von den sozialdemokratischen und christlich-sozialen Regierungen heftig verteidigt wurde. Dies ist eine historische Tatsache, unsere Nachbaren könnten das Chaos eines Bürgerkriegs ausnutzen, um uns zu überfallen.

Daher plädieren mehrere Leute, wie ich, für einen taktischen Rückzug, also durch Neuwahlen, und ich hoffe, die Genossen der Kommunistischen Partei Venezuelas verstehen dies als Aufruf zur raschen Vereinigung mit den sozialdemokratischen und christlich-sozialen Genossen.

Ich muss zugeben, dass ich nicht viel Hoffnungen habe, dass die PSUV sich erneuert. Außer mir denken nicht wenige aufmerksame Menschen, dass die führenden Parteiinstanzen korrupt sind und dass die Venezolaner, die Maduro unterstützen – selbst eingefleischte Chavistas – weder Sympathien für die PSUV pflegen, noch weiterhin korrupte Politiker dulden wollen. Die Venezolaner, die heute Maduro unterstützen, tun dies aus purer Souveränität, weil sie der Meinung sind, dass Venezuela ein souveränes Land bleiben muss und dass die Option Juan Guaidó vor allem US-amerikanische Interessen vertritt.

Venezuela hat eine bemerkenswerte Geschichte des Souveränitäts-Denkens. Seit den Unabhängigkeitskriegen gegen das spanische Reich war Venezuela in Südamerika Vorreiter der Befreiung.

Der in Caracas gebürtige Simón Bolívar war ein bemerkenswerter anti-imperialistischer Vorläufer. Von Venezuela aus verfolgte er mit vielen venezolanischen “Lanzern” die spanischen kaiserlichen Truppen bis nach Peru. Und er wäre weiter nach Argentinien gelangt, wenn er nicht von José de San Martín aufgehalten worden wäre, der dieses Land bereits vom spanischen Joch befreit hatte.

Das heißt, das Gefühl der venezolanischen Souveränität ist tief verwurzelt, es fließt uns im Blut, und dieses Gefühl zwingt uns zum Zeitpunkt der Aggression von außen dazu, uns hinter Maduro zu stellen. Es geht nicht um Loyalität gegenüber der Person, sondern zu Ehren der symbolischen Souveränität – nichts anderes. Es hat nichts mit Sozialismus oder Neoliberalismus zu tun: es ist eine Frage der nationalen Souveränität; etwas, von dem in Europa behauptet wird, dass es nicht mehr als Wert existiert.

Nationalstaat und Souveränität, das sind sehr tief verwurzelte venezolanische Werte, die in Venezuela mit der Linken und nicht mit der Rechten assoziiert werden.


[«*] Dr. Alejandro López González arbeitete 12 Jahre lang in der venezolanischen Energiewirtschaft, zu Beginn bei Petróleos de Venezuela (PDVSA) in Südafrika und danach im Ministerium für elektrische Energie.

Erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit standen im Mittelpunkt von González‘ Interesse, der im Rahmen des vom damaligen Präsidenten Hugo Chávez geförderten Programms “Mission Science” als Stipendiat des venezolanischen Ministeriums für Wissenschaft und Technologie nach Spanien übersiedelte, wo er von 2008 bis 2011 ein Aufbaustudium über Förderung und Entwicklung Erneuerbarer Energien in Venezuela fortsetzte.

Danach kehrte er in sein Heimatland zurück und war im Ministerium für elektrische Energie für die technische Überwachung von Energieprojekten auf nationaler Ebene zuständig, die ihn in den venezolanischen Westen (Zulia, Falcón, Lara und Trujillo) – die produktivste Gegend der einheimischen Erdölindustrie, mit dem größten Bevölkerungsanteil Venezuelas – führten.

Aufgrund unüberbrückbarer Differenzen verließ er 2016 das Ministerium und zog zum zweiten Mal nach Spanien; diesmal als Doktorand nach Barcelona. Derzeit als außerordentlicher Professor an der Polytechnischen Universität von Katalonien (UPC) in den Fachbereichen Elektrotechnik und Luftfahrttechnik angestellt, betätigt sich González jedoch auch als kompetenter Autor nicht nur von Fachzeitschriften wie Energy, Energy Policy und Renewable and Sustainable Energy Reviews, sondern seit über 10 Jahren auch als Autor politischer Analysen und Streitschriften in den weltweit bekannten, linken Internet-Publikationen Rebelión, Aporrea und neuerdings in seinem eigenen Blog.

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