Fünf Wochen nach Veröffentlichung dieser Liste, aus der ersichtlich war, dass bis zum 4. Januar schon 100 Gelbwesten durch Waffeneinsatz der Polizei zum Teil erheblich verletzt worden waren, veröffentlicht die Tagesschau am vergangenen Samstag diesen Artikel. Die Redakteurin Silvia Stöber von tagesschau.de beklagt darin das „Schweigen über die Verletzungen“. Nach wochenlangem Schweigen der selbst ernannten „Faktenfinder“ beklagen sie jetzt also das Schweigen der anderen. Aufmerksame Korrespondenten konnten schon im November letzten Jahres Schlimmes beobachten. Am 1. Dezember war eine 80-Jährige von einem Tränengasbehälter getötet worden. Albrecht Müller.
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Schon vor zehn Wochen hätte die Tagesschau nicht nur über die Gewalt von Demonstranten, sondern auch über jene der Polizei berichten können. Das ist die Bilanz von ein paar wenigen Tagen zu Beginn der Demonstrationen Ende November 2018 – Augen weg, Hand ab, Kiefer zerschossen usw.:
- ZINEB REDOUANE, 80 Jahre alt, wurde durch einen Tränengasbehälter getötet, der ihr am 1. Dezember 2018 in Marseille ins Gesicht geschossen wurde.
- RICHIE A., 34 Jahre alt, verlor sein linkes Auge durch einen LBD-40-Schuss in Saint-Paul (La Réunion) am 19. November 2018.
- JEROME H. verlor sein linkes Auge, als am 24. November 2018 in Paris ein LBD 40 abgeschossen wurde.
- PATRICK verlor sein linkes Auge durch einen LBD-40-Abschuss in Paris am 24. November 2018.
- Der in Pimprez lebende 40-jährige ANTONIO B. wurde am 24. November 2018 in Paris von einer GLI-F4-Granate schwer am Fuß verletzt.
- GABRIEL, 21 Jahre alt, in der Sarthe ansässiger Kesselbauerlehrling, wurde am 24. November 2018 in Paris von einer GLI-F4-Granate die Hand abgerissen.
- XAVIER E., 34 Jahre alt, wohnhaft in Villefranche sur Saône, erlitt am 24. November 2018 in Villefranche sur Saône eine Fraktur des Kiefers, des Gaumens, des Bahnbodens, des Wangenknochens, mehrere gebrochene Zähne und Verletzungen an der Lippe, die durch einen Schuss LBD 40 verursacht wurden.
Übrigens, bis 4. Januar waren 100 Menschen erheblich verletzt und zum größeren Teil für ihr ganzes Leben gezeichnet. Am 9. Februar waren es dann schon 138 auf der Liste. Wo waren die Korrespondenten der ARD? Warum zitieren sie aus dieser Liste erst jetzt? Wo blieb „Monitor“? Wo „Panorama“? Wo waren die so selbstbewussten „Faktenfinder“ aus Hamburg? Jetzt, am 9. Februar 2019, berichten sie hier und beklagen sich über das Schweigen anderer:
“Gelbwesten”-Proteste
Das Schweigen über die Verletzungen
Stand: 09.02.2019 12:34 Uhr
Gewalt bei den “Gelbwesten”-Protesten in Frankreich sorgt für Diskussionen, auch weil Regierung und Behörden keine genauen Angaben zu den Verletzten liefern. Was ist dazu bekannt?
Von Silvia Stöber, tagesschau.de
Silvia Stöber, tagesschau.de
@tavisupleba bei Twitter
Die Demonstrationen der “Gelbwesten” in Frankreich dauern bereits den dritten Monat an. Begleitet werden sie von Gewalt – ausgeübt von Sicherheitskräften und von Demonstranten.Das Vorgehen der Sicherheitskräfte sorgt auch im Ausland für Aufmerksamkeit – und Kritik: Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic erklärte, sie sei “ernsthaft besorgt” wegen der Verletzungen, die Polizisten mit Gummigeschossen und auf andere Weise bei Demonstranten anrichteten.
Gesundheitsbehörden schweigen zu Verletzungen
Darüber hinaus sorgt die Informationspolitik von Regierung und Behörden für Empörung in Frankreich: Etwa hundert Persönlichkeiten, darunter Künstler und Wissenschaftler, schrieben nun einen offenen Brief an Gesundheitsministerin Agnès Buzyn. Darin fordern sie, den “Schleier zu lüften” über der Zahl der Demonstranten und Sicherheitskräfte, die seit Beginn der “Gelbwesten”-Bewegung in Kliniken eingeliefert wurden. Die Unterzeichner zeigen sich schockiert über das “Schweigen” der Gesundheitsbehörden – auch zur Art der Verletzungen und zur Zahl der Menschen, die irreversible Schäden wie den Verlust eines Auges erlitten.
Offiziellen Zahlen zufolge wurden seit der ersten Protestaktion am 17. November mehr als 3000 Demonstranten und Sicherheitskräfte verletzt, wie französische Medien schreiben. Auf Anfrage der Zeitung “Libération” nannte das Innenministerium Anfang Januar eine Zahl von etwa 50 Schwerverletzten unter 1700 verletzten “Gelbwesten” seit Beginn der Bewegung.
…“
Wer NachDenkSeiten liest, war früher informiert. Wir haben in den Hinweisen des Tages von Anfang an auf interessante Berichte verlinkt und einschlägige Artikel dazu veröffentlicht. Einige unserer Artikel sind im Folgenden aufgelistet und verlinkt:
- Mit brutaler Gewalt wird der Klassenkampf von oben gewonnen. Das ist absehbar.
- Übersetzung der Liste der von der französischen Polizei ruinierten Menschen
- „Familie, ich werde mein Auge verlieren“ – In Frankreich wurde offensichtlich auf die Köpfe gezielt. Lesermails.
- Ein interessantes Dokument zum Aufstand in Frankreich: „Aufruf der ersten Generalversammlung der gelben Westen“
- „Hier die farblosen Farben der privilegierten Welt, … und auf der anderen Seite das schrille Kreischgelb …
- Frankreich demonstriert, Deutschland lamentiert
Angesichts des Versagens des „Ersten Deutschen Fernsehens“ liegt die Frage nahe, was eigentlich die Intendanten der ARD-Anstalten und der Vorsitzende der ARD, Ulrich Wilhelm, tun. Merken sie nicht, dass ihre Sender elementare Pflichten zur Berichterstattung verletzen? Könnten Sie den Gebührenzahlern mal erläutern, warum diese fürs Verschweigen Gebühren zahlen sollen?
P.S.: Die etablierten Medien Deutschlands polemisieren gegen die von Russland finanzierten Medien. Vielleicht sollten sie sich – zum Beispiel bei der Berichterstattung über die Gewalt in Frankreich – gelegentlich mal bei diesen stigmatisierten Medien umsehen, so zum Beispiel heute hier:
Kurzclips
Paris: Erneut schwerverletzter Gelbwesten-Demonstrant – “Sohn verlor vor dem Parlament seine Hand”
11.02.2019 • 11:35 Uhr