Leserbriefe zu: Umwelt- und Verkehrspolitik mit Stammtischparolen
Zu den Beiträgen “Feinstaub: Ärzte aus Österreich stellen sich gegen deutsche Kollegen” und “Umwelt- und Verkehrspolitik mit Stammtischparolen” gab es einige dezidierte Lesermeinungen, die wir hier mit Ihnen teilen. Dieses Thema scheint ein gewaltiges Minenfeld zu sein, nicht zuletzt wegen unentschlossener Umweltpolitik, Autoherstellerschummeleien und divergierenden, aber gleichermaßen berechtigten Interessen der Öffentlichkeit. Bitte beachten Sie die Anmerkungen von Jens Berger. Zusammengestellt von Moritz Müller.
1. Leserbrief
Hallo Herr Berger,
Sie schreiben:
„Anders als bei den Stickoxiden (wo es offenbar in der Tat wissenschaftlich begründete Zweifel an den Grenzwerten gibt) scheinen die 104 von BILD und Co. gepushten deutschen Pneumologen hier in der Tat keine sonderlich überzeugende Argumentation vorzubringen.“
Würden Sie dies bitte begründen und belegen, wenn sie solchen – mit Verlaub Unsinn -verbreiten?
Die Experten hierfür sind Epidemologen, keine niedergelassenen Lungenfachärzte. Der DLF zitiert einen Schweizer Epidemologen folgendermaßen:
„Dagegen sei aber sehr klar, dass Feinstaub, Stickoxide und Ozone gesundheitliche Auswirkungen auf die Bevölkerung haben. Dabei gebe es keine Schwellenwerte: Je höher die Konzentrationen der Stoffe in der Luft, desto stärker ausgeprägter seien auch die Folgen für die Gesundheit. Es gebe etwa 30.000 wissenschaftliche Arbeiten, die in den vergangenen 30 Jahren zu diesem Thema verfasst wurden. Künzli sagte: „Es gibt keinen Expertenstreit, es gibt höchstens Laien wie Prof. Köhler (der die Initiative der deutschen Lungenfachärzte angestoßen hat, Anm. d. Red.), die ihre Meinung aus dem Bauch heraus kundtun. (…) Schuster, bleib bei deinen Leisten.“
Grenzwerte sollten nicht erhöht, sondern abgesenkt werden
Künzli plädierte im Deutschlandfunk für strengere Richtwerte. Die Stickoxid-Grenzwerte, die die EU vorschreibe, basieren demnach auf wissenschaftlichen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Die Feinstaubwerte dagegen müssten laut Künzli deutlich verschärft werden und dürften maximal halb so viel betragen, um Gesundheitsrisiken zu minimieren.
Die politische und gesellschaftliche Argumentation nannte der Schweizer Gesundheitsexperte „Populismus pur“. Wenn es um Expertisen gehe, solle man Experten fragen, und es gebe in Deutschland genügend hervorragende Forscherinnen und Forscher, die Auskunft geben könnten. „Man hat eine Ebene der Irrationalität erreicht, die ich nicht nachvollziehen kann“, urteilte der stellvertretende Direktor des Schweizer Instituts für Tropenmedizin und öffentliche Gesundheit in Basel.“
Dass die NDS diesem populistischem Unsinn der Herren Köhler, Scheuer etc. hinterherlaufen, kann ich nicht nachvollziehen. Zumal in zig Artikeln zu dem Thema deutlich gemacht worden ist, dass die Grenzwerte für Stickoxide auch ein Indikator für andere Schadstoffe sind, die nicht alle gemessen werden. Was ist Ihre Lösung für eine Verbesserung der Gesundheits- und Lebensqualität in den Städten? Mehr Autoverkehr?
Ihnen, Herr Berger, ist offenbar die Gesundheit der Stadtbewohner völlig egal, Hauptsache unbegrenzte freie Fahrt für alle Automobilisten, Schadstoffe. Als regelmäßiger Radfahrer in einer Großstadt kann ich nur sagen: Es stinkt mir zum Himmel! Am besten sind noch die hochpreisigen Kfz, die hinten die Luft der anderen vergiften, vorne aber (energetisch aufwendig und Schadstoffe erzeugend) die Innenluft filtern. Tolle Position, die Sie da vertreten. Damit ist auch Ihre Position als Anwalt der ökonomisch Schwachen höchst fragwürdig. Denn die Epidemologie kann sehr wohl zeigen, dass vor allem diese Gruppe deutlich überproportional unter der Schadstoffbelastung durch Stickoxide (und Feinstaub, …) leidet. Es ist ein wenig halbseiden die Grünen für Halbherzigkeit bei Hartz IV zu kritisieren, aber Positionen zu vertreten oder zu begünstigen, die den Hartz IV-Empfängern Lebensjahre nimmt.
[…] Dieser Artikel eignet sich wegen seiner Kürze und Verständlichkeit auch zum Verlinken und Weitergeben […]
Freundliche Grüße
Antwort Jens Berger …
Lieber Leser,
da habe ich mich wohl ein wenig missverständlich ausgedrückt. Grenzwerte sind immer eine politische Entscheidung und ein Kompromiss zwischen unterschiedlichen Interessen. Bei der konkreten Debatte sind dies z.B. die Volksgesundheit und die Mobilität der Pendler und Anwohner. Die Studien der Epidemiologen sind bei dieser Abwägung ein Faktor von vielen. Ich schreibe an keiner Stelle, dass keine validen Studien zur gesundheitlichen Gefährdung durch Stickoxide gäbe. Im Gegenteil. Aber die Frage, ob die zur Zeit gültigen EU-Grenzwerte ein Niveau haben, bei dem die Prophylaxe in einem vernünftigen Verhältnis zu den Einschränkungen der Mobilität steht, die mit drohenden Fahrverboten verbunden sind, ist nicht so einfach zu beantworten und auch in der Wissenschaft umstritten. In den USA geht man – wie Sie ja sicher wissen – einen anderen Weg. Dort sind die Grenzwerte für Atemluftmessung etwas höher, dafür ist man aber bei der PKW- und LKW-Zulassung deutlich strenger, so dass „Stickoxid-Schleudern“ erst gar nicht auf die Straße kommen. Zu den anderen von Ihnen genannten Punkten habe ich ja in meinem Artikel zum Papier der Lungenärzte deutlich Stellung bezogen.
Beste Grüße
Jens Berger
2. Leserbrief
Lieber Herr Berger,
in Ihrem Kommentar zu dem an sich ja schon interessanten und keineswegs gut zu durchschauenden Streit zwischen deutschen und österreichischen Pneumologen zur Feinstaubbelastung und ihren Folgen gehen Sie aus meiner Sicht etwas lax mit dem Thema Holzverbrennung in Einzelkaminen und Pelletanlagen um. Da ich seit rund 15 Jahren in dem Versuch, meinen ökologischen Fußabdruck halbwegs ordentlich zu gestalten, recht überzeugt eine Pelletanlage in meinem Dreifamilienhaus betreibe, ist mir Ihre Pauschalisierung zu einfach: gerade Pelletanlagen (jedenfalls die meine) werden ständig und akribisch auf Feinstaubbelastung untersucht. Während der Wartungsingenieur jährlich die verschiedensten Schadstoffe zu messen verpflichtet ist, tritt der Schornsteinfeger aller zwei Jahre, ebenfalls unter realen Betriebsbedingungen, also unter Volllast, zur Feinstaubmessung an und filtert viertelstundenlang Feinstaub in einen kleinen Mess-Filter-Behälter. Alles übrigens nicht ganz billig, während einige gut informierte Nachbarn von meinen Feinstaubemissionen raunen (sie lesen ja Presse!) und dabei die fünfzehnte Zigarette des Tages in sich hinein rauchen – was etwa der Feinstaubemission meiner Heizung in einem Vierteljahr entspricht. Die hat übrigens, ganz im Unterschied zu Einzelkaminen für Scheitholz oder Braunkohle (!) oder Ihrem Auto, einen Wirkungsgrad bei Volllast von etwa 92 % (Ihr Auto hat maximal 40 %), ersetzt jährlich die Verbrennung von rund 4.000l Öl und ist, darüber kann man allerdings trefflich streiten, fast CO2-neutral. Allerdings nur solange, wie nur eine kleine Minderheit damit umgeht und damit die Nachhaltigkeit des Holzverbrauchs nicht überschritten wird.
Ich gebe außerdem zu bedenken, wie verdammt hoch der aktuelle Schadstoffausstoß unserer „Westlichen Demokratie“ doch ist. Kaum ein Ort auf der Welt, wo wir nichts anzubrennen versuchen: Libyen, Russland, Ukraine, Syrien, Venezuela…… Angesichts dieser schwelenden Feuer ist es letztlich fast egal, was ich daneben noch verbrenne. Wenn wir diese vielen, potentiell großen, Feuer auf der Welt nicht verhindern können, wird die Feinstaubbelastung meiner kleinen Verbrennungen daneben völlig bedeutungslos sein.
Tut mir leid, dass ich beim Thema Feinstaub und Pellets vielleicht ein wenig zu munter geworden bin. Die Nachdenkseiten, nicht zuletzt Ihre Beiträge, sind mir ein so wichtiger täglicher Begleiter, dass ich eine kleine inhaltliche Entgleisung dieser Art auch einfach hätte ignorieren können. Wollte ich aber nicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Ralf Weber
3. Leserbrief
Versuchen sie einmal, mit einem statistischen Wert eine Entschädigung für einen Gesundheitsschaden (z.B. als Atomkraftwerksanwohner) zu erzielen. Man wird ihnen sagen, dass dies rein gar nichts belegt. Wenn man einen Grenzwert von 40 µg/m³ festlegt, weil sonst Gesundheitsgefahren drohen und sogar noch sagt, er wäre eigentlich zu hoch, wie kann es dann sein, dass in Büros 60 µg/m³ und an Industriearbeitsplätzen 950 µg/m³ erlaubt sind. Wäre das dann nicht schon vorsätzliche Körperverletzung? Wenn ich als Industriearbeiter klagen würde, ist die Chance, damit durchzukommen, gleich null. Eine Klage gegen einen Flughafen wegen Feinstaub und Lärm ist genauso aussichtslos. Was aber geht, ist, wenn die Politik sagen kann, dass es am Bürger selbst liegt. Wenn der ein neues Auto, Heizung, Wärmeisolierung usw. kaufen muss, schafft das Arbeitsplätze und Profit. Die Politik hat keinerlei Problem, in das Eigentum der Bürger einzugreifen, wenn aber die Industrie eine Frist von 20 Jahren bekommt, müssen Entschädigungen gezahlt werden. Politik im Interesse der Bürger ist einfach nicht möglich. Keynes hat erkannt, dass sich der Kapitalismus mit seinem Profitstreben selbst die Schlinge um den Hals legt. Er war der Meinung, der Staat müsse regelnd eingreifen. Hier sitzen aber nur noch schwarze Nullen.
MfG
Andreas Teichmann
Anmerkung Jens Berger: Dieses Argument ist ja häufig zu hören. Aber warum sollte man mit den eindeutig zu hohen Grenzwerten für Industriearbeitsplätze die Grenzwerte für Atemluft im öffentlichen Raum in Frage stellen? Wäre dies nicht umgekehrt ein Grund, die Industriegrenzwerte einmal zu hinterfragen?
4. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
zum Artikel: Umwelt- und Verkehrspolitik mit Stammtischparolen
Es freut mich, dass sich unsere Meinungen ja scheinbar angenähert haben (oder zumindest dem, was ich mit meiner Video-(Nicht)emphfelung ausdrücken wollte, nähergekommen sind.)
Hr. Dr. Köhler, der ja im Diesel Desaster ausführlich zu Wort kommt, hat ja auch beim dem genannten Appell der Lungenärzte mitgewirkt.
Dieser wurde natürlich benutzt (zumindest von Bild, Welt), um die Automobilindustrie von allen Fehlern reinzuwaschen, denn nur die bösen Grenzwerte sind ja am Ungemach der deutschen Dieselfahrer schuld! Diese Diskussion habe ich “vorausgesehen” (naja), und wollte auf die verkürtze Argumenation im Beitrag “Das Diesel Desaster” hinweisen.
Nix für ungut, Sie sehen halt, das Thema beschäftigt mich.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Henseler
5. Leserbrief
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großer Enttäuschung musste ich den Artikel „Umwelt- und Verkehrspolitik mit Stammtischparolen“ zur Kenntnis nehmen. Was Jens Berger hier abliefert, grenzt ebenfalls an Propaganda, gestützt ausgerechnet auf Mainstreammedien, die sonst in den Nachdenkseiten zu recht heftig kritisiert werden. Herrn Berger geht es ersichtlich darum, Prof. Dr. Köhler mit Methoden fertig zu machen, die man sonst nur in den Mainstreammedien findet. Allein schon die Behauptung, dass praktizierende Lungenärzte nicht kompetent seien, die Gefahren durch Feinstaub zu beurteilen, wenn sie nicht in der Forschung arbeiten würden, ist haarsträubend. Wenn Sickoxide eine tatsächlich so große Gefahr darstellen würden, wie behauptet, dann hätten gerade diese Spezialisten entsprechende Krankheiten auch in ihrer Praxis wahrgenommen. Für eine zutreffende Diagnose und Therapie muss selbstverständlich auch die Ursache der jeweiligen Krankheit geklärt werden. Deshalb schreibt Prof. Köhler: „Wenn nun aber die Luftverschmutzung so gefährlich wäre, so müsste sie ein typisches Vergiftungsmuster verursachen, wie es für jedes Gift mehr oder weniger typisch ist. Das völlige Fehlen dieses Musters spricht gegen eine Gefährdung und für Störfaktoren. Zudem gibt es überhaupt keine plausiblen pathophysiologischen Hypothesen, wie die Luftverschmutzung diese vielen unterschiedlichsten Erkrankungen verursachen soll.“
Herr Berger hätte zumindest anerkennen sollen, dass es schon seit Jahren wissenschaftlichen Streit zwischen Lungenärzten und Epidemiologen gibt. Längst nicht alle Lungenärzte, die den von der EU beschlossenen Grenzwerten skeptisch gegenüber stehen, haben sich im Papier geäußert. Gerade weil sie befürchten, in der Luft zerrissen zu werden.
Nicht nur die Autokonzerne haben eine Lobby in Berlin, sondern auch die erneuerbaren Energien. Diese sind vielleicht sogar noch besser vernetzt und können auf die Hilfe von Umweltorganisationen zurückgreifen, die sich ebenfalls der Mittel von Manipulation und Meinungsmache bedienen. Gerade wenn man die von Albrecht Müller aufgeführte Methoden der Manipulation auf die entsprechenden Berichterstattungen etwa zu Dieselabgasen anwendet, wird man schnell fündig. Da laufen ebenfalls ganz massive Beeinflussungskampagnen ab. Auch der gute Zweck, den Klimawandel zu bekämpfen, heiligt nicht alle Mittel. Werden solche Manipulationen erst mal allgemein bekannt, erreichen sie in der breiten Bevölkerung das Gegenteil dessen, was sie erreichen sollen und werden die Bevölkerung gegen den Klimaschutz aufbringen.
Im Interesse der Bevölkerung, etwa derjenigen, die sich einen Diesel gekauft haben, ist das alles ganz sicher nicht. Ich habe fast den Eindruck, dass man sich mit aller Gewalt auch eine deutsche Gelbwestenbewegung heranzüchten will, die nach Lage der Dinge bei weitem nicht so weit links stehen dürfte wie die französische.
Ich bitte deshalb, folgende Artikelserie von 2017 genau zu studieren. Sie stammt zwar erkennbar aus einer trüben Quelle im Umkreis von Klimawandelleugnern, die ich natürlich nicht unterstütze, aber ich denke, die mitgeteilten Tatsachen sprechen für sich selbst.
viele Grüße
Jan Müller
Antwort Jens Berger …
Lieber Herr Müller,
offenbar haben Sie wichtige Passagen des Artikels bei Ihrem Leserbrief nicht bedacht. Ich spreche “Lungenärzten” doch um Himmels Willen nicht die Kompetenz ab, über derlei Erkrankungen zu urteilen. Im Gegenteil. Ich verlinke ja ausdrücklich das Positionspapier des Verbandes der Lungenärzte und erwähne auch die österreichischen und Schweizer Lungenärzte, die sich klar gegen das besagte Papier gestellt haben. Dieses Beispiel passt übrigens sehr gut. Herr Köhler (Initiator des Papiers) sagt ja sinngemäß, er und seine Kollegen haben noch nie einen Patienten gehabt, der an Stickoxiden oder Feinstaub verstorben sei. Das ist es, was ich als Stammtisch bezeichne. Er wird nämlich auch noch nie einen Patienten gehabt haben, der an Zigarettenrauch verstorben ist. Man stirbt z.B. an Lungenkrebs und COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung), die beide durch Rauchen ausgelöst werden können. COPD kann aber auch – und das ist wissenschaftlich eigentlich unumstritten – durch Umwelteinflüsse und Luftverschmutzung ausgelöst. Natürlich weiß weder der Patient noch der behandelnde Lungenarzt, welcher im Einzelfall der Auslöser war. Aber das gilt für den Lungenkrebs und den Tabakgenuss ganz genau so. Der Wirkmechanismus ist aber in beiden Fällen bekannt. Wenn Herr Köhler das unterschlägt, agiert er m.E. unlauter. Und da muss man sich schon die Frage der Manipulation stellen.
Beste Grüße
Jens Berger
6. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
leider beschäftigen Sie sich nicht mit der “Studie”, welche die WHO und letztlich auch die “Umwelthilfe” heranzieht zu diesen absurden Grenzwerten. Diese Studie ist keineswegs wissenschaftlich zu nennen, sie basiert auf dürftigen Daten und wissenschaftlichen Kriterien nicht standhalten könnenden schludrigen Folgerungen.
Ja, wir leben in einer “postfaktischen” Zeit und ja, man kann, gerade in Bereichen, in denen es selten eindeutige Schuldzuschreibungen geben kann(!), Eindeutigkeit vorspiegeln, die es jedoch gar nicht gibt. Wenn eine Studie – ich verfasste selbst etliche – eine Folge postuliert, heißt das noch lange nicht, dass die Studie recht hat! Sie dürften selbst wissen, dass unzählige Studien Unsinn verbreiteten.
Hierher gehört der wissenschaftliche Diskurs, und hier, in den Medien, auch von Ihnen, gehört dies genau so dargestellt. Hierher gehört nicht die eindeutige Stellungnahme eines Laien zugunsten dieser einen Stellungnahme, die selbst nicht einmal die Position einer tatsächlichen umfassenden wissenschaftlichen Studie beansprucht, und das könnte sie auch nicht. In ihr sind keine auf wissenschaftlicher Forschung beruhende Grenzwerte festgelegt, sondern nur Vermutungen, die jedoch expressis verbis sogleich quasi als willkürliche Werte beschrieben werden!
Ein weiterer Punkt ist die Unbedingtheit, mit der das bekannte Narrativ verbreitet wird, und das unter Verhöhnung der älteren, wissenschaftlich ausgebildeten Praktiker, der unterbeschäftigten “ältere[n] Vertreter der Zunft”! Und Sie schreiben von einer “wissenschaftlichen Community”, der diese Älteren sich entgegenstellen. Das klingt durchaus nach Missfelder, Ludewick, Dittrich! Wobei weder ich (kein Mediziner) noch Kollegen/Freunde in und aus medizinischen Fakultäten eine solche Community kennen. Außerdem stellt sich die Frage, insbesondere nachdem der Zeitpunkt des Todes immer weiter hinausgeschoben wird, ob diese vorsorgliche ängstliche Haltung sinnvoll ist und rechtfertigt, dass Werte in Milliardenhöhe zerstört und auch Existenzen aufs Spiel gesetzt werden bzw. durchaus vernichtet werden. Strukturen müssen wachsen, ausprobiert, entwickelt werden, hier werden sie zerstört.
Dies ist in dieser postfaktischen Zeit der Narrative, des unbedingt herzustellenden gemeinsamen Glaubensbekenntnisses(!) ein absurdes Treiben, das leider auf jeder Ebene und in jeder Hinsicht beobachtet werden muss.
Komisch auch, es wird nicht gefordert und daran gearbeitet, dass der in diesem Land herrschende sehr starke Verkehr absehbar ausgedünnt werden kann durch eine Politik, durch die viele Individualfahrten obsolet werden! Aber es wird effektiv zerstört, ohne dass Neues in akzeptabler Form vorhanden wäre, und das unter zwanghaftem Hinweis auf die Gesundheit, wobei ich selbst z. B. in einer sehr viel schmutzigeren Zeit aufgewachsen bin!
Dieses Treiben erinnert peinlich an eine kindische Naivität, die nur ein Ziel und einen Weg kennt, welche die Folgen, das gesamte Bezugsgeflecht, nicht zur Kenntnis nimmt, wenn eine radikale Veränderung gewachsener Dinge und Strukturen jetzt sofort gefordert und in die Wege geleitet wird. Seltsam, dass ausschließlich dieses Land verbreitet einer sinnlosen Radikalität, mal wieder mit “koste es, was es wolle”, anhängt.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Wiedersich
Antwort Jens Berger …
Lieber Dr. Wiedersich,
ich weiß nicht so Recht, welche „Studie“ der WHO Sie da meinen. Allein im letzten Jahrzehnt wurden weltweit tausende Studien zu diesem Thema durchgeführt. Die Ergebnisse sind unumstritten. Umstritten ist lediglich, was man mit diesen Ergebnisse politisch macht.
Beste Grüße
Jens Berger
7. Leserbrief
An Redaktion NachDenkSeiten
“Umwelt- und Verkehrspolitik mit Stammtischparolen” von Jens Berger, 28.01.2019
Sehr geehrte Redaktion der NachDenkSeiten,
ich möchte auf einen Kommentar von Franz Alt auf Telepolis hinweisen.
Franz Alt schreibt:
“Der Experte Köhler verstieg sich zu einem verräterischen Vergleich: Die angebliche Ungefährlichkeit von Feinstaub und Stickoxiden sei vergleichbar mit der Ungefährlichkeit des Rauchens. Köhler: Junge Raucher fallen doch auch nicht nach einem halben Jahr tot um.”
Es ist unfassbar dumm und dreist – Lobbyismus pur. Demnächst wird wohl die Schädlichkeit des Rauchens in Frage gestellt.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Böhm
Berlin
8. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
in diesem Artikel verhalten Sie sich genau so, wie Sie es sonst den Vertretern der “politisch korrekten” Presse vorwerfen. Sie hetzen gegen die Ärzte: “..Stammtischniveau…dünnes Posotionspapier…Populismus …gegen die Interessen der Bürger…etc.”
Wie begründen Sie, die “Interessen der Bürger” zu kennen? Also aller Bürger? Mit welcher Arroganz maßen Sie sich an alle Bürger vertreten zu wollen? Auch die, die in gutem Glauben in den letzten Jahren Dieselfahrzeuge gekauft haben und jetzt gezwungen werden sollen diese zu verschrotten? Auch die, die wegen der hohen Mieten in den Städten auf dem Land leben und gezwungen sind mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, weil es kaum öffentliche Verkehrsmittel gibt? Nein – die garantiert nicht.
Wenn Sie jemandes Interessen vertreten, dann sind es die, die sich die hohen Mieten in den Städten leisten können, die als “Hipster” in den entsprechenden Stadtvierteln, aus denen die “Normalbürger” schon längst ausquartiert wurden (Gentrifizierung), in ihrer eigenen Filterblase leben, und die der Autokonzerne, die dank der Antidieselkampagne satte Gewinne durch den erzwungenen Kauf von Elektromobilen erwarten.
Es ist natürlich sehr bequem, einfach Argumente mit persönlichen Angriffen auf die Vertreter anderer Meinungen zu bekämpfen – genau dies aber ist der Grund, warum sich die Anführer der Antidieselkampagne unglaubwürdig machen. Denn die sachlichen Argument widerlegen sie ja nicht! Stattdessen primitives Gehetze auf Spiegelniveau, und das hier!
Ich bin von den Nachdenkseiten anderes gewohnt.
Hochachtungsvoll
G. Nesemann
Antwort Jens Berger …
Lieber Herr Nesemann,
ich frage mich, wo Sie in meinen zahlreichen Artikeln zum Thema ein einziges Mal gelesen haben wollen, dass ich die derzeitige Praxis der Fahrverbote unterstütze? Das genaue Gegenteil ist der Fall. Es ist halt nur so, dass Politik und Automobilhersteller alle Alternativen ausschlagen und die Frage der Grenzwerte auf Teufel komm raus zu einer Richtungsentscheidung zu machen, bei der die Bürger nur verlieren können – entweder sie verlieren durch Fahrverbote Mobilität oder sie müssen durch Senkung/Aussetzung der Grenzwerte Gesundheitsschäden hinnehmen. Lassen Sie sich um Himmels Willen durch „interessierte Kreise“ nicht ins Bockshorn jagen. Fahrverbote sind keine zwingende Folge von einer Anerkennung der wissenschaftlichen Methoden der Gesundheitswissenschaften. Und wer Fahrverbote abwenden will, sollte daher auch keinen Kleinkrieg gegen die Wissenschaft führen. Leider provozieren Politiker wie Andreas Scheuer und Medien wie BILD und Co. genau das.
Beste Grüße
Jens Berger
9. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
aus meiner Sicht geht es aktuell weniger um Populismus als vielmehr Lobbyismus. Es war schon erstaunlich, dass die deutschen Automobilkonzerne so lange gebraucht haben, bis gegen die Grenzwerte intrigiert worden ist. Ob bezahlt oder nur ermutigt ist dabei ohne Belang. Es kommt nicht von ungefähr, dass einer der Unterzeichner, jetzt Lehrstuhlinhaber am KIT für Kolbenmaschinen, noch vor wenigen Jahren Motorenentwickler beim Daimler gewesen ist und vielfach mit merkwürdige Kommentaren zum Diesel auf sich aufmerksam gemacht hat.
Das Ganze nachdem des Volkes Meinung erst mal auf die Gerichte und die DUH umgelenkt worden war, nur um die betrügerischen Konzerne und deren Aktionäre wegen dieser „Affaire“ vor Schadenersatz zu schützen und zwar von CDU/CSU im Gleichklang mit der SPD. Das Rezept ist einfach und spätestens seit der großen Zuckerlüge erprobt: es reicht, mit welchen Argumenten auch immer, für Unsicherheit zu sorgen. Die wirtschaftsfreundlichen Mainstreammedien werden diese Einwände genüsslich aufgreifen. Nach eben diesem Konzept gibt es in den USA vielfach ja auch keine Klimakatastrophe, belegt von vielen „Wissenschaftlern“.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Rüdinger
PS: „Die große Zuckerlüge“ auf YouTube
10. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
gestatten Sie mir zu Ihrem Artikel einige Bemerkungen und Fragen. Es gibt zu jedem Thema Menschen die sich dazu äussern. Manche haben Ahnung vom Thema, manche nicht und manche versuchen bewusst andere für dumm zu verkaufen. Journalisten und Fernsehmoderatoren gehören aus meiner Sicht mit wenigen Ausnahmen zu den beiden letzten Gruppen. Sie gehören für mich nicht zu den Schwaflern und Relotiuslern.
Warum Sie in Ihrem Artikel mit den Lungenärzten schwerpunkmässig ad hominem gehen entzieht sich meiner Kenntnis, aber bei so etwas werde ich immer hellhörig, da es meistens an echten Argumenten und Fakten fehlt.
Da ich mich mit dem Thema auch schon etwas länger befasse, nun mein Wissenstand und die Fragen, welche Journalisten eigentlich stellen könnten.
In dem von Ihnen erwähnten und empfohlenen Papier wird bei NOX auch die EU-Richtlinie von 40 μg/m³ erwähnt.
- Warum und auf Grund welcher harten Fakten wurde der Wert so gesetzt und welche Erkenntnisse von Ärzten waren da berücksichtigt? Das ist die zentrale Frage. Die Arbeitsplatzverordnungen (s.u.) in D und CH sind vermutlich auch nicht von Idioten gemacht worden.
- Warum messen wir so verkehrsnah wie möglich obwohl dies nicht so bestimmt wurde bzw man das eigentlich so nicht machen soll? Also z.B. direkt an einer vielbefahrenen Kreuzung oder direkt neben einer Bushaltestelle?
- Warum ist das in anderen EU Städten kein Problem? Messen die vielleicht mit dem richtigen Abstand zu Verkehr?
- Warum darf ich am Arbeitsplatz 8 Stunden einen Grenzwert von über 900 haben und in der Schweiz von 6000?
- Warum macht mein Adventskranz mehr NOX als am ach so gefährlichen Neckartor in Stuttgart gemessen wird? Da muss ich die Autoindustrie echt loben und die Kerzenhersteller anklagen. Ich habe übrigens einen offenen Kamin und lebe noch.
- Was ist mit Menschen welche mit Gasbrenner, Gasherd, Gasgrill, Schweissbrenner, Baugasheizer etc arbeiten müssen? Warum sind die nicht schon lange tot? Von den Rauchern wollen wir mal gar nicht reden.
- Kennen Sie, im Gegensatz zu mir, auch nur einen der hunderttausende NOX Toten? Ich habe einen Freund mit COPD und der lebt schon immer in einem Kurort.
- Ist CO2 gut oder schlecht? Fragen sie mal die Pflanzen, je mehr die bekommen desto mehr wachsen die und machen u.a. auch noch O2. Wenn sie die 40 μg/m³ mal in Prozent umrechnen kommt übrigens eine ganz erstaunlich kleine Zahl heraus ;-)
Herr Berger, vielleicht hatten Sie nur einen schlechten Tag oder folgen bei dem Thema unfreiwillig dem Mainstream, aber vielleicht denken Sie nochmal über Ihren Artikel nach.
Ich lese Ihre Artikel gerne und schaue mir auch gerne Die Anstalt an, auch wenn diese sich bei dem Thema nicht mit Ruhm bekleckert hat.
Es grüßt hochachtungsvoll
Peter Sauter
Stuttgart
Antwort Jens Berger …
Lieber Herr Sauter,
hier haben wir ein großes Problem. Sie schreiben ja selbst, dass Sie „informiert“ sind. Haben Sie sich denn mal beispielsweise das Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, das ich im Artikel verlinkt habe, angeschaut? Darin wird zumindest versucht, das Basiswissen zu vermitteln, das bei der Debatte unerlässlich ist. Ich versuche dennoch kurz und knapp auf Ihre Fragen zu antworten …
- Beschlossen wurde der Grenzwert von der EU. Dem lagen damals zahlreiche Metastudien zugrunde, die sich auf rund 70.000 Einzelstudien beziehen. Grenzwerte für andere Bereiche werden von anderen Gremien erstellt, die unter Umständen andere Abwägungen vornehmen. Nur weil der Grenzwert z.B. am Arbeitsplatz höher ist, heißt dies nicht, dass dieser oder jener Grenzwert nun besser oder schlechter wäre. Die Empfehlungen der Epidemiologen sind jedenfalls noch geringere Grenzwerte, aber solche Grenzwerte sind stets ein Kompromiss, der auch die Grenzen des sinnvoll Machbaren beinhalten muss. Von daher ist eine Debatte für die Grenzwerte in der EU ja auch sinnvoll – sie sollte dann aber auch auf Basis von seriösen Zahlen und Argumenten erfolgen. Das ist bei der momentanen Debatte in Deutschland nicht der Fall.
- Das ist eine gute Frage, die aber nichts mit dem von mir kritisierten Papier der 107 Lungenärzte zu tun hat.
- siehe 2.
- Gegenfrage: Warum darf ich in Deutschland mit dem Fahrrad mit 1,4 Promille Blutalkohol am Strassenverkehr teilnehmen, während in Tschechien eine generelle 0,0 Promille-Grenze existiert? Welcher Wert ist „besser“, welcher „richtig“? Sie sehen – solche Vergleich führen zu nichts.
- Lieber Herr Sauter, das ist genau das Stammtischniveau, das ich – zugegebenermaßen polemisch – kritisiere. Sitzen Sie den ganzen Tag lang 365 Tage im Jahr vor ihrem Adventskranz? Grenzwerte für die Atemluft werden auf Basis lebenslanger Immissionen aufgestellt und hier gilt der Grundsatz des Vorsorgeprinzips, das sich am schwächsten Glied der Kette orientiert. Lungenkranke ältere Menschen haben hier nun einmal andere Risiken als gesunde junge Menschen. Vergleichen Sie das ruhig mit Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ein geübter Rallyefahrer wird eine enge Kurve mit einem guten Auto bei Regenwetter mit z.B. 110 km/h durchfahren können, während der Führerscheinanfänger im alten Polo mit 70 km/h in einen Baum rast … daher gilt an dieser Gefahrenstelle dann eine Geschwindigkeitsbegrenzung von z.B. 60 km/h. Nebenbei: Ob Sie auf einer geraden Autobahn auch 300 km/h fahren können, spielt für die Begrenzung in der Kurve gar keine Rolle … das eine ist der Adventskranz, das andere die Atemluft in Wohngebieten.
- Sehen Sie, das sind die Folgen der Manipulationen, die ich ankreide. Niemand fällt tot um, wenn die NOx-Konzentration nun zu hoch ist. Hier geht es um die Wahrscheinlichkeit, bestimmte Erkrankungen zu bekommen, die auch zum Tode führen können. Bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung gibt es beispielsweise einen sehr klaren Zusammenhang mit bestimmten Schadstoffkonzentrationen in der Atemluft.
- Und mein Großvater ist an Lungenkrebs gestorben, obgleich er nie geraucht hat. Aber welche Erkenntnis bringen uns diese Einzelfallbeispiele? Die Epidemiologie sagt ganz eindeutig, dass Feinstaub und Stickoxide zu COPD führen können. Genau so wie die Inhaltsstoffe einer Zigarette zu COPD oder Lungenkrebs führen können. Nun werde ich auch mal polemisch: Ich kenne auch niemanden, der an Zigarettenrauch gestorben ist … die sterben alle an Krebs, Schlaganfall oder Herzinfarkt. Das ist ungefähr das Niveau, auf dem sich ein Prof. Köhler bewegt.
- Schon wieder Polemik. Ist Wasser gut oder schlecht? Wie kommt es dann, dass der Mensch auch an einer Wasserintoxikation sterben kann? Und zu Ihrer Prozentrechnung: Dann können Sie auch ohne Probleme ein zehnmillionstel Gramm Botox zu sich nehmen – das ist ja nur eine sehr kleine Zahl. In diesem Sinne …
Beste Grüße
Jens Berger