Während die Bundesregierung nach außen hin Nord Stream 2 verteidigt, lehnt der bayerische Europapolitiker Manfred Weber (CSU) die Ostseepipeline nach eigenen Aussagen „kategorisch ab“ und kündigt bereits vollmundig an, den Weiterbau nach den Europawahlen zu blockieren. Weber ist nicht irgendwer. Er ist Spitzenkandidat des konservativen Parteienbündnisses EVP, dem auch CDU und CSU angehören, und wird wohl nach den Europawahlen im Frühsommer die Nachfolge von Jean Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident antreten. Was bislang immer unterschlagen wurde: Weber ist ein ausgemachter außen- und sicherheitspolitischer Hardliner; ein „Russenfresser“. Mit diesem Mann an der Spitze stehen Europa turbulenten Zeiten bevor. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Selbst für die allermeisten politisch Interessierten war und ist Manfred Weber immer noch ein unbeschriebenes Blatt. Seit 2004 sitzt der CSU-Politiker im Europaparlament und wurde 2014 sogar von der Fraktion der EVP zu deren Fraktionsvorsitzenden gewählt. Die „Fraktion der Europäischen Volksparteien“ (EVP) ist die zur Zeit größte Fraktion im Europaparlament und setzt sich aus den christdemokratischen Parteien der Mitgliedsstaaten zusammen – angefangen bei CDU und CSU, über die französischen Republikaner bis hin zu Berlusconis Forza Italia. Im November wurde Weber durch einen deutlichen Abstimmungssieg über den Finnen Alexander Stubbs von der EVP offiziell zum Spitzenkandidaten für die anstehenden Europawahlen nominiert. Sollte die EVP – wie zur Zeit prognostiziert – im Mai abermals die stärkste Fraktion werden, ist Manfred Weber der erste Kandidat für die Nachfolge des scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker. Es ist schon erstaunlich, dass man so wenig über einen der künftig wohl wichtigsten und mächtigsten Männer Europas weiß.
So ist es auch nicht eben überraschend, dass Weber im Wahlkampf in dieser Woche nicht in Deutschland, sondern in Polen von sich reden machte. In einem Interview mit der Newsweek Polska, über das zuerst Telepolis berichtete, gibt Weber Äußerungen von sich, die man bestenfalls als befremdlich bezeichnen kann und die vor allem auch für seine potentiellen Wähler in Deutschland durchaus von Interesse sein sollten. So bekennt Weber, dass er kein „deutscher“, sondern ein „europäischer Politiker“ sei, dessen Ziel es sei, „europäische Politik zu machen“. Dagegen wäre ja auch nichts einzuwenden. Doch Webers Definition der Interessen Europas lässt dann doch aufhorchen. Gefragt nach den Gründen für seine offene Ablehnung der Ostseepipeline fällt Weber im Interview zuallererst ein, dass diese „die ukrainischen Interessen erheblich treffen würde“. Nun ist die Ukraine aber kein Mitglied der EU und es ist schon äußerst bemerkenswert, wenn ein kommender EU-Kommissionschef offen die Interessen eines politisch zwischen Nationalismus und Faschismus schwankenden Nicht-EU-Mitglieds über die Interessen der EU und über die Interessen Deutschlands stellt. Dabei geht es Weber vor allem um einen Konfrontationskurs gegenüber Russland.
Wer ein wenig in der jüngeren Vergangenheit stöbert, stößt schnell auf zahlreiche Äußerungen Webers, die keinen anderen Schluss zulassen. So gehörte er bereits 2015 zu den Stimmen, die sich lautstark gegen eine Aufweichung der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen haben. Auch nach dem Attentat auf die Skripals gehörte Weber zu den eifrigsten Falken in der europäischen Politik. Er trommelte nicht nur für härtere Sanktionen gegen Russland, sondern verwies auch auf „belastbare Hinweise, dass russische Kräfte in Katalonien mit Fake News gearbeitet haben“. Ähnlich sei es – so Weber – „im Baltikum, auf dem Balkan oder bei der Brexit-Kampagne gelaufen“. Dass diese Anschuldigung inhaltlich nicht belastbar und daher Lügen sind, ist bekannt. Wenn ein designierter EU-Kommissionschef mit derlei Lügen offen Propaganda für eine Konfrontationspolitik macht, so ist dies ein sehr gefährliches Zeichen.
Webers harte Linie geht jedoch weit über bloße Propaganda hinaus. Im März letzten Jahres machte er gar einen „modernen Krieg“ aus, den „Putin“ angeblich gegen „den Westen“ führte und forderte daraufhin: „Wir Europäer müssen aufwachen. […] Wir müssen uns jetzt verteidigen“. Sehr klar ist auch das Positionspapier von Webers EVP in diesem Punkt. Russland könne nicht mehr als „strategischer Partner“ betrachtet werden. Es gäbe keine Rückkehr zum „business as usual“. „Die Zeit für eine freundliche und diplomatische Sprache ist vorbei“, heißt es im Papier, das sich auch für verschärfte weitere Sanktionen stark macht.
Webers Aussagen in der polnischen Presse sind weder Taktik noch Wahlkampf. Manfred Weber ist vielmehr ein überzeugter „Russenfresser“, der aktiv auf einen neuen Ost-West-Konflikt hinarbeitet. Dass die deutschen Medien diesen Aspekt des „deutschen Kandidaten“ unter den Tisch fallen lassen, darf dabei ruhig als aktive Wahlkampfunterstützung verstanden werden. Schließlich teilt nicht einmal jeder sechste Deutsche Webers Plan, Nord Stream 2 zu verhindern. Und einem neuen Ost-West-Konflikt werden sicherlich noch weniger Deutsche zustimmen. Das Problem: Wenn am 26. Mai gewählt wird, dürfte nur ein Bruchteil der Wähler wissen, für was der „nette Herr Weber“ eigentlich steht.
Titelbild: LCV/shutterstock.com