Hinweise des Tages
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Urteil im Wikipedia-Prozess
- Ödipale Transatlantiker
- Labour-Partei fordert zweites Brexit-Referendum
- Greta hat recht
- Venezuela
- Schlusslicht Deutschland
- Nach der Logik von Profit und Effizienz
- Fehler im Prüfsystem?
- Verloren in Europa
- Eigentlich will niemand Hartz IV abschaffen
- Immobilienspekulation
- Wo Menschen sterben, weil Medikamente zu teuer sind
- Wir haben nach wie vor das Motto Geiz ist geil
- Die moderne Firma ist eine Diktatur
- Verträge der Bundeswehr verbieten ihr das Reparieren von Waffen …
- ‚Ich liebe Einwanderung‘ ist faule Ethik der politischen Elite
- Linke Perspektiven im Dialog
- Oscar für “Green Book” – Der falsche Film
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Urteil im Wikipedia-Prozess
Urteil in einem der bedeutendsten modernen Medienprozesse.
Rechercheure der Wiener Gruppe42 berichteten 2018 über einen der einflussreichsten manipulativ agierenden Wikipedia-Autoren und nannten dabei erstmals seinen echten Namen, wogegen der Autor eine einstweilige Verfügung mit Strafandrohung von bis zu €250.000 erwirkte.
Das Landgericht Hamburg entschied nun in einem wegweisenden Urteil, dass die Namensnennung aufgrund des überwiegenden öffentlichen Interesses rechtmäßig war.
Beim fraglichen Wikipedia-Autor mit dem Decknamen »Feliks« handelt es sich um einen ehemaligen Funktionär des transatlantischen Flügels der deutschen Linkspartei sowie um ein Auslandsmitglied der israelischen Armee mit Spezialabzeichen der US-Armee und weiterer Streitkräfte.
Der Autor editierte und manipulierte insgesamt mehrere tausend Wikipedia-Artikel und denunzierte dabei zahlreiche Personen, darunter insbesondere Politiker, Publizisten und Forscher, die sich kritisch zu transatlantischen oder israelischen Positionen geäußert hatten.
Der selbstgewählte Deckname »Feliks« bezieht sich auf den Gründer und ersten Direktor des sowjetischen Geheimdienstes Tscheka/GPU, Feliks Dserschinski, unter dessen Leitung mehrere zehntausend politische Gegner exekutiert wurden.
Quelle: Swiss Propaganda Research - Ödipale Transatlantiker
Liegt es im Interesse Deutschlands, dass deutsche Autoimporte als Sicherheitsgefahr für die USA eingestuft werden? Dass die deutsch-russische Erdgaspipeline Nord Stream 2 von Washington dämonisiert und uns stattdessen der Kauf überteuerten amerikanischen Fracking-Gases aufgenötigt wird? Dass die USA den INF-Vertrag mit Russland aufgekündigt haben, der die Stationierung von atomaren Mittelstreckenwaffen an Land verbietet – was zwangsläufig einen atomaren Rüstungswettlauf auch in Europa zur Folge haben wird?
Hiesige Entscheidungsträger reagieren auf diese und alle anderen Zumutungen der Regierung Trump in erster Linie willfährig, kopflos und bar jeder politischen Strategie. Wäre der Begriff nicht historisch belastet und vergeben, träfe das Wort Appeasement die europäische Haltung gegenüber Washington sehr genau.
Natürlich wird niemand ernsthaft für einen Konfrontationskurs gegenüber den USA plädieren. Was aber hindert Berlin und Brüssel daran, selbstbewusst eigene Interessen zu vertreten und sich Einmischungen in ihre inneren Angelegenheiten zu verbitten?
Woher rührt diese geradezu masochistische Lust, freiwillig den militärischen Juniorpartner der USA etwa im Nahen und Mittleren Osten zu spielen, neudeutsch umschrieben als “mehr Verantwortung übernehmen”?
Eine Antwort liegt in der Selbstwahrnehmung der überaus einflussreichen “transatlantischen” Netzwerke in Politik, Wirtschaft und den Medien.
Aus deren Sicht sind die USA, die NATO und die EU eine “Wertegemeinschaft”, die weltweit für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte einstehe. Sie halten Trump für einen Elefanten im Porzellanladen, für ein singuläres Übel, das es auszusitzen gelte.
Sie erkennen nicht, dass die USA eine Weltmacht im Niedergang sind, die sich einem Dialog auf Augenhöhe mit Russland und China verweigert und stattdessen auf “Druck” setzt, um verlorenen Einfluss wettzumachen, ganz unabhängig von Trump. Gerade deutsche “Transatlantiker” leiden erkennbar unter einem ödipal anmutenden “Übervaterverlust” – sie können nicht länger einfach nur Regieanweisungen aus Washington befolgen, im Namen einer höheren Moral, sondern müssen lernen, selbst zu denken und zu handeln. Das schmerzt, vor allem bei fehlendem Rückgrat
Quelle: Michael Lüders im Freitag - Labour-Partei fordert zweites Brexit-Referendum
- Die britische Labour-Partei spricht sich für ein zweites Brexit-Referendum aus, will zuerst aber für Änderungen am bisherigen Brexit-Plan kämpfen.
- EU-Ratspräsident Tusk hält einen Aufschub des Brexit für eine “vernünftige Lösung”.
- Die britische Premierministerin May stellt sich bislang gegen einen Aufschub. Sie fürchtet, dass das ihre Verhandlungsposition in Brüssel und London schwächen würde.
Die größte britische Oppositionspartei Labour spricht sich für eine zweite Volksabstimmung über den Brexit aus. Das verkündete Parteichef Jeremy Corbyn überraschend am Montag. Bisher hatte Corbyn eine Festlegung vermieden, obwohl viele seiner Abgeordneten für ein neues Referendum eintreten. Corbyn betonte aber, dass die Sozialdemokraten zunächst dafür kämpfen würden, den Brexit-Kurs der konservativen Premierministerin Theresa May in ihrem Sinne zu ändern. Gelinge das nicht, werde die Partei später den Ruf nach einer zweiten Volksabstimmung unterstützen. Corbyn ließ offen, zwischen welchen Optionen die Bürger seiner Meinung nach entscheiden sollten.
Quelle: Süddeutsche ZeitungAnmerkung Jens Berger: Erstaunlich ist, dass diese Forderungen überall als Neuheit verkauft wurden. Dabei ist die Strategie „Erst Änderungen fordern und wenn dies keinen Erfolg hat, ein zweites Referendum anstreben“ ja eben die alte Labour-Strategie, die von Jeremy Corbyn auch stets genau so kommuniziert wird. Dieser Kurs ist es ja auch, der Corbyn parteiintern viel Kritik einbringt, da zahlreiche Labour-Politiker (und noch mehr Labour-Wähler) die Forderung nach einem zweiten Referendum ohne wenn und aber an erste Position stellen wollen.
- Greta hat recht
Seit Wochen und Monaten „streiken“ Schülerinnen und Schüler, um Aufmerksamkeit für etwas zu erzwingen, das etwa 95 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit Klima und Umweltfragen beschäftigen, seit langer Zeit bestätigen: Der aktuelle Klimawandel ist von Menschen gemacht. Der Klimawandel drückt sich vor allem im weltweiten Anstieg der Durchschnittstemperaturen aus und nimmt immer bedrohlichere Formen an. Wir sehen ja, dass aktuell Extremereignisse wie Stürme und Dürren zunehmen, ein Jahrhundertsommer den nächsten jagt oder dass die Arktis im Sommer eisfrei ist. Der Anstieg der Temperaturen ist die Folge der steigenden Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Hauptgrund ist die fast unkontrollierte Verbrennung von fossilen Energieträgern. Das alles wissen wir, passiert ist nichts.
Seit Jahren – mindestens seit dem Klimagipfel von Rio, der 1992 stattfand – lamentieren die Mächtigen der Welt über die Begrenzung der Erwärmung. Mit Paris wurde das Ziel von 1,5 bzw. 2 Grad Celsius festgeschrieben, geeignete Maßnahmen sind nicht besprochen oder gar beschlossen worden. Warum nicht?
Wir sprechen von einem von Menschen gemachten Klimawandel. Dabei muss uns klar sein, dass dieser ein vom Kapitalismus gemachter ist, der in erster Linie von hochentwickelten Ländern wie den USA, den Ländern der EU oder Japan zu verantworten ist. Dafür zahlen müssen jetzt die Ärmsten der Armen – im internationalen Maßstab sind dies die Völker im Pazifik oder in Afrika.
Wir wissen, dass es im Kapitalismus nicht um die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen geht, sondern um Profite der Konzerne. Entsprechend scheinen die Regierungen nur umweltpolitische Maßnahmen zu kennen, die in erster Linie die Arbeiterklasse treffen: Höhere Steuern auf Öl, Gas und Diesel treffen vor allem diejenigen, die quasi ihr gesamtes verdientes Geld für die Absicherung ihres Lebensunterhaltes aufbringen müssen. Ein Verbot von Dieselautos trifft sie besonders hart, weil sie sich nicht einfach ein neues Auto kaufen können, weder Benzin noch Elektro. Wirkliche Alternativen durch öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht.
Die Arbeiterklasse soll also die wenigen Maßnahmen gegen den Klimawandel bezahlen – und die Reichen und die Konzerne reiben sich die Hände. Sie bekommen sogar noch Subventionen, um neue Technologien zu entwickeln – die sich aber wieder nur am Profit orientieren und nicht daran, dass die Erde und damit die Lebensgrundlage der Menschheit geschützt wird.
Wenn die Aussage von Greta wirklich stimmt, dass, wenn das System eine Veränderung nicht zulässt, wir halt das System ändern müssen, dann ist darüber zu sprechen, was denn dieses System ausmacht und was denn Alternativen wären.
Quelle: unsere zeit - Venezuela
- Guaidó wirbt für Konfrontation mit Maduro
Nach dem Scheitern von Hilfstransporten nach Venezuela versuchen die USA und die Opposition des Landes, den Druck auf Machthaber Nicolás Maduro zu erhöhen. “Es ist Zeit für ein freies und demokratisches Venezuela”, twitterte US-Vizepräsident Mike Pence, ehe er nach Kolumbien abflog. Dort gab er dann bekannt, die US-Regierung habe Sanktionen gegen vier venezolanische Gouverneure verhängt, welche die US-Regierung zum Teil für die Gewalt am Wochenende verantwortlich macht.
In der Hauptstadt Bogotá war ein Treffen mit Maduros Herausforderer Juan Guaidó und den Außenministern der “Lima-Gruppe” geplant. Ihr gehören lateinamerikanische Staaten an, die überwiegend Guaidó unterstützen und Maduros Rücktritt fordern. Die venezolanische Opposition werde der Gruppe nun offiziell beitreten, hieß es.
Die Chancen auf einen schnellen, unblutigen Machtwechsel in Venezuela sind seit dem Wochenende deutlich gesunken. Guaidó hatte versucht, mit Tausenden Freiwilligen Nahrung und Medikamente in das Land zu bringen. Damit wollte der 35-jährige, selbsternannte Interimspräsident nicht nur den Not leidenden Venezolanern helfen, sondern auch den Machtkampf in Caracas für sich entscheiden. …
Beobachter befürchten nun eine weitere Eskalation. Guaidó, der von mehr als 50 Staaten als legitimer Übergangspräsident anerkannt wird, rief auf, “alle Optionen offen zu halten”. Dies ist eine Anspielung auf US-Präsident Donald Trump, der mit einer ähnlichen Wortwahl mehrfach einen Einmarsch in Venezuela ins Spiel gebracht hatte. Guaidós Botschafter bei der Lima-Gruppe, Julio Borges, erklärte vor dem Treffen, er werde “die Anwendung von Gewalt gegen Nicolás Maduros Diktatur” fordern.
Quelle: SZAnmerkung JK: Der sogenannte Interimspräsidenten Guaidó agiert mit der Forderung nach einer Militärintervention doch ganz im Sinne des US-Imperiums. Der Zynismus es US-Vizepräsidenten ist dabei unübertroffen. Für ein „… freies und demokratisches Venezuela”. Wie soll man sich das vorstelle? Wie einst das „freie und demokratische“ Chile anno 1973?
- Gescheitert
Die Berichterstattung über die sogenannten Hilfslieferungen nach Venezuela ist ebenfalls gescheitert. Am Sonnabend war das Thema noch die Top-Schlagzeile, obwohl es über die Vorkommnisse an den Grenzen des Landes nur die übliche einseitige Perspektive zu sehen und zu hören gab. Am Sonntag belegten die Nachrichten aus Südamerika dagegen hintere Ränge. Eigentlich unverständlich, angesichts des Dramas, das Tags zuvor noch aufgeführt worden war. So viel Showdown und Blutvergießen, wie erhofft, gab es dann wohl doch nicht.
Ein selbsternannter Übergangspräsident, der sich vor Kameras in Szene setzt, um für Hilfslieferungen von Staaten zu werben, die sein Land bisher mit Sanktionen strafen. Da stimmt doch etwas nicht? Nein, nicht für unsere Medien. Sie melden unter anderem im Gleichklang, “Maduro lässt Hilfsgüter mit Waffengewalt stoppen”. Richtiger müsste es allerdings heißen, dass Kräfte von außen versuchten, sich gewaltsam einen Weg nach Venezuela zu bahnen. Schließlich, und an dieser Feststellung kommen ja auch die Medien hierzulande nicht vorbei, handelte es sich auf venezolanischer Seite um eine Blockade von Grenzübergängen. Und die hat zunächst einmal abwehrenden Charakter.
Daher, und das ist jetzt mal eine Vermutung, ist es natürlich von Vorteil, die ganze Aktion irgendwie eskalieren zu lassen. Zum Beispiel mit brennenden Lastwagen voller Hilfsgüter, die ein anschauliches wie transportables Bild darüber vermitteln, was als Szenario für die Weltöffentlichkeit wünschenswert ist. Nur wer wünscht sich denn so etwas? Das Regime in Venezuela oder das Regime in Washington, das nur nach einem Vorwand sucht, um unter der Flagge des humanitären Völkerrechts mit militärischer Gewalt endlich losschlagen zu können? (…)
Humanitäre Hilfe werde es nur mit dem Interimspräsidenten geben, erklärte Heiko Maas ja kürzlich noch. So wie es aussieht, wird es mit Guaidó, der, das hat das Wochenende ja gezeigt, kaum Unterstützung in der eigenen Bevölkerung genießt, vor allem auf einen Krieg hinauslaufen, unter dem die Menschen ganz sicher noch mehr leiden werden. Mehr Leid wollte Maas aber gerade verhindern. Der deutsche Pudel steht einmal mehr begossen da, hat eine große Klappe riskiert und ist nun Zaungast. Das ist sogar für die Goldene Himbeere zu schlecht.
Quelle: TauBlog
- Guaidó wirbt für Konfrontation mit Maduro
- Schlusslicht Deutschland
Beim Mindestlohn geht es aufwärts: zumindest europaweit. In den 22 EU-Staaten, die eine gesetzliche Lohnuntergrenze haben, sind zu Anfang dieses Jahres die Mindestlöhne im Mittel angehoben worden – nominal um 4,8%, dem zweitstärksten Anstieg seit zehn Jahren, und nach Abzug der Inflation um 2,7%.
»Insgesamt ist innerhalb der EU seit einigen Jahren ein Trend zu deutlich höheren Mindestlohnsteigerungen zu beobachten, der sich auch 2019 weiter fortgesetzt hat«, stellen Thorsten Schulten und Malte Lübker im Mindestlohnbericht 2019 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) fest.
Die höchste Dynamik hat sich in den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern entfaltet, wo die Zuwachsraten aktuell meist zwischen sieben und zehn Prozent liegen. In den west- und süd-europäischen Mitgliedsländern reichen die Anhebungen von 1,4% in den Niederlanden bis 4,4% in Großbritannien und 11% in Griechenland. In Spanien und Litauen wurden die Lohnuntergrenzen zum 1. Januar sogar um gut 22 bzw. um 38% angehoben. In Großbritannien soll die Lohnuntergrenze bis 2020 auf 60% des Medianlohns steigen. Ab diesem Niveau können Löhne als zumindest einigermaßen »existenzsichernd« bezeichnet werden, ohne auf weitere aufstockende Sozialtransfers permanent angewiesen zu sein. Die Schwelle, ab der der Niedriglohnsektor verlassen wird, liegt bei 66%. (…)
Hier ist der Rückstand in Deutschland am deutlichsten: Trotz der letzten Erhöhung erreicht der Mindestlohn hierzulande mit 47,8% noch nicht einmal die Hälfte des Medianlohns – er liegt damit weiterhin deutlich unterhalb der Schwelle des Armutslohns (50%). In Westeuropa hebt sich Frankreich positiv ab, dessen Mindestlohn bei 61,8% des Medianlohns liegt, und in Südeuropa Portugal mit einem Wert von 60,9% in der dortigen nationalen Verteilungsrechnung. Gemessen am durchschnittlichen relativen Mindestlohnwert in der EU (2017: 50,6%), liegt Deutschland sieben Jahre hinter der europäischen Entwicklung hinterher.
Daran anschließend kann schließlich eine Bewertung des Mindestlohns als Living Wage vorgenommen werden, der nicht nur am Kriterium der Existenzsicherung sondern auch am sozio-ökonomischen Lebensstandard zu messen ist.
Die Realität sieht sogar noch trüber aus. Aufgrund arbeitgeberseitiger Tricksereien erhalten nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) 1,8 Millionen Beschäftigte immer noch nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Dies liegt nicht – wie die Arbeitgeber klagen – an »zu viel Bürokratie«. Gerade bei der Aufzeichnung und Einhaltung der Arbeitszeit besteht erheblicher Handlungsdruck.
Quelle: Sozialismus - Nach der Logik von Profit und Effizienz
Externe Unternehmensberater sind auch aus dem Regierungsapparat nicht mehr wegzudenken. Das hat Folgen: Die Soziologin Silke van Dyk warnt vor der betriebswirtschaftlichen Logik, die zu viel Einfluss auf die Politik nehme.
Die Bundesregierung hat 2017 mehr als 722 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben. Das Geld landet vor allem bei den großen Platzhirschen im Beratungs-Business, wie beispielsweise McKinsey. Zuletzt wurde an dem Phänomen zunehmend Kritik laut, das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ attestierte: „Ohne Unternehmensberater geht fast nichts mehr in Deutschland.“
Äußerst kritisch sieht die Entwicklung auch die Soziologin Silke van Dyk. Wenn die Bundesregierung sich Rat aus der Privatwirtschaft hole, bedeute das, dass zunehmend auch betriebswirtschaftliche Logiken in der Politik Einzug hielten, sagte sie im Deutschlandfunk Kultur.
Rhetorisch fragte van Dyk: „Möchte man, dass Wohnungs- oder Flüchtlingspolitik von privatwirtschaftlichen Unternehmensberatungen mitentschieden werden?“
Der öffentliche Sektor sollte nicht nach der Logik von Profit und Effizienz arbeiten, sondern nach humanitären und sozialen Standards entscheiden, sagte die Soziologin.
Van Dyk kritisierte vor diesem Hintergrund, der öffentliche Dienst sei in Teilen kaputt gespart worden und damit Expertise verloren gegangen. Das, was in der öffentlichen Debatte von manchen als Bürokratie verunglimpft werde, sei häufig tatsächlich eine wichtige Infrastruktur, von der die Bürger profitierten. Die Soziologin empfahl für Beratungsleistungen stärker auf das ohnehin bereits „öffentlich finanzierte, wissenschaftliche System“ zurückzugreifen. „Es gibt einen wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Warum nimmt man den nicht oder baut ihn aus, wenn man so einen großen Bedarf hat? Und wir haben Universitäten, wir haben Fachhochschulen, wir haben ganz viel wissenschaftliche Kompetenz.“
Quelle: Deutschlandfunk Kultur - Fehler im Prüfsystem?
Der Wirtschaftsprüfkonzern KPMG entschlüsselte bereits 2010, wie “Cum-Ex”-Deals funktionierten. Recherchen von WDR, NDR und “SZ” zeigen: Die Prüfer schwiegen, offenbar auch auf Druck der Banken.
Spitzfindige Juristen, blitzschnelle Aktienhändler, skrupellose Banker: Sie alle sollen jahrelang zusammengewirkt haben, um superreiche Geldgeber noch reicher zu machen. Ihre mutmaßliche Beute, knapp sechs Milliarden Euro, war das Geld der Steuerzahler. Denn mit “Cum-Ex”-Geschäften ließen sich Finanzjongleure Steuern erstatten, die sie nie gezahlt hatten. Ein Griff in die Staatskasse.
Eine Gruppe blieb bei der Aufarbeitung des Steuerskandals bislang weitgehend unbehelligt: die der weltgrößten Wirtschaftsprüfkonzerne. Die Prüfer sollen – im Auftrag der Öffentlichkeit – die Bilanzen von Unternehmen überwachen und Alarm schlagen, wenn sie auf Risiken stoßen. Nach der weltweiten Finanzkrise sollten sie besonders bei Banken und Versicherungen hinschauen. So hat es ihnen der Gesetzgeber aufgetragen. Weltweit dominieren vier Konzerne diesen Markt: KPMG, Deloitte, Pricewaterhouse Coopers und Ernst & Young (EY). Ehrfürchtig werden sie “Big Four” genannt.
Auch die Bilanzen jener Banken, die exzessiv “Cum-Ex”-Geschäfte betrieben hatten, wurden von den Prüfgiganten testiert: die HypoVereinsbank, die Valovis-Bank und die HSH Nordbank etwa von KPMG, die DZ Bank von EY. Ist den Prüfern dabei jahrelang nichts aufgefallen?
Interne Dokumente, die WDR, NDR und “Süddeutscher Zeitung” vorliegen, entlarven nun erstmals die Rolle eines der “Big Four”-Unternehmen, KPMG. Experten des Konzerns waren demnach schon 2010 über “Cum-Ex” im Bilde. Doch eine öffentliche Warnung blieb aus. Der Fall legt einen möglichen Systemfehler der ganzen Branche offen: Fühlen sich die Wirtschaftsprüfer mehr den geprüften Unternehmen als der Öffentlichkeit verpflichtet?
Dass es um ein fragwürdiges Geschäft gehen würde, war für den Steuerexperten von KPMG wohl gleich beim ersten Treffen im Dezember 2009 zu erahnen. Zwei Manager der Hamburger Varengold-Bank hatten zu einem Meeting geladen. Man sprach von “Cum-Ex”-Deals, verwirrenden Aktiengeschäften, an deren Ende eine hübsche Steuererstattung vom Staat stand – ein Multimillionengeschäft.
Doch das Geschäftsmodell habe einen Haken, hieß es: Eventuell wurde die Steuer zu Unrecht erstattet. Nun sollte KPMG helfen, die Risiken abzuschätzen. Was blühte der Bank, sollten Finanzbeamte eines Tages genauer hinschauen? Guter KPMG-Rat war teuer. Laut des Angebotes vom 16. März 2010 kostete ein Berater bis zu 400 Euro in der Stunde.
Quelle: Tagesschau - Verloren in Europa
Als Bulgariens Wirtschaft abstürzt, zieht Stanimir Panow nach Hamburg-Wilhelmsburg. Er hofft auf ein besseres Leben, doch er landet auf dem sogenannten Arbeiterstrich, in einem System aus Scheinselbstständigkeit, halblegalen Mietverhältnissen und Dumpinglöhnen. In einer Welt ohne Sicherheit und Sozialleistungen. In Strukturen, die sich in Deutschland und in anderen EU-Ländern immer mehr verfestigen. Strukturen, die ausgerechnet eine zentrale Errungenschaft der Europäischen Union erst möglich macht: das Grundrecht eines jeden EU-Bürgers in jedem EU-Staat zu arbeiten.
Die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit hat viele Vorteile. Sie eröffnet EU-Bürgern neue Jobchancen, belebt die Arbeitsmärkte, vergrößert die Fluktuation von Fachkräften und trägt zum Wirtschaftswachstum bei. Doch sie begünstigt auch einen Schattensektor, in dem in Deutschland wohl Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende Menschen arbeiten und gegen den die Behörden nur halbherzig vorgehen.
Wir wollten dieses System der Ausbeutung genau verstehen. Warum landen Menschen wie Panow auf dem Arbeiterstrich? Warum kommen sie dort nicht wieder weg? Warum wird illegale Lohnarbeit nicht konsequenter bekämpft? …
Die ungelernten Arbeitsmigranten werden in ganz unterschiedlichen Branchen eingesetzt: Sie helfen auf Baustellen, bei der Ernte oder im Trockenbau, sie arbeiten in Schlachthöfen und in der Gastronomie, in Lagern und in der Pflege, räumen im Hafen Container aus, reinigen Büros und Hotelzimmer, pflegen Grünflächen… die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Die Stundenlöhne liegen nach Angaben der von uns befragten Bulgaren zwischen fünf und zehn Euro, gezahlt wird meist bar auf die Hand. Die Arbeitsverhältnisse sind oft illegal oder bewegen sich am Rande der Legalität. Einen ordentlichen Arbeitsvertrag haben die wenigsten Lohnarbeiter.
“Viele Arbeitsmigrantinnen und -migranten sind so gut wie rechtlos”, sagt Christiane Tursi von verikom, einem gemeinnützigen Verein, der sich gegen die Ausbeutung ausländischer Arbeiter einsetzt. “Wer mehr Geld oder einen Arbeitsvertrag will oder auch nur einen Tag krank ist, riskiert seinen Job.” …
Die Misere der Arbeitsmigranten belastet in Deutschland inzwischen ganze Viertel. Die Städte ziehen zusammen mit den billigen Arbeitskräften eine Menge Elend an – unter dem dann auch die Anwohner leiden.
Quelle: SPON - Eigentlich will niemand Hartz IV abschaffen
Geschickt erwecken viele Parteien den Eindruck, sie wollten die verhasste Hartz-IV-Reform abschaffen. Doch in Wahrheit denkt keine einzige daran.
Es ist in Mode gekommen, von den Hartz-Reformen abzurücken. Vergangene Woche präsentierte die FDP ihr Konzept: Die Freien Demokraten wollten die Grundsicherung für Arbeitslose „modernisieren“, ließ die Partei wissen: Die Hilfsempfänger sollen mehr hinzuverdienen können, mehr eigenes Vermögen behalten dürfen, bei kleineren Versäumnissen weniger Sanktionen vom Amt befürchten müssen.
Sie sind nicht die Einzigen. Erst vor zwei Wochen hatte die SPD verkündet, sie wolle die von ihr selbst beschlossenen Sozialgesetze nun „hinter sich lassen“ – und damit der Alternative von „abschaffen“ und „beibehalten“ weiterhin ausweichen, die die Partei seit anderthalb Jahrzehnten beschäftigt. Die Grünen, die der Arbeitsmarktreform als Regierungspartei vergleichsweise geräuscharm zugestimmt hatten, gehen sogar noch weiter: Sie wollen den Zwang zur Arbeitsaufnahme völlig abschaffen. Weniger detailliert ist die Position der AfD, die langjährig Beschäftigten länger das höhere Arbeitslosengeld I auszahlen will.
Bei so viel Einigkeit gegen die Hartz-Reformen hat die Union ihre Marktlücke erkannt: Vor allem die CDU präsentiert sich als die Partei, die sich ohne Abstriche zu dem Gesetzeswerk bekennt, das zum deutschen Wirtschaftsboom des zurückliegenden Jahrzehnts zumindest beigetragen hat. Doch so ist es in Wirklichkeit nicht. Beim Blick ins Kleingedruckte kann keine Rede davon sein, dass irgendeine Partei Hartz IV abschaffen will – nicht mal die Linke, die das von sich behauptet. Die Wahrheit ist, dass niemand die wesentlichen Teile von Hartz IV rückgängig machen will, die zum Erfolg der Reform geführt haben und sozial gerecht sind.
Quelle: FAZAnmerkung unseres Lesers U.D.: Eine bekannte Tatsache und die Neoliberalen feiern die „stramme Haltung“ der CDU als Erfolg, indem sie alle Parteien als Hartz4-Erhalter vorführt.
Anmerkung JK: Niemand hat die Absicht Hartz IV aufrecht zu erhalten.
- Immobilienspekulation
- „Jetzt bist du plötzlich draußen”
Was tun, wenn das Mietshaus verkauft wird – und im Briefkasten plötzlich die Kündigung liegt? In Berlin-Kreuzberg wehren sich Mieter mit einer ungewöhnlichen Aktion gegen Spekulation mit Wohnungen.
Mit der Sackkarre rollen Friedrich Schindler und seine Mitstreiter die selbst gebastelte mannshohe Stellwand über den Bürgersteig. Ihr Ziel: das Nachbarhaus mit der Nummer 14 in der Kreuzberger Arndtstraße. Wie kurz vorher schon vor ihrem Haus platzieren sie auch hier eine Stellwand. So wird der Bürgersteig zur Informationszone.
Auf der Tafel erfahren die Leser, dass das Haus mit der Nummer 14 in den letzten Jahren mehrfach den Besitzer gewechselt hat. Und dass die noch 2018 sozial gebundenen Wohnungen nun als Eigentumswohnungen verkauft werden sollen. Laut Information auf der Stellwand stehen immer noch Wohnungen in dem Haus im begehrten Kiez leer.
Es dauert nicht lange, bis die ersten Passanten stehen bleiben, lesen und darüber ins Gespräch kommen. Das ist das Ziel der Initiatoren: “Wir wollen die Leute wach rütteln. Viele sind noch nicht aufgewacht,” sagt der 67-jährige Schindler.
Quelle: Tagesschau - Bereitet dem Spekulantenglück endlich ein Ende!
Im Vergleich zum Ausland gelten deutsche Immobilien noch als günstig. Resultat: Immer mehr Investoren tummeln sich auf dem Markt. Leidtragende dieser Entwicklung sind die Mieter. Schluss damit, fordert der Journalist und Buchautor Klaus Englert.
uf dem deutschen Wohnungsmarkt ist derzeit ein Verdrängungswettbewerb unter Immobilienkonzernen zu beobachten. Etliche dieser Konzerne profitieren davon, dass im Ausland deutsche Immobilien geradezu als „Schnäppchen“ gelten. Wer diese Marktlücke entdeckt, kann sich schnell eine goldene Nase verdienen. Für Maklerbüros, die sich auf Besserverdienende eingestellt haben, hat ein goldenes Zeitalter begonnen.
Tatsächlich drängt es viele amerikanische, britische und südkoreanische Investoren auf den hiesigen Immobilienmarkt. Mittlerweile hat sich ein mächtiger Konkurrent hinzugedrängt, der die schon jetzt irrsinnig angeschwollenen Wohnungs- und Immobilienpreise noch weiter in spekulative Höhen treibt: Es sind chinesische Agenturen, die in Deutschland für ihre neureichen Landsleute einspringen, denen eine Wohnung im Ausland – wie es unter Eingeweihten heißt – als Statussymbol gilt.
Um den Luxusmarkt in Berlin und Frankfurt für die eigene Klientel aufzubauen und den Kunden millionenteure Apartments anzubieten, hat sich in Frankfurt das erste chinesische Immobilienmaklerbüro in Deutschland mit dem Staatsfonds China Investment Corporation zusammengetan. Der verfügt allein in Deutschland über 16.000 Mietwohnungen.
Gerade Berlin wird zusehends zum heiß umkämpften Schlachtfeld im Kampf um die begehrtesten Immobilien. Beim Verkauf ganzer Marktsegmente haben die Chinesen bereits die mächtigen Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen, Vonovia und LEG Immobilien ausgestochen. Den Immobilienkonzernen geht es angesichts der Konkurrenz um einen beständigen Ausbau ihrer Marktanteile.
Quelle: Deutschlandfunk KulturAnmerkung JK: Eigentlich wäre es endlich an der Zeit der Spekulation mit einem der basalen Grundbedürfnisse der Menschen einen Riegel vorzuschieben.
- „Jetzt bist du plötzlich draußen”
- Wo Menschen sterben, weil Medikamente zu teuer sind
Drei Tage bevor Alec Raeshawn Smith seinen Gehaltsscheck bekommt, stirbt er. Er stirbt, weil er kein Geld mehr hat, um seine Medizin zu bezahlen. Er wurde 26 Jahre alt. Alec litt wie Millionen anderer Menschen an Diabetes Typ1. Sein Körper produzierte kein Insulin, er musste sich das Hormon regelmäßig aus kleinen Fläschchen spritzen. Ein Massenprodukt, das er sich nicht mehr leisten konnte.
Bis Februar 2017 war Alec Raeshawn Smith noch über seine Mutter krankenversichert. Als dies nicht mehr ging, stand Smith vor der Wahl: Eine private Krankenversicherung abzuschließen – oder es ohne Versicherung zu versuchen. Für die günstige öffentliche Krankenversicherung Medicare war er zu jung – diese versichert nur Senioren von 65 Jahren aufwärts. Für Medicaid, die Versicherung für Bedürftige, verdiente er zu viel.
Doch eine private Versicherung ist teuer in den USA. Smith hätte wegen seiner Diabetes 450 Dollar pro Monat zahlen müssen – bei 7600 Dollar Selbstbehalt. Zu viel. Alec arbeitete als Restaurantmanager. Einkommen: 35 000 Dollar im Jahr. Er verzichtete auf die Krankenversicherung. Irgendwie würde es schon hinhauen, dachte er. Es haute nicht hin. Sein Apotheker konfrontierte ihn mit der neuen Realität: Die Insulin-Medikamente würden jetzt 1300 Dollar kosten – im Monat.
Alec Smith überlebte nicht einmal den ersten Monat, in dem er für alle Kosten selbst aufkommen musste. Seine Familie glaubt, er hat die Spritzen rationiert, um Geld zu sparen. Sein Todesurteil? Der 26-Jährige starb allein in seinem kleinen Apartment an diabetischer Ketoazidose. Es ist ein qualvoller Tod: Der Blutzuckerwert steigt rapide an, das Blut übersäuert, die Körperzellen dehydrieren, die Köperfunktionen setzen nach und nach aus.
Die USA haben viele große Probleme. Aber keines trifft die Menschen so hart, so unvorbereitet, wie die explodierenden Kosten für verschreibungspflichtige Arzneimittel. In keinem anderen Industrieland sind die Preise für diese Medikamente über die Jahre derart gestiegen. …
Für die überhöhten Preise hat Gesundheitsforscher Purvis eine einfache Erklärung: Im US-Gesundheitssystem hält die Hersteller nichts davon ab, ihre Medikamente zu einem hohen Preis auf den Markt zu bringen und ihn dann immer weiter zu erhöhen. …
Quelle: SZAnmerkung JK: Wie das? Wo doch nach der neoliberalen Ideologie nur allein der freie Markt für eine optimale Allokation von Gütern sorgen kann?
Ergänzende Anmerkung JB: Wer sagt, dass der vorzeitige Tod von kranken Niedriglöhnern, die im Sinne der Verwertungslogik keine Aufgabe mehr haben, im neoliberalen Sinn nicht „optimal“ ist?
Anmerkung unseres Lesers S.G.: Ich würde vorschlagen, dass Kuba und andere lateinamerikanische Staaten einen Hilfskonvoi organisieren, der dann die Grenze zu den USA überschreiten wird, um die dringend benötigten Medikamente in die USA zu bringen. Vorher soll sich noch ein Bernie Sanders zum einzig legitimen Präsidenten ausrufen.
Dazu: Der Drogen-Clan
Amerikas Opioid-Epidemie ist ungebrochen. Hauptursache ist das populäre Schmerzmittel Oxycontin. Jetzt ist die prominente US-Milliardärsfamilie Sackler, die es herstellen lässt, erstmals angeklagt.
Der Sackler-Flügel ist der eindrucksvollste Saal des New Yorker Metropolitan Museums (Met). Hier findet sich der altägyptische Dendur-Tempel, der einst am Nil stand. In der hellen Halle mit der Glasfront zum Central Park herrscht trotz des Andrangs meist andächtige Stille.
Benannt nach der Industriellenfamilie Sackler, die ihn finanzierte, zieht dieser Met-Flügel seit einiger Zeit aber noch ganz andere Besucher an – Protestler. Voriges Jahr legten sich rund hundert Demonstranten zum “Die-In” auf den Boden und streuten Tablettendosen ins Wasserbecken am Tempel. Vorletztes Wochenende entrollten sie Spruchbänder vor der Tür. “Entfernt ihren Namen”, stand darauf: “Jeden Tag 200 Tote.”
Gemeint sind Drogentote: Den Sacklers gehört der US-Pharmakonzern Purdue, dessen erfolgreichstes Produkt, das Schmerzmittel Oxycontin, als Hauptursache der Opioid-Epidemie gilt. 2017 starben laut der US-Gesundheitsbehörde NIH 70.237 Amerikaner an Drogen-Überdosen, davon 68 Prozent an Opioiden wie “Oxy”. Seit das 1995 auf den Markt kam, hat sich die Zahl der US-Opioidopfer versechsfacht.
Schon 2007 mussten Purdue und drei Topmanager für die aggressive Vermarktung von Oxycontin 635 Millionen Dollar Strafe zahlen. Die Dynastie hinter dem Konzern dagegen – alles Multimilliardäre, die sich gerne als Philanthropen gerieren – blieb bisher ungeschoren.
Das soll sich nun ändern. Als erster US-Bundesstaat hat Massachusetts die Sacklers persönlich verklagt. Weite Strecken der Verfahrensakten waren zunächst geschwärzt, doch jetzt hat das Bostoner Gericht alles freigegeben – und schwere Vorwürfe gegen den Pharma-Clan offenbart, dessen Name an Museen, Unis und Konzerthallen prangt.
“Acht Mitglieder einer einzelnen Familie trafen Entscheidungen, die den Großteil der Opioid-Epidemie auslösten”, heißt es in dem neuesten, 275-seitigen Memo der Anklage. Die Sacklers hätten über den privat gehaltenen Konzern und “ein illegales Betrugsnetzwerk davon profitiert”, indem sie Ärzten und Patienten ihren lukrativen Bestseller Oxycontin aufgenötigt hätten, obwohl sie gewusst hätten, wie gefährlich es war.
Quelle: SPONAnmerkung JK: Ein Lehrstück in Sachen Kapitalismus. Wenn die Rendite stimmt geht man auch über Leichen.
- Wir haben nach wie vor das Motto Geiz ist geil
Ob für Paketdienste, Pizzaboten oder Bewachungsdienste – Wirtschaftswissenschaftler Heinz-Josef Bontrup fordert eine anständige Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen für Dienstleister. Es gebe zwar den gesetzlichen Mindestlohn, dieser sei aber nach wie vor völlig unterbewertet, sagte er im Dlf.
Heinlein: Wenn Verdi jetzt schimpft auf die Paketdienste, dann muss eigentlich der Verbraucher auch mit der anderen Hand auf sich selber zeigen, denn wir als Verbraucher haben auch eine Teilschuld, wenn wir im Netz bestellen, wenn wir die Pizza nicht mehr bei der Pizzeria essen, sondern sie bestellen, wenn wir Pakete bestellen. Wir kaufen diese Bequemlichkeit letztendlich auf dem Rücken der Paket- und Pizzaboten.
Bontrup: Absolut richtig. Das ist die Ausbeutung, die hier läuft. Wir müssen uns hier alle an die eigene Nase packen. Das geht so nicht weiter. Dienstleistungen sind anständig zu bezahlen und wenn diese nicht anständig bezahlt werden, dann muss jemand auf der anderen Seite dafür bezahlen, und das sind die Beschäftigten in dieser Branche, das schwächste Glied mit ihren Arbeitsbedingungen. Es ist ja auch nicht nur der Lohn, der hier niedrigst ist, sondern auch die Arbeitszeiten, die Arbeitsbedingungen sind in allen diesen Bereichen eine absolute Katastrophe. Jeder sollte darüber nachdenken, wenn er um 22 Uhr abends auf dem Sofa liegt und sich die Pizza ins Haus bringen lässt für 4,50 Euro, dass das jemand bezahlen muss. Und ich weiß, wer das ist, der das bezahlt: Das sind die Beschäftigten in diesen gesamten Bereichen.
Heinlein: Aber die Entwicklung ist ja noch nicht zu Ende, Herr Bontrup. Wenn der Verkehrsminister jetzt plant, den Fahrdienstmarkt, den Taximarkt zu liberalisieren, Uber zulassen wird, ist da schon absehbar, dass diese Branche auch künftig zu den prekär Beschäftigten gehört?
Bontrup: Absolut, und dieser Verkehrsminister versteht von Ökonomie überhaupt nichts. Er ist einseitig interessenorientiert, einseitig nur fürs Kapital. Das ist unerträglich. So kann man keine Politik machen. Wenn Politik so weitermacht – und die Vorboten sind ja im Land politisch da, wo wir angekommen sind –, dann befürchte ich weiter das Schlimmste. Wir müssen endlich zur Besinnung kommen, und wir, das sind die Menschen in diesem Land, in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist in Summe eine der reichsten Volkswirtschaften der Welt. Da erwarte ich auch, dass die Menschen für harte Arbeit, die in diesem Land verrichtet wird, anständig bezahlt werden. Das ist leider nicht der Fall und ich kann mich nur wiederholen: Die Transformation von einem mehr industriellen Bereich – das beobachten wir in allen kapitalistischen Ländern – hin zu Dienstleistungsbereichen, zum tertiären Bereich, diese Transformation, die hängt ja auch mit Preisen zusammen, die hängt mit Produktivitäten zusammen, und diese Transformation ist gesellschaftlich nicht gelungen. Hier ist unbedingt politisch nachzuhelfen, hier ist massiver Nachholbedarf vorhanden. Sonst läuft uns das Ganze immer mehr aus dem Ruder.
Quelle: Deutschlandfunk - Die moderne Firma ist eine Diktatur
Wir leben in einer Demokratie und verlassen sie jeden Tag, wenn wir ins Büro gehen: Die Philosophin Elizabeth Anderson prangert die Arbeitswelt als Tyrannei an.
ZEIT ONLINE: Frau Anderson, leben wir in einer Diktatur?
Elizabeth Anderson: Die meisten Amerikaner leben unter der Diktatur ihrer Arbeitgeber. Denken Sie an die #MeToo-Bewegung, die gezeigt hat, wie verbreitet sexuelle Belästigung im Büro ist. Für mich ist das aber nur die Spitze des Eisberges. Arbeitnehmer erleben am Arbeitsplatz alle möglichen Arten willkürlicher und ihre Würde verletzender Behandlungen. In Europa mögen Arbeitnehmer besser geschützt sein, aber auch da gibt es sehr verletzbare Gruppen, die leicht zum Opfer werden können, etwa Zeitarbeiter. Die moderne Firma ist eine Diktatur, eine private Regierung einiger weniger, die nicht gewählt sind, über viele, die keine Mitsprache haben.
ZEIT ONLINE: Aber ein Unternehmen ist etwas anderes als ein Staat. Führt der Vergleich nicht in die Irre?
Anderson: Sicher gibt es Unterschiede. Arbeitgeber können ihre Angestellten ganz offensichtlich nicht wie der Staat ins Gefängnis werfen. Nichtsdestotrotz: Wir müssen verstehen, dass jede Organisation, die die Aktivitäten ihrer Mitglieder zu koordinieren hat, dafür eine Form der Regierung braucht. Diese Regierung hat wie jede Regierung eine Verfassung, die demokratisch sein kann oder eben autoritär. Die meisten Firmen tendieren zu einer autoritären Verfassung.
ZEIT ONLINE: Mitarbeiter können immerhin kündigen, wenn sie mit ihren Vorgesetzten unzufrieden sind.
Anderson: Es ist definitiv einfacher, ein Unternehmen zu verlassen als ein Land. Aber das allein reicht nicht aus, um die Rechte der Mitglieder einer autoritären Organisation abzusichern. Denken Sie an die folgende Situation: Vor dem Ende des Kommunismus gab es innerhalb des Ostblockes zwar die Reisefreiheit. Wer emigrieren wollte, hatte damit aber ausschließlich die Wahl zwischen anderen kommunistischen Diktaturen. Bei Unternehmen ist es ähnlich. Es gibt in den USA nur sehr wenige wirklich demokratische Firmen, in denen Mitarbeiter das Sagen haben oder zumindest umfangreiche Mitsprache. Die realistischen Exit-Optionen für die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind andere Diktaturen.
Quelle: Zeit - Verträge der Bundeswehr verbieten ihr das Reparieren von Waffen …
… und teilweise sogar das Zuschauen dabei
Einer Antwort des deutschen Bundesverteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zufolge hat sich die Bundeswehr auf Selbstreparaturverzichtserklärungen eingelassen, die inzwischen über ein Drittel ihrer insgesamt 53 Hauptwaffensysteme betreffen. Unter den 20 Waffensystemen, die die Soldaten und Bundeswehrangestellten nicht mehr selbst reparieren dürfen, sind neben dem umstrittenen Eurofighter und der Fregatte F125 auch Hubschrauber und Panzer.
Bei 13 dieser Waffensysteme konnten die Hersteller sogar durchsetzen, dass Bundeswehr-Mechaniker bei der Reparatur nicht einmal zuschauen dürfen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass sie Kenntnisse erwerben, mit denen sie Fehler später einmal selbst beheben können. Dass so etwas bemerkenswert schnell und kostengünstig gehen kann, wissen manche Verbraucher nach der Reparatur neuerer Waschmaschinen: Startet die Waschmaschine nicht mehr regulär, reicht oft ein kompletter Neustart mittels einer Kombination der Einstellungen in einer bestimmten Reihenfolge, den ein Verbraucher auch selbst vornehmen könnte, wenn diese richtige Reihenfolge in der Betriebsanleitung enthalten wäre. (…)
Der Linksfraktions-Wehrexperte Matthias Höhn verglich die Situation bei der Bundeswehr nicht mit einer Waschmaschine, sondern mit einem Automobil, bei dem man “den Reifen nicht selber wechseln, nicht entscheiden, wer ihn wechselt und beim Wechsel auch nicht zusehen” dürfe. Ob die Reparaturverbote tatsächlich so weitgehend sind, ist unklar. (…)
Trotzdem gelang es anderen Armeen möglicherweise, vorteilhaftere Verträge abzuschließen: Israel beispielsweise konnte seine F-16-Kampfflugzeuge selbst mit so moderner Elektronik nachrüsten, dass der Hersteller Lockheed Martin Konkurrenz für seine eigenen Produkte befürchtete und einen Verkauf solcher Gebrauchtmaschinen an Kroatien im Januar verhinderte (vgl. Gebrauchtkampfflugzeughandel zwischen Kroatien und Israel geplatzt). (…)
Viel Steuergeld verschwendete das deutsche Verteidigungsministerium auch für Eurofighter-Flugstunden, bei denen man 900 bezahlte, die nicht genutzt wurden. Im März 2018 waren von insgesamt 128 Eurofightern der deutschen Bundeswehr ganze vier einsatzfähig. In Österreich ist man mit dem vom Reparaturverbot mit betroffenen Kampfflugzeug so unzufrieden, dass der Verteidigungsminister 2017 entschied, die Eurofighter ab 2020 nach und nach auszumustern und andere Kampfflugzeuge zu kaufen, die kostengünstiger, besser ausgerüstet, weniger mängelbehaftet und “Tag und Nacht einsatzbereit” sein sollen. Bis 2049 erwartet die Alpenrepublik durch diesen Umstieg Einsparungen zwischen 100 Millionen und zwei Milliarden Euro (vgl. Österreichischer Verteidigungsminister zeigt Airbus an).
Quelle: TelepolisAnmerkung Christian Reimann: Offensichtlich ist das Bundesverteidigungsministerium stets für eine Überraschung zu haben. Ist das nun Privatkonzern-orientierte Politik oder ist schlicht Dummheit am Werk?
- ‚Ich liebe Einwanderung‘ ist faule Ethik der politischen Elite
Ein Schwarz-Weiß-Foto, das zwei Kinder zeigt, ist der Anfang. Ein kleiner Junge in Latzhose mit Fliege, vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Daneben ein gleichaltriges Mädchen. Es trägt eine Haarschleife zum Kleidchen und nur Strümpfe, obwohl im Hintergrund Schnee zu sehen ist. „Für Sue. Leben, die auseinanderstreben – Ängste, die sich einander annähern“, steht darunter.
Es ist mehr als eine Widmung. Das Foto ist für Paul Collier Anfang und Ende, es ist die Triebfeder für das neue Buch des ehemaligen Chefökonomen der Weltbank, der auch als Migrationsforscher weltbekannt ist. Für Collier selbst ist es sein wichtigstes Buch, eine Art Erbe.
Collier fragt sich, warum er, der kleine Junge aus Sheffield, heute mit den Genies dieser Welt auf Podien debattiert und die deutsche Bundeskanzlerin zum Abendessen trifft. Warum zugleich seine Cousine Sue, geboren am gleichen Apriltag 1949 in der gleichen nordenglischen Industriestadt, nicht weiß, wie sie den leeren Kühlschrank füllen soll. …
Wie sollte sich das ändern, wenn das Fundament so schwach ist? Collier will nicht nur Kritiker sein, sondern Pragmatiker mit konkreten Vorschlägen, auch wenn die vielen Leuten nicht gefallen. Er sagt:„London ist das neue Öl. Das ist mein Slogan, und der funktioniert – vor allem außerhalb von London! Was hat der Duke of Westminster dazu beigetragen, dass er allein durch seine Immobilien in London zum Milliardär wurde? Den Wert von Grundstücken zu besteuern ist kein Marxismus, das ist Gemeinsinn. Und es ist eine effiziente Besteuerung, weil sie kein Wirtschaftsverhalten untergräbt.
Aber nicht nur die Immobilienbesitzer schöpfen unverhältnismäßig die sogenannten Agglomerationsgewinne ab. Noch mehr tun das die Hochqualifizierten, die ein großes Gehalt haben, aber Single sind und daher vergleichsweise geringe Lebenshaltungskosten haben. Sie schöpfen unserer Berechnung nach sogar die Hälfte der Agglomerationsgewinne ab.
Dazu aber haben sie kein ethisches Recht. Denn Agglomerationsgewinne werden kollektiv produziert, sie beruhen auf vergangenen Investitionen, gute Vernetzung, aber auch auf Dingen wie Rechtstaatlichkeit. Zu der alle beitragen, nicht nur die Hochqualifizierten.“
Quelle: welt.de - Linke Perspektiven im Dialog
Nach dem erfolgreichen Auftakt im vergangenen Jahr findet am 1./2. März 2019 die 2. Rosa Luxemburg Konferenz in Wien statt. Zahlreiche Workshops mit nationalen und internationalen ReferentInnen, Podiumsdiskussionen, Buchpräsentationen und kulturelle Rahmenveranstaltungen laden Gäste aus nah und fern ein, um über den Zustand der politischen Linke zu debattieren und Perspektiven für die zukünftige Arbeit zu erörtern.
Man wolle „nicht den Kopf in den Sand stecken, wenn in und um Österreich nationalistische bis faschistische Tendenzen zunehmen, sondern gemeinsam Alternativen zum real existierenden Kapitalismus entwickeln. Armut, Hunger, Krieg, Umweltzerstörung und Ausbeutung können überwunden werden, doch »Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht«“, heißt es in der Ankündigung.
Quelle: Unsere Zeitung - Oscar für “Green Book” – Der falsche Film
Viel Raum für Frauen, Schwarze und Latinos: Die 91. Oscarverleihung lief besser als erwartet. Der Triumph von “Green Book” zeigt jedoch, wie viel Veränderung noch nötig ist.
Hätte es doch ein neues “Envelopegate” gegeben! Zu gern hätte man am Ende der 91. Oscarverleihung erlebt, wie sich Julia Roberts, die den Preis für den besten Film präsentierte, kokett korrigiert – und dann doch “Roma” als Gewinner ausruft. Oder “BlacKkKlansman”. Oder “The Favourite”, selbst “Bohemian Rhapsody” wäre irgendwie okay gewesen. Aber nicht “Green Book”. Es fühlte sich ein wenig so an wie 2006, als der seifige Episodenfilm “L.A. Crash” gegen das revolutionäre – und rührende – Liebesdrama um zwei Männer “Brokeback Mountain” gewann: ein reaktionärer Schlag gegen die progressiven Kräfte in Hollywood. […]
Mit der Wucht von Viggo Mortensen und Mahershala Ali in den Hauptrollen erzählt er eine wahre Geschichte über Rassismus in den US-Südstaaten der frühen Sechzigerjahre (hier der Hintergrund), eigentlich ein gutes, ein wichtiges Thema. Aber “Green Book” erzählt diese Geschichte eben vorrangig aus der Perspektive des “White Saviours” Vallelonga und dringt kaum in die existenzielle Krise des afroamerikanischen Musikers Don “Doc” Shirley ein, dessen Chauffeur und Bodyguard Tony “Lip” auf der Tour durch den Deep South ist.
Quelle: SPIEGEL OnlineAnmerkung Jens Berger: Wenn Oscarverleihungen nur noch danach bewertet werden, wie „viel Raum für Frauen, Schwarze und Latinos“ war, womit ja eigentlich „wie wenig Raum für weiße Männer“ gemeint ist, und ein Film schon deshalb als „reaktionär“ bezeichnet wird, weil er die Perspektive eines weißen Mannes einnimmt, läuft irgendwas ziemlich schief.