Der Kampf gegen Lula da Silva, die Arbeiterpartei Brasiliens und die Gewerkschaften

Der Kampf gegen Lula da Silva, die Arbeiterpartei Brasiliens und die Gewerkschaften

Der Kampf gegen Lula da Silva, die Arbeiterpartei Brasiliens und die Gewerkschaften

Frederico Füllgraf
Ein Artikel von Frederico Füllgraf

Ein Dossier zu Sérgio Moro – Teil 2. Mit der Amtseinführung Präsident Jair Bolsonaros am vergangenen 1. Januar übernahm im größten und bevölkerungsreichsten Land Lateinamerikas und der neuntgrößten Volkswirtschaft der Welt eine rechtsextremistische Regierung die politische Macht. Grob umrissen sind die rechtsradikalisierten Polizei- und Streitkräfte mit evangelikal-fundamentalistischen Sekten die tragenden Machtsäulen des neuen Regimes. Von Frederico Füllgraf.

Lesen Sie hier noch einmal den Teil 1 des Dossiers.

Die Kriminalisierung Lulas

Dass Sérgio Moro seit Jahren das Richteramt und seine mediale Narrenfreiheit zu frechem politischem Aktivismus nutzte, das wagen nun auch Brasiliens konservative Medien nach seinem Beitritt zum Bolsonaro-Regime zu unterstellen. Josias de Souza, Kommentator des Folha-de-S.Paulo-Portals UOL diskreditierte Moros bisherigen Kreuzzug gegen die Korruption:

„Der Richter wird den Rest seines Lebens mit dem Erklärungsversuch verbringen, warum er mit glänzenden Kieseln den Weg gebahnt hat, der Bolsonaro in den Regierungspalast führte. Unternehmen Lava Jato wird niemals mehr das Gleiche sein.“

Moro verteidigte sich gegen den Verdacht, sich eingemischt und Bolsonaro begünstigt zu haben, wurde jedoch im Handumdrehen von dessem Vize, General Hamilton Mourão, dementiert. Dieser bestätigte in einem Interview mit Folha de S.Paulo, das sei „lange her“. Moro sei während der laufenden Präsidentschaftswahlkampagne „sondiert“ worden und habe die Einladung zugesagt. Mit anderen Worten: Richter Moro hat offen in den Wahlkampf eingegriffen.

Die ideologischen Feindseligkeiten des Richters im Umgang mit der ehemals regierenden PT – insbesondere seine politische Befangenheit in der Causa Lula – sind seit spätestens Anfang 2016 bekannt. Seitdem bilden Moros mittlerweile weltweit kritisierte „glänzenden Kieselsteine“ ein verabscheuungswürdiges Kaleidoskop juristischer Willkür und politischer Intrigen.

  • So ließ er im Morgengrauen der ersten Märztage 2016 Altpräsident Luis Inácio Lula da Silva von der lächerlich schwerbewaffneten Bundespolizei (PF) zu einem Verhör illegal aus dem Bett jagen und verhaften. Der Festgenommene war weder schriftlich vorgeladen worden, noch hatte er sich einer Vorladung widersetzt.

    Moro wurde von einzelnen Richtern des ihm hierarchisch überstellten Obersten Gerichtshofs (STF) teils schwer gescholten. „Wir müssen Tacheles reden. Zugegeben, Brasilien muss in Ordnung gebracht, aber nicht überrumpelt werden. Überstürzung führt zu nichts, sie erzeugt nur Rechtsunsicherheit für alle Bürger. Es fehlt gerade noch, dass einer auf eigene Faust auf der Regierungs-Esplanade eine Hinrichtungsstelle installiert. Wo kommen wir denn damit hin!“, raunte STF-Richter Marco Aurélio de Mello, doch die Schelte hatte keine Folgen, auch die Klage von Lulas Verteidigern wurde Wochen später von Moro-freundlichen Staatsanwälten und dem politisch von rechts unterwanderten Nationalen Rat der Justiz (CNJ) abgeschmettert.

  • Keine zwei Wochen später, am 16. März 2016, provozierte Moro seine Vorgesetzten, die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff und die Öffentlichkeit mit einem neuen Anschlag auf Lula und die Staatschefin selbst. Vom STF nicht angeordnet, ließ er ein privates Gespräch Rousseffs aus ihrer Kanzlei mit Lula illegal abhören und anstatt den Mitschnitt dem ihm im STF vorgesetzten Richter Teori Zavascki zu übermitteln, leakte Moro das Gespräch an die führende, private Mediengruppe O Globo.

    Die hinterlistige, zynische Geheimoperation war kalkuliert. Am Morgen des 16. März hatte die politisch hart angeschlagene Präsidentin zwecks Stabilisierung ihrer krisengeschüttelten Regierung Lula zum Kabinettschef in Ministerrang ernannt. Um Punkt 13.32 Uhr rief Rousseff Lula an, um ihn von der Überbringung der offiziellen Nominierung zu unterrichten, die ihn auch vor jedweder Festnahme schützen sollte, wie Wochen zuvor wiederholt von Sérgio Moro und der PF angedroht. Wenige Minuten später, gegen 13.45 Uhr, wurde Lulas Zusage offiziell bestätigt.

    Die „Bombe“ ging noch am selben späten Nachmittag hoch, als Globo nicht nur das private Gespräch beider Präsidenten, sondern mehrere Dialoge von dem offenbar seit mehreren Monaten abgehörten Mobiltelefon Lulas ausstrahlte. In einzelnen brasilianischen Großstädten kam es zu rechtsradikalem Säbelrasseln und Aufmärschen mit Parolen wie „Dilma raus!“, „Lula in den Knast!“, „Tod der PT!“.

    Am Morgen darauf führte Lula während seines Minister-Eids eine schwere Anklage gegen Moro mit den Worten, „die brasilianische Gesellschaft mit Unwahrheiten, obskuren Methoden und Praktiken in Aufruhr zu versetzen, bedeutet einen Verstoß gegen verfassungsmäßige Prinzipien und Garantien und gegen die Rechte der Bürger mit gravierender Präzedenz. So beginnen Staatsstreiche!”.

    Lula amtierte keine zwei Tage, als seine Vereidigung vom STF-Richter Gilmar Mendes mit dem Vorwurf der „Rechtswidrigkeit“ annulliert wurde. Damit beugte Mendes sich dem mehr als umstrittenen erstinstanzlichen Richter Sérgio Moro; eine Entscheidung, die der Hohe Richter zwei Jahre später bitterlich bereute. „Fühlt dieser Typ sich etwa von Gott auserlesen?“, waren die Worte, mit denen Mendes während einer Sitzung des STF sich Luft machte.

  • Mit der Begründung „unbestimmter Vergehen“, jedoch „naheliegender Beweisumstände“ (im Original: „ato de ofício indeterminado“) verurteilte Moro schließlich im Juli 2017 den populären Ex-Präsidenten zu 9,5 Jahren Haft.
  • Entgegen der Erwartung Lulas und seiner Verteidiger setzte schließlich Ende Januar 2018 das TRF4-Bundesgericht in Porto Alegre der fünfmonatigen politischen Bereisung Brasiliens durch den erneuten Präsidentschaftskandidaten sowie seinem Berufungsantrag ein noch drastischeres Ende als das erstinstanzliche Urteil: Lula wurde nun zu einer 12-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt und drei Monate später verhaftet.

    Die spanische Tageszeitung El País schrieb damals in ihrer brasilianischen Online-Ausgabe, „die Verhaftung des ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (PT), die … vom Bundesrichter Sergio Moro angeordnet wurde, ist eine Krönung des Unternehmens „Autowaschanlage“ und eine Art Siegestrophäe für den Amtsrichter von Curitiba … Ein Grund für die überstürzte Verurteilung könnte die Befürchtung sein, dass der Oberste Gerichtshof den ehemaligen Präsidenten für unschuldig erklärt und auf freien Fuß setzt.“

    Auch die konservative Folha de S.Paulo bemerkte, dass die Urteilsfindung des Gerichts in Porto Alegre gegen Lula als auffälliges Eilverfahren, nämlich mit Vorrang vor sieben anderen Verfahren, als zweitschnellste Entscheidung der Lava-Jato-Geschichte durchgepeitscht wurde. In anderen acht Fällen, in denen Moro die Festnahme von Angeklagten angeordnet hatte, dauerte es immerhin zwischen 18 und 30 Monaten, bis die Haftbefehle erlassen wurden. In Lulas Fall waren es weniger als 9 Monate.

  • Am 8. Juli 2018 erließ der am TRF4 dienstführende Bundesrichter Rogério Favreto die sofortige Freilassung des Altpräsidenten mit der Begründung, Lula habe Anspruch auf seine Präsidentschaftskandidatur auf freiem Fuß. Im 700 Kilometer fernen Curitiba zögerte die PF jedoch mit der Öffnung von Lulas Zelle und alarmierte hinterrücks Richter Moro, der gerade einen Kurzurlaub in Portugal genoss. Unter der Verletzung elementarster Spielregeln und hierarchischer Zuständigkeiten zögerte Moro nicht, die dienstbefreiten TRF4-Kollegen gegen Favreto aufzuhetzen und schließlich Lulas Freilassung zu unterbinden. Lulas Verteidiger und Favreto scheiterten. Schlimmer noch: Gegen Favreto, der strikt nach den Buchstaben des Gesetzes handelte, wurden mindestens neun Disziplinar- und Kriminalverfahren eingeleitet.
  • Als Lula im August 2018 das Präsidentschaftsrennen aus dem Gefängnis mit mehr als 40 Prozent der Wählerintentionen anführte, wurde das Oberste Wahlgericht (STE) solange von Moro, Staatsanwälten und Generälen bombardiert, bis es am 31. August die Kandidatur Lula endgültig untersagte. Wenige Tage später übernahm São Paulos ehemaliger Bürgermeister Fernando Haddad als Lulas Stellvertreter das Präsidentschaftsrennen mit Bolsonaro auf.
  • Als er bereits Ende September 2018 mehr als 40 Prozent der Wahlabsichten auf sich vereinigte und die Führung Bolsonaros zu bedrohen schien, zündete Sérgio Moro eine weitere Bombe im schmutzigen, hybriden Krieg. Mit einem neuen Leak eines Kronzeugen-Abkommens zur Strafminderung von Lulas ehemaligen Wirtschaftsminister Antonio Palocci wurden der Altpräsident und seine Nachfolgerin Dilma Rousseff von Palocci beschuldigt, „sie wussten alles von der Korruption bei Petrobras“.

    Notabene: Die Anschuldigung war längst von der Staatsanwaltschaft wegen mangelnder Beweise und Glaubwürdigkeit Paloccis verworfen worden, doch Moro waren sie billig genug, um den Wahlsieg Haddads zu verhindern.

    Die renommierte Kolumnistin des Jornal do Brasil, Tereza Cruvinel, brachte per Twitter Moros subversive Machenschaften auf den Punkt:

    „Bolsonaro sagte im Interview mit TV Record, dass er Moro am Obersten Gerichtshof oder im Justizministerium haben will. Das war die häufigste und hellhörig machende Andeutung in dieser Wahlkampagne. Ohne Moro hätte es keinen Anti-Petismus und ohne den Anti-Petismus nicht Bolsonaro gegeben.”

Gleichwohl ist mit Mani Pulite allein Moros Lava-Jato-Strategie nicht ausreichend erklärt. Sie wurde ergänzt durch die Kooptation des Richters, der Staatsanwälte und den Polizisten seiner Einsatzgruppe durch das US-Department of Justice (DoJ), vielfältige US-Think Tanks und das State Department.

Wie bereits im NachDenkSeiten-Beitrag vom September 2018 dargestellt, beruft sich Sérgio Moro zum einen „auf die vom nationalsozialistischen Strafrechtler Hans Welzel 1939 aufgestellte und vom Nachkriegs-Juristen Claus Roxin 1963 unter dem Begriff „Täterschaft und Tatherrschaft“ weiterentwickelte Rechtslehre. Grob umrissen als Judizialisierung der Politik und weltweit als Lawfare – “Justizkrieg” – bekannt, hat ihr Roxin wegen zunehmender Anwendung in Lateinamerika bereits groben Missbrauch vorgeworfen und die spanische Partei Podemos vor der Infizierung und gefährlichen Politisierung auch der spanischen Justiz gewarnt.“

Zum anderen „ist die grenzüberschreitende Ausuferung der Justiz-Politisierung auch als außenpolitischer Hebel der USA erkennbar, die mit der Ausweitung ihres “War on Terror” und der Unterzeichnung der Transatlantischen (TTIP) und Transpazifischen (TPP) Freihandelsabkommen die Globalisierung ihres Strafrechts durchzupeitschen versuchten. Was Politik-Wissenschaftler und Podemos-Theoretiker Juan Carlos Monedero zu folgendem Fazit veranlasste:

„Militärputsche sind hässlich, Foltern ist hässlich – also bilden die USA seit zehn Jahren Juristen für die politische Destabilisierung aus”.

Moro und der „War on Terror“ der USA

Kommen wir zurück auf General Guilherme Theophilo. Er übernimmt die Leitung des strategisch bedeutsamen Nationalen Sekretariats für Öffentliche Sicherheit im Justizministerium Sérgio Moros. Es ist die Naht- und Befehlsstelle über die Bundespolizei (PF) und die militarisierten Landespolizeien (“Polícia Militar“), der geheimdienstlichen Aktivität und Grenzüberwachung, aber auch der Observierung und Bekämpfung „politisch motivierter Kriminalität“.

Theophilo spiegelt sich gern in den Kämpfen der kolumbianischen Streitkräfte gegen die Drogenkartelle von Cali und Medellin. Der General weiß, wovon er spricht, und das ist der Grund, weshalb Moro ihn in seinen Stab aufnahm.

Im Jahr 1979 absolvierte Theophilo eine Landser-Ausbildung in der kolumbianischen Elitetruppe, insbesondere in „anti-terroristischen“ Kampftaktiken gegen ehemalige kolumbianische Guerilla-Organisationen wie die FARC, M-19 und ELN. Somit qualifizierte sich der brasilianische Offizier für die Vertretung der außenpolitischen Doktrin der USA, die mittlerweile 7 militärische Stützpunkte in Kolumbien betreiben. Kernsatz dieser Doktrin ist die hirnrissige, unzulässige Gleichsetzung von schwerer Kriminalität – vor allem Geldwäsche, Drogen- und Waffenhandel – mit „Terrorismus“ und der damit verzahnten Kriminalisierung des politischen Aktivismus von links.

In einem Wort: Theophilo ist der unersetzliche „Läufer“ auf dem Schachbrett der Pentagon-, CIA- und FBI- sowie der israelischen Mossad-Strategie, lateinamerikanische Staaten in ihren „Krieg gegen den Terror“ zu involvieren.

„Judge Moro“: Trainee und Agent des US-State Department

Der notorische erste Schachzug der US-Strategie zur Involvierung fremder Staaten in ihren „Krieg gegen den Terror“ ist die Nötigung von Polizei und Justiz der „Bündnispartner“ zur Aufstellung sogenannter „Taskforces“ (Sondereinsatz-Kommandos/SEK) zur Bekämpfung schwerer Wirtschaftskriminalität, nach dem Vorbild des US-Department of Justice (DoJ) bzw. des FBI. Mit dem „Krieg gegen den Terrorismus“ erhielten diese SEKs jedoch zunehmend militärische Aufgaben, die die USA zunächst durch Verträge mit dem FBI seit Beginn des neuen Millenniums Brasilien aufzunötigen versuchten, die von der Regierung Luis Inácio Lula da Silva bis zum Ende ihrer Amtszeit im Jahr 2010 jedoch abgelehnt wurden.

Ein Jahr zuvor, im Oktober 2009, änderten die USA ihre Taktik im Umgang mit der brasilianischen Regierung, nämlich durch Unterwanderung. Mit einer „Regionalkonferenz“, unter Beteiligung mehrerer lateinamerikanischer Justiz- und Polizeivertreter, veranstaltete das State Department vom 4. bis 9. Oktober 2009 in Rio de Janeiro ein Schulungs-Seminar mit dem pleonastischen Titel „Illegale Finanzverbrechen (“Illicit Financial Crimes”), von dem die Welt dank Julian Assanges Initiative erfuhr.

Im Abschnitt „Terrorism brought to the forefront“ („Terrorismus in den Vordergrund gerückt“) feierte Schulungs-Referentin Shari Villarosa – US-Diplomatin und stellvertretende Koordinatorin für Terrorismusbekämpfung im Bureau of Counterterrorism (CT) – die Vereinnahmung bzw. die Infiltrierung der brasilianischen Justiz durch das State Department.

Im 5. Abschnitt (SBU) des Seminarberichts erklärte Villarosa: „Anstatt der häufigen Infragestellungen, wie es im Umgang mit Brasiliens Außenministerium oder Mitgliedern der Exekutive passiert, fanden Vertreter der Justiz das Konferenzthema (Terrorismus) äußerst interessant und wichtig. In den Nachkonferenz-Evaluierungen rangierte die Terrorismusbekämpfung als am häufigsten nachgefragtes Thema für Folgetrainings und zeigte eindeutig, dass Bundesrichter, Staatsanwälte und andere Strafverfolgungsbehörden weniger um das politische Minenfeld rund um den Begriff besorgt sind, sondern interessiert lernen wollen, wie der Kampf gegen den Terrorismus effektiver in die Strafverfolgung einbezogen werden kann“.

„Zwei große Stadtzentren mit nachgewiesener gerichtlicher Unterstützung für Fälle von Finanzdelikten – insbesondere Sao Paulo, Campo Grande oder Curitiba – sollten als Ort für diese Art von Training ausgewählt werden, sodann können Arbeitsgruppen gebildet werden“, heißt es ferner in dem von einer Funktionärin namens „Kubiske“ unterzeichneten Bericht. Eigene Folgerecherchen ergaben, dass es sich um Lisa Kubiske, stellvertretende Assistentin beim Staatssekretär für internationale Finanzen und Entwicklung des State Department, handelt, die zwischen 2008 und 2011 als stellvertretende Missionschefin in Brasilien diente.

Curitiba als Operationsbasis des Department of Justice

Curitiba ist Sitz des bis vor wenigen Wochen von Sérgio Moro präsidierten Bundesgerichts TRF3 und der Einsatzgruppe Lava Jato und diente über Jahre hinweg als Szenario diskreter, aber systematischer Intervention des US-Departments of Justice (DoJ) in innere Angelegenheiten Brasiliens während der Amtszeit der Präsidenten Lula und Dilma Rousseff.

Wie das investigative nordamerikanische Nachrichtenportal Brasil Wire ermittelte, wurde nicht nur Moro vom „International Visitor Leadership Program“ des State Department „weitergebildet“, sondern Kenneth A. Blanco – stellvertretender Generalstaatsanwalt im DoJ – begrüßte in einer Rede vom Juli 2017 im Think Tank Atlantic Council die enge Zusammenarbeit zwischen dem DoJ und Lava Jato mit den Worten, „die Zusammenarbeit zwischen der US-Justizbehörde und Brasilien hat zu außergewöhnlichen Ergebnissen geführt. Allein im letzten Jahr hat die Unterabteilung für Betrug der Kriminalabteilung und die brasilianische Task Force Lava Jato in vier FCPA-Fällen kooperiert und Beschlüsse koordiniert“.

Doch Blanco hatte einen besonderen Grund zum Feiern: „Indeed, just this past week, the prosecutors in Brazil won a guilty verdict against former President Lula da Silva…“ – „Tatsächlich haben die brasilianischen Staatsanwälte in der vergangenen Woche ein Urteil gegen den ehemaligen Präsidenten Lula da Silva gefällt…“, dankte der US-Funktionär seinen brasilianischen Trainees.

Epilog: Moros Angriff auf die Gewerkschaften

Wie in anderen acht Fällen überstürzter Ankündigungen machte Präsident Jair Bolsonaro auch einen Rückzieher in seiner Entscheidung, das brasilianische Arbeitsministerium abzuschaffen. Stattdessen wird es auf zugleich lächerliche und drakonische Art und Weise zerschlagen und dreigeteilt unter die Fittiche des neoliberalen Wirtschaftsministeriums, ferner der Ministerien für Bürgerbelange und der Justiz gestellt. Was, zum Teufel, fragten sich zahlreiche Brasilianer, hat das Justizministerium mit Gewerkschaftsfragen am Hut?

Sehr viel. Von seinen Hintermännern in Uniform instruiert, erwartet Bolsonaro von Justizminister Sérgio Moro die politische Kontrolle, selbstverständlich mit der nachrichtendienstlichen Bespitzelung, Bedrohung, Verfolgung und Kriminalisierung der zumeist progressiven, jetzt oppositionellen Gewerkschaftsführungen. Moro gab bekannt, „Unregelmäßigkeiten“ in der Finanzierung der Gewerkschaften müssten untersucht und bekämpft werden, und kündigte an, ein Kommissar der ihm unterstellten Bundespolizei (PF) werde das Gewerkschaftsleben und die Registrierung neuer Gewerkschaften überwachen.

Die Vorsitzende der Arbeiterpartei, Gleisi Hoffmann, warnte vor einem Auftakt der Gewerkschafts-Kriminalisierung. „Die Zerschlagung des Arbeitsministeriums und der Vertretung der Arbeiter und Arbeiterinnen werden zum „Kriminalgegenstand“. Die Kriminalisierung der Gewerkschaftsbewegung beginnt – eine Aufgabe, die Moro meisterhaft erfüllen wird“, warnte die ehemalige Senatorin und Ende 2018 gewählte Abgeordnete.

„Demokratie in der Form, wie wir sie kannten, wird nicht mehr existieren“, warnte bereits im November 2018 Ricardo Semer, einer der wenigen demokratisch gesinnten brasilianischen Richter, und prophezeite das Ende des demokratischen Rechtsstaats. „Was jedoch nicht bedeutet, dass die etablierte Macht sich nach wie vor auf Gewehre und Bajonette stützen muss, um ihre Zensuren und Entscheidungen abzuschotten. Es ist anzunehmen, dass wir nicht wie zur NS-Zeit Polizisten erleben werden, die sich über Richter hinwegsetzen. Wer aber bestreitet, dass sich nicht längst eine Kultur von Richtern mit selbstauferlegten Polizei-Attributen etabliert hat?“

Titelbild: A.PAES/shutterstock.com

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