Die Nachricht kam vor einigen Tagen: Hier in der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift „Zweikampf um SWR-Intendanz“ und hier „Beim SWR hat der Wahlkampf begonnen“ in der Stuttgarter Zeitung. Ich persönlich halte auch auf der Basis eigener Erfahrung mit Dr. Kai Gniffke diesen für einen Fanatiker und deshalb für eine Fehlbesetzung sowohl in Hamburg bei ARD aktuell wie auch beim SWR als Intendant. Seine Bilanz als Verantwortlicher für Tagesschau und Tagesthemen ist ausgesprochen schlecht. Das habe ich hier am 20. Februar 2019 “Wer den Zustand der ARD beschönigt, wird ihre Glaubwürdigkeit noch weiter beschädigen” im Detail und sachlich belegt. Albrecht Müller.
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Die NachDenkSeiten haben schon oft über die Leistungen und Fehlleistungen von Tagesschau und Tagesthemen berichtet. Wir haben Gespräche mit Kennern der Szene wie hier am 3. Januar 2019 mit Volker Bräutigam geführt: 03. Januar 2019 „Nachrichteninstitute wie die ‚Tagesschau‘ sind ein Herrschaftsinstrument“ . Die Publikumskonferenz berichtet unentwegt über die Bilanz des Herrn Gniffke.
Über eine typische Fehlleistung konnten sie dort am 24. Februar 2019 lesen. Es wird eine Besonderheit des Herrn Gniffke beschrieben. Er vermittelt den Eindruck, immer recht zu haben. Wenn das der Chef der Tagesschau und Tagesthemen tut, dann ist das angesichts der manipulativen Gewalt dieser beiden Sendeformate sehr bedrückend:
Die Tagesschau hat immer recht
Sie kann keinen Irrtum eingestehen, denn sie reflektiert unser staatliches Selbstbild vom Guten, Wahren, Schönen – in all seiner UnaufrichtigkeitVon Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Jetzt ist es passiert: Die „Giftgas“-Gräuelmärchen der Tagesschau aus den syrischen Orten Duma und Sarakib sind als fauler Zauber aufgeflogen. Ein unmittelbar an dem Fake beteiligter BBC-Producer hat sie als Inszenierung der „Weißhelme“ beschrieben. Trotzdem denkt die ARD-aktuell-Redaktion nicht daran, sich zu der beschämenden journalistischen Pleite zu bekennen und für den Propagandadreck von damals zu entschuldigen. Sie wird auch insoweit ihrer systemtragenden Rolle gerecht. Anstöße zur Nachdenklichkeit müssen unterbleiben. Schließlich braucht sogar eine so selbstherrliche Regierung wie die unsere ein Mindestmaß an Einvernehmen mit ihrem Wahlvolk – für den Krieg in fremden Ländern.
Wenn die Propagandablase doch einmal platzt, ist das zwar peinlich, aber Gniffkes Qualitätsjournalisten sitzen es aus. Zugeben, dass das Publikum systematisch hinters Licht geführt wurde? Nicht in dieser Welt. Da seien Dr. Gniffke und die deutsche Staatsräson vor. Das ist die Tagesschau-Identität: Regierungströte. Staatsrundfunk.
…
Dass Dr. Gniffke in den Mehrheitsmedien-Kreisen immer noch einen recht guten Ruf genießt, folgt wohl daraus, dass er auch bei als fortschrittlich geltenden Kreisen und Personen Unterstützung findet. Das wurde sichtbar, als der Vorwurf der Manipulation, die viele unserer Medien und eben auch Tagesschau und Tagesthemen betreiben, als unstatthaft gebrandmarkt wurde. Der Vorwurf der Manipulation lautete in Volkesstimme „Lügenpresse“. Dieser Vorwurf ist grob, er differenziert nicht zwischen jenen, die Gutes schreiben und senden einerseits, und jenen, die manipulieren und auch lügen, andererseits. Der Vorwurf „Lügenpresse“ wurde dann von zwei Personen, die man dem fortschrittlichen Lager zurechnen kann, entwertet: Stephan Hebel verkündete voller Stolz, daran mitgewirkt zu haben, dass Lügenpresse 2015 zum Unwort des Jahres erklärt wurde. Und Ulrich Teusch schrieb ein Buch mit dem Titel „Lückenpresse“. Damit wurde die Manipulationen und Kampagnen, die Medien wie die Tagesschau, die Tagesthemen und die Bild-Zeitung an vorderer Front betreiben, auf den abgeschwächten Vorwurf, „lückenhaft“ zu berichten, reduziert. Beide, Hebel und Teusch haben den Gniffkes einen guten Dienst erwiesen.
Um Herrn Dr. Gniffke kein Unrecht zu tun, habe ich mir einen Vortrag von ihm angesehen, bei dem es um die zuvor skizzierten Fragen ging. Dr. Gniffke sprach im Rahmen der „Ringvorlesung über Lügenpresse. Medienkritik als politischer Breitensport“ an der Hamburger Universität. Hier ist die Einführung von Volker Lilienthal und der Vortrag von Dr. Kai Gniffke zum Thema „Medienkritik als Hassrede – aus der Sicht eines Betroffenen“. Auch hier wieder typisch, dass der vortragende Kai Gniffke von einem in der früheren medienpolitischen Diskussion als vergleichsweise fortschrittlich bewährten Zeitgenossen eingeführt wird: Volker Lilienthal. Das ist ein wirkliches Phänomen: die berechtigte Kritik an Medien und vor allem auch an den von Kai Gniffke prallt schon an solchen Schutzschildern ab.
Der Vortrag selbst ist bemerkenswert: von ein paar Formalien abgesehen kein bisschen selbstkritisch. Die Welt von ARD aktuell ist aus seiner Sicht nahezu vollständig in Ordnung. Vergleichen Sie das bitte mal mit den vielen und ins einzelne gehenden Belegen in meinem oben verlinkten Beitrag vom 20. Februar 2019.
Der vortragende ARD-Aktuell-Chef sagt zwar, „wir finden es gut“, dass Menschen mit Medien kritisch umgehen . Man wolle ihnen nicht vorschreiben, was sie denken sollen. Das klingt gut. Aber der Bewerber um das Amt des Intendanten des SWR hat zugleich so alles drauf, was man an Schmähvokabular für die Gegenseite braucht: Verschwörungstheoretiker, Populisten, Rechtspopulisten. Letzteres will er allerdings offensichtlich nicht mehr so oft sagen.
Insgesamt fehlt, was unbedingt nötig wäre, wenn es endlich zu einem vernünftigen und produktiven Dialog zwischen kritischen Menschen und kritischen Medien im Internet und den etablierten Mehrheitsmedien kommen sollte. Tagesschau und Tagesthemen könnten zum Beispiel von den NachDenkSeiten viel lernen. Aber sie wollen wahrscheinlich nicht. Es würde nämlich verlangen, erstens auf Kampagnenjournalismus zu verzichten, zweitens zu erkennen, dass man diesen betreibt, dass man also bestimmte von Interessen geprägte Meinungen durchzudrücken versucht und es würde drittens von diesen Medien verlangen, beim Sachverstand aufzurüsten. Tagesschau und Tagesthemen fehlt es nämlich neben allem andern an Durchblick und Sachverstand.
Dr. Kai Gniffke ist leider ein Vertreter jener in den herrschenden Medien, die diese Zugeständnisse verweigern wollen. Möglicherweise, weil sie gar nicht anders können. Angesichts dieser Konstellation kann man nur hoffen, dass die Bewerbung um die Intendantenstelle in Stuttgart nicht erfolgreich ist.
Soweit Sie Kontakte zu Rundfunkräten und zu gesellschaftlichen Gruppen und Parteien haben, die Einfluss auf die Entscheidung haben, nutzen Sie diese bitte.