Eine Medien-Studie belegt einmal mehr eine starke Entfremdung vieler Bürger von den großen deutschen Publikationen. Interessant ist, wie unterschiedlich diese Medien das Ergebnis selber darstellen. Von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
„Vertrauen in deutsche Medien bleibt konstant“, erklärte am Mittwoch die „Zeit“. Ist das tatsächlich so? Und wie kommt die Hamburger Wochenzeitung zu diesem Befund? In einer aktuellen Studie hat die Gutenberg-Universität Mainz Zahlen zum Vertrauen der Bürger in deutsche Massenmedien ermittelt. Die Studie ist Teil eines seit 2015 laufenden Projekts – neben Momentaufnahmen können daraus also auch Tendenzen abgelesen werden. Zuletzt wurden im Oktober und November 2018 insgesamt 1200 Bürger ab 18 Jahren befragt.
Viele Zahlen der Studie sagen das Gegenteil der „Zeit“-Schlagzeile: Bei „wichtigen Fragen“ haben 22 Prozent „kein bzw. eher kein“ Vertrauen in die deutschen Medien – das sind fünf Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor. Der gleiche Befund ist bei folgendem Satz festzustellen: „Die Medien arbeiten mit der Politik Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.“ Dieser Aussage stimmen 25 Prozent zu, im Jahr zuvor waren das nur 20 Prozent gewesen, 2016 aber auch schon mal 27 Prozent. Rechnet man die Menschen hinzu, die der Aussage „zum Teil“ zustimmen, so verbleiben lediglich 44 Prozent, die diesem vernichtenden Befund eindeutig widersprechen.
Ebenfalls (wieder) angestiegen ist die Zustimmung zu der Aussage: „Die Bevölkerung in Deutschland wird von den Medien systematisch belogen.“ Sie stieg von 13 Prozent in 2017 auf 16 Prozent in 2018 (2016: 19%).
Auf der anderen Seite sind aber zwei Prozentpunkte der Befragten mehr der Meinung, den Medien „bei wichtigen Fragen vertrauen“ zu können (44 statt 42 Prozent in 2017) – diesen Aspekt stellen die „Zeit“ und zahlreiche andere Medien in den Vordergrund. Wenn aber gleichzeitig das Misstrauen so stark zunimmt, wie oben beschrieben, so sind zahlreiche aktuelle Schlagzeilen zur Studie nicht haltbar. Dass einige Medien, wie auch die „Zeit“, im Artikel dann (gezwungenermaßen) die weitgehend anderslautende Botschaft der Studie zitieren, gleicht den Manipulationsversuch im Titel nicht aus. In dieser Weise facht man jenes Misstrauen gegen die Medien an, das man mit dem Verhalten eigentlich kaschieren will.
Nimmt man noch folgende Grafik zur Hand, so kann man im Gegensatz zu so manchem Medium nur eine anhaltende und eindeutige Erosion des Vertrauens in die Medien feststellen. Bei sämtlichen medienkritischen Aussagen hat sich die Zustimmung im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Am deutlichsten bei der Feststellung: „Die Medien haben den Kontakt zu Menschen wie mir verloren.“ Dem stimmen 27 Prozent der Befragten zu, im Vergleich zu lediglich 18 Prozent in 2017. Von 36 auf 43 Prozent stieg die Zustimmung für die Aussage, dass Medien gesellschaftliche Zusammenhänge anders darstellen, als es die Bürger im eigenen Umfeld wahrnehmen.
Also ist das ZDF mit seiner Schlagzeile erheblich näher an der Wahrheit: „Vorbehalte gegenüber Medien wieder gestiegen.“ Weiter weg ist wiederum „Forschung und Lehre“, die titeln: „Vertrauen in etablierte Medien steigt.“ Angesichts der oben zitierten Zahlen ebenfalls nicht ganz korrekt behauptet der Deutschlandfunk: „Die Deutschen haben ein gleichbleibend hohes Vertrauen in die Medien.“ Im Gegensatz dazu treffend schreibt das „Pro Medienmagazin“: „Medien werden ihrem Publikum fremd“.
Diese Entfremdung bereitet den Medien Sorge, das ist nachvollziehbar und an der verdrucksten und teils widersprüchlichen Berichterstattung zur Studie abzulesen. Für die Gesellschaft aber kann diese Entfremdung vieler Bürger von einem extrem defizitären Medienbetrieb eine Chance sein. Die Entwicklung kann im besten Fall in die Ausbildung von gesunder Medienskepsis und -kompetenz münden. Nochmal: Ein Viertel der Befragten stimmt mittlerweile vorbehaltlos(!) dieser noch bis vor Kurzem weithin als radikal empfundenen Aussage zu: „Die Medien arbeiten mit der Politik Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.“
Die NachDenkSeiten sind an dieser Erweckung nicht ganz unschuldig, wie die Uni Mainz in einem „Persönlichkeitsprofil“ jener konsequenten Medienkritiker feststellt: Demnach nutzen diese überdurchschnittlich oft „Online-Nachrichtenseiten“.
Titelbild: Mushakesa / Shutterstock
Grafiken: Uni Mainz