Die “internationale Solidarität” reicht heute von rechtsradikalen Präsidenten bis zur Sozialdemokratie
Zurzeit sind wir Zeuge erstaunlicher Vorgänge: In Venezuela ernennt sich ein vergleichsweise junger, gut aussehender Mann aus dem rechtskonservativen Bereich zum Präsidenten. Unmittelbar darauf wird er von den USA und in ihrer Nachfolge von einem Bündel von Staaten einschließlich der rechtsregierten Staaten Lateinamerikas anerkannt. Auch der deutsche Außenminister (SPD), die Europäische Union und Vertreter der Union, der Grünen und der FDP applaudieren. Dagegen versammeln sich zugunsten des zuletzt gewählten Präsidenten Maduro ein paar Staaten Lateinamerikas sowie Russland und China. Ich will einen Einordnungsversuch machen. Albrecht Müller.
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Venezuela ist in keiner guten Verfassung. Das mag am Präsidenten liegen. Es liegt auch an der im Lande herrschenden Konfrontation und den Sanktionen von außen. Aber nicht nur. Unabhängig davon ist festzuhalten, dass dieses Land wie auch Kuba und demnächst vielleicht wieder Mexiko auf der Abschussliste von rechtskonservativen Kräften, von Neoliberalen und der von den USA bestimmten westlichen Welt steht. Diese Länder und Völker sind auf der Abschussliste, weil sie den Versuch gemacht haben oder machen, bei ihrer Politik auf die breiten Massen und auch auf die Unterschicht Rücksicht zu nehmen. Diese Länder haben auch die von den Neoliberalen geforderten Privatisierungen und Deregulierungen nicht mitgemacht. Am deutlichsten wird die Rücksichtnahme auf die Interessen der unteren Hälfte der Gesellschaft in Kuba sichtbar. Dort ist mit der öffentlichen medizinischen Versorgung und breiten Bildungsangeboten der Versuch gemacht worden, die Benachteiligten zu fördern.
Auch in früheren Zeiten gab es ökonomische, politische und militärische Interventionen der USA in den Ländern Lateinamerikas. Aber es gab zugleich Solidarität mit den sozialistischen Bewegungen dieser Länder: Tausende haben sich alleine in Deutschland um Nicaragua gekümmert, andere um Kuba. Es gab Politiker in Europa, herausragend schwedische Sozialdemokraten mit Olof Palme und Pierre Schori und andere Vertreter der Sozialistischen Internationale einschließlich Willy Brandts und Bruno Kreiskys, die die dortige Linke unterstützten – jedenfalls ihren “Abschuss” nicht förderten und begrüßten. Der Sturz Allendes in Chile und die Machtübernahme durch General Pinochet wurde zumindest von der linken Hälfte unserer Gesellschaft bedauert und nicht beklatscht.
Das ist heute ganz anders. Heute reicht das Bündnis von Trump über den rechtsradikalen Präsidenten Brasiliens Bolsonaro bis zu Merkel, Macron und eben Heiko Maas und Cem Özdemir. Sie alle sind Unterstützer eines Regimechanges, notfalls verbunden mit Bürgerkrieg, mit militärischer Intervention und mit Blutvergießen. Sie akzeptieren nicht, dass es Sache der Venezolaner ist, von wem sie regiert werden wollen und die USA sowie der Rest des „Wertewestens“ schlicht kein Mandat dafür haben, über den Kopf der Venezolaner hinweg zu entscheiden, welche Regierung oder welcher Präsident der „Richtige“ ist. Alleine schon, dass ein SPD-Außenminister diesen simplen Grundsatz ignoriert, ist doch schon ein Zeichen für den intellektuellen Niedergang und moralischen Verfall dieser Partei.
Die Liberalen und die sozialdemokratischen Linken in der Welt werden zu Helfern einer einheitlichen homogenen Gestaltung unserer Welt nach rechtem und neoliberalem Geschmack, sie werden zu Helfershelfern des Imperiums der USA.
Wenn jetzt am Fall Venezuelas demonstriert werden kann, dass der Regime Change gelingt, dann wird nacheinander auch in anderen Ländern angesetzt – eben in Kuba, dann sicher bald in Mexiko, wo gerade ein neuer linker Präsident gewählt worden ist, dann weiter auch in Russland; China steht ja auch schon auf der Tagesordnung.