Manche Leser reagieren skeptisch, wenn die NachDenkSeiten darüber berichten, wie heutzutage politische Entscheidungen immer wieder von außen mitbestimmt und geprägt werden. Wir beschreiben des Öfteren, wie vielfältig das geschieht: durch Lobbyarbeit, durch gezielte Propaganda und durch direkten Einfluss auf die Parteien, ihre Programmatik und ihre Personalauswahl. Wir nennen das Fremdbestimmung. Ob Sie nun zu den Skeptikern gehören oder zu jenen, die diese Beobachtungen für richtig halten, in jedem Fall wird es sinnvoll sein, konkrete Fälle zu verfolgen und seinen Blick daran zu schärfen. Als praktischen Fall möchten wir Ihnen den Fall Kevin Kühnert empfehlen. Am Verlauf und den Umständen seiner weiteren Karriere können Sie testen, ob meine Diagnosen stimmen oder Ihre Skepsis berechtigt ist. Albrecht Müller.
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Der Juso-Vorsitzende Kühnert wird systematisch zu einer Führungsperson aufgebaut. In den meisten Medien gab es im Laufe des Jahres 2018 Reportagen, Features, Gespräche. So zum Beispiel hier und hier.
In vielen dieser Publikationen wurde der Juso-Vorsitzende wie in der abgebildeten Ausgabe der Bild-Zeitung zum potentiellen Kanzler hochstilisiert. “Schon in der Schule zeigte er Kanzler-Qualitäten” heißt es in der Bild-Zeitung. “Als Kanzler musst du Krawatte tragen” – so ist ein doppelseitiges Gespräch mit dem Schlagersänger Roland Kaiser überschrieben, das am vergangenen Sonntag auf den prominenten Seiten 10 und 11 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen ist.
Dieses großflächige Interview wurde dann auch noch auf der ersten Seite angekündigt. Ähnlich wie jetzt in der FAS läuft es seit Monaten in anderen Medien. Einhellig. Und mit der Zueignung der Kanzleifähigkeit weit überzogen.
Wenn Kevin Kühnert diese erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit selbst oder wenn die Jusos oder die PR-Leute des SPD-Parteivorstandes dies gemanagt und geschafft haben sollten, dann wäre das rundum bewundernswert. Meine These: PR-Leute von außerhalb haben den Aufbau dieser Person innerhalb der SPD geplant, möglicherweise stecken dahinter sogar politische und/oder wirtschaftliche Interessen von außerhalb unseres Landes.
Bevor Sie das alles für unrealistisch halten, sollten Sie vielleicht ein paar neuerliche Erfahrungen Revue passieren lassen:
- Macron war plötzlich da, wie Zieten aus dem Busch, aus eigenen Stücken?
- Von Guaidó ist bekannt, dass er auch von außen aufgebaut, von den USA und den Limastaaten getragen ist;
- der Kosovo-Krieg von vor 20 Jahren wurde umfassend publizistisch vorbereitet, die agierenden Kräfte waren nicht alleine die UCK und Milosevic, sondern auch die USA, Deutschland, die NATO. Darauf wird in den nächsten Tagen noch näher einzugehen sein;
- die Privatisierung der Altersvorsorge ist mithilfe vielfältiger Agitation in die Parteiprogramme und die praktische Politik getrimmt worden; Maschmeyer hat Schröder dazu verholfen, die Wahl in Niedersachsen im März 1998 zu gewinnen und damit auch prädestiniert zu sein für die Kanzlerkandidatur der SPD, um dann Kanzler zu werden und dann die Privatisierung der Altersvorsorge voranzutreiben;
- genauso die Privatisierung von Wohnungen und von sozialen Einrichtungen. Oberbürgermeister, die die Wohnungsbestände ihrer Städte nicht verscherbelten, galten in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts als veraltet.
- Die Deregulierung der Finanzmärkte durch die Regierung Schröder und Eichel und Steinbrück – aus eigenem Verständnis und programmatischer Einsicht geplant und betrieben?
- Die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte einschließlich der Förderung der Leiharbeit – die am Gemeinwohl orientierte Einsicht des Wolfgang Clement und Gerhard Schröder? Da lachen die Hühner. Da muss man sich anschauen, wo Wolfgang Clement dann später sein Geld verdient hat.
Meist lief die Fremdbestimmung in Kombination der verschiedenen Elemente der Beeinflussung: Propaganda, Lobbyarbeit, Beeinflussung der Willensbildung der politischen Parteien und der Medien.
Wichtige inhaltliche Elemente und anderes an Kevin Kühnert passt den potentiellen Auftraggebern vorzüglich in den Kram
Er ist smart und kann sich gut artikulieren, er vertritt keine profilierten Positionen oder diese nur dann, wenn sie nicht weh tun.
Wo sind vernehmbare Positionen des Juso-Vorsitzenden oder gar Kritik …
- an Auslandseinsätzen?
- an den Rüstungsvorgaben der NATO?
- an der Militärpolitik von Frau von der Leyen und
- am Beratungswesen der Bundesverteidigungsministerin?
Wo sind Bekenntnisse des Kevin Kühnert
- zur Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme der sozialdemokratischen Entspannungspolitik und Friedenspolitik in Europa,
- wo die Bekenntnisse zur Gemeinsamen Sicherheit, und wo
- zur Friedensbewegung?
- Zum Kampf gegen die Nutzung des US-Stützpunktes Ramstein für den Drohnenkrieg?
- Zur juristischen Drohung gegen Attac? Usw.
Konnten wir etwas davon hören, dass der Juso-Vorsitzende die deutsche Politik und vor allem die des SPD-Außenministers Maas gegenüber Venezuela hinterfragt hätte? Die Jusos waren früher zumindest eine Säule der Unterstützung von Völkern, die sich aus dem Imperium der USA befreien wollten: Nicaragua, Kuba, Chile usw.
Alles aus innerer Überzeugung aufgegeben oder fremdbestimmt?
- Wo ist die Kritik an dem unglaublich großen Einfluss großer Finanzgruppen wie BlackRock auf die deutsche Wirtschaft?
- Wo die Kritik an der so schädlichen, europafeindlichen Feierei der Exportüberschüsse und der Schwarzen Null des Herrn Schäuble und der großen Koalition?
Ich habe ein Thema gefunden, bei dem sich der Juso-Vorsitzende gut profiliert hat: das Thema Rente. Immerhin. Das ist anzuerkennen. Aber: Sonst sehr viel vom gängigen Gerede über Globalisierung und Digitalisierung.
Vielleicht habe ich unzureichend gesucht. Aber nach meinen bisherigen Recherchen dürfte die Feststellung, dass auf wichtigen Feldern der Politik kein deutliches Profil des Kevin Kühnert erkennbar ist, richtig sein. Ein Symptom dafür ist auch das doppelseitige FAS-Gespräch mit Roland Kaiser, auch dieser immerhin eingeführt als SPD-Mitglied: es enthält nichts Profiliertes zur Politik. Das muss man erst mal schaffen.
Starkes Profil mit einem absolut ungefährlichen Thema: keine große Koalition
Der Juso-Vorsitzende hat sich herausragend mit der Kampagne “No groko” einen Namen gemacht. Das kostete gar nichts. Da war absehbar, dass diese Kampagne nicht zum Erfolg führen wird, dass sie die Mehrheit der SPD-Verantwortlichen nicht von der großen Koalition abhalten konnte, dass sie aber im sogenannten fortschrittlichen Bereich der SPD und auch außerhalb zur Profilierung des Kandidaten Kühnert führen wird, auch bei den etablierten Medien. Klug, sehr clever.
Kevin Kühnert ist auch deshalb gut zu gebrauchen, weil er bisher keine Machtoption aufgezeigt hat
Er spricht sich zwar für Rot-Rot-Grün aus, polemisiert aber zugleich zum Beispiel gegen die Sammlungsbewegung Aufstehen und namentlich auch gegen Lafontaine. Zu dieser Person plappert er das nach, was in SPD-Kreisen seit 1999 immer wieder erzählt wird: hingeschmissen, in der Partei SPD nicht gekämpft usw. Das ist zwar falsch, aber es ist das Gängige und das passt auch ins Bild jener, die eine linke Mehrheit in Deutschland wie auch in anderen Ländern Europas und Lateinamerikas verhindern wollen. Deshalb wird dieser Juso-Vorsitzende von den Mächtigen in der Publizistik weiter gefördert werden. Er ist gut geeignet als gut geschmücktes Pferdchen, dass man laufen lassen kann, weil es einem und den eigenen Interessen nie gefährlich werden wird.
Kühnerts Beruf und Ernährer ist die Politik. Das passt.
Kevin Kühnert ist auch deshalb ein guter Kandidat für höhere Ämter in der Politik, weil Politik sein Beruf ist und er keine andere Berufserfahrung hat. Der Mann wird immer abhängig sein von der Politik. Dass er keinen akademischen Abschluss hat, fällt dabei nicht ins Gewicht. Es gibt viele Menschen, die ohne akademischen Abschluss eine durchaus nützliche und erträgliche und ertragreiche berufliche Laufbahn hingelegt haben und dies immer noch tun.
Kühnert ist keine Ausnahme im heutigen Politikbetrieb; sein Berufsweg entspricht dem inzwischen gängig gewordenen Lebensweg vieler aktiver junger Politiker. Aber das ändert nichts daran, dass er wie die andern auch abhängig ist vom Beruf Politik und den dabei fließenden Bezügen.